In der aktuellen Ausgabe von Der Stachel im Fleisch diskutiert Moderator Martin Wassermair mit Antirassismus-Trainerin und Autorin Chantal Bamgbal und dem freien Journalisten Tori Reichel anhand des Zirkus Afrika Afrika!, inwiefern exotisierende Bilder rassistische Vorurteile und Diskriminierung bestätigen und verstärken.

Als erstes wird der Begriff Rassismus von Bamgbala definiert: Sie beschreibt Rassismus als eine „Theorie von Ungleichheit“ und somit per se als Diskriminierung. Aufgrund der tiefen kulturellen Verankerung von Rassismus erleben Betroffenen ihn in vielen alltäglichen Situationen; sowohl Wohnungs- als auch Jobsuche werden erheblich erschwert, doch auch allein der Kauf der richtigen Produkte für die Haarpflege ist bei dm oder Bipa oftmals nicht möglich.
Entscheidend ist dabei, dass Rassismus gerade für Betroffene spürbar ist, während die weiße Mehrheitsgesellschaft das Privileg genießt, sich nicht notwendigerweise mit dem Thema befassen zu müssen. Schwarze Menschen oder generell People of Colour dagegen werden täglich damit konfrontiert.
Dies erlebte auch Reichel: Er hat sich am Anfang seiner journalistischen Karriere hauptsächlich für Musik und Popkultur interessiert, doch aufgrund seiner Lebensrealität begann das Thema Rassismus, eine immer größere Rolle in seiner Arbeit zu spielen (dabei war besonders ein Vorfall mit der Uni Wien prägend, doch diese Geschichte findet ihr im vollständigen Gespräch hier). 

Darauf bringt Wassemair das Gespräch auf Afrika Afrika!. Zunächst jedoch beschreibt er als historischen Rückblick die sogenannten Völkerschauen, die 1896 im Wiener Prater veranstaltet wurden. Dabei wurden Angehörige der Ashanti in eingezäunten Gehegen präsentiert, um die weißen bürgerlichen Wiener*innen zu unterhalten. In dieser Darstellungsweise wurden die Menschen dehumanisiert, exotisiert und somit zur puren Attraktion. Wassermair zufolge passiert beim Musical Afrika Afrika! genau das gleiche, nur mit anderer Musik und schnelleren Bildern.
Trotzdem geht er auch auf die Stimmen ein, die Afrika Afrika! als eine positive Repräsentation des Kontinents werten, die empowern kann, da mal ein anderes Bild als das von hungernden Kindern gezeigt wird. Bamgbala argumentiert jedoch, dass der Fokus auf Leistung, physische Stärke und unbändige gute Laune ebenfalls ein absoluter Stereotyp ist, ganz im Sinne des Narrativs „Die Menschen sind arm, aber glücklich“. Schließlich wurde das Musical teils als Antidepressivum beworben, weil es angeblich so stark die Stimmung aufhellt. Außerdem exotisiert und romantisiert der Musicaltrailer den gesamten Kontinent, indem Afrika als „Kontinent des Staunens“ beschrieben wird. Nur weil keine Armut gezeigt wird, heißt das also noch lange nicht, dass die Show frei von Stereotypen wäre. Reichel fügt hinzu, dass sich zwar sicherlich positive Aspekte finden lassen; er hält allerdings für fraglich, wie sinnvoll das ist, wenn parallel Stereotype reproduziert werden.

Den Grund für den Erfolg des Musical sieht Bamgbala dabei genau in dieser Reproduktion der Stereotype: Ihr zufolge verfügen wir alle über sogenannte „Unconscious biases“ , also unterbewusste Vorurteile über spezifische Menschengruppen. Dies kann sich zum Beispiel auf bestimmte Nationen beziehen (wie etwa das Klischee, das Deutsche immer pünktlich sind), doch auch auf Menschen mit einer bestimmten Hautfarbe oder Herkunft. So ist der Kontinent Afrika verbunden mit einer Fülle von Bildern und Assoziationen, die uns anerzogen wurden. Die Idee der armen, aber dennoch glücklichen, energetischen Menschen ist ein gutes Beispiel dafür. Beim Ansehen des Musicals werden diese unbewussten Vorurteile reproduziert und so fühlt sich das Publikum in seiner Wahrnehmung bestätigt, sagt Bamgbala.

Außerdem müsse man sich immer fragen, wer diese Shows ins Leben ruft und wer profitiert. Afrika Afrika! war aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen schon mehrmals in der Kritik. Beispielsweise war anfangs die UNESCO noch Partnerin des Projekts, doch sie zog sich schnell zurück. Angeblich seien Festanstellungen selten, sodass Tänzer*innen vom einen Tag auf den anderen gekündigt werden können, und auch Berichte von Rassismuserfahrungen bei der Produktion existieren.

Um Alternativen zu schaffen, deren Hauptziel nicht der Profit, sondern tatsächliche Repräsentation ist, hat Bamgbala das African Diaspora Festival gegründet. Ihr geht es darum, explizit Angehörige der afrikanischen Diaspora sowohl auf als auch hinter der Bühne zu vertreten, gemeinsam zu arbeiten und sich zu vernetzen.

Und auch Reichel betont die Relevanz von Aufklärung über den afrikanischen Kontinent. Er selbst ist Teil eines Projekts namens"Advancing Equality within the Austrian School System" (kurz AEWTASS), das sich dafür einsetzt, das Bild vom afrikanischen Kontinent im österreichischen Schulsystem zu hinterfragen und sowohl in Schulen als auch an Universitäten neu zuinterpretieren. Der Kontinent, so Reichel, ist dermaßen komplex, divers und vielfältig, dass man definitiv einer Vereinfachung entgegenwirken muss.

Hier findet ihr das vollständige Gespräch.

Verfasst von Vivian Grabowski am 26.10.2023.