Guten Abend im Stifterhaus, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich darf Sie begrüßen zu einer Veranstaltung aus unserer Reihe Denken, Leben, Schreiben, Positionen und Welthaltungen österreichischer Autorinnen. Für all jene unter Ihnen, die bei der letzten Veranstaltung dieser Reihe vor rund einem Monat hier zugegen waren und gemeinsam mit unserem Moderator und mir äußerst geduldig auf das Eintreffen unseres Gastes gewartet hatten, habe ich gleich zu Beginn eine sehr gute Nachricht. Anna Mitgutsch war pünktlich hier und wird somit die gesamte Veranstaltungsdauer über bei uns sein. Danke für Ihr pünktliches Erscheinen und herzlich willkommen im Stifterhaus, Frau Mitgutsch. Schön, dass Sie wieder bei uns sind. Anna Mitgutsch, geboren in Linz, hatte zugegebenermaßen eine weitaus kürzere Anreise als unser letzter Gast in dieser Reihe, lebt sie doch seit geraumer Zeit in Leonding. letzter Gast in dieser Reihe, lebt sie doch seit geraumer Zeit in Leonding. Nun könnte man mit einem flüchtigen Blick aufs Biografische sagen, es ist kein weiter Weg vom Ort der Geburt, also von Linz nach Leonding. Und in den allermeisten Fällen hätte man damit auch recht. Nicht so aber in diesem, hier stimmt diese Aussage sogar ganz und gar nicht. Denn in Anna Mietgutschs Fall liegt zwischen dem Ort ihres Aufwachsens in Leonding und ihrem heutigen Zuhause, das sich ebenfalls dort befindet, ein halbes Leben und ein halber Erdball. Im Laufe ihres Lebens hat sie vielfach in Südostasien und dem Nahen Osten Reisen unternommen, ist in ihrer Rolle als Literaturwissenschaftlerin in Großbritannien, Israel und Südkorea genauso beheimatet gewesen wie über viele Jahre in zahlreichen Städten in den USA. So gesehen ist es bei Anna Mitgutsch eine jahrelange und abertausende Kilometer umfassende Reise gewesen, die sie an den Ort ihres Aufwachsens zurückgebracht hat. Ihr Debütroman Die Züchtigung von 1985 markierte den Beginn ihrer beeindruckenden literarischen Laufbahn. Schon für ihr Erstlingswerk wurde sie mit dem Brüder Grimm-Preis für Literatur ausgezeichnet. Ein Jahr später folgte der Kulturpreis des Landes Oberösterreich. Wir befinden uns hier in der Literaturgalerie inmitten der ersten Personale zu Brigitte Schweiger. Und was es bedeuten kann, wenn die Messlatte nach einem äußerst erfolgreichen Debüt derart hoch liegt, das kann man leider anhand dieser Ausstellung mehr als nur erahnen. Anna Mitkutsch hat zu unserer aller Freude nahtlos an ihren Erfolg anschließen können, und zwar mit ihrem Roman Das andere Gesicht, der im Folgejahr 1986 erschienen ist. In weiterer Folge wurde sie zu einer der renommiertesten zeitgenössischen österreichischen Autorinnen und mit zahlreichen Preisen bedacht, ich nenne nur einige wenige, der Anton-Wildgans-Preis 1992, der Österreichische Würdigungspreis für Literatur 2000, der Heinrich-Gleisner-Preis 2007 und 2019 sowohl das große goldene Ehrenzeichen der Stadt Linz für Verdienstium die Kultur als auch der große Kulturpreis des Landes Oberösterreich. Zudem wurde ja 2016 die Ehrendoktorwürde ihrer Alma Mater der Universität Salzburg verliehen. Seit 2023 ist sie Ehrenbürgerin ihrer Heimatgemeinde Leonding, wo sich auch die Anna-Mitt-Gutsch-Straße findet. Mit dem Stifterhaus ist die Autorin seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden. Bereits 2004 wurde ihr eine ausführliche Porträtrampe gewidmet. wurde ihr eine ausführliche Porträtrampe gewidmet. Außerdem hat sie, und dafür sei ihr an dieser Stelle noch einmal herzlich gedankt, ihren literarischen Vorlass dem Oberösterreichischen Literaturarchiv im Adalbert-Stifter-Institut anvertraut. Zuletzt erschien ihr Buch Unzustellbare Briefe 2024 im Luchterhandverlag, aus dem wir heute etwas hören werden. Ich darf zum Gesamtmoderator der Reihe Denken, Leben, Schreiben kommen und auch Ihnen ganz herzlich im Stifterhaus willkommen heißen. Schön, dass du wieder bei uns bist, Michael Kerbler. Michael Kerbler wurde in Wien geboren und hat in seiner fast 40-jährigen Tätigkeit für den ORF Handys sofort aus, unter anderem aus den Krisengebieten unserer Welt berichtet. Zehn Jahre lang leitete er die Ö1-Senderei im Gespräch. Für dieses Format führte er mehr als 300 Gespräche mit Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Für seine journalistische Arbeit wurde ihm 2013 das goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich verliehen. Ich darf Anna Mitgutsch und Michael Kerbl auf die Bühne bitten. Bitte. Bitte. Frau Mittgutsch, die unzustellbaren Briefe, 18 an der Zahl, Briefe, 18 an der Zahl. Haben die, würden Sie sagen, egal welcher der Briefe, aber in ihrer Gesamtheit etwas gemeinsam? Ja, ich meine, sie sind natürlich, sie sind irgendwie schon, also ich habe es immer als Roman empfunden, aber es ist nicht so, dass alle dieselbe Geschichte haben. Das hat natürlich Leute irritiert, weil sie wissen, wurde ich jetzt geschieden oder nicht. Aber darum geht es nicht, sondern es ist jeder Brief wieder doch ein neuer Ansatz. Aber es ist natürlich die Protagonistin dieselbe und ja, es ist eigentlich nicht angelegt auf ein bestimmtes Thema. Es ist einfach, wenn man älter wird, wird Erinnerung immer wichtiger und man möchte man möchte gewisse Dinge nicht in Vergessenheit geraten lassen und gewisse Personen. Und man möchte sich vergegenwärtigen, besonders Beziehungen, besonders Freundschaften, über die man die eine nicht loslassen und über die man immer wieder nachdenkt. Und man fragt sich, was ist da passiert? immer wieder nachdenkt und man fragt sich, was ist da passiert? Man nähert sich diesen Figuren wieder, aber auf eine nicht unbedingt biografische Art, in der Weise, dass man sagt, es ist alles passiert, sondern man nimmt schon echte Personen, echte Beziehungen, aber dann muss man, dann wird halt Literatur draus und daraus. Da ist es unvermeidlich, dass Erfindung auch dabei ist. Es ist also nicht eine, wie soll ich sagen, fiktionalisierte Tagebucheintragung, die quasi dann in Briefform gebracht wird, sondern es sind Briefe, von denen sie, fragt der ehemalige Postler, von denen sie von vornherein gewusst haben, sie werden unzustellbar sein. Sie werden sie auch nicht wegschicken können. Die meisten sind ja schon tot. Die meisten sind ja schon tot. Es sind nicht einmal schon, es sind an ja schon tot. Aber es sind nicht einmal, schon, es sind an Personen gerichtet, aber eigentlich sind es Psychogramme. Ein Nachdenken, es gibt ja diesen Roman von Christa Wolf, Nachdenken über Christa T. Und alle diese Geschichten sind eigentlich ein Nachdenken über jemanden, nur wenn man dann eben schreibt, dann kann man nicht bei der Wahrheit bleiben. Wie Sie fertig waren mit den Manuskripten, war Ihnen leichter? Nein, das hat nie... Es ist keine Therapie, kein Buch ist jemals Therapie. Es sind Erzählungen. Ja. Die literarisch erweitert wurden, sagen wir mal so. Manche, manche nicht. Es gibt welche, da ist nichts dazu erfunden. Zum Beispiel diese längste Geschichte mit dem Lektor. Oder die Ruth Lippmann. Oder die Großmutter. Das ist eins zu eins. Und dann gibt es andere, da ist nicht so viel Material. Da muss man was dazu erfinden. Diese Manuskripte haben noch was gemeinsam. Wir haben ja miteinander, um diesen Abend für Sie vorzubereiten, darüber geredet, wie dieses Buch entstanden ist, aber dass nach der Fertigstellung plötzlich der Verlag Sie angerufen hat und gesagt hat, da muss eine Juristin noch drüber schauen. Es war eine Katastrophe. Ich meine, es war im Umbruch. Die Fahnen waren fertig, der Umbruch war fertig. Ich habe mir gedacht, es wird in der nächsten Woche, geht es in Druck und dann werde ich angerufen und sage, das muss die Juristin sich anschauen. Und die hat keinen Stein auf dem anderen lassen. Die hat das filetiert, völlig ohne Rücksicht zu nehmen, ob da die Sätze noch zusammenpassen, ob da nicht wichtige Dinge herausgenommen werden, ob man es überhaupt noch verwenden kann, nachdem sie da gewütet hat. Und zum Teil waren es Dinge, zum Teil habe ich es verstanden und ich habe an sieben Stellen ja auch dann was geändert, weil ich habe mir gedacht, die Wahrscheinlichkeit, dass diese Person, die sozusagen der Ursprung, die Basis ist für die Geschichte, die ist extrem, also das hat, wie soll es? Aber dann habe ich mir gedacht, da wird man dann paranoid. Dann stellt man sich vor, dass man da, also dass dann der Verlag geklagt wird und weiß Gott, was das kostet. Also man wird richtig, man kriegt richtig Angst. Und dann geht man über