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Welt-Bilder | 09 | Welt-Bilder der Aufklärung - 11.12.2012

Created at 9. Jul. 2016

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by dorftv

Univ. Prof. Dr. Walter Ötsch
Vorlesung „Themen und Theorien der Kulturwissenschaften I“ an der Johannes Kepler Universität Linz im Wintersemester 2012

9. Stunde, 11.12.2012
Welt-Bilder der Aufklärung

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1. Überblick über den bisherigen Gedankengang in der Vorlesung

Ziel: eine Einführung zu einer Kulturgeschichte der Wahrnehmung, verbunden mit Konzepten des Bewusstseins und des Geistes

Wahrnehmung der Götter
Keine Begriffe für die Wahrnehmung eigener „Innen-Welten“
Personen von „außen“ definiert, z.B. durch Sippe
Dynamisch-flackernde Kategorien
Zusammenhang mit Zuständen?: Energieschübe, Gefühlseinbrüche
Keine Verantwortung, keine Schuld, kein Gewissen
Odyssee
Odysseus: ein Simulationsraum, Täuschungen kollektiv geteilt
Ilias
Vorsokratische Philosophien
„Außen“: ein System („Das Sein“, kósmos, tó théion) ßà „innen“ ein Raum (die Seele)
Dynamisch fließende Konzepte (z.B. Welt aus Wasser oder Luft)
Fließende Sinne: Poren-Konzepte
Ekstatische Zustände, Erleben intensiver Atmosphären
Das Ge-Wissen
Als Meta-Instanz in und über die Inhalte der „Innen-Welt“
Sokrates
daímonion, von Apollo verliehen
eine innere Stimme: autorativ, inspirativ und reflexiv
Plato
ein Innen-Raum und eine Ordnung außen
Die vernünftige Seele (als praktische Aufgabe), Seele-Leib-Problem
Die vernünftige Welt-Seele
Die ausgezeichnete Rolle der Vernunft
Philo von Alexandria
Eine erste „Theorie“ des Bewusstseins
Das Gewissen als Ankläger, Richter und Zeuge
Paulus von Tarsus
Bewusstsein (syneidos, sinéidesis) als innere Eineit, nur der Person selbst bewusst
Augustinus
Der erste Theoretiker des „Innen-Raums“: Gewissheit und Wahrheit findet sich im „Inneren“ des Menschen
Gott als reiner Geist
Gott als Vernunft
Die personale Seele im Kontakt mit Gott
[Frage zur Seele bei Augustinus]

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2. Exkurse: Allgemeine Bemerkungen zur Kulturgeschichte

1. Was ist eine Kulturgeschichte Gottes?

2. Anmerkungen zu der Art von Kulturgeschichte, die hier vorgestellt wird

Musterbildung als wissenschaftliche Erfindung
Wie wird die Differenz zwischen den Mustern interpretiert? Eine Warnung vor Geschichtsphilosophien und Geschichtsdeterminismen

3. Exkurs: „die“ Geschichte als neues Konzept in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Verbindung mit dem Konzept „des“ Fortschritts

4. Noch eine Bemerkung: Kulturgeschichte kann man immer nur von einem bestimmten Standpunkt aus machen.

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3. Die Verknüpfung von Freiheit, Vernunft und Moral in der Renaissance des Mittelalters

1. Vorformen in der Renaissance des Mittelalters

ein „verinnerlichteres“ Christentum
In der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts wird im Rahmen der Christologie zum ersten Mal eine Metaphysik menschlicher Freiheit (auf der Basis einer Ontologie des moralischen Seins) formuliert.
Alexander von Hales (1185-1245): Christus besitzt drei Seinsweisen:
subjectum: Christus in seinem „natürlichen Sein“ (esse naturale), die Ordnung der Natur
individuum: Christus in seinem „vernunfthaftem Sein“ (esse rationale), die Ordnung des Vernünftigen
persona: Christus in seinem „moralischen Sein“ à Ordnung des Moralischen, esse morale.
Die „Person“ besitzt die „Seinsweise“ eines „moralischen Dings“ à ihr kommt Freiheit zu à sie besitzt „Würde“.
Gibt es ein Konzept von „Menschenrechten“ im Mittelalter?

