Update Letzte Generation: Jelena Saf zieht Bilanz Die letzte Generation vor dem Kipppunkt: Erfolge, Ängste und Zukunftsausblicke Die Gruppe Letzte Generation sorgt mit ihrem Kampf um Klimaschutz seit Monaten für Schlagzeilen und Kontroversen. Beim KLIMAupDATE vom 22. Juni war Aktivistin Jelena Saf bei Moderator Lars Pollinger zu Gast. Saf ist Webentwicklerin und Aktivistin und informiert über den aktuellen Stand der Bewegung. Lesedauer: max. 2 Min. Zu Beginn des Interviews ging es um die bisherigen Erfolge der Klimabewegung: Saf betrachtet das gestiegene Bewusstsein für Klimaschutz als eine große Errungenschaft, die hauptsächlich auf die Arbeit der Fridays For Future-Bewegung zurückzuführen ist. Auch betont sie die Relevanz der IPCC-Berichte der letzten Jahre, ohne die es die Letzte Generation in der Form angeblich nicht gegeben hätte. IPCC steht für Intergovernmental Panel on Climate Change; es handelt sich hierbei um den Weltklimarat, dessen besorgniserregender Berichte zur aktuellen Lage in Bezug auf die Klimakatastrophe eine Protestwelle auslösten. Und selbst diese sind Saf zufolge noch recht konservativ, da Regierungen viel Einfluss auf die Inhalte der Berichte nehmen können. Doch selbst die abgeschwächte Version mache deutlich: wir sind eigentlich an der Grenze, es muss jetzt sofort gehandelt werden, sonst ist es für immer zu spät. Diesem Bericht lässt sich auch die Namensgebung der Letzten Generation entnehmen: sie sind die letzte Generation vor dem Kipppunkt, also dem Punkt, an dem die Erde und alles darauf Befindliche noch retten könnte. Danach kommen nur noch Menschen, die das Überschreiten dieses kritischen Punktes nicht mehr ungeschehen machen können. Und so erklärt sich auch die Protestform der Aktivist*innen: sie betrachten sich nicht als Gruppe, die Unterstützung für den Klimaschutz generieren möchte, so Saf. Diese Position habe sowieso schon eine Mehrheit in der Gesellschaft. Viel wichtiger ist es nun, gesellschaftlichen Druck zu erhöhen und die Regierung dazu zu zwingen, konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Daher sind auch die Forderungen – Tempo 100 auf der Autobahn und ein Fracking-Verbot – so vergleichsweise niederschwellig: es gehe darum, einfache, erfüllbare Ansprüche zu stellen, die sich schnell in die Tat umsetzen lassen. Saf zufolge wolle man beweisen, dass Klimaschutz eben keine unlösbare Herkules-Aufgabe ist, sondern absolut angehbar. Daher stellt die Letzte Generation eben keine großen Forderungen auf, über die man im nächsten Schritt verhandeln müsste. Saf sagt: „Wir können nicht herunter verhandeln. Wir müssen alles machen, was irgendwie geht.“ Gleichzeitig betrachtet es die Letzte Generation aber auch nicht als ihre Aufgabe, einen konkreten langfristigen Plan zur politischen Lösung der Klimakatastrophe auszuarbeiten. Dies habe zum Beispiel der Weltklimarat bereits getan, sei aber ignoriert worden. Dies unterstreiche, dass gesellschaftlicher Druck nun von Nöten ist. Es habe sich außerdem gezeigt, dass man dafür leider die Mitte der Gesellschaft irritieren muss: Widerstand, der sich konkret gegen die mächtigen Verantwortlichen richtet, erhielte einfach keine mediale Aufmerksamkeit. In Zukunft plane die Letzte Generation daher auch, neben den Klebeaktionen Protestmärsche zu starten und große Events zu crashen, um so viel mediale Beachtung wie möglich zu erhalten. Das Interesse an den Klebeaktionen ließe schließlich bereits nach, so Saf. Sie selbst plant, noch bei vielen weiteren Aktionen dabei zu sein. Ihre Angst vor staatlichen Eingriffen wie Razzien und Gewalt von Polizei, Passant*innen und Autofahrer*innen ist nämlich viel kleiner als die Angst vor Hungersnöten, Versorgungsknappheit und Kriegen – die unausweichlichen Konsequenzen der Klimakatastrophe. Hier geht's zum vollständigen Gespräch. Verfasst von Vivian Grabowski am 06.07.2023