Sehr geehrtes Publikum, herzlich willkommen im Stifterhaus. Der heutige Abend steht ganz im Zeichen der Autorin Brigitte Schweiger. Ihr ist die am 24. Juni eröffnete und noch bis 12. März nächsten Jahres laufende von Stefan Maurer kuratierte Ausstellung gewidmet, die sie hier umgibt und zu der wir heute den Begleitkatalog vorstellen dürfen. Dieser bildet nicht nur die Ausstellung ab, sondern ermöglicht darüber hinaus einen Einblick in Schweigers Leben und Schreiben aus unterschiedlichen Perspektiven, versammelt Erinnerungen von WeggefährtInnen, ebenso wie literaturwissenschaftliche Texte zu Themen und Werken der Autorin, ergänzt durch zahlreiche Abbildungen. Außerdem dürfen wir Ihnen heute eine Neuauflage des letzten zur Brigitte Schweigers Lebzeiten veröffentlichten Buchs Fallen lassen präsentieren, vorgestellt durch die Autorin Andrea Winkler, die ein sehr schönes Nachwort dazu verfasst hat. Der Text Schweigers wird direkt auf uns wirken, wenn Stefan Maurer einen Auszug aus dem im Cernin Verlag wieder aufgelegten Fallenlassen vorträgt. Im Anschluss an die Lesung Andrea Winklers folgt ein kurzes Gespräch zum Buch zwischen Andrea Winkler und Stefan Maurer. Freuen Sie sich also mit uns auf einen Abend mit und zu Brigitte Schweiger. In diesem Zusammenhang möchte ich einige Danksagungen und Grußworte aussprechen, zunächst an alle anwesenden LeihgeberInnen der Ausstellung, alle KatalogbeiträgerInnen und alle UnterstützerInnen dieses Schweiger-Projekts, besonders die UnterstützerInnen dieses Schweiger Projekts, besonders die Mitglieder der Brigitte Schweiger Gesellschaft in Freistaat, die unsere Vorhaben, Ausstellung und Katalog so tatkräftig unterstützt haben und sowohl eine Leihgabe als auch einen Ausstellungsbeitrag beigesteuert haben. Vielen Dank Ihnen und Euch allen und herzlich willkommen. Ich begrüße im Besonderen natürlich die heute Vortragenden, von denen ich zwei nun noch gesondert vorstellen möchte, nämlich Andrea Winkler und Stefan Maurer. Andrea Winkler wurde 1972 in Freistaat geboren und lebt in Wien. Nach einer religions- und sozialpädagogischen Ausbildung war sie unter anderem in der Jugendsozialarbeit tätig, etwa als Leiterin eines Jugendzentrums sowie in der Erwachsenenbildung. Sie studierte Germanistik und Theaterwissenschaft an der Universität Wien und lehrte am Institut für Sprachkunst der Universität für Angewandte Kunst Wien und an der Kunstuniversität Linz. Seit 2006 hat sie mehrere eigenständige Buchpublikationen vorgelegt, daneben Texte für Theater und Hörspiel sowie Essays, Reden und Rezensionen. Das letzte Buch, ein Proserband, erschien in diesem Jahr im Wiener Sonderzahl Verlag unter dem Titel Mitten im Tag. Für ihre Werke wurde sie mit mehreren Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Theodor-Körner-Preis 2005, dem Adalbert-Stifter-Stipendium des Landes Oberösterreich 2006, dem Abraham Wurzel Award 2007, dem Ersten Preis des Literaturwettbewerbs Wartholz 2008, dem Förderpreis der Republik Österreich 2009, dem Reinhard-Priesnitz-Preis 2009, dem Förderpreis zum Heimrat-Becker-Preis 2014, dem Kulturpreis des Landes Oberösterreich 2022 und dem Wetterkanäti-Preis der Stadt Wien 2025. Herzlich willkommen, liebe Andrea. Darf man ruhig sagen. Verdiente Preise. Stefan Maurer wurde 1981 in Linz geboren. Er studierte Germanistik, Philosophie und Theaterwissenschaften in Wien, war Mitarbeiter am Franz-Nabel-Institut in Graz sowie am Literaturhaus Wien und ist seit Oktober diesen Jahres Mitarbeiter am Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich, worüber wir uns natürlich sehr freuen. Er kuratierte mehrere Literaturausstellungen und veröffentlichte zahlreiche Publikationen zur österreichischen Gegenwartsliteratur. Zuletzt Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945, sowie verschachtelt und verschlossen Gefühlserkundungen im Archiv. 2020 erschienen herausgegeben, gemeinsam mit Hanna Brandstetter. Seit 2020 beschäftigt sich Maurer eingehend mit Brigitte Schweigers Werk und hat einige Aufsätze zu ihr publiziert, etwa über die Beziehung zu ihrer Heimatstadt Freistadt, zur komplexen Situation des Nachlasses der Autorin, sowie zu ihren Anfängen in Linz. Letzterer Aufsatz ist in den Facetten 2023 erschienen. 2020 war Maurer auch einer der Gründungsmitglieder der Brigitte Schweiger Gesellschaft in Freistadt. Derzeit arbeitet er an einer Biografie zur Autorin. Herzlich willkommen, lieber Stefan. Stefan Maurer wird auch den zweiten Teil des Abends bestreiten, die Vorstellung des von ihm herausgegebenen Katalogbandes. Zunächst aber wird nun das Buch Fallenlassen von Brigitte Schweiger im Fokus stehen. Es wurde erstmals 2006 im Cianin Verlag publiziert, der sich nun um eine Neuauflage bemüht hat. Jetzt habe ich leider das Buch, das wollte ich Ihnen jetzt eigentlich zeigen, also nochmal im neuen Kleid, Sie können es auch nachher hinten erwerben am Büchertisch. Schauen wir mal, ob wir es hier herstellen können. Um das hier soll es vorerst mal gehen. Das Buch stützt sich auf Texte Schweigers über sich als Patientin der Psychiatrie auf der sogenannten Wiener Baumgartner Höhe, welche Anfang der 2000er Jahre in der Wochenbeilage, Spektrum der Tageszeitung, die Presse erschienen sind. dem Zustand der österreichischen Psychiatrie ist ungeschönt und macht betroffen. Ihre persönlichen Erfahrungen als psychisch Kranke, ihre Depressionen, Psychosen, Süchte, Selbstmordgedanken und Versuche schildert sie schonungslos, ohne selbstmitleidig zu sein. Der Alltag, der in Ritualen verläuft und oftmals nur ein Dahinvegetieren bedeutet, der mit banalen Tätigkeiten, Ergotherapie, der regelmäßigen Einnahme von Psycholeptika, dem Stricken und Telefonieren, mit Besuchen und Spaziergängen, dem Zusammenleben mit den anderen PatientInnen, manchmal auch deren Sterben, dahingeht, wird authentisch geschildert, ohne zu verharmlosen oder Tabuthemen auszuklammern. Das ist eine der Stärken des Buches. Ebenso sein bewusster Verzicht auf jede Art der Literarisierung. Die Psychiatrie wird unmittelbar aus der Sicht einer Betroffenen geschildert. Man könnte den Text auch nach einem Buchtitel von Paul Oster als einen Bericht aus dem Inneren bezeichnen. Ich möchte nun Stefan Maurer bitten, aus dem Buch vorzutragen, um den ZuhörerInnen ein eigenes Bild zu ermöglichen und im Anschluss als Suche ich Andrea Winkler um ihr Nachwort. Vielen Dank, liebe Claudia, für die Vorstellung. Und ich wünsche Ihnen einen schönen guten Abend. Ich freue mich, dass Sie an diesem Abend so zahlreich erschienen sind und möchte Ihnen jetzt quasi ausfallen lassen, das erste Kapitel vorlesen. Ich bin zwar, wie Sie jetzt wissen, seit längerem Leser Brigitte Schweigers, vorgelesen in so einem Rahmen habe ich sie noch nie, deswegen ist das auch so eine Art Premiere. Du haftest in der Welt, beschwert von Ketten, doch treibt, was wahr ist, Sprünge in die Wand. Du wachst und siehst im Dunkeln nach dem Rechten, dem unbekannten Ausgang zugewandt. Aus Ingeborg Bachmann, was wahr ist. Pavillon 10, Ebene 2. Gemeinsame Toiletten und gemeinsames Badezimmer für Frauen und Männer. Ein Einbettzimmer, Mann oder Frau, ein hinzugebautes im Saal, neues, größeres Einbettzimmer für einen Mann oder eine Frau nimmt Platz weg. Einige wenige Zweibettzimmer, ich glaube insgesamt drei, Männer oder Frauen, ein Vierbettzimmer und ein Dreibett für Frauen, ein riesiges Männerschlafzimmer, sechs bis acht Betten. Verlässt eine Frau im Nachthemd das Frauenschlafzimmer, stößt sie zusammen mit einem aus dem Nebenanliegenden Männerzimmer torkelnden, unfrisierten, halbnackten Mann Speichel rinnt ihm von den Lippen, Haar nach allen Seiten abstehend Es ist kein Pfleger da, wenn einer aufsteht und zur Toilette wankt Das Badezimmer, man nimmt ein Bad, eine Dusche. An zwei Waschbecken je ein Mann, eine Frau, sich das Gesicht waschend. Geschlechtertrennung, sagte ich einmal. Ich wünsche mir Geschlechtertrennung. Ja, es sei zu wenig Platz. Ein Einzelzimmer hätte ich gerne mal gehabt, aber es gab für Schriftstellerinnen natürlich keine Ausnahmen. An der Tafel an einer Wand Namen. Schweiger Brigitte. L. Kasper. B. Ulrike. Entschuldigen Sie, aber sind Sie die Schweiger? Sind das Sie? Sind das Sie? Ich habe Sie für eine Ärztin gehalten, sagt eine Mitpatientin. So wie Sie herumgegangen sind vorher und so wie Sie gekleidet sind und so wie Sie sich im Spe? Naja, die Art, wie sie mit ihm geredet haben. Ja, danke. Ich habe selbst einmal die Erleuchtung gehabt vor einem Jahr. Ich bin ja schon einige Male hier gewesen. Da hat eine Patientin mit einer Mitpatientin gesprochen. Da habe ich mir gedacht, aha, das werde ich auch tun. Aha, das werde ich auch tun. Einfach den Mitpatienten, der aus dem Mund speichelt oder dessen Lippen gelb sind, von Spuckerückständen eingetrocknet, ihm oder ihr sagen, ge bitte, sei so gut und wisch dir den