2. Naturrechtslehren

Argumente mit „der Natur des Menschen“
„Der“ Mensch ist moralisch und vernünftig. Deswegen kommen ihm Rechte zu.
Das Beispiel von Samuel (von) Pufendorf (1632 -1694):

„De iure naturae et gentium“ 1672
kleidet die scholastische Lehre vom ens morale in ein neuzeitliches Gewand
gilt als Begründer der neuzeitlichen Naturrechtslehre
Rekurs auf Descartes und Hobbes
Exkurs: Thomas Hobbes (1588-1679): Leviathan 1651

o die Begründung der neuzeitlichen Theorie des Staates
o die erste große Sozialphilosophie der Neuzeit
o eine erste Anwendung der Philosophie von Descartes auf gesellschaftliche Fragen
o „Natur“ des Menschen: Kampf aller gegen alle, Krieg aller gegen alle
o Um „Naturzustand“ zu beenden, gehen Menschen Verträge ein à Staatsvertrag der Individuen begründet den Leviathan (als absolutistischen Staat)
o Aus Freiheitsrechten der Individuen durch Vernunft zum Staat
o Der Staat fußt auf Individuen, nicht auf göttlichem Gebot.
o Vernunft ist hier instrumentelle Vernunft

Die Philosophie ruht bei Pufendorf auf einem festen Fundament: der Mensch als moralisches Menschen

Person – Vernunft – Moral

[Frage zum Vernunft-Begriff:
inhaltliche und instrumentelle Vernunft,
das Konzept des Homo eoconomicus
kann Vernunft die „Triebe“ transzendieren?]
[Frage zum latenten Materialismus bzw. Atheismus bei Hobbes]

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4. Die Epoche der Vernunft: die Zeit der Aufklärung

Nach Descartes wird die Vernunft universell für alle Wissensbereiche
Folge: der Mensch wird als vernünftiges Wesen (Person) gedacht
Folge: Die vernünftige Natur des Menschen fundiert das politische Programm des Bürgertums gegen den Feudaladel.
Welt-Bild und Menschen-Bild und Gesellschafts-Bild (Politik)
Verknüpfung mit Gottes-Bild: Deismus (Theismus)
Gott ist transzendent, in Ferne zur Welt und greift nicht in das Weltgeschehen ein.
Gott als Schöpfer der Welt
Die Welt als Maschine, gelenkt von Naturgesetzen
Skepsis zu „Wunder“

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5. Naturtheologie

Die Welt ist das Produkt des Design Gottes. Dieser Plan fundiert eine Ordnung. Die erkennbare Ordnung der Welt ist ein direktes Resultat des Design Gottes.
Naturgesetze sind moralische Kommandos eines wohlwollenden Gottes an die Natur. Die Natur besitzt in dieser Hinsicht moralische Qualitäten.
Der wahre Glaube ist praktischer Natur.

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6. Exkurs: Die schottische Moralphilosophie

Anthony Ashley Cooper
Francis Hutcheson: Die Menschen besitzen einen „Moralsinn“
Adam Smith (1723-1790) als Moralphilosoph (Theory of Moral Sentiments 1759) und als Theoretiker des Kapitalismus (The Wealth of Nations 1776): Die commerce society als die moralischste Gesellschaftsform der Geschichte

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7. Politische Beispiele

(a) Niederlande, nach Unabhängigkeit von Spanien (endgültig 1648)

„Republik der 7 Vereinigten Niederlande“ als radikal dezentralisierter Staat
Religiöse Toleranz und weitreichende Pressefreiheit
Ein funktionierendes Rechtssystem, welches auf der Herrschaft des Rechts und Heiligkeit von Besitz und Verträgen beruht
(b) England

•„Glorreiche Revolution“ 1688 à Bills of Rights
die Levellers als erste liberale Gruppe
(c) Geschichte der Menschenrechte

1791 Bills of Rights
1789 Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in der französischen Revolution
1948: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO

http://www.walteroetsch.at/videos-von-vorlesungen/videos-zur-vorlesung-…

Videoproduktion: Alexander Grömmer und JKU
Video auf youtube: http://bit.ly/29p1fTj

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