das, bin ich dann über das Ganze wieder drüber gegangen und da habe ich eben, und das habe ich für heute vorbereitet, in sieben Briefen noch Dinge weggenommen, wo ich mir gedacht habe, na ja, das ist zwar aktenkundig geworden und alle wissen es davon, aber vielleicht will niemand, dass das trotzdem in irgendeinem Buch steht. trotzdem in irgendeinem Buch steht. Das habe ich verstanden, weil es ja doch die autobiografische, doch autobiografisch ist. Und es gab ja in der jüngeren Geschichte einen deutschen Buchautor. Ja, ja, der Maxim Biller. Wo er, der Verlag und so weiter geklagt worden ist und das Buch dann nicht erscheinen durfte. Aber das wäre gar nicht möglich gewesen, es kommen keine Namen vor. Es ist schon verfremdet. Das Lustige war, dass das Verfremdete gestanden ist, bitte verfremden. Aber was mich wirklich gestört hat, ist nicht diese sieben Stellen, wo ich mir gedacht habe, okay, es könnte irgendwas passieren, sondern es war ein Sensitive Reading. Und das ist Zensur. An einem Beispiel, bitte, ja. Wenn das Wort depressiv nicht vorkommen darf. Warum nicht? Es ist eine Krankheit. Krankheit darf nicht vorkommen. Was muss die Schriftstellerin dann hinschreiben? Traurig. Aber ist das nicht ein Eingriff, ich sage jetzt einmal, plakativ ins Hoheitsrecht der Schriftsteller, der Schriftstellerin? Ich habe mir gedacht, das gibt es nur in Diktaturen. Und plötzlich habe ich den Verlag vor mir mit dieser, also ich war wirklich, also ich habe mir dann ein bisschen Spaß gemacht, weil ich habe gesagt, okay, dann kommt es nicht raus. Diesen Luxus nimmt man sich, wenn man schon einige Bücher, ziemlich viele Bücher geschrieben hat. Und dann habe ich mir gedacht, na ja, dann schicke ich Ihnen das zurück und kommentiere es. Zum Beispiel habe ich in der dritten Geschichte, in der kurzen, wo die beiden Frauen da in Amerika herumtrempen, habe ich aus dem Buch Ruth zitiert. Und zwar nicht wörtlich, sondern inhaltlich. Ich weiß nicht, wer von Ihnen die Bibel besser kennt. wer von Ihnen die Bibel besser kennt, wo Ruth sich während der Ernte zu Füßen von Boaz legt, aber sie legt sich ja nicht zu seinen Füßen, und er nimmt sie dann zur Frau. Und ich habe daraus so eine Szene gemacht, die mir sehr gut gefällt. Da ist dann dabei gestanden, zu intim. Und ich habe dann dazu geschrieben, bitte gehen Sie zum Quellenstudium. Und ich habe mir dann, weil ich habe mir gedacht, es ist mir jetzt völlig egal, wenn mir die so die Daumenschrauben ansetzen, dann werden sie von mir ein bisschen veräppelt. Und dann habe ich zurückgeschickt und nichts mehr gehört von ihnen. Okay, und dann ist das Buch erschienen? Und dann habe ich meinen Agenten angerufen, ich habe zu dem gesagt, du musst es jetzt handeln, ich mag das nicht mehr, ich tue das nicht mehr. Und dann hat er gesagt, ja, ich habe gesagt, was passiert, die rühren sich nicht, jetzt haben sie schon über einen Monat und hat er gesagt, das muss das muss jetzt die Juristin noch einmal anschauen. Dann haben wir gedacht, na gut, jetzt ist die auch noch beleidigt. Und dann habe ich eigentlich durch die Katja Gasser erfahren, dass das Buch erscheint. Nicht vom Verlag. Und sie haben auch überhaupt nichts getan für das Buch. Aber das, was Sie mir jetzt oder uns erzählt haben, wäre eigentlich ein guter Plot für ein Buch, ne? Naja, ich meine, womöglich klagen mich die dann. Das brauche ich gerade noch. Ja, für die Auflage ist es vielleicht gut. Die Klage meine ich. Mehr Werbung. Nein, lass mir das so. Ich denke mir wirklich, was heißt das? Konsequent zu Ende gedacht. Wenn Sie sich zum nächsten Buch setzen und da sitzt dann die Juristin auf Ihrer Schulter, Sie können sich das aussuchen, links oder rechts, und sagt dann, nein, das ist zu intim. Oder nein, du musst dieses Wort vermeiden. Oder nein, diesen Sachverhalt, auch wenn er auf die Bibel zurückgeht oder egal, auf die Tora, in ihrem Fall, lasse ich lieber weg, weil sonst wird es gestrichen. Mit so einem Verlag kann man nicht mehr. Das sieht dann aus. Ich könnte mit dem Verlag gar nichts mehr machen. Also wenn ich noch einmal was schreibe, dann kommt es sowieso in den Nachlass. Da kann sich dann das Stiftinstitut damit beschäftigen. Nein, ich meine, das ist so ein Bruch, so ein fundamentaler Bruch, dass eines, wir würden jetzt sagen, Vertrauen, ja auch Vertrauen, weil sie haben mich ja die ganze Zeit auch belogen. Ja. Ja, dann geht es einfach nicht mehr mit so einem Verlag. Aber ich weiß auch, ich bin nicht die Einzige. Das wollte ich jetzt gerade. Osmose. Ich habe einen guten Freund, kein österreichischer Autor, aber immerhin ein Surkamp-Autor. Mehr kann ich nicht sagen, weil ich nicht weiß, ob er das möchte. Ich erzähle das, aber ich habe mich ja nicht gefragt. Ihm ist auch so etwas passiert? Noch schlimmer. Dem haben sie einfach das Manuskript bearbeitet und bearbeitet zurückgegeben. Die haben mich nicht einmal vor die Möglichkeit gesehen. Sie haben das Manuskript vernichtet, es war blau und gelb und alles war durchgestrichen, aber es war noch mein Manuskript, es waren noch meine Fahnen. Aber er hat sein Manuskript nicht mehr bekommen. Sie haben es von 300 Seiten auf 150 Seiten gekürzt und das hat er dann bekommen. Und außerdem war es auch zu intim intim weil ich kenne ja das Buch also ich habe mich nicht einen Moment gefragt ob diese Personen, die da vorkommen autobiografisch sind und dann ist es völlig egal ich meine, ich kenne ihn nicht so gut dass ich sagen kann, das ist der und das ist der und selbst dann wäre es mir egal es geht ja um Literatur nicht so gut, dass ich sagen kann, das ist der und das ist der. Und selbst dann wäre es mir egal. Es geht ja um Literatur. Ich weiß es nicht, ist es die Angst der Verlage, dass sie sich da schon nach allen Richtungen absichern? Aber das erklärt dann nicht dieses Sensitive Reading, das mich wirklich ärgert. Wir wissen ja aus der Vergangenheit, also jetzt nicht Trump-Zeit, sondern auch schon davor, bis in die Archive oder in die Bibliotheken, dass, wie heißt das so schön, Trigger-Warnungen in die Bücher eingelegt oder sogar gedruckt wurden, selbst in die Bibel, dass es hier Szenen gibt, die Gewaltdarstellungen sind. Nicht für sensible Naturen. Ja, okay. Also ich denke mir, das ist ein No-Go. Also ich kann verstehen, dass man dann sagt, nein, wenn diese Zensur geübt wird, dann ist es im schlimmsten Fall oder im besten Fall, keine Ahnung, bleibt es im eigenen Hausarchiv. Ja, man stellt sich darauf ein, dann kommt es halt nicht raus. Aber man kann nur so weit gehen. Ich meine, Sie kommt es halt nicht raus. Aber man kann nur so weit gehen. Ich meine, Sie kennen ja die Texte, es geht schon, was ich lesen möchte, es geht natürlich schon, es war sehr Wesentliches verloren, aber es ist ein Stück, das ich dann herausgenommen habe und es bleibt noch was über. Aber in den meisten Texten, in den meisten Briefen wäre da nichts übrig geblieben. Und zwei habe ich einfach sein lassen müssen, die waren satirisch. Und Satire geht schon gar nicht. Weil der Leser oder die Leserin Satire nicht mehr versteht? Naja, wenn man da jemanden überzeichnet, dann ist das ja zum Beispiel Bodyshaming. Das geht ja nicht. Oder es wird jemand wegen seiner überzogenen Sektenhörigkeit auf die Schaufel genommen, auf die Schaufel nehmen, gibt's nicht mehr. Also die Zwischen... Ich meine, Literatur lebt doch auch von dem, was nicht geschrieben ist, sondern was sozusagen zwischen den Zeilen steht. Und wenn nur mehr Texte, die eins zu eins die Realität, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat, zumindest in der Fiktion, dann nicht mehr zulässig ist. Was passiert dann mit dem kreativen Prozess des Schreibens? Ich weiß es nicht. Es ist auch das Problem, dass sie, ich meine Juristen haben eine andere Sprache. Diese Juristin, die ich nicht kenne, hat mir alle Metaphern weggestrichen. Weil Metaphern haben wirklich in der juristischen Sprache nichts zu tun. Das verstehe ich. Aber ich meine, die hat keine einzige Metapher, kein einziges Symbol stehen lassen. Also der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht oder so. Naja, aber das ist eine Ebene, auf die ich nicht schreibe. Ja, das habe ich Ihnen nicht unterstellt, sondern der Juristin. Also wenn Metaphern nicht mehr zulässig sind, dann hört sich Satire auf, dann Humor. Ja, dann hört sich Literatur auf. Humor, dann hört sich Literatur auf. Ja. Was ich mich frage ist, passiert es nicht anderen Autoren auch? Warum sind wir alle so still und lassen uns