Wie kann sich sorgfältig recherchierte Berichterstattung gegen die Unmittelbarkeit von Social Media bewähren? Welche Verantwortung trägt dabei die Medienpolitik und wie kann die Wertschätzung für den Journalismus gestärkt werden? Diese medienpolitischen Fragen diskutiert Martin Wassermair in der Sendung „Medienwelt Österreich- was erwartet den Journalismus im Wahljahr 2024?“ mit seinen Gäst*innen Christine Haiden, Präsidentin des oberösterreichischen Presseclubs und Harald Fidler, Medienredakteur der Tageszeitung „Der Standard“ und Autor des Buches "So funktioniert Österreichs Medienwelt".

Qualitativer Journalismus ist unverzichtbar für eine funktionierende Gesellschaft und Demokratie. Er hat die Aufgabe verlässliche Informationen zu liefern, Hintergründe aufzudecken sowie als Kontrollinstrument für Politik und Wirtschaft zu fungieren. Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung sieht sich Österreichs Medienwelt jedoch vor komplexe Herausforderungen gestellt.

Die ab 2024 unabhängig vom Empfang des ORF zu bezahlende Haushaltsabgabe sorgte für große Aufregung. Private Medienunternehmen spüren im Vergleich zum marktdominierenden öffentlichen Rundfunk finanziellen Druck und ein nicht unwesentlicher Teil der Zivilbevölkerung kann die Sinnhaftigkeit des Beitrags nicht nachvollziehen. Mit Blick auf die polarisierte Medienlandschaft der USA, die über kein vergleichbares Modell verfügt, befürwortet Harald Fidler den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, versteht aber auch die Bedenken der anderen Seite. 

Christine Haiden zeichnet ein verhaltenes Bild der aktuellen Medienentwicklung in Österreich: die ökonomische Grundlage der klassischen Medien schrumpfe immer weiter, es gäbe keine relevanten Medienneugründungen mehr und die vielen kleinen Unternehmen hätten große Schwierigkeiten sich gegen die Nachrichtenmonopole zu behaupten. Als besonders besorgniserregend sieht sie die digitalen Großkonzerne, die immer mehr an Macht gewinnen würden. 

Fidler zufolge sind die Medien von einem Marktversagen geprägt, denn die Kundschaft sei nicht bereit für die Ware des Print- und Rundfunksektors so viel zu bezahlen, wie für dessen Finanzierung notwendig sei. Er begründet diese Tendenz mit dem abnehmenden Verständnis für Journalismus als Dienstleistung an der Demokratie und Gesellschaft. Das Publikum würde vermehrt Nachrichten über gratis Onlineplattformen und Messenger Dienste beziehen, die häufig nicht durch eine journalistische Instanz geprüft werden.

Was es laut Fidler deshalb braucht, ist eine redaktionelle Gesellschaft, die über ein journalistisches Grundhandwerkszeug zur Reflexion von Informationen, verfügt. Haiden schließt sich andass der Kern der Pressefreiheit zivilgesellschaftliches Engagement sei. Neben einer umfassenden Medienbildung brauche es deshalb Finanzierungs- und Stiftungsmodelle, die Medienneugründungen und Bürger*innenbeteiligung ermöglichen. Bei staatlichen Steuerförderungen müsse laut ihr beachtet werden, dass diese nicht an politische Bedingungen geknüpft sind, um parteiische Einflussnahme zu verhindern. 

Das Verfassungsgericht hat festgestellt, dass der ORF Publikums- und Stiftungsrat zu regierungsnah besetzt sind, weshalb die Regierung eine Gremienreform des ORF durchführen muss. Dabei sei eine Medienpolitik, die es schaffe, ihre eigenen politischen Interessen hintenanzustellen von großer Relevanz, betont Fidler.

Die Diagnose, dass sich in den digitalen Netzwerken und Onlinemedien zunehmend eine Verrohung der Sprache und Hass-Narrative abzeichnen, teilen die beiden Gäst*innen. Fidler sieht vor allem sinkende Hemmschwellen und die Unmittelbarkeit der Sozialen Medien als große Herausforderungen für eine informierte Berichterstattung. Dabei erklärt er, dass durch die Algorithmen der sozialen Netzwerke Emotionalisierung und Zuspitzung mehr Aufmerksamkeit generieren würden. Klassische Medien stehen somit vor dem Dilemma, ihre journalistischen Produkte auf den Plattformen vermarkten zu müssen, während sie gleichzeitig unaufgeregten und qualitätsvollen Journalismus betreiben wollen. 

Die Schaffung eines öffentlichen Diskurses über die Situation der Medienlandschaft ist für Haiden eine Möglichkeit, wie die Relevanz von journalistischer Qualität in der Gesellschaft wieder gestärkt werden kann. Medienschaffende sollten sich hierfür aus ihrer eigenen Filterblase heraus bewegen, Gespräche über die Aufklärungsaufgabe des Journalismus führen und auch bereit sein, sich Kritik zu stellen. 

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Verfasst von Claudia Hagenauer am 16.02.2024