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Reporters Without Borders: What does journalism mean?

Created at 6. Nov. 2025

by Martin Wassermair

Im Vorfeld der 40-Jahr-Jubiläumstage von RSF International von 13. - 15. November 2025 hat auch Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich ein Video in englischer Sprache beigetragen, das drei grundsätzliche Fragen der Pariser Zentrale zu Journalismus als demokratische und gesellschaftliche Verantwortungspraxis in Österreich beantwortet.

Hier die deutschsprachige Version:

  • Was bedeutet Journalismus für euch?

Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich setzt sich aus Personen mit unterschiedlichen professionellen Hintergründen zusammen. Die verschiedenen Standpunkte und Sichtweisen sind eine besondere Stärke der kleinen österreichischen Sektion. Dennoch lässt sich eine gemeinsame Klammer deutlich zusammenfassen: Für uns ist Journalismus weit mehr als bloße Informationsvermittlung – wir verstehen ihn als unverzichtbare Säule demokratischer Teilhabe und als Instrument, um gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen. Journalistinnen spielen eine zentrale Rolle, komplexe Realitäten sichtbar zu machen, Machtverhältnisse kritisch zu hinterfragen und jenen eine Stimme zu geben, die sonst kaum Gehör finden.

Journalismus bedeutet aber auch, Mut und Haltung zu beweisen – gerade in Zeiten politischer Polarisierung, von Kriegen und sozialen Spannungen. Zu den Aufgaben des Journalismus zählt unter anderem, Narrative zu entwickeln, die Menschen in ihrer Zuversicht auf eine Welt in Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden bestärken. Dabei geht es nicht um neutrale Distanz im Sinne von Gleichgültigkeit, sondern um eine engagierte, differenzierende Berichterstattung, die Orientierung bietet und Empathie fördert.

Journalismus existiert also keineswegs isoliert: Pressefreiheit, Unabhängigkeit und der Schutz von Medienschaffenden sind Grundbedingungen einer funktionierenden Demokratie. Nur wenn Journalistinnen frei und kritisch arbeiten können, lässt sich eine Öffentlichkeit herstellen, die politische Teilhabe ermöglicht. In diesem Sinn betrachten wir Journalismus als gesellschaftliche Verantwortungspraxis, die dazu beiträgt, Zusammenhalt, Dialogfähigkeit und Vertrauen in demokratische Prozesse zu stärken.

  • Was ist der wichtigste Grundlagentext für den Journalismus in Ihrem Land? 

Intellektuelle Köpfe in Österreich machen sich seit geraumer Zeit kritische Gedanken zu Demokratie, Meinungsfreiheit und Menschenrechten in Österreich. Ob Marlene Streeruwitz, Robert Menasse, Elfriede Jelinek oder Thomas Bernhard – sie alle warnen unablässig vor einer totalitären Entwicklung, die nicht zuletzt auch die freie Presse zum Schweigen bringen will.

Die österreichische Sektion von Reporter ohne Grenzen ist selbst tief verankert in medienkritischen und medienpolitischen Diskursen und kann daher mit zahlreichen öffentlichen Auftritten und Publikationen selbst als wichtige Referenz für eine Bestandsaufnahme von Demokratie und Informationsfreiheit betrachtet werden.

  • Welches einzelne Wort fasst die größte Herausforderung für den Journalismus in Ihrer Region im Jahr 2025 am besten zusammen?

Die Antwort muss lauten: Volkskanzler. Viele bezeichnen das Medienjahr 2025 in Österreich bereits als Annus horribilis, das kurzzeitig vom Drohszenario einer Bundesregierung unter Führung der rechtsextremen FPÖ eingeläutet wurde. Parteichef Herbert Kickl hat versprochen, ein "Volkskanzler" sein zu wollen – eine beispiellose Provokation, denn auch Adolf Hitler brachte sein nationalsozialistisches Terrorregime als selbsternannter "Volkskanzler" an die Macht.

Die Gefahr konnte zu Jahresbeginn abgewendet werden. Dennoch bleibt die Sorge bestehen, dass die stärkste politische Kraft im Land die allgemeine Stimmung weiterhin gegen kritischen Journalismus und unabhängige Medien aufbringen wird. Zugleich werden unter dem ökonomischen Druck in vielen Redaktionen Stellen abgebaut, was die journalistische Widerstandsfähigkeit auf längere Perspektive nachhaltig schwächen wird. Reporter ohne Grenzen ruft in Österreich deshalb zu großer Wachsamkeit und mehr Wehrhaftigkeit gegen illiberale und totalitäre Tendenzen auf.

 

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