Kritik an aktueller Inflationspolitik

Sowohl die Mietpreisbremse als auch eine Strom- und Energiepreisbremse sind zwingend nötig und durchführbar - Ökonomin Helene Schubert klärt auf und analysiert den öffentlichen Diskurs.

Lesedauer: 1:30 Min.

In dieser Folge der Reihe “Denken hilft” spricht Walter Ötsch mit der Ökonomin Dr. Helene Schubert. Sie studierte in Wien und Harvard, arbeitete lange in leitender Funktion in der österreichischen Nationalbank und ist seit Mai 2022 Chefökonomin des österreichischen Gewerkschaftsbundes. Außerdem hat sie ein Amt im österreichischen Fiskalrat sowie im Produktivitätsrat inne.

Gleich zu Anfang des Gesprächs kritisieren Ötsch und Schubert eine grundlegende Annahme über Geldpolitik, die momentan als dominantes Narrativ im öffentlichen Diskurs gilt: die Quantitätstheorie. Diese besagt, dass die Inflation eng an die Geldmenge gekoppelt sei. Schubert zufolge, wird hier der Begriff der Geldmenge missverständlich verwendet: Momentan meine man damit meist die Zentralbankmenge, also das Geld, welches nur von Zentralbanken geschaffen werden kann. Dies sei aber falsch, so Schubert. Eigentlich hinge die Inflation nämlich von der nicht banklichen Geldmengenentwicklung ab, also z.B. dem Geld der Haushalte sowie Spareinlagen. In spezifischen historischen Phasen sei zwischen der Zentralbankmenge und der Inflationsrate zwar eine Korrelation zu verzeichnen gewesen, doch die empirische Basis zeige keinen Zusammenhang zwischen den beiden Werten.

Diese Grundannahmen seien wichtig, weil sie den Umgang mit der Inflation fundamental beeinflussen. Vertreter*innen der von Schubert als fehlerhaft eingeschätzten Interpretation fordern z.B. eine Regelung der Inflation durch die Zentralbanken sowie ein ungehindertes „Steigen-Lassendes Energiepreises. Da Schubert den oben erläuterten Ansatz vertritt, fordert sie stärkere staatliche Eingriffe in die Marktwirtschaft, hauptsächlich für Preisbremsen im Bereich der Energie- und Mietkosten sowie eine Übergewinnsteuer für Energiekonzerne. Außerdem betrachtet sie die Inflation grundsätzlich als ein Verteilungsproblem.

Die Ökonomin betont, dass gerade die Mietpreisbremse den Staat keinen Cent an Ausgaben kosten würde, da ein Großteil der Mieteinnahme sowieso nur in die Taschen der oberen Einkommensschicht fließe, die das Geld anhäuft, anstatt es auszugeben. Daher sei es auch “völlig unsinnig”, den Mietpreis an die Inflation zu koppeln; man belaste die Mieter*innen lediglich doppelt.

Bei einer Strom- und Energiepreisbremse würden zwar zusätzliche staatliche Kosten anfallen, doch diese seien trotzdem dringend notwendig. Schubert kritisiert hier das Prinzip, nach dem Energiepreise bestimmt werden, die sogenannte Merit Order. Stark vereinfacht besagt diese, dass das jeweils teuerste Kraftwerk den Preis der Ware bestimmt, wodurch Unternehmen stark von eigentlich ungerechtfertigten Zufallsgewinnen profitieren. Dieses System bedarf Schubert zufolge ebenfalls einer Reformation.

Des Weiteren betont sie, dass wir nur sehr wenig Wissen über das Phänomen Inflation haben. Daher will sie, dass mehr Daten bezüglich Wertschöpfungsketten gesammelt und einsehbar gemacht werden, sodass bessere Maßnahmen zur Inflationsregulation formuliert und Transparenz für Bürger*innen geschaffen werden kann. 

Hier findet ihr den gesamten Vortrag.

Verfasst von Vivian Grabowski am 20.05.2023