+

Cassette Culture Node.Linz - Vortrag Wolfgang "Fadi" Dorninger

Created at 6. Jul. 2018

7553 Ansichten
by fadi

Vortragsabend - 25.6.2018
Wolfgang Dorninger „Was kann ich von Cassette Culture 2018 mitnehmen“

CASSETTE CULTURE NODE.LINZ - eine Ausstellung
Kurator: Wolfgang Dorninger
http:/dorninger.servus.at
http://www.base.at/ccnl/

OÖ Kulturquartier
Ursulinenhof Foyer
22.06. - 14.07.2018
täglich geöffnet von 16.00 - 22.00 Uhr
Programm zur Ausstellung: http://www.base.at/ccnl/info/programm/

Cassette Culture
It is characterized by the adoption of home recording by independent artists, and involvement in ad-hoc self-distribution and promotion networks - primarily conducted through mail and fanzines. The culture was in part an offshoot of the mail art movement of the 1970s and 1980s, and participants engaged in tape trading in addition to traditional sales. The culture is related to the DIY ethic of punk, and encouraged musical eclecticism and diversity. (Wikipedia)

Node
Ein Knoten (engl. node) bildete im Bereich Cassette Culture die Verbindung zweier ProducerInnen als Austauschpunkte im Bereich Mail Art. Einem Schnellballprinzip gleich wurden Tapes, Postkarten, Poster oder Fanzines getauscht und weitergetauscht in einer Vernetzungsstruktur ähnlich dem heutigen Internet.

Node Linz
DIE IND, das Cassette-Label von Wolfgang „Fadi“ Dorninger fungierte von 1984-1993 als Knoten Linz. Mit der internationalen Cassettecompilation TAPE REPORT (C-60 Tape & Booklet, 1985-1990) vernetzte sich DIE IND weltweit und mit der lokalen Cassettecompilation FADI The SAMPLER LINZ (1984-1988) die unterschiedlichsten Musikgenres von Linz. Weiters veröffentlichte DIE IND Tapes von Bands wie Psyclones (USA), Maybe Mental (USA), Problemist (USA), Monochrome Bleu (A), Josef K. Noyce (A). DIE IND Artists veröffentlichten Stücke auf über fünfzig Cassettecompilations weltweit. Konzerte, Tourneen, Schlafplätze und künstlerische Kooperationen resultierten aus dem Netzwerk. Ausstellung Cassette Culture – Node Linz

Einleitung
Anfang 1984 wollte ich mit meinen Bands ROI und Monochrome Bleu zum ersten Mal Musik auf einen Tonträger bannen. Beide Gruppen spielten dazumals nicht live, der Sound war weder Punk, noch Avantgarde, schon gar nicht Pop, sondern Noise. Und dafür gab es 1984 in Österreich weder Markt noch Mittel. Kleinauflagen sowohl für Vinyl und Kassetten waren damals unerschwinglich. Die industriell kopierten Kassettenproduktionen klangen noch dazu schlecht und konnten die gewünschte Tonqualität nicht liefern. Also blieb nur DIY (Do It Yourself), die Kassetten selbst zu kopieren. Als die erste Kassettenproduktion „Leider Nur Im Wohnzimmer“ - eine Compilation - vertriebsbereit war, gab es nur das nahe Umfeld, den Wahn & Sinn Laden in Linz und ein paar Wiener Kassettentäter wie Chris Uhl mit denen man sich austauschen konnte. Und trotz Tape gab es kaum Auftritte, keine Bühne, weil musikalisch alles "too strange"! Begonnen und schon wieder aus, so schien es, wäre mir nicht die „Band-It“ Tape-Compilation mit Booklet aus München in die Hände gefallen. Dort las ich zum ersten Mal von Cassette Culture. Auf einmal hatte ich eine Bühne, war ich vernetzt und spielte kurz darauf mit Monochrome und Josef K. Noyce unzählige Male in den USA und sonst wo in Europa. Und immer selbstorganisiert. Die Philosophie des DIY, die Vernetzungsstrategien der Cassette Culture und den kreativen Output von Mail Art führte ich auch lokal in den Diskurs ein. Dokumentiert wird dieser Input durch die FADI The SAMPLER LINZ Tapecompilations mit unvergessenen Präsentationen in der Stadtwerkstatt und dem Cafe Landgraf und später durch die 7inch12 Reihe. Mein Input galt auch dem Freien Radio und jeder Form der Vernetzung bis heute. Bemerkenswert ist, dass die meisten Aktivisten der Cassette Culture heute immer noch aktiv sind und ihre Strategien immer noch praktizieren, auch wenn sich da und dort das Medium geändert hat.

