In der aktuellen Folge der Hörstadtgespräche waren Susanne Breitwieser (Blinden- und Sehbehindertenverband Oberösterreich) und Tobias Buchner (Institut für Inklusive Bildung, PH Oö.) zu Gast. Im Gespräch mit den Moderatoren Peter Androsch und Reinhard Kren wird bei weitem nicht nur die inklusive Akustik behandelt, sondern auch ein weiter Inklusionsbegriff entwickelt und in Bezug auf verschiedene Bereiche ausgeführt. Hauptsächlich geht es um das Bildungssystem, demokratische Teilhabe, Technologie und die Rolle der Medien sowie um den ableistischen, behindertenfeindlichen Charakter von Charity-Organisationen.

Die Teilnehmenden verwenden einen Inklusionsbegriff, der über die Art von Inklusion hinausgeht, die man sich vielleicht klassischerweise vorstellt. Sie fordern nicht nur die Inklusion von Menschen mit Behinderung, sondern beziehen sich auf soziale Klassenunterschiede, verschiedene Sexualitäten und Menschen mit Migrationsgeschichte. Inklusion wird außerdem als aktiver Prozess gedacht anstatt als ein Endzustand, den es zwingend zu erreichen gilt. Ein solcher Begriff zielt nicht nur auf einzelne Sektoren der Gesellschaft wie zum Beispiel das Bildungssystem ab, sondern möchte letztendlich ein gesamtgesellschaftliches Umdenken erzielen. Trotzdem ist das Bildungssystem ein guter Ausgangspunkt für die Diskussion. Buchner beschreibt die Schule in der jetzigen Form als einen „Produktionsapparat von Unterschieden“. Es würden also zunächst Unterschiede hervorgebracht, und dann auch noch benotet. So lernen Kinder schon von klein auf, dass ihre Leistung immer bewertet wird und mit mehr Leistung auch mehr Privilegien einhergehen. Wer keine Matura hat, könne sich von seinem Berufsleben schlichtweg nicht so viel erhoffen wie Menschen mit Matura. Schon mit dem Bildungsgrad sind also ganz andere Teilhabe-Möglichkeiten verbunden. Gerade im aktuellen Diskurs um die Pisa-Debatte würde eigentlich sogar ein Hyperfokus auf Leistung gelegt. 
Dieses Denkmuster unterstützt die Exklusion von behinderten Menschen jedoch enorm. Im Gespräch erläutert Buchner ausführlich, wie die Machtdynamiken in der Gesellschaft zwischen behinderten und nicht-behinderten Menschen entstehen. Grundsätzlich kann man jedoch sagen, dass ableistische Ideen von der Unvollkommenheit und Hilfsbedürftigkeit behinderter Menschen noch immer sehr stark seien. Dieses Argument wird anhand des Charity-Vereins Licht ins Dunkel, welcher auch schon von Daniela Brodesser in Bezug auf Armut kritisiert wurde, erläutert. 
Und eigentlich ist die Wirkungsweise sehr ähnlich: Behinderte und von Armut betroffene Menschen gleichermaßen werden als hilfsbedürftig dargestellt und in die Bittsteller*innen-Position geschoben. Es heißt, sie würden weniger leisten, sodass man indirekt auch ihren gesellschaftlichen Ausschluss rechtfertigen kann. 
Dieses leistungsorientierte Bildungssystem wird von Bruchner mit dem inklusiven Bildungsmodell kontrastiert. Hierbei geht es darum, Unterschiede zwischen Schüler*innen abzubauen und sie zu befähigen und zu empowern, ohne sie ständig zu bewerten. Eine Grundüberzeugung, die alle Diskutant*innen teilen, ist, dass jeder Mensch der Gesellschaft über Potentiale und Ressourcen verfügt, die der Gesellschaft etwas geben können. Eine inklusive Gesellschaft würde Raum schaffen, allen Menschen eine Stimme verleihen und sie sicht- und hörbar machen. So würden sich durch zunehmende Inklusion eigentlich positive Handlungsräume für alle Menschen eröffnen.

Dabei, so Bruchner, spielen Medien und die mediale Repräsentation von behinderten Menschen eine zentrale Rolle. Ihm zufolge würde in den sogenannten Massenmedien hauptsächlich in zwei Kontexten über Menschen mit Behinderung berichtet: einerseits in Bezug auf die bereits erwähnten Charity-Events und andererseits beim Thema Paralympics und Sport. Doch eigentlich bräuchte es viel mehr Berichterstattung über die Rechte von Menschen mit Behinderung. Bruchner selbst ist Vorsitzender des unabhängigen Monitoring-Ausschusses Österreich, der prüft, inwieweit der Staat Österreich seinen Pflichten bei der Inklusion von Menschen mit Behinderung nachkommt. Theoretisch hat Österreich sich mit der Unterzeichnung der UN-Konvention Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtet, Inklusion zu fördern. Doch besonders beim bereits erwähnten Bildungssystem würde es extrem mangeln, so Bruchner.

Der Teilbereich Technologie und Inklusion wird ebenfalls kurz behandelt: Breitwieser, die selbst sehbehindert ist, berichtet von ihren Erfahrungen mit der Digitalisierung und Technologisierung. Dabei handele es sich um „Fluch und Segen gleichzeitig“. Teilweise sei es mit der „mühsam erarbeiteten Teilhabe mit einem Schlag wieder vorbei“. Einerseits würde ihr Smartphone ihr bei der Orientierung helfen, andererseits sei die Zunahme an Screens, vor allem im öffentlichen Raum, oftmals problematisch. Einmal sei sie in einen Fahrstuhl gestiegen, der kein mit Braille versehenes Tableau mehr hatte, sondern lediglich einen Screen ohne Vorlesefunktion. So ging die Fahrstuhltür hinter ihr zu und sie hatte keine Möglichkeit, den Lift zu bedienen geschweige denn die Türen wieder zu öffnen. Und bei der Eingabe vom Pin-Code am Bankomaten beispielsweise würde eine Vorlese-Funktion schlichtweg keinen Sinn ergeben. In dem Fall sei Breitwieser angewiesen auf den sogenannten Fühlpunkt auf der haptischen Tastatur des Automaten.
Ihr Appell: Man sollte immer schon bei der Planung von öffentlicher Infrastruktur alle Menschen mitdenken. So ließen sich spätere Klagen und Umbaumaßnahmen leicht vermeiden. 

In diesem Artikel konnte nur ein Bruchteil der Sendung wiedergegeben werden, hier findet ihr das vollständige Gespräch.

Verfasst von Vivian Grabowski am 20.12.2023.