Kommentar zu „Stalinka – Hitlerbau“

Die Künstlerin Elisa Andessner und Denis Romanovski, ebenso Künstler, haben in den Jahren 2009 und 2010 in Minsk (Belarus), sowie in Linz, Interviews mit Bewohner*innen von „Hitlerbauten“ bzw. von „Stalinkas“, geführt. Dazu wurden von ihnen auch andere Künstler*innen und Expert*innen befragt, die sich mit mit dem Thema „Architektur des Nationalsozialismus“ oder „des sowjetischen Regimes“ befassen.

Was „Stalinkas“ oder „Hitlerbauten“ sind, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es zu diesen Bauwerken gibt, dazu können Interessierte das Video auf https://dorftv.at/video/42763 nachsehen und / oder den bereits von mir verfassten Blogartikel unter https://www.dorftv.at/node/42979 lesen.

Ich wohne seit mittlerweile 4 Jahren am Linzer Spallerhof. Die Gebäude dort fallen auch in die Kategorie „Hitler-Bau“. Ausgehend von der Industrialisierung der Stadt im Jahre 1938, waren die Hermann Göring Werke errichtet worden. Dem damit einhergehenden Bedarf nach Wohnungen, wurden unmittelbar nach dem „Anschluss“ große, zumeist hofartige Wohnanlagen errichtet, von denen es in Linz noch viele gibt. *

Im Zuge meiner Arbeit am Projekt Digital Village, habe ich noch einmal eine andere Perspektive und zusätzliche Erkenntnis über meinen Stadtteil gewinnen können, welche ich in diesem Kommentar gerne mit euch teilen möchte.

Meine Wohnung am Spallerhof ist meine erste alleinige Wohnung. Ich habe mich aus freien Stücken und aus mehreren Gründen dazu entschieden, dort hin zu ziehen. In Andessners Video steht das Vorurteil im Raum, dass vermehrt Menschen mit rechtem Gedankengut in „Hitlerbauten“ wohnen. Dem möchte ich widersprechen. Personengruppen, die am Spallerhof leben, sind alleinstehende Senior*innen und junge Menschen bzw. junge Familien. Das heißt, meines Erachtens überwiegt der Zweck des sozialen Wohnbaus, der in der NS- Zeit als „soziale“ Maßnahme für die „Volksgemeinschaft“, beim Bau mitbedacht wurde.

Da die Wohnungen am Spallerhof zum Großteil im Besitz der WAG (Wohnungsgesellschaft) sind, sind sie für wenig Verdienende ebenso leistbar, was derzeit leider eine Rarität am österreichischen Wohnungsmarkt geworden ist.

Die Architektur ist eine sehr strikte. Die Gebäude sind hofartig angelegt, um möglichst wenig Platz zu bieten, den man nicht überwachen kann - was in der damaligen Diktatur natürlich sehr hilfreich war. Was ich an meiner Wohngegend sehr schätze, ist die Nähe zur Natur und das „Dorffeeling“, welches durch die Anordnung der Häuserreihen mit hunderten von Fenstern, aus denen alle Bewohner*innen die selbe Aussicht haben, entsteht. Die Nachbarschaft ist wie am Land und lässt mich an meinen Herkunftsort erinnern. In dieser Siedlung kennt man sich und durch das enge Beieinaderwohnen achtet man aufeinander.

Stichwort „Erinnern“. Gebaut wurden die „Hitlerbauten“ von Zwangsarbeiter*innen mit abgebauten Granit aus dem Konzentrationslager Mauthausen/Gusen. Dies ist eine geläufige Tatsache und darf nicht vergessen werden. Mit aufmerksamen Augen, kann man dort und da noch Hinweise auf die NS-Zeit finden. Wie z.B. das Kellerabteil meines Nachbarn, welches noch immer eine alte Luftschutztüre hat. Dennoch belastet mich dies nicht in meinem alltäglichen Leben, sondern lässt mein Interesse wachsen, mehr über den Stadtteil zu erfahren, da ich eben in einem „Hitler-Bau“ wohne. Das Vermächtnis der damaligen Zeit bleibt durch die Architektur erhalten, durch das darin Leben, wird aber gleichzeitig Platz für Neues geschaffen. Das ist, meiner Meinung nach, das Beste was passieren kann.

Verfasst von Marie-Therese Jahn am 06.10.2023

* Quellenhinweis: https://hdgoe.at/ns-wohnungsbau