Mund ab, ich kann das nicht mehr anschauen. Die, von der ich das lernte, dass man mit Patienten reden kann, wie mit Mitmenschen, war schlank, groß, herrlich gekleidet, nämlich dezent und pfiffig. Ihre Mutter schizophren, ihr Bruder schizophren, sie mit ich weiß nicht mehr was für einer Diagnose. Sie war verliebt in einen Mann, den sie erst kurz kannte, der im Ausland lebte. Täglich telefonierte sie mit ihrem handy mit landen ein patient der vorher bei mir gewesen war bitte hätten sie eine zigarette für mich näherte sich ihr mit derselben frage und sie sprang auf warf ihr strickzeug hin sie strickte mit feiner wolle ein ganz besonderes muster ob die arme und lief durch den saal ich kann kann nicht mehr, ich kann nicht mehr, ich halte das nicht mehr aus. Ich hielt es auch nicht mehr aus und konnte auch nicht mehr. Ich war froh, dass sie durch den Saal lief und es sagte, an meiner Stadt, danke meine Liebe, habe dich leider schon lang nicht mehr gesehen. ich leider schon lange nicht mehr gesehen. Vorher war nämlich die ältere Dame mit den Krücken im Rollstuhl gekommen, die sich einmal aus dem Fenster gestürzt und überlebt hatte. Sie war geistig gebildet, körperlich nicht besonders anziehend, langes offenes Haar, dunkel gekleidet. Sie sprach vornehm und ruhig, ärgerte sich, dass sich niemand mit ihr befasste, bat mich um Zigaretten. Und die Strickereien mit ihrem Geliebten in London, der schizophrenen Mutter, dem schizophrenen Bruder und ich hatten der Dame Zigaretten gegeben. Dann war der Mann gekommen, der auch welche wollte. Und da drehte ich fast durch. Aber die Jüngere warf eben wirklich ihr Strückzeug hin und demonstrierte, dass es nämlich nicht mehr zu ertragen war. Die Armut, die Bedürftigkeit, diese Menschen, die aus ihrer Familie ausgestoßen, von der Ehefrau eingeliefert oder von der Polizei aus einem Gefängnis vielleicht gerade entlassen und wegen psychischer Krankheit in der Psychiatrie. Mein Sachwalter kommt heute Nachmittag, er gibt Ihnen die Zigaretten ganz bestimmt zurück. Entschuldigen Sie bitte, hätten Sie einen Euro für mich? Ich möchte telefonieren. Das Telefon ist ein uralter Apparat im oberen Stockwerk, zwei lange Stiegen hinauf. Nicht jeder schafft es, die Stufen zu erklimmen. Es sind Menschen so geschwächt von Tabletten, dass sie telefonieren möchten, es aber sein lassen. Das Bürotelefon auf unserer Ebene darf von Patienten nicht benutzt werden. Manchmal, ausnahmsweise, borgen ein Arzt, ein Pfleger, eine Schwester das Handy her. Aber nur kurz, natürlich. So wie ein Arztgespräch nicht lange dauern darf. Sagen Sie mir kurz, erzählen Sie mir kurz. In der Beschäftigungstherapie einen Stock tiefer im Keller mit Ausgang zum Park, weshalb der Keller Ebene 1 ist, unsere ist Ebene 2, Ebene 3 das Telefon und die Geriatrie, sowie die Gymnastik, Ebene 4 eine Station wie hier, nur nicht Notaufnahme, keine akuten, sondern die chronischen. Toiletten und Badezimmer für Damen und Herren gleichzeitig. Oben nicht so sauber wie herunten, hörte ich von Mitpatientinnen, die hinauf wechselten, weil auf Ebene 2 Betten gebraucht wurden. Die charmante Strickerin mit dem Handyanschluss nach London sagt, die Beschäftigungstherapie sei wie ein Kindergarten. Sie ruft Tante, wenn sie die Therapeutin braucht. Wir sitzen an Tischen, nähen, sticken, stricken, basteln, zeichnen, malen, kleben, schneiden, singen, aber dabei kein Lied. Wir sind die fleißigen Arbeitsdienstlerinnen vom Steinhof. Punkt zehn Uhr vormittags wird geöffnet. Vorher sitzen wir, wenn Winter ist, im kalten Vorraum auf einer Bank. Dann wird aufgesperrt. Wir dürfen in die lichten Hallen, Kunstlicht, jeder an seinen Tisch. Einige Tanten, von Tisch zu Tisch gehend, dann wieder untereinander tratschend, sehr kranke Gestalten scheinen auch sie zu sein. Eine schusslige, befehlerische, vor der sich Patientinnen fürchten. Eine hagere, magere, mit dem Haar gefärbt, blau, grün, rosa, gelb. Die strenge, schusslige, befehlerisch ist mir lieber, weil sie in meinem Alter ist. Sie nimmt mir, wenn ich etwas nicht machen kann, die Sache aus der Hand und vollendet sie. Eigentlich wollte ich nur stricken, einen Wollschal nach dem anderen. Beim Stricken kann man so gut nachdenken und zuhören, träumen, Pläne schmieden, Entschlüsse abwägen. denken und zuhören, träumen, Pläne schmieden, Entschlüsse abwägen. Als ich nach dem ersten Schal einen zweiten anfange, sagt die Gestrenge, nein, wieder einen Schal. Sie zeigt mir ein norwegisches Häckelmuster, häckelt es mir vor. Mir ist das zu kompliziert. Nein, was möchten Sie denn machen? Noch einen Schal? Das erlaube ich Ihnen nicht. Natürlich hätte ich darauf bestehen können, dass das Schalstricken sich bei mir gut bewährt hat, als Mittel zur Beruhigung und Sammlung. Wenn es auch zur Sucht wurde einmal, denn da strickte ich eine Zeit lang für Menschen, denen ich etwas Gutes tun wollte, nur noch Schals anstelle von Briefen oder Besuchen. Jeder, den ich gern hatte, bekam einen. Die Ergotherapeutin meint, ich könnte etwas nähen. Nähen, ach Gott, aber bitte. Ich bringe nach einigen Tagen sogar meine eigene Nähmaschine mit in meinem Einkaufswagerl. So wie ich ein Klavier besitze und nicht spiele, so besitze ich auch eine Nähmaschine, obwohl ich dann nicht nähe. Nun nähe ich Bettwäsche, wochenlang. Dann wieder etwas anderes. Eine Pappfigur, die mehr oder weniger missglückt ist, so bemalen, dass man das Missglückte möglichst nicht sieht. Ich wende meine mir in langen Jahren erworbene Malkunst an. Der Clown wird ganz hübsch. Ob ich ihn haben möchte? Nein, danke. Ein Patient malt auf Seite einen Kakadu. Er wurde gefragt, ob er ihn mit nach Hause nehmen wolle. Nein, danke. Ich habe eh schon so viel daheim. Er sprang bald darauf zu Hause aus dem Fenster, tot, vielleicht 40. Schlank, mittelgroß, Brille, immer traurig. Schlank, mittelgroß, Brille, immer traurig. Wir schielten mittwochs, Vormittag am Mittwoch gilt dem Kochen, Erdäpfel miteinander. Er hatte einen blau-schwarzen, schon ein wenig abgetragenen Pullover an, eine Art Skipullover, den er fast immer trug. Beim Erdäpfel schneiden und Arm über die Schüssel bewegen, strich sein herabhängender Ärmel meist über die Potatoes. Ich sagte, er solle den Arm heben, er, ja, weil der Pullover schmutzig wird, danke. Ich hatte eher gedacht, dass es unappetitlich ist für die, die diese Erdäpfel dann essen werden. Er ging am Tag vor seinem Tod noch mit uns spazieren. Mittwochvormittag gemeinsames Kochen, Mittwochnachmittag gemeinsamer Spaziergang. Wir versammelten uns, wir, die Ergotherapie-Mitglieder, dann ging es los. Entweder mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt oder nach Schönbrunn oder zu Fuß irgendwo hin in der Nähe. Es wurde abgestimmt, meist schon Tage vorher. So wie das, was wollen wir am Mittwoch kochen, viele Tage vorher schon geplant wurde, gemeinsam beschlossen. Wer wie was, wo kaufen wir ein? Wer besorgt die Kürbisse? Ich, ich, ich. Bin so etwas gut, kaufe Kürbisse. Und der, der sich umbrachte, einen Tag vorher. Eben hatten wir kochen, dann Spaziergang zu Fuß von den Pavillons hinauf, an der Otto-Wagner-Kirche vorbei. Kein Zweifel, dass sie schön ist, von der Ferne die goldene Kuppel, das ist ja wie Jerusalem. Und in den Wald über Hänge, auf Wegen neben Wiesen und Feldern, zur Schutzhütte, zum Schutzhaus, dort konnten wir, es war Frühling, im Freien sitzen. Cappuccino, Limonade, Tee, der neben mir schwieg. Ich wusste, dass er unglücklich war, ich schwieg auch. Ich war mindestens so unglücklich wie er. Als ich am nächsten Tag von einer Mitpatientin ins Ohr gewispert bekam, er sei tot, erschrag ich, wünschte ihm alles Gute, gratulierte ihm und beneidete ihn. von den rohen Kartoffeln. Ich hätte gemeint, er sei unappetitlich. Gut, dass ich das nicht sagte, dachte ich. Gut, gut, gut, sonst würde ich glauben, er ist deshalb hinuntergesprungen. Du musst es tragen mit Gelassenheit, sage ich zur Informantin. Er ist tot, er hat es geschafft, er muss nicht sein weiteres Leben als Krüppel verbringen. Wir wissen nicht, warum er es getan hat, wir haben ihn ja nicht gekannt, außer dass er hier war. Ich mache mir jedenfalls keine Vorwürfe, ich war immer möglichst nett zu ihm. Aber ich war nicht nett, sagt sie, ich bin nicht nett zu ihm gewesen. Sie ist eine der Patientinnen, die zu niemandem nett war, ja. Ich erlebte sie monatelang als vollkommen in sich verkapselte Person, mit einer gewissen Schrullichkeit, mit seltsamen Gang. Bei einem anderen Aufenthalt erzielte sie eines Abends plötzlich im Speisezimmer, sie sei aus dem vierten Stock gesprungen und habe überlebt. Acht Monate gibt es im Krankenhaus. Sexuell missbraucht von den Eltern. Sexuell missbraucht von der Großmutter, vom Großvater. Es sind so viele sexuell missbrauchte Kranke, die sich nie wiederholen, die immer Angst haben. Zweifel, Selbsthass. Vor ein paar Tagen