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Learning from Miroslav

Created at 25. Sep. 2012

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by Leonhard Müllner

Technologien, die vor gar nicht allzu langer Zeit noch als Neue Medien bezeichnet wurden, sind so selbstverständlich geworden wie ein Bleistift. Der technologische Fortschritt führt allerdings dazu, dass Kunst, die sich über den Einsatz neuester Technik definiert, binnen kürzester Zeit nur mehr aus einem historischen Blickwinkel heraus interessant ist. Zusätzlich bleibt der High-End-Bereich aus ökonomischen Gründen im Normalfall kommerziellen Anwendungen vorbehalten. Eine Reihe von Künstlerinnen und Künstlern begegnen dieser Entwicklung dadurch, dass sie, dem Grundsatz "keep it simple" folgend, mit dem arbeiten, was leicht verfügbar ist. Dies sind meist Teile von technischen Geräten, Möbeln, Textilien oder auch Haushaltsgegenständen, die ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr erfüllen, weil sie entweder beschädigt oder auch nur unmodern wurden. Es geht nicht darum, diese Teile im Sinn eines objet trouvé zum Kunstwerk zu erklären, sondern sie als Ausgangsmaterial für Neues zu verwenden. Sie werden einem Transformations-Prozess unterworfen, mit einfach verfügbaren Alltagsmaterialien und technischen Bauteilen kombiniert und enden wieder als (Kunst-) Maschine, Möbel oder Stofftier. Durch die Verwandlung in ein Kunstobjekt wird nutzlos Gewordenem, das die Geschichte seiner ursprünglichen Verwendung in sich trägt, Wert und Würde zurückgegeben.

So unterschiedlich die Konzepte, Herangehensweisen und zentralen Aussagen der einzelnen Künstlerinnen und Künstler und ihrer Werke auch sein mögen, sind diese Gemeinsamkeiten dennoch immanent und äußern sich in einer Poetik und Ãsthetik des Unperfekten.

Abseits des Kunstgeschehens sind Parallelen zu diesen Konzepten nach wie vor in der DIY Bewegung zu finden. Deren Intention ist weniger aus dem Mangel geboren als aus dem philosophischen Ansatz, ein Statement gegen die Überdrussgesellschaft zu setzen. Und vor allem die Befriedigung des menschlichen Grundbedürfnisses nach Kreativität in ihrem ursprünglichen Sinn - etwas selbst zu erschaffen oder im Fall einer Reparatur wieder zu beleben. Bei uns ist es durch die stärkere Verbreitung leistbarer Konsumgüter seit Ende der 60er Jahre mehr und mehr unüblich geworden, Gebrauchsgegenstände aus dem, was leicht verfügbar ist, selbst herzustellen (außer man betrachtet diese Tätigkeit primär als Freizeitgestaltung). In wirtschaftlich schlechter entwickelten Regionen vor allem Afrikas und Asiens besteht diese Notwendigkeit nach wie vor, war jedoch auch in den kommunistisch regierten Ländern Europas bis zu deren Ende vorhanden. So wurde in der DDR die "Marke Eigenbau" von offizieller Seite durch Zeitschriften wie "Practic", Fernsehsendungen, aber auch die "Messe der Meister von morgen" gefördert.

Historisch gesehen war die Kultur des Selbermachens immer streng nach Geschlechtern getrennt, Technisches für Männer, Textiles für Frauen. Die Ausstellung versucht nicht, dieser Tatsache durch die Präsentation konträrer künstlerischer Positionen entgegenzutreten. Vielmehr soll genau dieser Geschlechter-Aspekt abgebildet werden. Gezeigt werden sechs Künstler, deren Arbeit durchaus als Technik-affin bezeichnet werden kann und zwei Künstlerinnen, die mit Textilem bzw. Küchenutensilien arbeiten.

Miroslav gibt es übrigens wirklich, er ist Universalhandwerker. Nach Entfernung der Fensterwand einer Veranda standen wir unter einem frei schwebenden Dach. Auf die Frage nach der weiteren Vorgehensweise und der Dimensionierung eines geeigneten Trägers kam ein lapidares: "Ich fahre einmal auf den Schrottplatz und schaue, was ich dort finde!" Das Dach hat den Schnee der letzten sechs Winter überlebt.

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