„Statt zu fragen, warum Frauen nicht früher aus diesen Beziehungen gehen, sollten wir fragen, warum diese Männer gewalttätig sind.“

Der Verein „ent“ veranstaltete im Haager Theaterkeller eine Lesung mit Yvonne Widler aus ihrem Buch „Heimat bist du toter Töchter“ mit anschließender Podiumsdiskussion zum Thema Femizide. Das Event fand in Kooperation mit dem Verein „StoP-Partnergewalt Anstetten“ und der Stadtbücherei Stadt Haag statt.

Lesedauer: max. 2 Min.

Moderiert wurde die Gesprächsrunde von Bernadette Siebitzhofer; sie ist Kultur- und Sozialarbeiterin und als Initiatorin des Frauen-Beschäftigungsprojekts „d’Speisgörls“ angehende Social Entrepreneurin. Zu Gast waren neben Journalistin und Autorin Yvonne Widler die bildende Künstlerin Elisa Andessner sowie Ursula Kromoser-Schrammel, eine Mitarbeiterin im Frauenhaus Amstetten und die Projektleiterin von StoP-Amstetten. Sie alle haben sich auf verschiedene Arten intensiv mit dem Thema Femizide auseinandergesetzt.

Ausgangspunkt des Gesprächs war Widlers Roman „Heimat bist du toter Töchter“, das Ergebnis Widlers langjähriger Recherche zu Frauenmorden in Österreich. In den Jahren 2020 und 2021 wurden 60 Frauen ermordet; in den meisten Fällen war der Täter der Partner oder Ex-Partner. 2017 war Österreich das einzige europäische Land, in dem mehr Frauen als Männer ermordet wurden und auch davon waren ein Großteil sogenannte Femizide. Der Begriff steht für Morde an Mädchen und Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts verübt werden. Die Täter sind männlich und haben meist ein stark patriarchal geprägtes Rollenverständnis, sie betrachten ihre Partnerinnen als ihr Eigentum und wollen Macht und Kontrolle über „ihre“ Frau ausüben. Außerdem sind die Täter häufig sogenannte „toxische Männer“: sie haben oftmals nicht gelernt, über ihre Gefühle zu sprechen und ihre Probleme ohne Gewalt zu lösen. Es würde bei der Prävention dieser Morde also helfen, diese toxische Männlichkeit zu bekämpfen und Gewalt zu verurteilen, anstatt den Fokus auf die ermordeten Frauen und ihr „Fehlverhalten“ zu lenken. Leider ist dies besonders im medialen Diskurs häufig nicht der Fall: viel zu oft wird unter Verwendung des Schlagwortes „Ehedrama“ reißerisch über solche Morde berichtet. Dabei müsste es, laut Widler und Frauenhaus-Mitarbeiterin Kromoser-Schrammel viel mehr darum gehen, Betroffenen zu zeigen, dass sie nicht allein sind und dass es nicht ihre Schuld ist. Eigentlich gehöre unter jeden Artikel zum Thema Femizid eine Infobox mit Nummern, an die man sich wenden und Websiten, die man aufrufen kann.

Wichtig ist auch, schon früh über die Definition von Gewalt aufzuklären. Der Irrglaube, Gewalt beginne erst mit physischer Gewalt, ist viel zu verbreitet - auch in Form von verbalen Aussagen, Psychoterror, Stalking und generellen Machtdemonstrationen äußert sie sich.

In Österreich gibt es verschiedene feministische Kollektive und Initiativen, die das Thema mithilfe von künstlerischem Aktivismus in der Öffentlichkeit sichtbar machen wollen. Ni una menos (span. „Nicht eine weniger“) und Catcalls of Linz zum Beispiel leisten wichtige Arbeit, um auch im öffentlichen Raum auf Femizide hinzuweisen. Die freischaffende Künstlerin Andessner betont diesen künstlerischen Aspekt besonders; sie sagt, Femizide müssten auch in Museen und Ausstellungsräume. Andessner wurde paradoxerweise während ihres Aufenthalts in Mexiko für die in Östereich herrschende Gewalt sensibilisiert, mehr dazu im ganzen Vortrag.

Doch auch bei Projekten wie StoP - Stadtteile ohne Partnergewalt sowie bei Frauen- sowie Männerstammtischen kann sich jede*r engagieren, um dabei zu helfen, Frauenmorde zu stoppen. Es gibt zudem Workshops, bei denen man lernen kann, wie man sich verhält, wenn man Gewalt in der Nachbarschaft bemerkt. Wichtig ist zum Beispiel, nicht alleine einzugreifen, sondern sich Verstärkung zu holen.

Und generell gilt: Frauen und Mädchen müssen in ihrer Selbstbestimmtheit gestärkt werden sowie finanziell unabhängiger werden, aber auch Männer müssen lernen, mehr Emotionen zuzulassen und – ganz wichtig –, auch in Männergruppen ihren Freunden widersprechen, wenn diese zum Beispiel einen frauenfeindlichen Witz machen oder sonstiges grenzüberschreitendes Verhalten zeigen.

Zum kompletten Vortragt geht es hier.

Verfasst von Vivian Grabowski am 05.07.2023