ein Anruf anderer Patientin, Mitte 30, berufsunfähig, Stimmen hören, sexuell missbrauchtes Kind, hat sich lange nicht gemeldet bei dir, Brigitte, entschuldige, aber ich habe einen Selbstmordversuch gemacht und war lange im Spital. der Versuche war so, viel Alkohol und 800 Drucksal in einem Wald, gefunden als sie im Koma war. Das Koma war wunderschön, ich habe lauter Luftballons über den Wiesen aufsteigen gesehen. Das Essen war gut, das Mineralwasser war gut, wurde aber wegen Budgetkürzung Ende 2003 gestrichen. Leitungswasser. Wir nehmen die bereitstehenden kleinen Trinkgläser und holen uns halt das Leitungswasser aus der Männer-Frauen-Toilette, die auch das Personal benutzt. Erste Tür Männer, zweite Tür Frauen, dritte Tür mit Schlüssel fürs Personal. Oft geht ein Mann in die Frauenkabine und umgekehrt. Es ist die Toilettenbrille oft nass und die Schüssel nicht sauber, manchmal verstopft mit Toilettenpapier und Kacke, die Kacke manchmal neben der Schüssel, auf den Fliesen in der Kabine. Mein Gott, was haben erst die Juden leiden müssen. Ich helfe mir immer mit den Juden, die Juden im KZ und ich in einem sehr freundlichen Juden im KZ und ich in einem sehr freundlichen Konzentrationslager, in dem nicht geschossen wird. Das ist doch was. Und die Kälte dort, die atmosphärische? Menschenliebe wollt ihr auch noch haben? Menschenwärme? Wir psychisch Kranken werden nicht vergast, nicht durch Zwangsarbeit gefoltert, nicht geschlagen oder nur sehr, sehr selten. In Zeiten äußerster Not trischt vielleicht einmal versehentlich jemand auf den Patienten ein oder gibt der Patient, der Krankenschwester, die ihn beleidigt, eine Ohrfeige. Warum haben sie sie geschlagen, frage ich ihn. Die Krankenschwester hat sich entfernt. Er isst weiter sein Mittagsmahl. Weil ich in dem Ton, den sie hat, mit mir nicht reden lasse. Weil ich in dem Ton, den sie hat, mit mir nicht reden lasse. Weil sie ein Nazi ist, eine Faschistin und eine Schlampe. Ich freute mich ja im Stillen, als sie die Ohrfeige bekam. Es war die Schwester, die von allen Patienten gefürchtet wurde, auch von mir. Als ein Patient mir sagte, sie habe ihn schon 20 Mal ins Gitterbett gesperrt, ging ich mit ihm zu ihr, sie war gerade in der Küche. Sie sind keine Krankenschwester, sagte ich, sie sind eine böse Frau. Wenn Sie das Essen austeilen, geben Sie mir immer zu wenig. Ich bleibe immer hungrig, wenn ich von Ihnen das Essen bekomme. Mit einer anderen Krankenschwester wurde ich perdu und als ich ihre gefürchtete Kollegin einmal kurz erwähnte, unterbrach sie mich. Sag ja nichts über die, ohne die täte bei uns überhaupt nichts mehr funktionieren. Diese Krankenschwester, die nicht gestattete, dass über die tüchtige Kollegin eine Klage vorgebracht wurde, nahm sich eines Tages drei Wochen Urlaub, um in Psychotherapie zu gehen. Wenn ich jetzt keine Therapie mache, sagte sie, dann werde ich selber krank. Und das wollen wir ja nicht. Wir müssen fit bleiben. Guten Abend auch von meiner Seite. Ich werde aus dem Nachwort lesen, nicht alles, ein paar Stellen lasse ich aus. Ich denke, der Abend ist insgesamt auch sehr dicht. Brigitte Schweigers Fallenlassen verlangt nach einer Art der Annäherung, die auch jenen Passagen gegenüber behutsam und klar bleibt, die Gefühle der Abwehr wecken. Anders als bei einer Literatur, die seelische bzw. soziale Konflikte einer Figur beleuchtet, ohne dass das Ich des Autors oder der Autorin in diesen Konflikten aufgeht, gibt es in Fallenlassen kaum eine Distanz zwischen dem Leiden einer Figur und der Autorin, die sich zu diesem Schreibend verhält. Von der ersten Zeile an wissen wir, wo wir sind. Von der ersten Zeile an wissen wir, wo wir sind. Im Kosmos einer Person, die sich selbst als krank, irre geworden an einem anderen empfindet und beschreibt, aus dem Bedürfnis heraus, dieses Leiden mitzuteilen und im Bewusstsein, dass es so viele andere gibt, die ebenfalls davon betroffen sind, aber keine Stimme haben es zu äußern. Brigitte Schweiger gibt ihrer Krankheit jene Namen, die in der Welt psychiatrischer Gutachten dafür vorgesehen sind und die im allgemeinen Sprachgebrauch mitunter allzu salopp verwendet werden. Depression, Borderline, Stimmen hören. Dazu kommt ein zwanghaftes Denken an den Selbstmord, der eigentlich freitod heißen müsste, denn es mordet nur, schreibt sie, wer ein Wesen tötet, das leben möchte. Aus ethischer Perspektive ist dieser Satz, wie viele andere in diesem Buch, zweifelhaft und problematisch und ich würde nicht dafür plädieren, dass eine Kommission, die über die komplexen Fragen der Sterbehilfe zu entscheiden hat, sich an ihm orientiert. Als Tür zu einer Innenwelt, in der Müdigkeit und Ausweglosigkeit so groß und dominant geworden sind, dass sie das alltägliche Leben im Griff haben, als Ruf nach Verständnis und Liebe für eine Verfassung, in der ein Mensch nichts anderes mehr wünscht als zu sterben, ist er aber durch und durch ernst zu nehmen. Was es einem zuweilen schwer macht, auf diesen Seiten durchzuhalten, ist die Tatsache, dass Brigitte Schweiger so sehr davon auszugehen schien, dass ihr Leiden nicht heilbar ist. Ja, es entsteht manchmal sogar der Eindruck, als würde die Art, wie sie es interpretiert und ihm auf die Spur zu kommen versucht, sie mehr und mehr darin festzuhren. Ich zitiere aus dem Text. 50 Jahre lang Borderlinerin gewesen, erst vor wenigen Jahren als solche erkannt und eine echte Schizophrenie wäre ich vielleicht auch geworden, hätte ich im Jahr 1997 auf die Stimme reagiert, also mich in meinen Handlungen künftig nach ihr gerichtet. Es kam aber zu keinem Ausbruch, keiner, sagen wir, auf die Botschaft folgende Selbstverwirklichung, sondern ich wurde ängstlich. Jahrelang schleppte ich das Geheimnis, die drückende Last mit mir herum, dass ich nicht normal war. Man sagt ja auch beim Psychiater landen, beim Psychiater enden. Es klingt nach unentrinnbarem Schicksal. Und dann ist man auch gesellschaftlich erledigt. Ein psychisch Kranker wird oft von seiner Familie gemieden. Zitat Ende. Die Faktoren, denen Brigitte Schweiger auf ihre impulsive Schreibart manchmal sehr direkt, manchmal eher indirekt Macht und Wirksamkeit in ihrer Geschichte zuschreibt, kennen wir nicht nur aus Fallenlassen, sondern auch aus einigen anderen ihrer Bücher. Eine disharmonische, schwer belastete Atmosphäre im Elternhaus, unglückliche Liebesbeziehungen, eine schriftstellerische Laufbahn voller Druck, den Erfolg des ersten Buches zu wiederholen, unzuverlässige Verleger, brüchige Freundschaften, ein Bild von einem Gott, der ein Erbsenzähler, Buchhalter und Richter ist. einem Gott, der ein Erbsenzähler, Buchhalter und Richter ist. Die Psychiatrie, wie Brigitte Schweiger sie erlebt und ins Wort fasst, erweist sich keineswegs als Ort, der zwangsläufig der Genesung ihrer Patienten zuträglich ist. Und doch zeichnet die Autorin hier ein differenzierteres Bild, als es auf den ersten Blick scheinen mag. kennt, welche spontanen Verbindungen, welche Beziehungsfähigkeit gerade unter Menschen aufkommen kann, die die schwierige Erfahrung eint, für die normale Welt nicht mehr brauchbar, nichtsnutzig zu sein. Ich zitiere, es geht uns gut ein paar Tage im November. Wir halten Kontakt auch über die Zeit hinaus. Telefonische Kundgebungen, dass wir zusammenhalten werden, dass wir ein eingeschworenes Team sind. Psychiatrie verbessern wir, die Patienten untereinander, wenn es die von oben nicht tun. Es hat sich eine große gegenseitige Hilfsbereitschaft auf der Ebene 2 ausgebreitet. Sie erkennt, wie ungeheuer schwer das Alleinsein und die wachsende Empfindung der Einsamkeit wiegen und welch gravierende Rolle sie für die Genese der Erkrankung spielen. Und sie hat Humor. Ich zitiere noch einmal. Jeder, der freiwillig oder unfreiwillig aufgenommen wurde, hält für möglich, dass er von Irren umgeben ist. Sozusagen er selbst der einzig normale Mensch, die anderen alle verrückt. Das Krankenhaus, wie es hier erzählt wird, stellt zwar eine Art Zufluchtsort für jene dar, die über bestimmte Strecken ihres Lebens nicht in der Lage sind, über ihren Alltag und die eigene Person zu verfügen, es ermangelt ihm aber dramatisch an Mitteln und Möglichkeiten, den Patientinnen ausreichend pflegerische und therapeutische Hilfe zu geben. Der Teufelskreis von Gedanken, die immer um dieselben Fragen und Probleme kreisen, von ausgelöschter Lebensfreude, von belastenden Medikamentennebenwirkungen, hat in dieser Welt, auf diesen Seiten, nur ein schwaches Gegengewicht. Wo es aber aufblitzt, ja wo plötzlich der leise Strom einer tieferen Lebendigkeit und Lebhaftigkeit spürbar wird, da beginnt einem im Lesen zu dämmern, dass Ansätze für Heilung sich wohl zeigen, solange ein Mensch lebt und es eine Psychiatrie und darüber hinaus eine Welt bräuchte, in der Akteure bereit sind, sie auch wahrzunehmen und etwas mit ihnen anzufangen. Ich