„Männer müssen immer für Dates zahlen, Suizidraten sind bei Männern viel höher, Männer kriegen seltener das Sorgerecht für ihre Kinder…“

Solche Argumente hört man häufig von sogenannten Männerrechtlern. Sie meinen, Männer seien die wahren Unterdrückten in unserer Gesellschaft und Frauen seien der echte Feind. 
Das Interessante an solchen und ähnlichen Argumenten: Sie sind teilweise nicht falsch und haben oft einen wahren Kern. Es stimmt, dass es vielen, gerade jungen Männern, momentan nicht gut geht. Dieses Phänomen ist schon öfter als „Krise der Männlichkeit“ bezeichnet worden – es wird argumentiert, dass es jungen Männern an Vorbildern mangelt. 

Und es ist richtig, dass etablierte, dominante Männlichkeitsideale mittlerweile schwer zu erfüllen sind. Der klassische männliche Versorger, der seine Familie ernährt, existiert so praktisch nicht mehr. Zum einen hat sich das Frauenbild stark gewandelt, und zum anderen ist es unter den gegebenen wirtschaftlichen Umständen sowieso nahezu unmöglich, als einzelne Person eine drei- bis vierköpfige Familie zu ernähren. 

An dieser Stelle haben es sogenannte Männerrechtler und Männlichkeitscoaches wie zum Beispiel Andrew Tate geschafft, ihre Ideologie über die richtige Männlichkeit zu verbreiten und gleichzeitig den Feminismus und mitunter auch den sogenannten Genderwahn als Feindbild zu konstruieren. Tate und Co nutzen die Unsicherheiten junger Männer aus und schlagen daraus Profit. Sie lassen sich für Coachings und Online-Kurse teuer bezahlen, bei denen man angeblich lernt, wie man reich und erfolgreich wird. Das Ergebnis ist eine komplette Verzerrung der Realitätswahrnehmung ihres Publikums. 

Viele Männer halten sich für die Opfer des Feminismus und wollen nun Rache nehmen an emanzipierten Frauen, dabei ist das Problem viel eher das, was man als Patriarchat oder auch festgeschriebene Geschlechterrollen bezeichnen kann. 

Symptome wie die höheren Depressions- und Suizidraten sowie die Tatsache, dass Männer bei Scheidungen seltener das Sorgerecht für ihre Kinder erhalten, sind Nebenprodukte der Unterdrückung von Frauen und FLINTA Personen. 
Das funktioniert so: Frauen werden systematisch abgewertet; ihnen werden verschiedene Merkmale, wie zum Beispiel Emotionalität und Hysterie zugeschrieben, aber auch erhöhte Fähigkeiten als Mutter beim Umgang mit Kindern.
Für Männer bedeutet das im Umkehrschluss, dass sie nicht emotional sein dürfen, nicht über Gefühle reden dürfen und auch nicht um Hilfe bitten, wenn es ihnen schlecht geht – das würde schließlich bedeuten, sich auf die gleiche Stufe wie die Frauen zu stellen. 
Das Ergebnis: Männern fällt es schwerer, sich in Therapie zu begeben und zu kommunizieren, dass sie depressiv sind; so erhöht sich die Suizidrate. Beim Sorgerecht ist die Dynamik ähnlich: Müttern wird zugeschrieben, sich besser um die Kinder kümmern zu können und so erhalten sie eher das Sorgerecht. Das bedeutet aber auch, dass ein Großteil Care-Arbeit im Haushalt noch immer von Frauen verrichtet wird und Väter seltener in Elternzeit gehen usw. 
Der Punkt ist: Im Patriarchat werden Frauen systematisch unterdrückt, und daraus resultieren Dynamiken, die auch für Männer schädlich sind. Der 'Feind' sind dabei also eindeutig nicht die Frauen, sondern viel eher die spezifischen Geschlechtszuschreibungen, die uns in spezifische Kategorien zwängen. 

Verfasst von Vivian Grabowski am 07.02.2024. 

Quellen: 

Ging, Debbie, “Alphas, Betas, and Incels: Theorizing the Masculinities of the Manosphere”, Men and Masculinities, 22/4 2019, S. 638-657.  

Sauer, Birgit/ Penz, Otto, Konjunktur der Männlichkeit. Affektive Strategien der autoritären Rechten, Frankfurt: Campus Verlag, 2023. 

Valdivia, Mateo, “Alpha, Beta, Sigma. A Critical Analysis of Sigma Male Ideology”, Major Research Paper, University of Windsor, 2023.