es gefallen? Warum kommt dann nie, ich weiß eben diese eine, meine Situation und die von diesem Freund von mir, da muss es noch andere geben. Es wäre eine interessante Frage an Mitglieder des Pen-Clubs zum Beispiel, ob sie auch mit solchen Ansinnen konfrontiert sind. Ja. Wir haben so viel jetzt über die unzustellbaren Briefe gesprochen. Darf ich Sie bitten? Ja, gern. Also ich lese jetzt aus den Fahnen, weil die Fahnen sind unzensiert. Dieses ist ein besonderer Abend. Ja genau, es ist das erste und einzige Mal, dass ich ein unzensiertes Manuskript lese. Und Sie werden nicht wissen, welche Stellen zensiert wurden. Aber man kann es kaufen, das Buch? Ja. Und dann versuchen, wo war der Unterschied? Und sich fragen, wo ist das, was sie gelesen hat und was ich nicht finde. Der Titel ist später Abschied von einer Dichterfreundin. Wenn ich daran denke, wie sie begonnen hat, erscheint mir unsere Freundschaft und dass sie so lange hielt, noch immer wie ein unwahrscheinlicher Glücksfall. Ich habe sie damals vor über 40 Jahren mit einer um Etikett unbekümmerten Selbstgewissheit erzwungen, die ich heute unverschämt nennen würde. hätte ich in späteren Jahren das Wagnis unternommen, zwölf Stunden mit dem Bus nach West Virginia zu fahren, um mich bei zwei unbekannten Frauen als Hausgast aufzudrängen. Sie kenne eine Dichterin, an die ich sie erinnere, erzählte Judy, die Professorin aus West Virginia, beiläufig auf der Terrasse einer Pizzeria am Inn. Sie würde dir gefallen, sagte sie. Judys Erscheinen hatte einen Hauch von Freiheit und Abenteuer in mein beengtes Leben gebracht. Sie war die erste New Yorker Intellektuelle, die ich kennenlernte. Elegant, liebenswert direkt, voller Ideen und Anregungen, kosmopolitisch, eine selbstbewusste Frau mit viel Geschmack und auffallendem Schmuck. Sie muss ein Freisemester in Europa gehabt haben. Eine selbstbewusste Frau mit viel Geschmack und auffallendem Schmuck. Sie muss ein Freisemester in Europa gehabt haben. Ich habe sie seit damals nie mehr wiedergesehen. Einmal besuchte ich ihre Eltern an der Lower East Side von Manhattan. Osteuropäische Juden mit einem kleinen Laden voller alter Möbel. Ohne Julie, ihr Freisemester und ihre Freude daran, Menschen zusammenzubringen, hätte ich nie erfahren, dass es dich und Inga in Morgantown gab. Das ganze darauf folgende Herbstsemester an der Princeton University lebte ich wie im Delirium. Es muss die Befreiung aus dieser Stadt zwischen den Bergen gewesen sein, die mir zu Kopf stieg. Ich fuhr fast täglich nach Manhattan, verbrachte ganze Tage in Buchhandlungen, wanderte an den Rändern von Princeton herum und schrieb überall an jedem Ort Gedichte. Ich war außer mir, buchstäblich wie in Trance. Nichts war mir wichtiger als meine Lyrik. Jeden Tag mehrere Gedichte, die atemberaubende Brillanz der Herbstfarben, rief unentwegt Bilder in meinem Kopf hervor, beim Gehen unter jedem Baum an jedem Flusslauf. In dieser manischen Erregung gab es keine Grenzen, die mich an irgendeinem Vorhaben hindern konnten. Auch daran nicht, meinen Besuch in West Virginia bei zwei Frauen anzukündigen, die ich gar nicht kannte und von denen ich nur wusste, dass eine der beiden Gedichte schrieb. Unterwegs auf einem Autobusrastplatz in Maryland, unter einem Ahornbaum mit zitternden goldenen Blättern, drehte ich mich um mich selber wie ein Dervisch, berauscht vom Abend und den Farben von meiner grenzenlosen Freiheit. Es war schon dunkel, als ich in Morgenthaun aus dem Greyhound-Bus stieg. Ihr hieltet nach einer anderen Ausschau, einer, auf die meine Beschreibung besser passte, klein, schlank und dunkel. Freundlich tratet ihr auf eine zierliche Frau mit dunkler Hautfarbe zu. Vom ersten Augenblick an gab es keine Fremdheit zwischen uns. Noch waren wir den späten 60er Jahren nahe genug. Noch waren wir in der Welt zu Hause, auch du und ich. Es war September und wir würden in wenigen Tagen 28 Jahre alt werden. Nur fünf Tage trennten uns davon, gleich alt zu sein. Auch das garantierte Einverständnis für den Anfang. Vorläufig waren wir beide Assistentinnen an Universitäten, aber wir wollten Dichterinnen werden. Du gabst die Lyrikzeitschrift Trellis heraus und ich hatte in den letzten Wochen Dutzende von Gedichten auf gelbe Legal Size Notizblöcke mit rotem Rand geschrieben. Unsere Gespräche waren ein Feuerwerk sich überstürzender Pläne, Ideen, Anregungen, neuer Namen. Die ganze damals junge feministische Bewegung, Tilly Orson, Irene McKinney, Adrienne Rich, die du alle kanntest. Manche sind längst vergessen, andere zu den großen Ikonen der Bewegung aufgestiegen. Doch damals standen auch sie am Anfang eines Unternehmens mit unabsehbaren Folgen, so wie wir. Ich zehrte zehn Jahre lang von den Erinnerungen an jene fünf Tage in eurem Haus, die Küche mit den roten Holzregalen, die Weinranken und Kürbisbeete vor dem Fenster, der Küchentisch, an dem ich frühmorgens Gedichte schrieb, das weiche Herbstlicht in eurem verwilderten Garten, die Abende im Wohnzimmer. Wir saßen am Kaminfeuer und lasen einander Gedichte vor, erzählten Geschichten. Ich übersetzte für dich Christine Laband, Christine Buster, Ingeborg Bachmann. Wir feilten an den Übersetzungen, fassten kühne Pläne einer Anthologie, sprachen Original und Übersetzungen aufs Band. Du sagtest, ich sei die geborene Geschichtenerzählerin, ich solle meine Geschichten aufschreiben. Daran hatte ich noch nie zuvor gedacht. In Morgentown, in einem kleinen Drugstore, kauftest du mir ein handtälergroßes Heft mit marmoriertem Einband. Schreib deine Romanideen hinein, sagtest du. Mir schien das Ansinnen frivol, aber das Büchlein habe ich noch immer. Ich habe im Lauf der Jahrzehnte zwei Dutzend Titel hineingeschrieben, Überschriften, Arbeitstitel, veröffentlichte, geplante, unausführbare, aufgegebene Projekte. Wir hatten keinen Zweifel, dass wir zu großen Berufen waren und am Anfang stünden. Wir spürten, dass eine ganze Generation junger Frauen entschlossen war, sich ihre Träume zu erfüllen, sich von allem zu befreien, was uns knebelte. Ihr beide, du und Inga, wart in eurem vorläufigen Hafen angekommen, in diesem Haus, dem Garten, dem Glück. Du hattest vor einem knappen Jahr deinem Chef die Ehefrau ausgespannt, die sanfte, eigensinnige Dänin Inga, die dir bei eurem ersten Treffen selbstbewusst und trotzig gesagt hatte, natürlich bin ich eine ausgehaltene Frau, was stört dich daran? Dann verließ sie zum Entsetzen des ganzen Campus Mann und Kinder, um mit dir zu leben. Die Kinder sind längst erwachsen, Inga seit vielen Jahren Großmutter und in Pension und ihr zieht euch wie damals an Sonntagvormittagen in Ingas Schlafzimmer zurück und vermeidet vor Dritten jedes Zeichen von Intimität. Damals ging Inga wieder aufs College. In ihrer dänischen Hauswirtschaftsschule für höhere Töchter hatte sie nur gelernt, ein gemütliches Heim einzurichten, aufwändig zu kochen, elegant aufzutischen, Blumen zu arrangieren. das dir vom Kopf abstand und dich bis zur Taille einhüllte wie ein ruppiges Cape, den breiten Schultern und dem schwarzen T-Shirt mit der Aufschrift Outrageous Woman. Du warst eine wilde Schönheit, laut, provokant, mit dem herausfordernden Gang eines Westernhelden. Eine Zeit lang spieltest du mit dem Gedanken, ein schlechtgehendes Healthfoodstore in der Main Street zu kaufen, nur um es Maggie's Farm zu nennen und darin Protestsongs zu spielen. I ain't gonna work on Maggie's Farm no more. Trotz aller Unterschiede verband uns eine Nähe, die uns erstaunte, weil es die Ernsthaftigkeit, mit der wir Gedichte schrieben und unsere von keinem Beweis gestützte Überzeugung, dass wir uns auch ohne Werk bereits Dichterinnen nennen durften, war es unsere Jugend, die Solidarität junger Frauen in einem kollektiven Aufbruch, den wir erst definieren mussten. Bis heute erscheinen mir diese fünf Tage unserer ersten Begegnung, in denen wir durch die hügelige Landschaft von West Virginia fuhren, durch den leuchtenden Nebel golden und rot verfärbter Laubwälder, wie ein Anfang, der sein Versprechen weder gebrochen noch so triumphal erfüllt hatte, wie er damals versprach. Ganz gewiss gehören diese Tage bis heute zu meinen glücklichsten Erinnerungen. Als ich zum zweiten Mal nach Morgentown kam, flog ich aus einer tiefwinterlichen Schneelandschaft über die kargen entlaubten Berge von West Virginia. Etwas hatte sich verändert. Ich war aus der Sisterhood, dem Gleichklang vestalischer Frauenseelen, ausgeschert. Ich dachte an Heirat. Und die Dinge, die mich