Elisa Andessner und Denis Romanovski haben in den Jahren 2009 und 2010 in Minsk (Belarus), sowie in Linz Interviews mit Bewohner*innen von „Hitlerbauten“ beziehungsweise von „Stalinkas“, geführt. Ebenso wurden von der Künstlerin und dem Künstler wiederum andere Künstler*innen und Expert*innen befragt, die sich mit mit dem Thema „Architektur des Nationalsozialismus“ oder „des sowjetischen Regimes“ befassen.

Als „Hitlerbauten“ werden Wohnbauten in Linz bezeichnet, die in der Zeit des Nationalsozialismus geplant oder gebaut wurden. Eine „Stalinka“ ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für sowjetischen Wohnbauten, die unter dem Regime Josef Stalins in der damaligen Zeit der Sowjet Union gebaut wurden.

Die Architekturstile sollen den Zweck der Diktatur und dem Krieg durch die allseitige Kontrolle der Gesellschaft, bis fast in ihre Privaträume, erfüllen. „Stalinkas“, sowie „Hitlerbauten“ versuchen einer größtmöglichen Symmetrie zu folgen - Zimmer für Zimmer in Reih und Glied, gebündelt zu wenig bepflanzten Häuser-fluchten mit hunderten Fenstern. Den Betrachtenden könnte schnell ein Gefühl von Einförmigkeit und Unbehagen heimsuchen. Weiters sind die hofartig gebauten Siedlungen so angelegt, um stets gute Sicht darauf zu haben, was vor den Häusern passiert und wer auf den gleich aussehenden Parkbänken sitzt.

Nach Außen sollen sie den Reichtum der Länder repräsentieren. „ … es gibt keinen Platz zum verstecken, außer in deinen Privaträumen … sie sind zwar prunkvoll schön, aber schrecklich kalt und ungemütlich dort, sodass man schnell nach Hause möchte“ – Zitate von Befragten.

Dass die Wohnbauten einem potemkinschen Dorf ähneln, zeigt sich darin, dass in den Wohnräumen selbst an Qualität gespart wurde. Bei beiden Baustilen wird dies durch schiefe Winkel, einmalig verputzten Ziegelwänden und Decken, deren Innenleben häufig aus Stroh besteht, sichtbar.

Gebaut wurden die „Hitlerbauten“ von Zwangsarbeiter*innen mit abgebauten Granit aus dem Konzentrationslager Mauthausen/Gusen. Nicht nur die Tatsache, dass die Bezeichnung „Hitlerbau“ nach wie vor in Österreich normal im Sprachgebrauch verwendet wird, sondern eben auch dieser Fakt, sind geläufig. In Minsk waren deutsche Kriegsgefangen beim Bau der „Stalinkas“ beteiligt. Dabei unterscheidet sich aber, dass das Wort „Stalinka“ modern ist und eher selten in Belarus verwendet wird.

Für Bewohner*innen solcher geschichtsträchtigen Bauwerke steht aber nur in geringen Teilen die Geschichte im Vordergrund. Eine besorgte Stimme im Interview stuft dies als gefährlich ein, da dadurch noch nie „das Bewusstsein der Bevölkerung gebrochen wurde“. „Würde es das Wort „Hitlerbau“ nicht mehr geben, hätten Österreicher*innen überhaupt keinen Bezug mehr zum Nationalsozialismus“.

Andere Befragte in Minsk, als auch in Linz, bestätigen das Gefühl eines Zusammenlebens wie in einem Dorf. Das heißt, man lebt generationsübergreifend, mit einer bestimmten Ideologie, wo ein gewisses Vorrecht der Bewohner*innen herrscht, die hier schon am längsten Leben. Hierbei überwiegt die Idee eines sozialen Wohnbaus, welcher heutzutage ganz deutlich in den Siedlungen zu spüren ist. Menschen verbringen in diesen Wohnungen ihr Leben und ein kollektives Verständnis beruht nicht nur auf Zahlen und Fakten, sondern ist auch von vielen subjektiven Ereignissen geprägt. „In diesem Sinne bleibt zwar die Architektur, aber die Geister verändern sich“ – Zitat einer Befragten.

Verfasst von Marie-Therese Jahn am 23.09.2023 
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