zitiere. Von Verrückten möchte sich niemand Liebe geben lassen. Und was ist auch Liebe? Wie beweist man sie? Ich beweise den meisten Menschen dadurch meine Liebe, dass ich ihnen etwas schenke. Aber vielleicht ist das nicht der Weg. Ich beweise ihnen seit vielen Jahren meine Liebe damit, dass ich sie in Ruhe lasse, sie nicht anrufe, ihnen nur selten schreibe. Ich kann Liebe nicht geben, nur fühlen. Ich fühle Liebe zu den Menschen und in der Psychiatrie nehme ich Kontakt Zitat Ende. Die hier schreibt, weiß, dass etwas ganz Klares in ihr wirkt. Etwas, das immer noch fließt und lebt und mit anderen verbunden ist, unabhängig davon, wie diese Verbindung gelebt werden kann. Dass selbst jene, die sie anklagt, an ihr fehlgehandelt zu haben, nicht von diesem grundlegenden Fühlen ausgeschlossen sind, das anzunehmen, erlaubt dieser Satz. Ich kann Liebe nicht geben, nur fühlen. Man fragt sich freilich, wie sich sein Potenzial in den Reigen von Gedanken ergießen könnte, die stets von Neuem in die Enge von Selbstabwertung, Schuldzuweisung und Zerrissenheit führen. Ja, wie könnte sich von der anderen Seite her gedacht, dass den Gestalten sich von Verrückten Liebe geben zu lassen? Denn wenn es nicht die Dringlichkeit einer solchen Frage ist, die einem beim Lesen nahegeht, wozu sonst sich in diesen Kosmos begeben? ein Löwe, ihren verschlungenen Weg zur Heilung einer äußerst langwierigen, immer wieder als aussichtslos erlebten psychischen Erkrankung. Ohne den geringsten Anschein zu erwecken, ein allgemeingültiges Rezept zu verabreichen, arbeitet sie sehr sorgfältig und klar jene Faktoren heraus, denen sich ihre Genesung verdankt. Psychiatrische Gutachten, Diagnosen, Medikamente machen davon nur den kleinsten Teil aus. Als wirklich wirksam erweist sich die Kontinuität therapeutischer Beziehungen, die wiederholte Irritationen und Rückfälle über dauernde Zuneigung nahestehender und das Glück, dass Personen, die im Zusammenhang psychiatrischer Begleitung eine wichtige Rolle spielen, in äußerst heiklen, schwer einschätzbaren Situationen genau das Richtige tun. genau das Richtige tun. Sie erinnert sich an Pfleger, die selbst sogenannte Zwangsbehandlungen, damit ist das Gehaltenwerden auf Fixierbetten gemeint, in einer Art ausführen, die die Patientin als respektvoll und sanft erlebt und die sie eben deshalb beruhigt, obwohl sie realisiert, wie unangenehm sie ist. Sie weist hin auf Therapeutinnen, die nicht entblößend in die Vorstellungswelt ihres Gegenübers eindringen, sondern vielmehr die Gefühle adressieren, die in wiederkehrenden Gedanken und Bildern schwelen. Sie hebt die Treue von Gefährten hervor, die auch nach dem dritten Selbstmordversuch noch an die Möglichkeit der Genesung glauben. Wird in der Lebenspraxis solcher Bezugspersonen nicht das deutlich, was Brigitte Schweiger durch ihre Verneinung hindurch wünschte, dass jemand da sei, der sich von verrückten Liebe geben lässt? Wenn sich ihr diese Gewissheit auch beharrlich entzogen hat, so ist es doch wahrscheinlich, dass es auch in ihrem Leben immer wieder Menschen gegeben hat, die ihr zugetan blieben und zuhörten. Nach ihrem Tod drehte der Regisseur Harald Köck einen Kurzfilm, der sich an den Wegen orientiert, die sie immer wieder gegangen und gefahren ist. Darin erzählt Brigitte Schwerer, dass ihr Brigitte Schweiger viele Geschichten mitgeteilt habe und an eine davon könne sie sich besonders gut erinnern. Für die Autorin sei das Postamt so wichtig gewesen. Fast jeden Tag sei sie dahin gegangen. Einmal habe sie an den Bundespräsidenten ein Paket geschickt, das ihren Pass, ihren Personalausweis, ihre Geburtsurkunde und ihren Staatsbürgerschaftsnachweis enthalten habe. Brigitte Schwerer sagt, sie wisse nicht mehr, wie sie selbst auf diese Geschichte reagiert habe. Es sei ihr nichts dazu eingefallen. Aber jetzt, denke sie sich, Brigitte Schweiger hat ihre Identität aufgegeben, mit der Post. Das Tragische ist nur, an welchen Adressaten. Wie wichtig eben dieser ist, selbst wenn er einem die Verantwortung für das eigene Leben nicht abnehmen kann. Wie unaufhörlich ein Mensch, egal ob sogenannt krank oder vermeintlich gesund, ob angeblich normal oder scheinbar verrückt, bis zuletzt und vielleicht darüber hinaus nach einem Du ruft, das ihn erkennt. Wie grundlegend das Bedürfnis ist, auf einen Adressaten zu treffen, der Ja zu ihm sagt, wo ein Nein verständlich wäre. Davon zeugt Brigitte Schweigers Schreiben dieses Buch, dieses wirklich schwer zu lesende Buch, das uns einem Ich nahe sein lässt, das sich so sehr nach einer ehrlicheren, zärtlicheren Welt sehnte. Dankeschön. Vielen Dank, lieber Andrea Winkler, dieses schwere Buch zu verstehen sein könnte. Und vielleicht ist, oder mir ist das zumindest jetzt socheitert selbst so angesehenen Existenz. Wie würdest du das sehen? Es hat eigentlich auch so einen ethischen Aspekt bei aller Schwere und bei aller Gravitas, die sich in dieser Biografie finden. Ja, also ich glaube, dass sich das Buch, wenn man es wirklich auf die Frage des Umgangs auch mit sogenannter psychischer Erkrankung hinliest, dass es eine Frage wirklich aufwirft und das ist das, also ganz konkret einfach schlicht nach der Art der Psychiatrie und auch damit nach der Frage, wie ließen sich denn anders, wie ließe sich anders das sozusagen integrieren oder das gemeinsame Leben mit sogenannten psychisch Erkrankten denn auch vorstellen. Es gibt dazu eine Menge an fruchtbaren Ideen. Ich selber weiß viel zu wenig, was sich in Österreich von diesen Ideen durchgesetzt hat, ob es genügend Alternativen gibt. Und darüber hinaus, natürlich finde ich, jetzt unabhängig von dieser Frage des Zusammenlebens, finde ich grundsätzlich die Frage immer wieder interessant, wie sozusagen definiert denn jemand, der sich als betroffen wehnt, das, was psychische Erkrankung ist. Ich glaube, wir leben jetzt, sage ich aus meiner persönlichen Perspektive, im Hinblick auf diese Fragestellungen, doch auch in einer Zeit, wo der Störungskatalog nahezu unerschöpflich wird, also der Katalog von möglichen sogenannten psychischen Störungen. Oft ist die Grenze darum, sehr schwer zu erkennen, wo geht es um eine ganz ernsthafte Sache, die man gründlich und frühzeitig erkennen sollte. um etwas, was menschliches Leben einfach ausmacht als Schwierigkeit. Ich weiß nicht, ob ich den Gedanken möglichst klar formulieren konnte. Für mich ist das mit ein Thema auch in diesem Buch am Rande. Es ist schon so eine Sorge um sich oder quasi um dieses nackte Leben, die da eigentlich so ganz stark ist im Text. Also ich habe es mir jetzt beim Vorlesen gedacht und eben auch wie du das im Nachwort beschreibst, also es ist schon so eine ganz existenzielle Situation, die aber auch quasi gleichzeitig so eben dieses Moment, dieses abgeschlossenen Raums eigentlich mit sich bringt. Gesprächen auf die Notwendigkeit dieses Zufluchtsortes Psychiatrie bestanden hat und andererseits aber harsche Kritik übt an der Art und Weise dessen, was dort ermöglicht wird oder auch verunmöglicht bleibt. Und dazu kommt schon noch auch sozusagen dieses, dass das, was ich auch wirklich versucht habe zu sagen, was für mich wirklich ein Irritationsmoment ist, ist dieses eben so sehr, dass ich so sehr zumindest auf diesen Seiten wirklich davon auszugehen schien, dass sie da nicht herauskommt aus dieser Sache, dass sozusagen Therapiemöglichkeiten nicht greifen und so weiter. Und ich schreibe ja das nicht, ich nähere mich da ja nicht als sozusagen ausgebildete Psychologin, sondern als jemand, die sich einfach für diese Fragen interessiert, aber auch ein bisschen ein kritisches Verhältnis hat, eben wie ich schon vorhin sagte, zu dem Katalog von psychischen Störungen. Also diese Problematik, die ergibt sich ja auch eigentlich durch die Stimme. Also das ist ja etwas, was der Text eben ganz am Anfang markiert. Sind Sie die Schweiger? Also wäre das auch so ein Moment, das da mit hineinkommt in den Text? Also dass das vielleicht auch so ein Spiel der Stimmen ist? Es geht ja auch dann um Stimmen hören. Also so ein zentrales Moment ist vielleicht auch, wer spricht zu mir, wer spricht über mich, zu wem spreche, dass hier mit ausgesprochen ist, auch ihr quasi, wie kann das sein, jemand wie sie hier und so weiter und schon, also diese ganze soziale Problematik, die in dieser Art, das schriftstellerische Leben zu leben, einfach mit drinnen ist. zu leben einfach mit drinnen ist. Und vielleicht zu etwas Einfacherem zurückzukommen. Also quasi als auch Freistädterin hattest du einen speziellen Zugang auch zum Buch oder generell zur Autorin oder ist das eher en passant? Ich muss sagen, ich habe eigentlich nicht sehr viel Brigitte Schweiger gelesen. Ich habe sehr wohl als Jugendliche, was wir alle gelesen haben, wie kommt das Salz ins Meer? Und mir ist es, um ganz ehrlich zu sein, nicht nur bei dieser Literatur, sondern bei sehr