In der Spezialausgabe der Sendereihe „Der Stachel im Fleisch“ spricht der Migrationsexperte und Autor des Buches „Wir und die Flüchtlinge“ Gerald Knaus mit dem Moderator Martin Wassermair über die Migrations- und Asylpolitik Europas. 

2015 gingen die Bilder vom Leichnam des kleinen Jungen Alan Kurdi, der bei der Flucht vor dem Bürgerkrieg in Syrien über das Mittelmeer ertrank, durch die Welt. Die europäische Bevölkerung hatte großes Mitgefühl mit den Schutzsuchenden aus dem Nahen Osten und eine Willkommenskultur wurde von der Zivilbevölkerung gelebt. Auch als 2022 Russland die Ukraine angriff, war die Bestürzung groß und die Europäische Union nahm so viele Flüchtlinge wie nie zuvor auf. Allein Deutschland hat im Jahr 2022 1,2 Millionen Asylwerber*innen Schutz gewährt. Der Migrationsexperte Gerald Knaus erklärt diese Bereitschaft Schutzsuchende aufzunehmen mit dem hohen Bewusstsein über die Gründe der Flucht. Sobald der öffentliche Eindruck entstehe, es gäbe keine wirkliche Fluchtursachen und das System werde ausgenutzt, würde die allgemeine Empathie sehr schnell erkalten. Besonders Rechtspopulist*innen würden durch das Zeichnen eines Bildes der enormen „Flüchtlingsflut“, die Europa nicht stemmen könne, das Gefühl von Angst und Kontrollverlust verbreiten. Die bloße Anzahl der Schutzsuchenden sei für Europa aber nicht das Problem, so Knaus. Österreich sei bei der Schutzvergabe nach Asylverfahren in den letzten fünf Jahren weltweit an der Spitze und auch andere Staaten könnten problemlos so viele Geflüchtete aufnehmen. 

Im Zentrum der Debatte um die Migrations- und Asylpolitik steht für Knaus die Frage, wie ein menschenwürdiges Asylsystem bewahrt und trotzdem irreguläre Migration gestoppt werden kann. Der Migrationsexperte bezeichnet das Mittelmeer mit über 28 0000 Menschen, die im letzten Jahrzehnt bei einem Fluchtversuch starben, als die tödlichste Grenze der Welt. 2023 kamen international mehr Menschen als je zuvor auf der Flucht ums Leben, womit ein neuer, trauriger Spitzenwert erreicht wurde. Die Lösung, lediglich mehr Menschen zu retten, um diese dramatische Situation zu verbessern, sieht Knaus jedoch als zu kurz gegriffen. Er fordert eine Politik der humanen Kontrolle, die weniger Menschen zur Flucht ermutigt. Ausgelöst durch die nach einem abgelehnten Asylantrag kaum durchgeführten Rückführungen würde ein Anreiz entstehen nach Europa zu kommen. Nichtsdestotrotz appelliert der Migrationsexperte die Seenotrettung auszubauen und verurteilt illegale Pushbacks scharf. 

Als konkrete Umsetzung dieser Politik der humanen Kontrolle nennt Knaus die Etablierung von sicheren Drittstaaten. Länder in Afrika wie Ruanda oder Marokko könnten einige tausend Schutzsuchende menschenwürdig unterbringen und dafür bestimmte Gegenleistungen von der Europäischen Union bekommen.  Solche Ausgleiche könnten aus wirtschaftlicher Entwicklungshilfe oder Visafreiheit für die Bevölkerung bestehen. Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) bringt beispielsweise seit 2019 Menschen aus Libyen nach Ruanda. 

Vor einer zu groß geführten Debatte um die Fluchtursachen warnt Knaus, da sie schnell in die Irre führen könne. Gehe man davon aus, dass Armut eine zentrale Ursache sei in ein Land zu flüchten, entstehe schnell der Eindruck man müsse sich erst der Aufgabe widmen weltweite Armut zu überwinden, bevor man eine humane Asylpolitik etabliere. Betrachtet man ferner beispielsweise ein Land wie Nigeria, wo 90 Millionen Personen in extremer Armut leben und nur ca. 10 000 jährlich nach Europa kommen, wird deutlich, dass Armut kein großer Auslöser für Flucht sei, führt Knaus aus.  Die größten Fluchtursachen seien Assad und sein Krieg in Syrien, Putin und sein Angriffskrieg in der Ukraine und Maduro mit seiner Politik in Venezuela.

Abschließend stellt der Migrationsexperte ein System aus Kanada vor, das es staatlich ermöglicht, dass Vereine oder Einzelpersonen Flüchtlingsfamilien aufnehmen. Knaus würde diese Form der Förderung des zivilgesellschaftlichen Engagements auch für Linz stark befürworten.

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Verfasst von Claudia Hagenauer am 18.04.2024