beschäftigten, waren dir fremd. Wenn ich von dem Mann, in dem ich mich verliebt hatte, erzählte, schwiegst du, unangenehm berührt. Hat er auch die Eigenschaften eines guten, verlässlichen Freundes? fragte Inga. 30 Jahre später hätte ich mit einem zögernden Ja geantwortet. Aber wie hätte ich das damals wissen können? Auch diesmal übersetzten wir Lyrik, lasen einander in drei Sprachen Gedichte vor, saßen auf dem Boden nahe am Kamin und erzählten einander Geschichten wie beim ersten Mal. Aber die Magie bei erloschen, trotz aller Pläne. Und ich schrieb in eurer Küche kein einziges Gedicht. Bei unserem Abschied am Flughafen von Morgentown beteuerten wir einander unsere Freundschaft eine Spur zu herzlich. Wir schrieben einander 25 Jahre lang Briefe. Anfangs schickte ich noch Übersetzungen für unsere Anthologie, aber mein Leben war zu sehr in Aufruhr. Es war eine Zeit abgebrochener Projekte, aufgegebener Träume. Ich war eine unglücklich verheiratete Frau, ich wurde Mutter, später war ich geschieden und Alleinerzieherin. Wie solltest du an Lebenssituationen Anteil nehmen, die dir fremd waren? Die nächsten Jahre lebte ich ohne deinen Zuspruch, auch wenn wir nicht aufhörten, einander Briefe zu schreiben. Du verfolgst zielstrebig deine Karriere, zogst von einem Universitätscampus zum anderen, jahrelang mit befristeten Verträgen. Längst hatte dir das Haus in Morgenthal verkauft, doch wenn ich fragte, ob ich euch besuchen dürfte, hast du mich immer schrofft abgewiesen. Es sei kein geeigneter Zeitpunkt. Jahre später erzähltest du mir, du hättest mich in jener Zeit einmal in meiner Zwei-Zimmer-Wohnung in New York besucht. Ich hatte keine Erinnerung an deinen Besuch, nicht den geringsten Anhaltspunkt. In unserem vierten Lebensjahrzehnt gingen wir getrennte Wege und hatten einander wenig zu sagen, zu wenig zu sagen, um Spuren im Leben der anderen zu hinterlassen. Ich weiß nur, dass wir uns all die Jahre schrieben und dass deine Adressen wechselten von Pittsburgh nach Philadelphia und schließlich nach Ohio. Du schicktest mir in sechs Jahren drei Lyrikbände. Ihr kauftet Häuser in Straßen mit einem Klang von Abgeschiedenheit, Linden Park, Mount Pleasant, Forest Drive. Du bewarbst dich um eine Festanstellung als Dozentin an der Kent State University und bekamst sie. Dein Leben verlief ruhiger als meines und unsere Briefe wurden freundschaftlicher. An meinen Katastrophen nahmst du nun Anteil wie eine Freundin. Wir wurden älter, Geburtstag um Geburtstag. Wir waren 40, als wir uns wieder sahen. Du warst auf einer Deutschlandreise, reistest von Dänemark nach Süden. Und als ich dich und Inga nach einer Nachtfahrt am Bahnhof abholte, kam es uns vor, als hätten wir uns erst vor Wochen in West-Virginia getrennt. breitete sich das Behagen einer alten Vertrautheit aus und hielt an, während wir in Salzkammergut fuhren, in Gmunden auf dem Flohmarkt stöberten, während wir auf dem Friedhof von Altmünster herumwanderten, in den Donauauen spazieren gingen und in einem Dorf an der Donau im Eck der Stammtischrunde Brezeln aßen. Aber ich weiß nicht mehr, worüber wir die ganze Zeit geredet haben. Wir waren nicht mehr hungrig nach neuen Ideen und Inspirationen, nicht mehr für verrückte Pläne offen, die weder an Ort noch Zeit gebunden waren. Wir hatten uns ein Leben eingerichtet, begrenzt von Pflichten, nicht wie erträumt, aber so gut, wie wir es vermocht hatten. Wir hatten uns mit 28 ein waghalsiges Ziel gesetzt und uns zumindest diesen einen Traum erfüllt, das uns die Welt mit unseren Augen sah. Als ich acht Jahre später ein Gastsemester in einem College in Pennsylvania hatte, kündigte ich meinen Besuch an, meinen ersten nach 20 Jahren. Wir waren 48, unsere Glückszahl, und es war genau 20 Jahre seit unserer ersten Begegnung, Grund genug für die vage Hoffnung auf eine Wiederholung eines magischen ersten Mals. Das Haus stand in einer Lichtung hoher Pinien in der Forest Street, weit ab von Stadtzentrum und Campus Du hattest wieder einen Hund, längst nicht mehr die reinrassigen Basset Hounds Mit den kurzen Beinen, einen anderen, der Stöcken nachjagte und dem wir in morastiges Unterholz folgten Es waren strahlende Oktobertage, wir fuhren auf Farmen, die in der vom Sommer erschöpften braunen Landschaft lagen, mit roten Dächern, von flammenden Ahornbäumen umstanden. Der Himmel war wie ein Dach aus reißfestem, glänzendem blauen Stoff. Gelbe und orange Kürbisse in allen Formen und Größen lagen auf blauen Planen. Wir kauften Runde für Halloween. Zu Hause schöpften wir das weiche, helle Fruchtfleisch aus ihren Köpfen, stachen ihnen erstaunte Augen aus der harten Schale und grinsende, breite Münder. Euer Haus war geräumig und geschmackvoll eingerichtet. Kunstgegenstände von 20 Jahren Reisen lagen herum und verrieten die Interessen, die deine Arbeit inspiriert hatten. Inuit-Kunst, indianische Skulpturen, spanisch-mexikanische Möbelstücke, die steifen Rücken geschnitzter Sessellehnen, dunkles Holz, die Räume bis an die Decken voller Bücher und Bildbände. Doch dieses Haus blieb mir fremd. Das Gästezimmer war klein und roch nach Taschenbüchern, die in schlecht geheizten Räumen fleckig und motrig wurden. Du warst gastfreundlich und Inga machte sich Mühe mit Frühstück und Dinner. Aber ich blieb ein Gast, der weiß, dass er nach drei Tagen aufhört, erwünscht zu sein. Wir fuhren nach Illyria, an den Erie See, nach Oberlin. Ein Ausflug, dem die Weite der großen Ebenen von Ohio und der hohe Herbsthimmel Beschwingtheit gab. Fast einen Anflug von Abenteuer. Wir machten Pläne für das Jahr danach, aßen in einem teuren Thai-Restaurant viele Gänge exotischer Speisen. Wir leisteten es uns, wir waren arriviert. Aber unsere Gespräche steuerten allzu schnell auf zonenverärgerter Stimmung zu. Unsere politischen Überzeugungen deckten sich nicht mehr. Und jedes Mal blieb nach dem Versuch, den Weg zur Übereinstimmung zurückzufinden, eine Spurfremdheit und ein Gefühl, als sei die Temperatur im Raum am Sinken. Über Israel und die Friedensbewegung gerieten wir in Streit. Die Dinge, die dich begeisterten, ließen mich kalt. Ich musste meine Anteilnahme heucheln. Und meine Wege und ihr Wege der letzten 20 Jahren blieben dir unverständlich, sie erregten deine Missbilligung. Mit 46 hattest du einen Zusammenbruch gehabt, wie damals als Sechsjährige, als deine Mutter starb. Auch das hatten wir einmal als Gemeinsamkeit gefeiert, dass unsere Mütter als junge Frauen gestorben waren. Aber du warst ein kleines Mädchen gewesen und einem Psychopathen ausgeliefert, der zufällig dein Erzeuger und in den Augen der Gesellschaft ein respektabler Literaturprofessor war. Vor 20 Jahren hattest du unbeteiligt, als erzähltest du ein fremdes Leben von deiner Kindheit mit ihm erzählt, wie er dich schlug, misshandelte, als Jugendliche missbrauchte und seinen Freunden auslieferte, wie du lerntest, dich zu wehren, in dir mit deiner Körperkraft vom Leib zu halten, wie er dich in eine Nervenklinik internieren ließ und wie du mithilfe einer Sozialarbeiterin entkamst. Die zehn schrecklichsten Jahre deines Lebens, Kindheit und Pubertät, Die zehn schrecklichsten Jahre deines Lebens, Kindheit und Pubertät, diese Jahre des schutzlosen Ausgeliefertseins, die du so lange weggeschoben hattest, um zu leben, hatten dich eingeholt. Wie damals nach dem Tod deiner Mutter verlorst du die Fähigkeit zu lesen, dich zu konzentrieren und zu erinnern. Die Angst fand dich überall, wo du heimisch warst und machte dich zur Fremden, zum Eindringling in deinem eigenen Leben. Als du dich langsam mit zäher Entschlossenheit aus den Trümmern der Erinnerung hervorzuarbeiten begannst, fingst du wie damals mit Kinderbüchern an, mit der Geschichte von dem Schatz unter dem Herd des eigenen Hauses, von dem ein suchender Wanderer erst in der Fremde erfährt. Sometimes somebody gave him a ride, but most of the time he walked. Wie viel uns beiden dieser Satz bedeutete. Als fasse er unser ganzes Leben zusammen, als enthielte er alle gelebten Jahre und ihr ganzes unaussprechliches Gewicht. Aber als ich von meinen Blessuren und Bitterkeiten sprach, saß du mich tadelnd ohne Verständnis an. Du bist ja zornig, sagtest du. Als ich im Winter wiederkam, war ich bereits weniger willkommen. Wir waren über nichts mehr einer Meinung, weder über die zeitgenössische Literatur noch über ihre Rezeption auf beiden Seiten des Atlantiks, nicht über Feminismus noch über Political Correctness. Wir waren beide froh, als ich abreiste. Zu deinem 49. Geburtstag rief