viel Literatur von Frauen aus dieser Zeit häufig so ergangen, dass ich zwar einerseits hat es mich fasziniert, wie diese Problematik aufgemacht wird, diese Enge dieses Lebens, dieses Ausbrechen wollen aus den Rollenmustern und andererseits hat es mich als jemand, die schon einer anderen Generation einfach auch angehört, wo die Möglichkeiten vielleicht andere waren in der Selbstbestimmung, auch sehr stark irritiert, dass es so ein aber darin bin ich doch irgendwie festgeschrieben. Ich hänge trotzdem darin fest, in dieser Problematik. Da gibt es so wenig wirkliche Ausweichmöglichkeiten, obwohl sie so intensiv gesucht wurden. Das kann man, glaube ich, schon dieser Generation von schreibenden Frauen einfach sagen. Also das ist schon faszinierend, dass das so gesucht wird, aber es ist trotzdem ein gewisses träges Moment darin, auch mit da. Also das ist ja auch irgendwie nochmal zu fallen lassen, zurückzukommen. Es ist ja eben auch kein Text, der da irgendwie ein utopisches Moment hineinbringen könnte oder hineinwerfen könnte in diese Diskussion. Also das ist einfach die Struktur, in der man sich bewegen muss und wo man offenbar, wo Mann, Frau, keine Alternative wirklich erkennt. Das ist schon etwas, was eigentlich ein erschreckender Befund auch ist. Sollen wir es beim erschreckenden Befund belassen und zu positiven Dingen weiter? Genau, also ich darf Ihnen jetzt kurz, ist ein bisschen ein harter Bruch vielleicht jetzt, aber ich freue mich jetzt, dass ich Ihnen ganz kurz den Ausstellungskatalog präsentieren darf, bevor Sie dann wie bereits angekündigt eben zwei Beiträge aus dem Katalog hören werden. Ich möchte mich zuallererst also beim Adelbert Stift Institut bei Petra Maria Dallinger bedanken, die dieses Projekt unterstützt hat und damit auch quasi die Fürsorge für Brigitte Schweiger quasi auch aufgenommen hat und wir können sie jetzt gemeinsam weitertragen. Bedanken möchte ich mich zunächst auch noch bei den allen die mitgewirkt haben an dem buch damit der in dieser form auch jetzt vorliegt unterscheiden konnte also zunächst unserem gestalter und der auch die ausstellung gestaltet hat gerhard himmer ist leider heute krankheits bedingt verhindert er hat das layout eingerichtet und sorgfältig die Grafik besorgt. Und ein ganz besonderer Dank geht an Claudia Lehner. Sie hat die Entstehung des Katalogs ganz wesentlich und sehr umsichtig begleitet. Und bedanken möchte ich auch noch bei Sandra Maletz, die für die rechtliche Ebene quasi die Einholung der Rechte gesorgt hat. Zu großem Dank verpflichtet bin ich natürlich auch noch einmal allen Leihgeberinnen, die einerseits Objekte zur Verfügung gestellt haben und andererseits natürlich bei den Beiträgerinnen und Beiträgern, einige sitzen ja hier im Publikum, also ich danke vielmals für die Unterstützung und für die weitere Beschäftigung mit Brigitte Schweiger. Ganz besonders freut es mich, dass der reich bebilderte Katalog neben jenem Teil, der eben die Präsenz der Ausstellung in diesen Räumlichkeiten im Veranstaltungsraum hier dokumentiert, auch über diese hinausgeht und eben in verschiedenen Formen also sozusagen noch einen weiteren textuellen Mehrwert erzeugt. Der Katalog ist nämlich zusätzlich bereichert, einerseits durch literarische Texte, als auch durch wissenschaftliche Beiträge, und die sind verschiedenster Provenienz. Einerseits beschreiben die persönlichen Erinnerungen ehemaliger Weggefährten, wie zum Beispiel Alois Brandstätter, Peter Stephan Jung und Jürgen Keizig, weitere Facetten der Persönlichkeit oder auch des Werks Brigitte Schweigers. Dann finden Sie auch die Texte literarischer Natur. Andrea Winkler möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal bedanken. Sie hat sich dem Prosa-Text Lange Abwesenheit gewidmet, dem Vaterbuch Schweigers, und hat sich diesem auch auf sehr großartige Weise auch angenähert. großartige Weise auch angenähert. Gedankt sei auch Julia Knas und Anna Neuwirth, die quasi so eine ideologiekritische Annäherung an Schweigers mediales Vermächtnis geschrieben haben und das in die Gegenwart überführen. Ergänzend finden sich auch drei wissenschaftliche Aufsätze von Claudia Lehner, Martin Weber. Sie werden sie dann im Anschluss sprechen hören. Auch ich selbst habe einen Beitrag verfasst. Dieser widmet sich Schweigers Verhältnis zum Existenzialismus, also einer durchaus zeitgeschichtlich wichtigen Strömung nach 1945. Den Katalog schließt ein Beitrag von Alexandra Grill ab, der ich auch ganz herzlich danken möchte. Sie ist Obfrau des Freistädter Kulturvereins Brigitte Schweiger Gesellschaft und sie hat in ihrem Text die mannigfaltigen Tätigkeitsfelder des Vereins der letzten fünf Jahre, der Verein ist 2020 im Dezember gegründet worden, und diese mannigfaltigen Tätigkeitsfelder reichen von Organisation von Lesungen bis hin zum 2023 eröffneten Brigitte Schweiger gewidmeten Literaturweg in Freistaat. Ja, wie bereits erwähnt, der Katalog dokumentiert also einerseits die Ausstellung sowie die einzelnen Stationen mit den jeweiligen Texten und auch ausgewählten Objekten. Es gibt eine wunderschöne Fotostrecke, an dieser Stelle sei noch einmal Otto Saxinger herzlich gedankt, der diese Fotografien angefertigt hat. Und natürlich auch das bildnerische Werk, so wie Sie es hinter mir sehen, in dieser Petersburger Hängung, ist im Band noch einmal dokumentiert. So, nun darf ich überleiten zum ersten Beitrag. Ich freue mich jetzt, dass Claudia Lehner vortragen wird. Sie hat Germanistik an der Universität Wien studiert, war 2001 bis 2003 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und ist seit 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich. Zuletzt erschien Meine Ache schleudert auf dem Meere der Nerven. Alfred Kubin, Herbert Lange, Susan Wittek. Briefe 1938 bis 1954. Das erschien 2023. Ihr Beitrag trägt den Titel Es fehlt mir und ich finde es nirgends. Es befasst sich mit dem Motiv der psychischen Krankheit in Brigitte Schweigers Werken. Dann möchte ich noch Martin Weber vorstellen. Er hat deutsche Philologie, Theater-, Film- und Medienwissenschaften sowie Philosophie an der Universität Wien studiert und dann ab 2008 insgesamt 15 Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter der historisch kritischen Wiener Ausgabe sämtlicher Werke Oeden von Horvaths gearbeitet. Unter anderem gab er den Band Briefe, Dokumenten, Akten Horvaths heraus. Gemeinsam mit Nicole Streitler-Kastberger war er Kurator der Ausstellung Ich denke ja gar nichts, ich sage es ja nur. Oedon von Horvath und das Theater, die am Theatermuseum Wien, aber auch am Deutschen Theatermuseum gezeigt wurde. Er ist Obfrau Stellvertreter des Kulturvereins Brigitte Schweiger Gesellschaft und seit 2024 Leiter der Digitalen Bibliothek der Oberösterreichischen Landesbibliothek in Linz. Sein Beitrag ist ein ganz wichtiger Ausgangspunkt für die weitere Beschäftigung hinsichtlich Schweigers Tätigkeiten für und am Theater und trägt den herrlichen Titel Theaterpranken sollen das werden. Und nun bitte Claudia. Machen wir noch ein bisschen Werbung für den Katalog? Ich weiß nicht, dass er rumkommt. Daran steht er. Machen wir noch ein bisschen Werbung für den Katalog? Ja, dann fange ich mal an. Etwas fehlt mir und ich finde es nirgends. Das ist ein Zitat von Brigitte Schweiger. Das Motiv der psychischen Krankheit in Brigitte Schweigers Werken. Bei der Lektüre der Werke Brigitte Schweigers stellt man fest, dass die Themenbereiche psychische Krankheit und Suizid nicht erst in den letzten Lebensjahren der Autorin ausführlich verhandelt werden, sondern ihr literarisches Schaffen von Anbeginn an begleiten. Einer ihrer frühesten Texte, das Theaterstück Nestwärme, 1976 am Linzer Kellertheater Uhr aufgeführt, zeigt bereits in fünf Szenen die psychische Erkrankung der jungen Mutter Gysi bis zu deren Selbstmord. In einem raffinierten Kunstgriff werden dabei die Ereignisse ausschließlich aus dem Blickwinkel von Gysis Mutter Hildegard beim allsonntäglichen Kaffeeklatsch mit ihrer Freundin Erika geschildert. Hildegard und Erika haben ihre traditionell geprägten Rollen als Mütter, Haus- und Ehefrauen verinnerlicht und stehen stellvertretend für eine Gesellschaft, die an der Fortschreibung patriarchaler Geschlechterrollen und bürgerlicher Konventionen festhält, während sie psychische Erkrankung stigmatisiert. Dem Funktionieren des und der Einzelnen im normativ vorgegebenen Rahmen wird beinahe alles untergeordnet, da ein Scheitern, Gesichtsverlust, üble Nachrede oder Schande bedeuten könnte. Daraus leiten sich Handlungsmuster ab, die in mehreren Werken Schweigers wiederkehren. Da eine Abtreibung bei der ungewollt schwanger gewordenen Gysi nicht mehr in Frage kommt, weil sie aus Angst vor ihrem Vater ihren Zustand erst nach dem dritten Schwangerschaftsmonat offen gelegt hat, kommt es zu einer ausschließlich den Konventionen