Nichtkommerziell. Dezentral. Offen.

So wünscht sich der Betriebswirt und Jurist Leonhard Dobusch die Zukunft des Journalismus. Ihm zufolge ist dies keinesfalls eine unrealistische Utopie.

Lesedauer: max. 1 Min.

In Zeiten, in denen die wichtigsten digitalen Plattformen zur demokratischen Meinungsbildung komplett den Launen eines durchgeknallten Multimilliardärs ausgeliefert sind, braucht es dringend Alternativen: Netzwerke, die ohne neoliberalen Aufmerksamkeitswettbewerb funktionieren, in denen Desinformationen kein Publikum finden und die nicht zur politischen Radikalisierung beitragen. Der Betriebswirt und Jurist Leonhard Dobusch betrachtet dies keineswegs als utopisch.

Ihm zufolge ist der Grundstein für neue, demokratisch-digitale Medienökosysteme bereits gelegt. Er forscht als Professor für Organisation an der Universität Innsbruck zu organisationaler Offenheit und privater Regulierung und ist außerdem Mitglied des ZDF-Verwaltungsrates. In seinem Gastvortrag zur Infodemie fordert er nicht-kommerzielle, dezentrale und offene Netzwerkstrukturen und berichtet von Mastodon und dem sogenannten “Fediverse”. Der Begriff steht für “Federated Universe" und bezeichnet einen Zusammenschluss von föderierten, voneinander unabhängigen sozialen Netzwerken, Mikro-Blogging-Diensten, sowie Webseiten für Online-Publikationen und Daten-Hosting. Den Vorteil dieses Systems sieht Dobusch unter anderem in seiner dezentralen Struktur: So sei es also zum Beispiel viel einfacher, ein föderales System von verschiedenen regionalen Medienanbietern mit dem Fediverse zu verknüpfen, als ein neues zentrales Medium aufzuziehen. Daher hält er auch nicht viel von dem viel diskutierten Vorschlag, ein staatliches Social Media als Gegengewicht zu Facebook, Instagram und Co. zu etablieren - dieses wäre schließlich immer noch zentral organisiert.

Stattdessen möchte Dobusch fragmentierte, föderale Strukturen beibehalten. Neben der Tatsache, dass regionale Medien sowieso schon dezentral funktionieren, sieht er darin ebenfalls eine politische Chance. Denn natürlich können auch rechte Gruppierungen mit einem Server ins Fediverse einsteigen. Da jedoch eigenständig entschieden werden kann, wer mit welchem Server föderiert, ließen sich faschistische Ideologien viel leichter vom gesellschaftlichen Diskurs isolieren, so Dobusch.

Außerdem fordert er eine engere Zusammenarbeit von nicht-kommerziellen Medien mit nicht-kommerziellen Plattformen, wie zum Beispiel der Wikipedia. Konkret kann das etwa heißen, dass die Öffentlich-Rechtlichen ihre Inhalte mit Wikipedia-kompatiblen Lizenzen hochladen. So können die Videos unter dem passenden Wikipedia-Artikel auftauchen und erreichen ein ganz anderes Publikum als auf YouTube. Das passt gut zu seinem Wunsch nach mehr Offenheit: Je transparenter Software, Standards und Protokolle, desto besser.

Generell sieht Dobusch eine positive Veränderung in der Medienszene in Richtung nicht-kommerzieller Dezentralisierung. Zum Beispiel hat das ZDF kürzlich das Projekt “Public Spaces Incubator” gestartet, im Zuge dessen über Ländergrenzen hinweg mit anderen Öffentlich-Rechtlichen kooperiert wird, ebenfalls mit offenen Softwares. Doch auch das Cultural Broadcasting Archive in Linz sowie DorfTV selbst lobt Dobusch. Gegen Ende des Vortrags appelliert er an die freie Medienszene, sich ruhig mehr zu trauen und in konfrontativen Diskurs mit großen Medien zu gehen, um so schnell wie möglich alternative Strukturen zu etablieren.

Hier geht's zum vollständigen Vortrag

Verfasst von Vivian Grabowski am 04.05.2023