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Manuela Kerer - IO

Created at 30. Jan. 2020

3784 Ansichten
by DORFbrunnen

Manuela Kerer i/o
Jodeln fasziniert mich seitdem ich denken kann. Dieses Überschlagen der
Stimme auf Silben ohne Wortbedeutung finde ich herrlich, wunderbar, skurril,
befremdlich und dennoch mir irgendwie nahe. Ich bin Südtirolerin und es
heißt, je steiler die Berge desto höher die Jodler. Vielleicht hängt es damit
zusammen. Gejodelt haben die Alpenmenschen schon seit langem, man
nutzte es zur Kommunikation, einer sehr kreativen versteht sich. Gerufen
wurden Menschen und Tiere. Lange Zeit hatte das Jodeln jedoch keinen sehr
guten Ruf. Nur Grobschlächtler jodelten, war die gängige Meinung. In letzter
Zeit hingegen erlebt der Jodler eine wahre Renaissance. Es gibt Jodelseminare,
Jodelyoga, Jodelweltrekorde, Jodelmeister, #jodel. Gern vereinnahmt auch
um den Begriff Heimat populistisch zu missbrauchen, was ich nicht zulassen
möchte. In fast jedem Musikgenre hat der Jodler Einzug gehalten. Warum in
aller Welt gibt es dann aber keinen reinen zeitgenössischen-E-Musik Jodler?
Trotz inhärenter Mikrotonalität, experimenteller Klänge und der wichtigen Rolle
der Naturtonreihe. Vielleicht passt er nicht in die zeitgenössische Musikszene.
Darauf pfeif ich. Ich lass` meine Musik jodeln, leise, laut, abstrakt. Dazu habe
ich mich in letzter Zeit intensiv mit den mit dem Jodeln verwandten Hirtenrufen
beschäftigt – Lockrufe, die heute wahrscheinlich ähnlich wie vor 500
Jahren klingen. Hart ist das Leben in den Bergen. Und schön. Beides hört
man, weshalb ich diese Hirtenrufe teilweise transkribiert und eingebaut habe.
Ebenso wie Jodel- charakteristische Silben und natürlich der exzessive Wechsel
von Brust- zu Kopfstimme, also alles, was ein Jodler laut Definition
braucht. i/o (input/output) ist ein Begriff aus der Informatik und steht für die
Kommunikation bzw. Interaktion eines Systems mit seiner Außenwelt, wie u.a.
seinen Benutzern. Nichts anderes tat und tut das Jodeln.

Manuela Kerer (*1980 Brixen/Südtirol/I) staunt gern und ist ständig auf der
Suche nach neuen Klängen, Überraschungen und Herausforderungen. Sie
schloss neben den Studien am Tiroler Landeskonservatorium (Komposition
und IGP Violine) die Studien der Rechtswissenschaften und der Psychologie
an der Universität Innsbruck ab (Dissertation: Musik und Demenz). Weiterführende
Kompositionsstudien führten sie zu Alessandro Solbiati nach Mailand.
Werke von M. Kerer entstanden für das Solistenensemble Kaleidoskop Berlin,
das Klangforum Wien, die reihe, die Bayerische Kammerphilharmonie oder für
Ausnahmekünstler wie Julius Berger und Maja Ratkje. Sie wurden bei Festivals
wie der Münchener Biennale für zeitgenössisches Musiktheater und Wien
Modern oder in den Konzerthäusern Berlin und Wien, auf Kampnagel Hamburg,
in der Accademia Filarmonica Romana und im ACF New York aufgeführt.
Manuela Kerer erhielt zahlreiche Preise, darunter den Förderpreis Walther von
der Vogelweide (2009), den SKE Publicity Preis (2011) und das Österreichische
Staatsstipendium für Komposition (2008, 2011 und 2016). Im Jahr 2009
wurde die Komponistin vom Ausschuss der Europaregionen als eines von
europaweit 100 „young creative talents“, 2012/2013 vom österreichischen
Außenministerium für das Programm „New Austrian Sound of Music” ausgewählt.
2015 erhielt sie das Internationale Arbeitsstipendium „Composer in
Residence – Komponistinnen nach Frankfurt“, 2016 war sie Composer in
Residence des Festivals St. Gallen/Steiermark. Kerers Werke erscheinen im
Verlag Breitkopf & Härtel. Sie wurden auf zahlreichen CDs eingespielt, eine
Porträt-CD erschien im Rahmen der ORF Edition „Zeitton“.

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Interpretiert würde das Stück am Di 03.12.19 von Neue Vocalsolisten Stuttgart im Rahmen des Festivals "Leicht über Linz".

Neue Vocalsolisten Stuttgart sind:

Johanna Vargas, Sopran
Susanne Leitz-Lorey, Sopran
Truike van der Poel, Mezzosopran
Martin Nagy, Tenor
Guillermo Anzorena, Bariton
Andreas Fischer, Bass

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Dem Musikschaffen der Gegenwart widmet sich heuer zum vierten Mal in Zusammenarbeit mit der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik Oberösterreich das Festival Leicht über Linz, das mit zahlreichen Konzerten, Vorträgen und Performances von Studierenden, Absolvent*innen, Professor*innen und internationalen Gästen die Bruckneruniversität bespielt. Zu Gast sind neben den Neuen Vocalsolisten Stuttgart unter anderem das Contemporary Pop Duo „Nimikry” sowie Manuela Kehrer, die als Composer in Residence gewonnen werden konnte.

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