geschuldeten Eheschließung zwischen Gysi und dem Kindesvater. Wenig später reichen Gysis Eltern aber auch schon wieder die Scheidung ein, nachdem ihre Tochter kurz nach ihrer Entbindung im Beisein ihres offenbar treulosen Ehemannes einen Suizidversuch unternommen hat. Der Schein der heilen Familie muss aber auch weiterhin um jeden Preis aufrechterhalten werden. So wird Hildegards Freundin Erika beschworen, für sich zu behalten, dass sich Gysi in der Psychiatrie befindet, während sich Gysis Vater aus Angst vor dem Gerede weigert, sie von dort nach Hause zu holen. Als die junge Frau endlich zu den Eltern zurückkehrt, ist sie antriebslos und erschöpft und wagt aus Scham nicht, das Haus zu verlassen. Sie ist nicht in der Lage, sich um das Kind, um ihr Kind zu kümmern, was ihre Mutter nicht verstehen kann. Sie erwartet, von ihrer Tochter endlich Verantwortung zu übernehmen. Als sie die junge Frau drängen will, aus ihrem Zimmer zu kommen, stellt sie fest, dass es unversperrt ist und findet Gysi darin tot. Damit sind bereits wesentliche Inhalte in Schweigers Texten zum Thema psychische Erkrankung und Suizid eingeführt. Es ist ein kleiner Kreis von Personen, denen mit Schuld am Ausbruch der Krankheit gegeben wird und er umfasst die engsten Angehörigen, den Vater, die Mutter, den Ehemann. Durch verbale und körperliche Gewalt, Einschüchterung und manipulatives Verhalten haben sie die Protagonistin psychisch krank gemacht. Nun wird die Krankheit, mal ist es Depression, mal Suchtabhängigkeit, mal Angststörung mit Medikamenten, aber auch durch Besuche beim Psychiater oder stationäre Aufenthalte in der Psychiatrie behandelt. erschienenen Prosa-Band »Mein spanisches Dorf« ist eine Erzählung enthalten, die ebenfalls das Thema der psychischen Krankheit berührt. Frau Amtsrad lebt unbescheiden. Die bereits im Titel bedannte Frau ist seit 20 Jahren mit ihrem Ehemann verheiratet und leidet unter seinem empathielosen Pragmatismus. Sein Verhalten bringt sie dazu, jeden vormittag in seiner abwesenheit ihre koffer zu packen und in gedanken das hochzeitsfoto zu zertrümmern ehe sie alles wieder ausräumt und an seinem platz zurücklegt danach kocht sie das mittagessen ihr mann kommt heim zitat ein flüchtiger kuss eine berührung sie gehört zum gehört zum Mobiliar. Zitat Ende. Während die Frau Herz- und Atembeschwerden entwickelt, weint und nachts aus dem gemeinsamen Bett flüchtet, befindet ihr Mann alles in Ordnung. Und auch ihr Gedanke für die Idee des Glücks zu sterben, ist ihm fremd und führt nur dazu, dass er entscheidet, sie müsse auch nun zweimal wöchentlich den Nervenarzt aufsuchen. Der Psychiater wird auch in Schweigers wohl berühmtestem Roman, Wie kommt das Salz ins Meer, aus dem Jahr 1977, konsultiert. Auch hier trägt sich die Ich-Erzählerin eine unglücklich verheiratete Frau, die ein Verhältnis mit einem ebenfalls verheirateten Mann beginnt, mit Selbstmordgedanken. In ihren Fantasien schlitzt sie sich die Pulsadern auf oder stürzt vom Balkon. Mit Valium bekämpft sie ihre Zustände. Schließlich sucht sie einen Internisten auf, der sie nicht für geisteskrank, sondern nur für schwermütig hält, während sie weiterhin eine Erklärung dafür sucht, Zitat, wie es in meinem Kopf tobt. Ich würde ihn gerne unter eine rotierende Säge halten, damit das Geräusch darin aufhört, Zitat Ende. Nachdem sie erfährt, dass sie schwanger von ihrem Geliebten ist, macht ihr dieser Vorhaltungen, nicht verhütet zu haben, spricht von Erpressung und nimmt in seiner Ordination eine Abtreibung an ihr vor. Am Ende schildert sie einem Psychiater ihre nun immer quälender werdenden Symptome. Zitat. Ich will nicht mehr leben, weil ich mich selbst nicht mehr ausstehen kann. Das Kribbeln unterm Kopf, wie Käfer zwischen Schädeldecke und Hirnhaut. Zitat Ende. nie mehr aufzuwachen. Zitat Ende. Der Psychiater diagnostiziert eine neurovegetative Störung, verschreibt ein Medikament, warnt vor Alkohol und schlägt regelmäßige Gesprächstherapie vor. Das ist übrigens ganz interessant. In ihrem Text, wenn Gott tot ist, schreibt sie, dass genau diese Diagnose Schweigers eigener Vater ihr ausgestellt hat, als sie ihre erste tiefe Krise nach ihrem ersten Spanienaufenthalt 1972 erlebt hat. Da schreibt sie, Zitat, Der Vater diagnostizierte eine neurovegetative Störung, gab mir Beledanel-Retar, ein Beruhigungsmittel, Trollkirschenpräparat neben den Antidepressiva und er verbot mir dazu, Alkohol zu trinken. Aber zurück zu, wie kommt das Salz ins Meer? Ihr Ehemann ist der Meinung, sie brauche keinen Psychiater, sondern einfach mehr Willensstärke, während die Mutter, der Ich-Erzählerin, die Kosten der Behandlung ebenso wie das Gerede fürchtet und ohnehin nichts von Psychiatern hält. ebenso wie das Gerede fürchtet und ohnehin nichts von Psychiatern hält. Der biedere Rolf, also der Ehemann im Roman »Wie kommt das Salz ins Meer?« wirkt vergleichsweise harmlos gegenüber dem spanischen Ehemann Miguel, den Brigitte Schweiger im autofiktionalen Roman »Ich suchte das Leben und fand nur dich« aus dem Jahr 2000 beschreibt. Dieser beschneidet die Protagonistin noch vor der Ehe in ihren Freiheiten, übt von Beginn an Zwang und Kontrolle aus. Schlimmer wird die Situation nach der inoffiziell nur zum Schein geschlossenen Heirat, denn Miguel fordert nun, dass seine Frau ihm untertan sein und ihm gehorchen müsse, wie es in der Bibel steht, wozu auch Geschlechtsverkehr zählt, wann immer er ihn anordnet. An seine Gefährlichkeit lässt Miguel keinen Zweifel. Er beleidigt und demütigt die Frau nicht nur, sondern droht auch immer wieder, sie umzubringen. Die anfangs an ihr betriebenen mehrstündigen Übungen, die er Exerzitien nennt, steigert er zu kleinen und großen Gehirnwäschen. Miguel setzt sie bewusst nach einem Wutausbruch ein, um in seinen Augen die Ordnung wiederherzustellen. Sie bleiben in ihrer Wirkung für seine Frau nicht folgenlos. Zitat Zitat Ende. Vermutungen und Schuldzuweisungen, das Eingesperrtsein im gemeinsamen Apartment, die sexuellen Erniedrigungen führen nach der Trennung zu weiteren massiven Angststörungen. Sie verstummt zunehmend, wird gehorsam und fügsam und tut nur noch, was er befehlt. Auch ihre inneren Gefühle lässt sie nicht mehr zu, sie lebt davon abgekapselt, stellt sich wie tot. Im Falle einer Flucht hatte er Miguel mit dem Tod oder der Irrenanstalt gedroht. Angst und Ekel vor seinem Körper nehmen zu, während sie den eigenen, benutzten und missbrauchten Körper nicht mehr wahrnimmt, um sich zu schützen. Nach zwei Jahren Ehe endlich lässt Miguel seine Frau ziehen. Brigitte kehrt nach Österreich zurück, wo sie die wiedergewonnene Freiheit nicht feiern kann, sondern zusammenbricht und sich nicht mehr erholt. Ihre Eltern reagieren ablehnend auf das Scheitern der Ehe und erwarten von ihr, dass sie studiert, um nicht, Zitat, ein Mensch zweiter oder dritter Klasse, Zitat Ende, zu werden. Die Ablehnung des Vaters war es erst, was mich an Selbstmord denken ließ, ab dann. Die Forderungen, ich solle nun etwas werden, schreibt Schweiger. Die Ablehnung des Vaters ist auch Thema in Brigitte Schweigers autofiktionalem Roman Lange Abwesenheit aus dem Jahr 1980, einer präzisen Auseinandersetzung mit ihrem Vater, die zwischen dem Bedürfnis nach Nähe, Verletztheit und Wut changiert. Der Vater als Arzt, berufsbedingt selten zu Hause und umgeben von einem Nimbus aus Macht und Bedeutung, wirkt in seinem herrischen Auftreten Angst und Respekt einflößend. Zitat, herrischen Auftreten, Angst und Respekt einflößend. Zitat, ein Vater, ein richtiger Vater ist einer, den man nicht umarmen darf, den man nicht unterbrechen darf, wenn er spricht, dem man antworten muss, auch wenn er zum fünften Mal dasselbe fragt und es aussieht, als frage er zum fünften Mal, um sich zu vergewissern, ob die Töchter auch willig sind, stets zu antworten. sich zu vergewissern, ob die Töchter auch willig sind, stets zu antworten. Ein Vater, der einem das Wort abschneiden darf. Zitat Ende. Während sich die Familie aus Rücksicht vor dem Vater zurücknimmt, nimmt sich der Vater innerhalb der Familie kein Blatt vor den Mund. Die Ehefrau, die ihm nichts recht machen kann, beschimpft er ebenso wie die Ich-Erzählerin. Wie Miguel in Ich suchte das Leben und fand nur dich, nimmt auch hier der Patriarch Demütigungen, Abwertungen und Zurichtungen an Frau und Töchtern vor. Gleichzeitig verkörpert er nach außen den verständnisvollen Arzt, ein Grund, weshalb sich die Tochter Krankheiten wünscht, um von ihm berührt zu werden. Aber nie lässt der Vater nicht zu. Er beantwortet keinen ihrer Briefe und gibt ihr das Gefühl, überflüssig zu sein. Mich sollte es nicht geben, schreibt sie. Diese Empfindung mündet in verschiedenste Selbstmordfantasien. Die Tochter ist wütend darüber, dass sich Gedanken des Vaters auch über seinen Tod hinaus in ihrem Kopf eingenistet haben, dass sie noch immer gegen