ich aus einer Stadt an, die keine 200 Kilometer von dir entfernt war. Das versetzte dich in Panik. Du könntest jetzt nicht reden, aber du gabst mir einen Termin, wann ich dich anrufen dürfe. Ich dachte, du fühltest dich immer noch vom Gedächtnisverlust und der Unfähigkeit, die simpelsten Vorgänge des Alltags zu ertragen, bedroht. Deine Medikamente wurden dosiert und wöchentlich deinem Zustand angepasst. Doch ich konnte die Hölle nicht ermessen, die dir noch immer ihren heißen Atem ins Genick blies. In einem Seminarraum voller Studenten überfiel dich Panik. Du ließ dich beurlauben, nahmst ein Sepertikel. Deine Lyrikbände waren vergriffen und wurden nicht mehr aufgelegt. Mit fast 50 warst du eine Dichterin ohne Werk. Und für uns beide war es immer das Werk gewesen, das vor allem anderen zählte. Du warst kühl, fast unwirsch am Telefon, wolltest keinen Trost, schon gar keinen Besuch. Und sagtest schnell, du würdest dich auf unbestimmte Zeit an der Küste von Oregon ins Blockhaus eines Freundes zurückziehen, vielleicht dort einen neuen Lyrikband verfassen. Ich hörte eine Abwehr in deiner Stimme, die sich jede Anteilnahme als Aufträglichkeit verbarg. Zu unserem 50. Geburtstag schrieb ich dir einen langen Brief. Es war der erste, den du nicht beantwortet hast. Einige Monate später rief ich an. Inga war am Telefon. Du seist nicht abkömmlich, erklärte sie. Und als ich fragte, wann du zu sprechen seist, erwiderte sie, ich könne nicht mehr so hereingeschneit kommen, wenn ich euch besuchen wolle. Ich fragte kein drittes Mal nach dir. Sie müsse gehen, sagte sie, es seien Gäste an der Tür. Auch meine halbdringliche, halb verstimmte Karte ein Jahr später hast du nicht beantwortet. Doch bald darauf kam ein schmaler Lyrikband mit einer Auswahl deiner vergriffenen Gedichte und einer Handvoll neuer, die du damals auf deiner letzten Europareise geschrieben hast, als ihr mich besuchtet. In ein Austrian Churchyard steht da, das muss in Altmünster gewesen sein, In memory of our 25 years of friendship steht in deiner sauberen, ein wenig engen Handschrift auf dem Deckblatt. Und in den Danksagungen erwähnst du mich unter anderem, es klingt wie ein Nachruf. Dauerte sie denn wirklich nur 25 Jahre, diese Freundschaft, die wir immer für eine lebenslängliche gehalten hatten? Wann ging sie zu Ende und durch wessen Schuld? Vielleicht hat das Gewicht der Schicksalsschläge uns auseinandergetrieben und es gibt keine Schuldigen. Vielleicht sind wir nur vom Leben müde und müssen mit unseren Kräften sparen. Wenn ich an dich denke, verspüre ich Sehnsucht wie nach meiner Jugend und die Beschämung einer, der man das Gastrecht verweigert hat. Nach 25 Jahren war das eingetreten, was ich bei meinem ersten Besuch in West Virginia hätte erwarten können, wäre ich nicht so selbstgewiss und naiv gewesen. Als hättest du endlich mit großer Verspätung gesagt, you have worn out your welcome. Seit es das Internet gibt, finden wir auch längst verloren Geglaubte wieder. Sie sind noch da, nur nicht mehr für uns. Ich betrachte dein Foto. Deine Haare sind jetzt kurz, aber immer noch dunkel. Du hast dich nicht verändert. Selbst das Alter scheint dich milder behandelt zu haben. Du stehst lachend im Kreis deiner Freunde. Inga ist nun sehr alt und fragil. Auch Judy in West Virginia ist eine alte, weißhaarige Dame. Mit erlesenem Schmuck, wie vor 40 Jahren. Du hast ein beachtliches Curriculum Vitae. Du hast ein Netz von Gleichgesinnten um dich geschaut, die deine Gedichte vertonen und mit ihnen Festivals veranstalten, gemeinsame Lesungen mit dir machen, mit dir durch die Provinz tingeln. Der Mittelwesten ist groß. Du liest noch immer mehrmals im Monat in Community Colleges. Du strahlst. Du scheinst deine Dämonen bezwungen zu haben. Fünf Lyrikbände hast du im Lauf deines Lebens geschrieben. Vier davon sind vergriffen. Darf ich den Bildern glauben, dass du ein gutes, ruhiges Leben hast? Eines wie damals in West Virginia? In dem Haus, in dem ich wohne, habe ich das Privileg, dass wir im öffentlichen Raum eine riesen Bücherstellage haben, wo man sich Bücher nehmen kann, in der Hoffnung, das Haus, wir befüllen diese Wand, dass auch wieder was zurückkommt. Und an der Wand bin ich vor zwei Wochen vorbeigegangen und habe mir die Bücherwand angeschaut. Und ich war einige Zeit lang für den österreichischen Rundfunk Korrespondent in der DDR, als es sie noch gab. Und ich sah auf den zweiten Blick, da steht ein Buch aus dem Ausbau Verlag. Und ich denke mir immer, Zufälle gibt es nicht. Also habe ich es eingesteckt und mitgenommen. Es ist dieses Buch. Es ist Christa Wolf, Kindheitsmuster. Und man soll das ja ein bisschen eitel, die Anima reagieren lassen. Das ist ein Hinweis für das Gespräch. Die Kindheitsmuster. Ich habe das getan, was Ihnen der Helmut Friehlinghaus freundlicherweise attestiert hat. Anna Mitkutsch recherchiert altmodisch. Was hat er geschrieben? Das steht in der Rampe. Altmodisch? Stimmt eh. Da fühle ich mich verbunden. Ich recherchiere auch noch immer altmodisch. Also habe ich mir gedacht, Kindheitsmuster, das Zitat von Christa Wolf muss man lesen, weil es auch einen Gedanken in diesen heutigen Abend einbringt, der ganz wichtig ist für mich. Sie haben es vorher erwähnt, wir sind, was wir erinnern. Wir sind natürlich auch, was wir vergessen oder was wir verdrängen. Aber netto ist es, was erinnern wir. Das Vergangene ist nicht tot. Es ist nicht einmal vergangen. Wir trennen es von uns ab und stellen uns fremd. Frühere Leute erinnern sich leichter. Eine Vermutung, eine höchstens halbrichtige Behauptung. Ein erneuerter Versuch, dich zu verschanzen. Allmählich, über Monate hin, stellt sich das Dilemma heraus. Sprachlos bleiben oder in der dritten Person leben, das scheint zur Wahrheit zu stehen. Nein, es gibt noch etwas mehr, man geht in der Kindheit zurück. Ich habe also mir, ich habe begonnen, was Anna Midgutsch selbst über ihre Kindheit mal gesagt hat oder geschrieben hat und habe ein Zitat gefunden, das für den zweiten Teil des Gesprächs, glaube ich, ganz wichtig ist. Ich zitiere Anna Mitkutsch. Ich habe in Linz früh schon als Kind eine unbestimmte Wahrnehmung wie eine Witterung aufgenommen, die mir viele Dinge erscheinen ließen, als hätten sie einen doppelten Boden, als seien sie nicht das, als was sie mir vorgestellt wurden, als müsse darunter noch etwas anderes liegen. Vielleicht war der Grund einfach der, dass man uns zu viel belogen hat und dass ich spürte, wie frisch die Erde noch über dem war, was die Erwachsenen gerade eben verscharrt hatten und vergessen wollten. Wie haben Sie versucht als Kind... Das ist gut formuliert, muss ich sagen. Das heißt, Sie hatten schon als Kind, wie soll ich sagen, Lust Rätsel zu lösen. Wie sind Sie diese Rätsel angegangen? Oder was hat den Verdacht geweckt? Nein, ich denke, wir suchen immer nach Gründen, aber wir vergessen, dass wir alle und auch Kinder schon auf eine bestimmte Art angelegt sind. Ich konnte, ich habe beobachtet. Und mein ganzes Leben bin ich draußen gestanden und habe beobachtet. Und das hatte ich schon als Kind. Ich konnte mit anderen Kindern nicht so viel anfangen, mit den Erwachsenen schon gar nicht und sie mit mir auch nicht. Aber ich habe sehr genau beobachtet und ich glaube, ich habe da sehr viel mitbekommen, was ich damals nie hätte formulieren können. Aber was ein bestimmtes, dieses Grundgefühl, als ginge man auf unsicheren Boden. Und das sich dann verdichtet hat, nachdem ich angefangen habe, in Büchereien zu gehen und ich dann langsam, das war ja nicht so einfach, über die Shoah Bücher zu finden in den 50er Jahren, da gab es fast nichts, dann hat sich das für mich kristallisiert. Aber gespürt habe ich das eigentlich schon von allen Anfangen auch. Ich meine, die Leute können sich dann doch nicht so verstellen bei den Lehrern. Da fehlt dann einmal irgendein Satz bei Mitschülern oder Schülerinnen. Bei Mitschülern oder Schülerinnen. Und ja, ich meine, ich spüre halt leider ein bisschen zu viel. Das ist mir geblieben. Ich spüre Atmosphäre, ich spüre, das hindert einen auch furchtbar. Weil wenn die Atmosphäre schlecht ist, dann geht es einem selber so schlecht, dass man nicht mehr funktioniert. Aber das ist einfach so. Das hat nicht mit der, ich kann nicht den Finger drauflegen und sagen, was ich dann gemacht habe in der Annäherung, weil der Verleger absolut nicht verstanden hat, warum diese Frau, die schon in Pension ist, sich noch immer mit der Shoah beschäftigt. Was hat die? Wo ist die