Content
Drei Schlagwörter tragen die Ausstellung: regional, international, vernetzt. Der Arbeitstitel lautet: Tu‘ es selber, vernetze dich, beschränke dich auf kein Medium, verweigere jede Form von Einschränkung und erweitere deinen Handlungsraum. Das N D Magazine aus Austin, Texas führte auf dem Cover den Untertitel Content – Document – Exchange an und unter diesem Motto segelte auch ich, Wolfgang Dorninger, durch die internationalen Gewässer der Mail Art mit Schwerpunkt Cassette Culture. Unzählige Briefe, Beiträge in Fanzines, langanhaltende Diskurse, selbstorganisierte Konzertreisen zu anderen Nodes und zahlreiche überschreitende Kooperationen schufen ein Netzwerk, das ohne großen Masterplan langfristige und weitreichende Auswirkungen auch für das lokale Musikschaffen in Linz hatte. Und das wird ausgestellt. Die Ausstellung soll aber auch helfen den Status Quo der neuen Vernetzung durch Soziale Medien und Social Tools zu hinterfragen, damit sich das Ich und Wir, unser Output und unsere Kultur sich nicht als Datenfutter der Artificial Intellegence in sich auflöst.

Was gibt es in der Ausstellung zu sehen und zu hören: Kassettenproduktionen, Coverart, Fanzines, Flyer, Briefe, Videos, Interviews. Rahmenprogramm: Tägliche Führung, zwei Veranstaltungen pro Woche. Ausstellungsauer: 3 Wochen.

Relevanz
Cassette Culture fand den Weg kaum in Musikmärkte, noch in Museen und stieß nur selten im wissenschaftlichen Diskurs auf Aufmerksamkeit. Trotz globaler Vernetzung und üppigem Output schien Cassette Culture, ähnlich wie Mail Art, nur im eigenen Handlungsraum zu existieren. Alles DIY - selbst zu machen , schaffte jenen Freiraum, der scheinbar vor Mainstream und Kommerzialisierung Schutz bot. So gesehen, steht Cassette Culture als DIY-Bewegung als Vorläufer für Hackerspaces, Repair Cafes, Freier Software oder Netlabels Pate. Die Strategien dieser Bewegung sind von großer Relevanz, weil sich die Musikproduktion zukünftig nahezu „musikerfrei“ mittels Künstliche Intelligenz (AI) selbst erzeugen und vermarkten wird.

Zukunft
Im Rahmen der Ausstellung werden Vorträge zu Zukunftsfragen des Musikschaffens mit anschließender Diskussion stattfinden. Fakt ist, dass Künstliche Intellegenz (AI) in Zukunft die Musikproduktion in vielen Bereiche radikal verändern wird. Die Digitalisierung hat die Musikschaffenden bereits in den letzten Jahren massiv vom Markt entkoppelt, obwohl gleichsam mehr den je Musik gehört, produziert und abseits vom Musikschaffen monetarisiert wird. Ist Hausmusik dann eine Widerstandsform? Oder Musikinstrumentebau? Schaffen wir es dann, abseits globaler Player, eigene Kommunikationsformen und Netzwerke zu entwickeln, die freien Austausch ermöglichen? Wir wollen nicht zeigen wie man den Stecker zieht, sondern wie man nicht ausgeschaltet, ausgeblendet und unmündig gemacht wird. Und das kann für den Musikbereich und darüber hinaus die Strategie einer „alten“ Kulturform wie Cassette Culture ein brauchbares Tool darstellen.

To activate the slide show, simply click on the bracket or the picture border in the right edge of the picture.

Share & Embed
Embed this Video

Link to this Video

Add new comment

login or register to post comments.