ihn kämpft. Schweiger hat sich nicht nur am Vater, sondern auch an ihrer Mutter abgearbeitet, die sie mehrfach in ihrem Buch fallen lassen und ihren posthum erschienenen Memoiren, wenn Gott tot ist, angreift. Die Mutter habe unter anderem immer die bürgerliche Fassade aufrechterhalten wollen, schreibt sie. Im Roman Schönes Licht von 1990 setzt die Mutter die Protagonistin Christine unter Druck, als sie sagt, Zitat, wenn du nicht Matura machst, hängt sich der Papa auf, Zitat Ende. Und in Schweigers Roman Tränenbelebenden Staub meint die in einer städtischen Irrenanstalt untergebrachte Johanna, Zitat, Ich bin kaputt, weil meine Mutter aus mir eine perfekt funktionierende Maschine machen wollte. Zitat Ende. Und etwas später, immer höflich, immer lächelnd, immer eine glatte Fassade. Und ich bin der genaue Abklatsch davon. Aber innerlich brodelt und kocht es wie in einer Dampflokomotive und manchmal explodiert es und deswegen bin ich im Narrenhaus. Zitat Ende. Die im Roman tränenbelebenden Staub auf einer Anhöhe liegende Anstalt ist dabei nicht nur namentlich, sie heißt Felsenhof, an die von Schweiger mehrfach aufgesuchte psychiatrische Anstalt am Steinhof angelehnt. Hier versucht Johanna von ihrer Suchtabhängigkeit loszukommen, von Tabletten, die ihr geholfen hatten, den Tag gut zu überstehen, alles in Ordnung zu finden, sich zu fügen und unterzuordnen. Das Valium hatte sie zum Teil über ihre Tante bekommen, Asvalium hatte sie zum Teil über ihre Tante bekommen, Arztgattin, die, Zitat, ganze Rationen Schlafpulver, Beruhigungspulver und Aufputschtabletten, Zitat Ende, Aufputschtabletten mit Sicht, Zitat Ende, in den Haushaltsschürzen, Kitteltaschen geführt und sie nach ein paar Monaten davon abhängig gemacht hatte. Da gibt es übrigens auch Hinweise darüber, dass es angeblich die Mutter gewesen war in der Realität, auch wenn Gott tot ist und in anderen Büchern Schweigers. Seelisches Leid bedarf empathischer Menschen im Umfeld der erkrankten Person. Die Familie, die Eltern oder der Ehemann, die in Schweigers Texten als Mitauslöser der Krankheit bezeichnet werden, agieren jedoch vor wie nach Krisen oder Krankheitsausbrüchen erschreckend empathielos. Die zum Krankheitsausbruch führenden Handlungen an der meist weiblich Erkrankten zeigen eine gewalttätige und gefühlskalte Mechanik. Angesichts der Krise wird mit der Psyche der Erkrankten ebenfalls umgegangen wie mit einem Maschinenwerk, das in Stocken geraten ist und das durch einfache mechanische Vorgänge wieder zum Laufen gebracht werden soll. Der engste Umkreis ist dabei der oder die das Leid verursachende Täter, Täterinnen und behandelnder oder einweisender Arzt bzw. Angehöriger in einer Person. Abwertungen und Zurichtungen werden abgelöst durch Medikamentierung, Abtreibung und Einweisung in die Psychiatrie. Alles bleibt womöglich innerhalb der Familie, die scheinbar heile Fassade nach außen erhalten. Als Beispiele seien nur einige bereits oben zitierte Geschehnisse angeführt. Der Amtsrat in Frau Amtsrat lebt unbescheiden, behandelt seine Frau wie ein Stück Mobiliar, ehe er verfügt, sie müsse zweimal wöchentlich den Psychiater aufsuchen. Der Arzt Albert verabreicht seiner Geliebten in Wie kommt das Salz ins Meer regelmäßig Valium und nimmt die Abtreibung des gemeinsamen Kindes in der eigenen Ordination vor. Miguel unterzieht in Ich suchte das Leben und fand nur dich, seine Frau Gehirnwäschen, aber auch Vergewaltigungen und droht ihr im Fall der Flucht mit dem Irrenhaus. Der Vater in langer Abwesenheit verkrüppelt Frau und Töchter psychisch, als Arzt behandelt er sie auch. Die Mutter in tränenbelebenden Staub will aus der Tochter eine gut funktionierende Maschine machen, während es in der wie in einer Darmflokomotive kocht und das von der Tante verabreichte Valium sorgt dazu führt, dass das Hirn wieder funktioniert, sich die Erkrankte einhückt und unterordnet. In diesem immer gleichen Kreislauf einer Seelenmechanik gibt es wenige Handlungsspielräume für die Erkrankte selbst. Einen endgültigen Ausweg bietet der Gedanke seinem Leben, ein Ende zu setzen. Einerseits wird er als zwanghaft und quälend empfunden, da der Lebenswunsch durchaus existiert und oft folgt er dem Gefühl der völligen Wertlosigkeit. Oft folgt er dem Gefühl der völligen Wertlosigkeit. Aber er wird auch propagiert als Freitod, den die Erkrankte selbst wählen will und von dem sie niemand abhalten soll. Zitat, es ist nicht euer Leben, es ist unantastbar mein Leben für euch, auch wenn ich es zerstören will. Zitat Ende, schreibt Schweiger in ihrem Buch Fallenlassen. Ihre beiden letzten erschienenen Bücher Fallenlassen aus 2006 und die posthum erschienene Memoiren, wenn Gott tot ist, aus dem Jahr 2012, nehmen unter ihren Werken eine Ausnahmestellung ein. Es sind nicht fiktionale Texte, die gleichwohl die Themenbereiche psychische Krankheit und Suizid ausführlich behandeln. Die Diagnose Borderline Persönlichkeitsstörung erhielt die Autorin erst 2002, wir haben es bereits gehört, während Depressionen und Valium sowie zeitweilige Alkoholabhängigkeit bereits früh diagnostiziert worden waren. in ihrem Fall verbunden mit Selbstverletzungen, Schnitt- und Brandbunden durch Zigaretten, Warnzuständen, etwa Schuld- und Verfolgungswahn, magischem Denken und Halluzinationen, etwa dem Hören von Stimmen. Diese Zustände beeinträchtigten das Dasein der Schriftstellerin sehr. Sie war immer weniger in der Lage, einen normalen Alltag zu führen. Die Psychiatrie wurde trotz aller Kritik an den Zuständen dort häufiger Fluchtort. Auch das Schreiben war lange ein Rettungsanker für die Autorin. Sie schrieb bis zuletzt Briefe, Berichte, Notizen, Tagebuch und dennoch konnte sie sich nicht von ihren Gedanken an den Freitod lösen. Im Sommer 1972 hatte sie erstmals versucht, sich das Leben zu nehmen und vor allem in ihren letzten Jahren mehrere Suizidversuche unternommen. Die Selbstmordfantasien verfolgen sie über viele Jahre hinweg. Ihr ist, wie sie schreibt, nicht zu helfen. Vier Jahre nach dem Erscheinen ihres Buches Fallen lassen, wird sie ihrem Leben 2010 ein Ende setzen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. So, schönen guten Abend. Ich darf auch noch das Wort an Sie richten. Und zwar möchte ich sprechen über Theaterpranken sollen das werden, Brigitte Schweiger und das Theater. Brigitte Schweigers dramatisches Werk ist heute wohl noch weniger bekannt als viele Prosa-Arbeiten jenseits ihres überwältigenden Debüterfolgs. Von wenigen Ausläufern in die 1980er und 1990er Jahre abgesehen, ist es vor allem in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre im unmittelbaren Umfeld von »Wie kommt das Salz ins Meer?« entstanden. In ihren schriftstellerischen Anfangsjahren nimmt es aber zweifelsohne einen bedeutenden Stellenwert ein. Ich möchte das in aller gebotenen Kürze umreißen und zugleich einige Schlaglichter auf ihre eigene Theaterarbeit werfen. Nachweisbare Berührungspunkte zum Theater liegen ab 1972 vor. In dieser Zeit nimmt Schweiger unter anderem Schauspielunterricht am Bruckner Konservatorium bei Hubert Mann und kommt alsbald mit dem Linzer Keller Theater und seinem Leiter Helmut Ortner in Kontakt. Noch im selben Jahr steht sie dort als Schauspielerin auf der Bühne. Die Bedeutung des Kontaktes zu Ortner und dem Kellertheater für ihre weitere Entwicklung ist kaum zu überschätzen, da sich darüber zentrale Kontakte ergeben. Auf diesem Weg wird Schweiger noch 1972 mit ihrem nachmaligen Förderer Friedrich Thorberg bekannt und kommt überdies mit dem Thomas Sessler Verlag in Wien in Berührung. Bei diesem ist sie 1975 zeitweise beschäftigt und der Verlag wird auch ihre Stücke vertreiben. Ihre Zeit bei Sessler wird sie im Einakter Wiener Dramaturgie von 1977 satirisch reflektieren. Im September 1975 schreibt Schweiger an Helmut Ortner, sie möchte ihren Erstling Nestwärme am Kellertheater aufgeführt wissen, denn, Zitat, schon allein, weil ich glaube, dass sie es wirklich gut im Keller bringen können und weil ich ihnen und allen ehemaligen Kollegen so viel verdanke, das Theater spielen dürfen, den Torberg und auch den Kontakt mit dem Sessler Verlag seit der Autorentagung in Händorf. Nach heutigem Wissensstand umfasst Schweigers dramatisches Werk insgesamt 15 zwischen 1974 und 2005 entstandene Titel, wobei auch genuine Hörspiele gezählt sind, nicht aber Hörspielbearbeitungen. Als Form bevorzugte Brigitte Schweiger den Einakter bzw. Stücke in nur wenigen Szenen mit sehr kleinen Ensembles, oft nur für zwei Personen. Eine Form, die ihr wohl aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen am Linzer Kellertheater vertraut war. Das Kellertheater dürfte für Schweiger auch eine Art Referenzpunkt gewesen sein, wie aus Briefen an Helmut Orten hervorgeht, dem sie bald Stücke anbietet und bereits überlegt, diese mit Schauspielerinnen und Schauspielern des