stehen geblieben? Das hat mich geärgert. Dann habe ich meiner Agentin erzählt und gesagt, weißt du was, erfinde irgendeine Szene, wo du darauf gestoßen wirst und wo du ganz entsetzt bist. Und die Szene habe ich erfunden und die ist dann im Buch. Aber so simpel läuft es nicht. Ich glaube, ein Stück Ihrer Biografie, und ich weiß, wovon ich rede, weil ich habe mein halbes Leben immer Fragen gestellt im Gespräch, 337 oder 338 Gespräche. Und mir kommt vor, Anna Mitkutsch hat immer von Kindheit an Fragen gestellt. Aber die Erwachsenen haben nicht geantwortet. Also haben Sie die Antworten sich selber gegeben? Ich habe es herausfinden müssen und manchmal bin ich ganz daneben gelegen, aber ich habe sehr viel beobachtet und sehr viel überlegt, was da jetzt nicht gesagt worden ist. was da jetzt nicht gesagt worden ist. Und das ist ja, ich habe ja doch in meiner Kindheit immer wieder die Ferien auf dem Bauernhof verbracht. Und da gibt es, ich weiß nicht, wer von Ihnen das Müllviertel kennt und seine Sprache, aber da haben die Erwachsenen dann, wenn die Kinder große Ohren gehabt haben, immer gesagt, Schindelsannen doch. Das heißt, die Kinder große Ohren gehabt haben, immer gesagt, Schindelsanen doch. Das heißt, die Kinder hören mit. Ja. Aber ja, ich meine, das ist, ich weiß nicht, warum das so war. Warum ich so bin. Und warum ich als Kind so war. Ich weiß es nicht. Aber ich habe immer, immer beobachtet und ich bin immer drauf. Vom Rand her sieht man sehr viel mehr, als wenn man da mittendrin ist im Trubel. Und der Rand hat Sie immer mehr interessiert als das Mittendrin. Genau, natürlich. Aber es ist nicht eine Sache von, was wähle ich. Ich konnte nie anders als am Rand, vom Rand her beobachten. Ich bin dann, ich habe so eine seltsame, mein Kopf hat diese seltsame Eigenschaft, die ich schätze, ich habe das mal ein bisschen gelernt auch, sinnerfassend zu lesen. Also, wo steht das Wort Frage? Es war nicht vermeidbar, in ihrer Adalbert-Stifter-Preis-Dankesrede kommt genau das Thema Fragen stellen. Ich habe mir den Satz herausgeschrieben, es stünde den Dichtern besser an, die richtigen Fragen zu stellen, als zu urteilen. Welche Fragen, welche Fragen, Frau Mitgutsch, welchen Fragen weichen wir jetzt zum Beispiel aus und sollten sie uns eigentlich stellen? Ich meine es nicht politisch. Ich habe es nicht politisch gemeint. Ja, ich habe es nicht politisch gemeint. Ich habe es auch nicht so intendiert. Ah, es hat so geklungen. Aber es ist interessant, dass Sie meinen, dass wir jetzt ins Politische gehen. Ja, ich meine, die Fragen, das ist die Basis eines jeden Manuskripts, die Frage. Das ist das Thema. Und mit dem trägt man sich oft jahrelang. Und es ist nicht angenehm, denn es ist immer eine schwierige Frage. Und es ist immer eine Frage, die eigentlich nicht beantwortet werden kann. Ich habe in keinem meiner Bücher meine Frage beantworten können. Aber man kann drüber, man kann es, also dann ist es, ja, man kann ja drüber schreiben. Ich habe den Eindruck, also wenn ich Ihnen so zuhöre, dass das Schreiben für Sie, aber wahrscheinlich nicht nur für Sie, so etwas, es hat ein bisschen was Archäologisches. Also es wird etwas abgetragen, abgeschichtet. Vielleicht am Anfang mit dem Schaufel, am Schluss dann, wenn man sozusagen am Boden angekommen ist, mit dem Pinsel. Ein bisschen feiner, ja. Genau. Um etwas besser zu erkennen und vielleicht auch sich selber kennen zuulernen oder zu lesen, ohne jetzt den Therapiegedanken, den lassen wir weg. Aber man ist in Wahrheit ja auf der Suche nach sich selbst. Ja, vor allem was macht uns als Menschen aus? Das hat mich immer umgetrieben, diese dass Menschen, ich meine, ich habe nie geglaubt, dass Menschen, irgendjemand mithilfe der Psychologie erklärbar ist. Dass jeder Mensch reicht, auf der einen Seite in die Hölle, mit seinen Anlagen, mit seinen Möglichkeiten und mit dem anderen, mit der der anderen Seite in den Himmel sozusagen. Und alles dazwischen. Und das ist eben, wir haben einen freien Willen, heißt es immer. Und das ist das Faszinierende, weil man ja niemandem je auf den Grund kommt. Und das ist auch genau meine Frage bei diesen Briefen. Meine Frage an diese Personen, diese Figuren. Aber man muss am Grund gewesen sein. Aber vielleicht merkt man es nicht. Man weiß ja nicht, wo der Grund ist. Es könnte ja noch tiefer runtergehen. Wir wissen es ja oft nicht. Vielleicht, man weiß ja nicht, wo der Grund ist, es könnte ja noch tiefer runterkommen. Wir wissen es ja oft nicht, die wir im Schweren sind, bis übers Knie, bis an die Brust, bis ans Kinn. Aber sind wir denn im Leichten froh? Sind wir nicht fast verlegen im Leichten? Unser Herz ist tief, aber wenn wir nicht hineingedrückt werden, gehen wir nie aufingedrückt werden, gehen wir nie auf den Grund. Und doch, man muss auf dem Grund gewesen sein, darum handelt es sich. Rainer Maria Rilke in einem Briefwechsel. Und Hörmann Melvi sagt dasselbe. Genau. Er spricht auch über die Vorsehung, über die Rilke nicht spricht. Ja, auch wer nicht ganz tief taucht, dass er sozusagen dem Tod ganz nahe ist, der weiß nichts vom Leben und von der Ewigkeit, was immer das ist. Also jetzt kommen wir an der jüdischen Ethik und an einer Geschichte nicht vorbei. Die Geschichte vom Rabbi Hillel, der im Sterben liegt und die Jünger stehen um ihn herum und plötzlich wird es hell im Raum und er macht wieder die Augen auf und sagt, es ist alles anders. Ich habe die Prüfung miterlebt. Der Herr sagt, es ist alles anders. Ich habe die Prüfung miterlebt. Der Herr fragt, wie warst du im Leben? Und dann gibt es die Antwort und er sagt, du musst nicht Abraham gewesen sein, du musst nicht Moses gewesen sein, warst du Rabbi Hillel. Bist du der geworden, der du sein wolltest oder solltest? Also die Frage, die Suche manchmal in den Texten, auch nach sich selbst oder uns darauf hinzuweisen mit ihren Texten, mal eine Reflexionsschleife einzulegen und mal sich selber diese Frage zu stellen. Bin ich das worden, was ich mir vorgestellt habe? Was ich sein will, wollte? Naja, das ist natürlich ein Problem mit der Frage nach der Freiheit. Sind wir wirklich so frei, dass wir uns entwerfen können als das, was wir sein wollen. Und das glaube ich nicht. Also die Vorsehung, was ist uns vorgegeben? Nein, das ist ein bisschen zu eng und zu 19. Jahrhundert und zu... Aber Sie kennen ja sicher das Gedicht von Robert Frost, The Road Not Taken. In den Weg gegangen. Es ist aber nur ein Weg. Es ist nicht die ganze Palette, was sein könnte. Man hat nur zwei Wege oder vielleicht drei. Dann geht man einen Weg. Und dann ist alles Weitere, nicht alles Weitere, aber der nächste Schritt schon vorgegeben. Ich glaube, wir müssen jetzt eine kleine Info mitliefern. Robert Frost hat ein Gedicht geschrieben, wo er sagt, er steht an einer Weggabelung. Und er muss sich entscheiden, nehme ich jetzt den oder den. nehme ich jetzt den oder den? Und er philosophiert eigentlich, um der Entscheidung, welche Richtung ich einschlagen soll, näher zu kommen. Und er nimmt dann den, wo das Gras weniger niedergetreten ist. Und diese Entscheidung hätte für sein Leben einen großen Unterschied gemacht. Nein, ich bin nicht so optimistisch. Aber Sie sind optimistisch. Das ist eine schwierige Frage. Ich denke, irgendwann geht es einfach nur darum, das, was kommt, zu bewältigen. Bei jedem Schritt hat man die Wahl, aber eigentlich hat man keine Wahl, weil man, ja, doch nur eine Möglichkeit. Die Möglichkeiten werden immer enger. Man kann immer ethisch oder unethisch handeln. Aber diese Wahl, wenn man jung ist, glaubt man ja, es steht einem alles offen. Und das engt sich immer mehr ein. Und ich glaube nicht, dass wir besonders frei sind. Und das ist nicht die Vorsehung, sondern es ist einfach, dass beim nächsten Schritt kommt ein Mensch auf einen zu, der bestimmt auch, wie es weitergeht. Und dann kommen weitere Menschen, und die bestimmen dann, wie es weitergeht. Und dann kommt ein Beruf, und dann kommt so vieles. Und dann geht man schon auf den Weg und so geht man dann ins Grab. Ich muss jetzt das Buch von der Christa Wolf aufschlagen, weil ich liebe es auch deshalb, weil sie ein Gedicht dem Kindheitsmuster vorangestellt hat. Ich kann mich überhaupt nicht erinnern. Von Pablo Neruda. Ich will jetzt nicht das ganze Gedicht lesen. Wir sitzen ihretwegen hier, aber der letzte Satz dieses Gedichtes heißt, Wann liest der Falter, was auf seinen Flügeln im Flug geschrieben steht. Das ist schön. Also was wäre so wichtig zu