Kellertheaters zu besetzen. Zugleich scheint die dramatische Kurzform für die jungen Autoren aber auch von poetologischer Relevanz gewesen zu sein. Die Stücke, die ich schreibe, sind möglichst genaue Zeichnungen von Zuständen, in denen Menschen sich befinden. So eine der wenigen expliziten Äußerungen Schweigers zu ihren dramatischen Arbeiten. Die Verknappung erscheint hier als bewusste Entscheidung zur dramatischen Konzentration. Der Überlieferungsstatus sowie die Zugänglichkeit vieler dieser Texte ist problematisch. Weniger als die Hälfte davon ist von der Autorin veröffentlicht worden und hier zumeist in unselbstständiger Form. Der größere Teil liegt allein in Form von Theaterdrucken oder als Bearbeitungsmanuskripte aus dem Hörfunk vor. Auch erwähnt sie in Interviews und Artikeln zahlreiche Stücke, an denen sie Arbeiter, die aber entweder nicht abgeschlossen wurden oder im Zusammenhang mit der desolaten Situation ihres Nachlasses als verschollen gelten müssen. Schweigers Dramen und Hörspiele erscheinen ab Mitte der 1970er Jahre in der Spätphase einer gesellschaftskritischen, an Oedon von Horvath orientierten Dramatik, für die in Deutschland Namen wie Martin Sperr und Franz Xaver Krötz sowie in Österreich Peter Turini und Wolfgang Bauer stehen können. Während Turini und Bauer mit absichtlich übertriebenen Gewaltdarstellungen Mechanismen antizipieren, die sich kurz darauf auch im US-Horrorfilm manifestieren, wo sie als schiffregestörter kultureller Selbstwahrnehmung begreifbar sind, zeigt Brigitte Schweiger eher psychologischen Slow Horror, der das bei Horrort geforderte Unheimliche pointiert aufnimmt. Sie bedient sich dazu einer subtil sprachkritischen Dramaturgie. Die Arbeit mittels indirekter, dialogorientierter Verfahren ist dabei nicht zuletzt eine Folge der notwendigen Verdichtung in der von Schweiger praktizierten kurzen und kürzesten Form mit nur minimaler Besetzung. Sie tritt, und das kann kaum genug betont werden, als Dramatikerin von Anfang an nicht als naive Jungautorin auf den Plan, als die sie häufig dargestellt wurde, sondern setzt ihre Stücke erkennbar in Traditionslinien über den grundlegenden gesellschaftskritischen Impetus einer deutschsprachigen Dramatik im Gefolge von Turini und anderen hinaus. anderen hinaus. So ist im Hörspiel Murmeltiere von 1975 mit dem ins Nebenzimmer verbannten, körperlich schwer geschädigten Vater und den psychologischen Mechanismen innerhalb der Familie eine klare Bezugnahme auf Strindberg und Ibsen gegeben. Der einakter kleines Kammerspiel wiederum behandelt die absurde Szenerie einer Klofrau, die eine Dame auf der Toilette einschließt, weil sie die Benutzungsgebühr von 2,30 Schilling nicht sofort bezahlen kann. Das ist unschwer, in eine Beziehung zu UNESCO, Beckett und Satre zu setzen. Gleichwohl hat sie diese stilistische Flexibilität immer auch dem Verdacht ausgesetzt, bloß eine Epigronin zu sein. Zentral bleibt für sie in jedem Fall ein sprachkritisch demaskierendes Verfahren, das sich exemplarischer Nestwärme ihrem Erstling nachvollziehen lässt. Der 1974-75 entstandene Einakter zeigt in fünf aufeinanderfolgenden Szenen, zwischen denen teilweise mehrere Monate vergehen, immer dieselben beiden in einer Kleinstadt wohnhaften Arztgattinnen, Hildegard und Erika, die sich bei Kaffee und Cremeschnitten unterhalten. In der nur wenig variierten Situation kommen im Plauderton mehr oder minder aktuelle Geschehnisse im Familienleben der beiden zur Sprache. Ihre Dialoge werden zur sprachlichen Bühne für das eigentliche sich entfaltende Drama. Gysi, Hildegards Tochter, hat die Matura nicht geschafft, wird von einem Forstarbeiter schwanger und heiratet diesen deshalb. Diese Ehe scheitert alsbald und Gysi unternimmt einen ersten Selbstmordversuch. Nach der Scheidung lebt sie mit ihrem Sohn wieder bei den Eltern und versinkt in Depression. Ein zweiter Selbstmordversuch gelingt und ihr Sohn verbleibt bei den Großeltern. Quasi als Nebenhandlung wird die Geschichte von Fritzi, dem Sohn, also dem Bruder von Gysi, berichtet, der als mütterlicher Augenstern zunächst Medizin studiert, dabei aber einen mehr liederlichen Lebenswandel an den Tag legt, später ein Auto zu Schrott fährt und schließlich das Medizinstudium ganz sein lässt. Die immer schlimmer werdenden Ereignisse wiederum sind in den einzelnen Szenen keineswegs das eigentliche Gesprächsthema der Arztgattinnen, einzelnen Szenen keineswegs das eigentliche Gesprächsthema der Arztgattinnen, sondern meist nur Appendizes anderer Themen, die wiederum immer im Spannungsfeld bürgerlicher Zwänge in einer Kleinstadt stehen. Die bereits angesprochene Uhrführung 1975 am Linzer Kellertheater gelingt. Peter Turini liefert einen sehr positiven Kommentar für den Programm Zettel, der ihre literaturbetriebliche Aufnahme in den illustren Kreis österreichischer Dramatik belegt und zugleich zentrale Themen Schweigers benennt. Zitat, Brigitte Schweiger zeigt den grundsätzlichen Widerspruch die Lebenslüge des Bürgertums. Die Lüge geht bis ins kleinste Detail. Da reden die beiden Gattinnen über den mangelnden Idealismus der Ärzteschaft, nur im nächsten Moment festzustellen, wie wenig doch heute ein Krankenschein bringt. So läuft das im Bürgertum. Wenn die niederen Werte stimmen, kann man sich getrost über die Höheren unterhalten. Und wie sie sich unterhalten, so aufgeschlossen, so freundlich, so allesverstehend. Dies ist das wirklich Infame an der bürgerlichen Herz- und Gedankenlosigkeit, sie hat Verständnis für ihre Opfer. Schweigers erste Urführung wird zu einem Erfolg, wenngleich man ihr auch eine gewisse Schwäche in der dramatischen Spannung attestiert. Die Stärke des Dialogs freilich konnte nicht darüber hinweg täuschen, dass es der jungen Freistädterin noch an dem mangelt, was man gemeinhin als Theaterpranke zu bezeichnen pflegt, so das neue Volksblatt. Im Gefolge von Schweigers kometenhaften Aufstieg mit »Wie kommt das Salz ins Meer?« werden ihre bis dahin vorliegenden Einakter verschiedentlich in Deutschland und Österreich aufgegriffen und inszeniert. Anfang der 1980er Jahre endet diese Spielserie und Schweiger wird auch ihre dramatische Produktion nur sehr eingeschränkt fortsetzen. Das Theater bleibt aber weiter ein Sehnsuchtsort für sie, wenngleich sich Erfahrungen als Regieassistentinnen, etwa am Theater in der Josefstadt, als frustrierend herausstellen. Ihr persönlicher Höhepunkt wird schließlich 1986 eine Inszenierung von Hermann Ungers neusachlicher Gesellschaftskomödie »Die Gartenlaube«, entstanden 1929, werden, bei der sie am Linzer Kellertheater selbst Regie führt. Die Probenarbeit am Kellertheater zu Die Gartenlaube gehören zweifelsohne zu den beglückendsten Erlebnissen Schweigers in diesen Jahren und werden von ihr als eine regelrechte Heimkehr empfunden. Diese möchte sie auch in eine erneuerte, dramatische Produktion umsetzen, in der sie Schriftstellerin und Regisseurin zu verbinden trachtet. Zitat, ich habe ja so viele Ideen, so viel Stoff, aber ich muss wissen, für wen ich die Rollen schreibe und dass ich es selbst dann machen darf. Was ja auch bedeutet, dass ich ein Stück während der Proben noch sinnvoll umschreiben kann, je nachdem, wie es für uns alle notwendig ist, schreibt sie an Helmut Ortner. Unter diesem Brief setzt sie eine kleine Zeichnung ihrer selbst in einem stilisierten Harlekinskostüm, der die Arme ausbreitet. Versehen mit dem Text, Theaterpranken sollen das werden. Die Theaterarbeit wird ihr hier zur persönlichen Utopie, in des bereits die nächste größere Inszenierung 1987 am Theater der Drachengasse rund um ihren Monolog Führerbefehl wird zum Fiasko, samt in der Arbeiterzeitung öffentlich ausgetragen am Streit mit der Theaterleitung. Diese Episode sollte ihr letztes nennenswertes theatrales Engagement zu Lebzeiten bleiben. sollte ihr letztes nennenswertes theatrales Engagement zu Lebzeiten bleiben. Ein letztes Mal wendet sich Schweiger am 6. September 2001 an Helmut Ortner und das Linzer Kellertheater mit einer Entschuldigung, dass er sich nur noch so selten melde, unter Bitte, ihr doch wenn möglich eine Theaterkritik von der Aufführung von La Mandragola im Oktober 1972 zuzusenden, in der sie debütierte. Schweiger ist eine Neuentdeckung, aber eine gute, meldeten damals in einer davon die oberösterreichischen Nachrichten. Herzlichen Dank. Ja, wir sind am Ende des Abends angelangt. Danke, dass Sie so lange durchgehalten haben. Ich wollte noch mal auf den Büchertisch hinweisen. Wir haben da hinten, wie Sie schon gesehen haben, einerseits unseren Katalog zum Wohlfeilenpreis von 24 Euro aufliegen und auch die Neuauflage von Fallenlassen. Also Sie können sowohl das eine als auch das andere erwerben und natürlich auch gerne noch unser Literaturcafé besuchen. Wir freuen uns, wenn Sie uns wieder besuchen und wünschen Ihnen noch einen schönen Abend. Danke.