lesen, wenn ich auf meinem Lebensweg bin? zu spüren, zu erkennen, was steht da, was meine, ich sage es jetzt mal, Vorsehung, mir eine Richtung eigentlich schon vorgegeben hat und so lange ich es nicht lesen kann. Also wer hat Ihnen oder was hat Ihnen geholfen, so wie mit dem Frost, den Weg einzuschlagen, sich zu entscheiden, den Weg zu gehen und nicht den anderen. Ich habe so viel Blödsinn gemacht. Ich kenne, klarerweise, weil ich selber alt werde, bin eine Menge alte, kluge Leute. Nicht eine Menge, einige. Wenige. Aber ich denke, die, die denken, sagen alle, sie bereuen so viel. Und ich auch. Die Reue, das, was man nicht gemacht hat, das, was man einfach an sich vorbeigehen ließ, das, was man anderen Leuten angetan hat und wenn es nur ein Ignorieren war, das ist so, je älter man wird, desto schlimmer ist es, weil man kann auch nichts mehr tun, man kann nichts mehr ändern und eigentlich ist das das größte Gewicht, schlimmer ist es, weil man kann auch nichts mehr tun, man kann nichts mehr ändern. Und eigentlich ist das das größte Gewicht. Also ich staune manchmal, wenn Leute von ihrem geglückten Leben sprechen. Ich glaube es nicht recht. Aber das geglückte Leben kann man das kann man doch erst beurteilen, wirklich in dem Moment, wo man den letzten Moment erlebt, ob das, was hinter mir liegt, geglückt ist. Heute weiß wahrscheinlich niemand, ob in der Summe das Leben... Mich wundert es ja wirklich immer wieder, dass man nicht es schafft und wie man es besser machen kann im Jetzt. Weil das gestern ist vergangen und die Zukunft wird erst. Also nutzt den Tag und versuch, so sein Gutes zu tun oder nicht ignorant oder ein bisschen mehr aufmerksam zu hören, dem anderen zuzuhören, weil ich mir denke, dass auch das, diese kleinen Schritte machen so etwas wie ein geglücktes oder gelingendes Leben aus. Aber Sie reden jetzt von einem nicht literarischen Leben, denn in der Literatur zählt ja nur die Literatur. In einem Leben mit Literatur zählt nur die Literatur. Und der Augenblick ist genau das, was man nicht fassen kann. Den Augenblick muss man erst im Nachhinein formen. Der Augenblick ist in dem Augenblick, wo er passiert, zu überwältigend. Da ist zu viel, ungeformt. Den Augenblick selber kann man nicht fassen. Man kann natürlich versuchen, ein guter Mensch zu sein und all das, und das ist im Augenblick wichtig, aber wenn man jetzt von der Literatur herkommt, da ist das Vorher und das Nachher, die Erinnerung ist eigentlich das Zentrale. Und der Augenblick muss gelebt sein, worden sein, damit er brauchbar wird. Damit er glaubhaft wird? Brauchbar. Literar er brauchbar wird. Damit er glaubhaft wird? Brauchbar. Literarisch brauchbar. Brigitte Schweiger steht da hinten ein Zitat, in dem Augenblick, wo man schreibt, hält man es für die Realität. Nein, das meine ich gar nicht. Das meinen Sie ja gar nicht. Nein, nein. Nein, das meine ich gar nicht. Das meinen Sie ja gar nicht. Nein, nein. Für mich hat das sehr viel mit Vergänglichkeit zu tun. Und damit, dass die, ich sage immer, ich glaube, ich habe es irgendwo geschrieben oder vielleicht habe ich es irgendwo gelesen, das weiß ich nicht mehr. oder vielleicht habe ich es irgendwo gelesen, das weiß ich nicht mehr. Der Tod liegt eingerollt in der Zeit. Und zwar in jedem Augenblick. Und ich erlebe das so. Das Vergehen ist bereits da in diesem Augenblick, wo wir jetzt reden. Wir sind natürlich auf den Augenblick konzentriert, auf das Reden und dass wir kein Blödsinn redet. Aber brauchbar wird dieser Augenblick erst in der Zukunft, als Vergangenheit. Brauchbar im Sinn von Erinnern, Reflektieren, Betrachten, von allen Seiten betrachten. Fragen stellen. Bitte? Fragen stellen. Genau, ja. In dem Augenblick, wo es passiert, ist man mittendrin. Da ist man zu sehr mittendrin. Das ist nicht brauchbar für die Literatur. Auf der ersten Seite Ihres ersten Buchs, die Züchtigung, habe ich versucht, und beim Durchlesen sind mir folgende Worte aufgefallen, wo ich mir gedacht habe, wo ich mir gedacht habe, die waren für das ganze Schreiben, für sie zentral. Schweigen, Augen, der Blick, kommt übrigens auch vor, ich hielt ihren Blick nicht lange aus, der Blick, das Rätsel, der Tod und dann in zwei Aufeinanderfolgen die Trauergeste und darunter steht Vertrauen. Also dieser Konnex zwischen Trauen und Vertrauen und Trauer und natürlich das Leben. Steht in der Züchtigung auch. Ja, auf der ersten Seite. Und ich denke mir, das sind so zentrale Begriffe. Ja, ich weiß, Sie wurden schon zu oft nach der Züchtigung gefragt. Aber ich halte das für so ganz wesentlich, weil ich mir denke, ich unterstelle Ihnen das jetzt mal, dass Sie mit dem Schreiben sich selber auf die Spur kommen wollen. Tun das nicht alle? Ich weiß es nicht. Ich weiß es auch nicht. Aber ich finde, die Gegenfrage ist ein Ja. Ja, natürlich. Ja. Aber das ist nicht nur, man ist ja in eine Gesellschaft eingebettet, nähere, fernere Menschen. Und mir ist immer wichtiger gewesen, schon, dass man sich selber auf die Spur kommt, aber auch die anderen. Wie funktionieren die? kommt, aber auch die anderen. Wie funktionieren die? Ich habe dann immer das Gefühl gehabt, dass ich vielleicht zu wenig verstehe von Menschen und dass sie mich deshalb so faszinieren. Und deshalb fragen. Bitte? Und deshalb fragen. Naja, klar, aber man kann sie nicht direkt fragen. Why not? Nein, man beobachtet sie. Aber ich habe jetzt so das Gefühl, Anna Mitgutsch, da ist die Welt, die Realität in der Literatur und daneben ist die Welt in der Wirklichkeit. Gibt es einen Konnex? Hat der Schriftsteller, die Schriftstellerin, weil Sie vorher kurz gemeint haben, wir reden über die Politik, hat sie eine Aufgabe, eine Verpflichtung, sich zu dem, was in der Außenwelt sozusagen passiert, zu Wort zu melden, weil Schriftstellerinnen und Schriftsteller auch moralische Instanz sein können oder jedenfalls auf etwas aufmerksam machen können mit ihrer Sprache, die anders ist als die, die man, weil wir hier von Zeitungsartikeln umgeben sind, als in den Medien. Da hat sich sehr viel geändert. als in den Medien. Da hat sich sehr viel geändert. Ich habe in meinen frühen Interviews und das halte ich für vermessen inzwischen, oft gesagt, ich möchte der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten. Das ist ein bisschen präpotent. Ich meine, eine junge Autorin, die sich anmaßt, dass sie alles versteht und der Gesellschaft jetzt den Spiegel vorhält. Und das ist die Gesellschaft. Das würde ich heute von einer jungen Autorin sagen, ja, ja, schlecht. Aber ein Autor, eine Autorin, die oder der älter ist, also schon auch ein Stück Lebenserfahrung, ist das immer noch präpotent? Das geht nicht mehr, weil es immer komplizierter wird und immer komplexer. Und es gibt, als ich jünger war, gab es Schwarz-Weiß. Gut und schlecht. Ich war immer bei den Guten. Das geht nicht mehr, meinem Alter für mich. Ich habe später gesagt, und das kann ich noch nachvollziehen, als ich die Ausgrenzung geschrieben habe und auch viele Aufsätze dazu und über Fremdsein und so, dass ich denen eine Sprache geben möchte, die keine haben oder die nicht gehört werden. Das ist etwas, womit ich noch immer was anfangen kann. Aber es ist alles viel zu kompliziert. Natürlich ist man immer wieder versucht, sich über die Gegenwart zu äußern. Aber ich weiß es nicht. Ich habe dann so oft das Gefühl, so oft, dass ich mich als jüngere Frau so geirrt habe. Und dass ich mich schäme für die Art, wie ich mich geirrt habe. Und ich war immer unter den Koten. Die Aufgabe der Literatur ist die Erkundung der blinden Flecken der Vergangenheit, Christa Wolf. weil da an der Wand Waldheim steht. Sagen Sie es noch einmal. Die Aufgabe der Literatur ist die Erkundung der blinden Flecken der Vergangenheit. Das war ja noch eine Zeit, wo es einfach war, die Guten und die Bösen. war, die Guten und die Bösen. Aber trotzdem, eine Wegweiserhilfe sozusagen, das ist ein Ansinnen, mit dem Sie nichts anfangen können. Es ist nicht, dass ich nichts anfangen kann. Ich weiß, also ich verfolge ja, was passiert überall. weiß, also ich verfolge ja, was passiert überall, verbringe ja mindestens drei, vier Stunden am Tag damit. Aber ich denke mir, wenn ich das sage, was ich denke, über die Entwicklung, was jetzt Moden, diese Moden, diese philosophischen oder weiß ich was, Moden, diese philosophischen oder weiß ich, Moden, dann bin ich die Alte, die meckert, die nichts versteht, ich kann mit dieser Zeit nicht mehr, ich habe dieser Zeit nichts mehr zu sagen, sie ist mir zu fremd geworden, ich lehne sie zu sehr ab. Ich erinnere mich, das ist schon ziemlich lange her, ich liebe die Natalia Ginzburg und habe einen Aufsatz von ihr gelesen, wo sie über diese Jugend herzieht. Also die sind ganz schrecklich. Sie zerstören die Kultur. Ich habe ganz viel vergessen. Und ich habe gedacht, ja genau. Und dann lese ich, wann sie das geschrieben hat. 1967. Wir haben nicht so viel Zeit, jetzt da nach 67 zurückzugehen. Aber ich denke mir, wie schützen sie sich mit welcher Literatur oder was machen sie, wenn sie vier Stunden sich mit der Welt, mit den Ereignissen, was auf uns einstürzt tagtäglich, um das auszuhalten, ich mag das Wort resilient nicht, gebe ich zu. Aber wie, welche Schutzfunktion kann Literatur zum Beispiel haben? Immer weniger. Wo bleibt das Positive von? Ja, ja, ja. Schreiben Sie endlich einen lustigen Roman. Gut. Mal versucht. Ich bin im Privatleben eigentlich ziemlich witzig. Das glaubt mir niemand. Das hat meine Recherche auch ergeben. Das glaubt mir niemand. Das hat meine Recherche auch ergeben. Aber ich habe eine sehr satirische Art, die bei uns nicht verstanden wird. All right. Erzählen Sie doch einen Witz. Ich kann nicht jetzt aus dem Stehgreif. Das muss sich ergeben. Und mein von mir sehr verehrter Lektor, Helmut Frelinghaus, war ein Norddeutscher. Und der hat dann gleich gesagt, wenn Männer Haare auf der Brust haben, da können sie nichts dafür. Das wäre ein satirischer Ansatz gewesen. Der hat mir nichts Satirisches erlaubt. Und als ich dann eben dieses Buch geschrieben habe, er ist ja 2011 gestorben, habe ich mich ein bisschen ausgetobt und dann kam die Juristin. Ich habe keine Chance. Aber doch, wo bleibt das Positive? Welches Thema ist ein Thema, das Sie seit der Züchtigung bis in die Gegend, oder welche Frage, auch wenn das schon penetrant klingen mag, beschäftigt Sie heute noch immer manchmal so, wie ich sage jetzt mal in der Volksschule? Naja, ich meine, es war schon eigentlich seit der Kindheit die Nazizeit und die Shoah. Das hat mich mein ganzes Leben nicht losgelassen. Wobei, ich komme nicht aus einer Nazifamilie, also da bin ich meinen Eltern sehr dankbar dafür. Aber das hat mich offenbar in einer Zeit, wo ich sehr, was heißt das auf Deutsch, empfindlich oder empfänglich war. Irgendwie muss mich das so gefesselt, gefangen genommen haben, dass ich mein ganzes Leben nicht davon weggekommen bin. Ich habe mich nur in meinen Büchern zurückgehalten, weil ich immer gedacht habe, das Thema gehört mir nicht. Das gehört den Überlebenden und ihren Nachkommen. Ich setze mich da nicht drauf. Ich habe nur ein Buch, also Haus der Kindheit, aber da ging es nicht um die Shoah, da ging es um die Schuld, also um die Restitution, um Arrestierungen. Aber das hat mich mein ganzes Leben und eigentlich bis in die Gegenwart besetzt. Und ich bin draufgekommen, dass das nicht wirklich übereinstimmt mit der linken Bewegung, von der ich einmal Teil war. Ich habe dann irgendwann den Antisemitismus der linken Studentenbewegung sehr stark mitbekommen. Und das hat mich verjagt. Und das ist ja jetzt mit der Antifa auch. Das hat mich verjagt. Und das ist ja jetzt mit der Antifa auch. Und daher, ja, eine Zeit lang war das sehr schwierig, weil man sich dann sehr heimatlos fühlt. Dieses Pendeln zwischen, ich sage jetzt, Boston und Linz. 30 Jahre lang. 30 Jahre lang. Das heißt doch auch, eine Heimat suchen, weil immer im Mondschatten ist, egal wo man sich aufhält, ein Teil ist dunkel und man braucht wieder ein Gespür, sich, wenn man zurückkommt, hineinzukommen. Ist das auch eine Mutmaßung, nachdem ich das Privileg habe, mit Ihnen zu reden, stelle ich Ihnen jetzt die Frage, war das zu Hause, weil auch die zwei Sprachen, nicht einfach, dass die Religion dann diese Bedeutung, diesen Platz eingenommen hat? Ja, die große Bedeutung, ja. Naja, ich meine, es war nicht paritätisch sozusagen. Ich habe kein Problem mit Österreich, aber ich habe mich nie wirklich zu Hause gefühlt hier. Ich habe immer das Gefühl gehabt, hier geht es automatisch, aber ich bin hier begraben. Gelebt habe ich immer im Ausland. Da sind die bunten Bilder, da ist das, wovon ich zehre. Ob das jetzt, selbst England, wo ich als erstes war, Israel, Amerika, sogar Korea, wo es ganz schlimm war in den 70er Jahren. Da habe ich das Gefühl gehabt, da bin ich mitten im Leben. Und natürlich Amerika, also diese Jahre waren wunderbar, weil ich habe zwei Sprachen, zwei Kulturen, zwei politische Systeme, immer alles doppelt gehabt. Und zurückgezogen habe ich mich dann in Linz. Wir sind ja, um auf Leonding zurückzukommen, die Zaubertaler wollen auf keinen Fall Leondinger sein. Und sie leben im Zaubertal und nicht in Leonding. Sie haben sogar darauf bestanden, dass wir 40-20 sind und nicht 40-60. Ja, das war, ich weiß es nicht, mit Heimatsuchen. Sie haben mal gesagt, Österreich ist Heimat? Nein. Und Boston ist zu Hause. Habe ich nicht gesagt. Gut. Haben Sie das irgendwo gelesen? Ja, ich habe es sogar herausgeschrieben. Ich habe mir gedacht, wie so eine schöne Kurzform zwischen diesen beiden Orten. Das eine als Heimat und das andere als Zuhause. Vielleicht war ich Österreich gegenüber sehr positiv. Positiv. gegenüber sehr positiv. Aber die Entscheidung, ins Schreiben zu gehen, haben Sie nie bedauert? Naja, das Problem ist, ich habe ja an der HPL geschrieben in Innsbruck und da habe ich mir schon oft gedacht, Mensch, da hättest du Einkommen und Urlaub und gesichertes Alter und ich habe ja gerade angefangen mir in der amerikanischen Lyrik ein bisschen einen Namen zu machen. Das habe ich schon manchmal bedauert und etwas, das mir nie gelungen ist, ich habe auch zu einer Freundin einmal gesagt, weil sie mir das jedes Mal sagt, wenn ich zu zweifeln beginne, ich bin nur glücklich, wenn ich schreibe. Und das stimmt auch. Aber das Schreiben alleine ist es ja nicht. Man muss das, dann hat man das Manuskript. Wir gehen alle die Schritte. Dann kriegt es eine Lektorin in die Hand, die nichts damit anfangen kann und einem was unterstellt, dass man schreibt, was man nicht schreibt. Dann kommt die Juristin. Dann kommt das Buch heraus. Man schenkt es her. Man kriegt 20 freie Exemplare. Man schenkt 18 davon her. Niemand, aber wirklich niemand bedankt sich. Niemand kommt jemals darauf zu sprechen. Im Gegenteil, die verschwinden. Und hoffen, wenn sie einen wiedersehen, ein paar Monate später hat man vergessen, dass man ihnen ein Buch geschenkt hat. Das heißt, man ist... Wissen Sie, warum? Ja, sagen Sie es mir. Es ist leichter, ein Buch zu behalten, als das Buch zu lesen und den Inhalt zu behalten. Ganz sicher. Ganz sicher. Ich will damit sagen, wie wirklich einsam man ist mit seiner Arbeit. Man möchte ja Feedback. Man möchte ja, jeder Mensch möchte für seine Leistung geschätzt werden. Aber das passiert kaum je. Weil dann kommen die Rezensenten. Und von denen muss ich Ihnen nichts erzählen. Die sollten wir auch nicht lesen. Das lernen wir alles auswendig. Die Pharisäer lernen das sofort auswendig, beim ersten Lesen. Die guten weniger. Und dann kommt der absolute Horror, die PR, die man selber abliefern muss. Die Lesungen, die Interviews, das Exponiertwerden einer Öffentlichkeit gegenüber. Ich kann das nicht. Ich mache nur eine schlechte Figur. Ich glaube, Sie werden es am Applaus merken. Dass dem nicht so ist. Ich merke auch, dass die Rezensenten sehr viel netter geworden sind, als ich über 70 war. Da gibt es dann keine Parisse mehr, aber man selber steht man dann auch drüber. Nein, es ist sehr hart. Es ist ein sehr harter Job und auch das Schreiben ist wirklich harte Arbeit. Aber man ist glücklich dabei. Das ist ein schönes Schlusswort. Okay. Vielen Dank. Das finde ich auch, dass das ein schöner Schluss war. Vielen Dank fürs Kommen, Michael Kerbler und vor allen Dingen Anna Mitkutsch. Vielen Dank für sehr viele selbstreflektierte Eindrücke über ein ganzes Schriftstellerinnenleben. Es war hochinteressant für mich und ich denke auch für unser Publikum. Hinten finden Sie den Büchertisch, wo Sie Bücher von Anna Mitkutsch erwerben können. Auch die angesprochene Porträtrampe über Anna Mitkutsch. Ich denke, Anna Mitkutsch ist gerne bereit zu signieren, wenn Sie was kaufen. Wir haben noch eine Veranstaltung vor Weihnachten und das ist am Donnerstag eine Mittagsveranstaltung mit Sabine Weißensteiner von der Buchhandlung Fürstlberger. Ich würde mich freuen, wenn Sie kommen und ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend. Vielen Dank.