Guten Abend im Stifterhaus, meine sehr geehrten Damen und Herren. Mein Name ist Stefan Kögelberger. Es freut mich, Sie heute Abend begrüßen zu dürfen zu einem Abend, der sozusagen einen Auftakt darstellt, den Auftakt zu einer Reihe von Veranstaltungen, die sämtlich im Zeichen von Heimrat Becker stehen. Veranstaltungen, die sämtlich im Zeichen von Heimrat Becker stehen. Heute Abend, Sie wissen natürlich Bescheid, werden die Heimrat Becker Preise 2025 verliehen, bevor morgen ein zweitägiges Symposium beginnt, das unter dem Titel Heimrat Becker in Linz, der verschlungene Weg zur Avantgarde steht. Morgen Abend, sozusagen als Nachschlag zum ersten Symposion-Tag, findet hier in der Literaturgalerie eine sicherlich besuchenswerte Abendveranstaltung mit Anselm Glück und Christian Steinbacher statt, die sich beide schon längere Zeit Heimrad Becker Preisträger nennen lassen dürfen. Vermutlich ebenfalls bereit zu wissen, wird der von der Interessheit regelrecht von Heimrat-Becker-Tagen in Linz sprechen darf, ist der Tatsache geschuldet, dass wir uns im 100. Geburtsjahr des Autors befinden, der am 9. Mai 1925 das Licht der Welt erblickt hat. Das Zusammenfallen mit dem 80-jährigen Jubiläum des Kriegsendes tut sein Übriges dazu, dass man im Mai 2025 insbesondere in Linz nicht um Heimrat Becker herumzukommen vermag. Und wäre das alles nicht Grund genug, so fügt es sich fast schicksalhaft, dass Heimrat Beckers Todestag, wie die meisten von Ihnen wahrscheinlich wissen, eben der 8. Mai, also der gleiche Tag wie j jener des offiziellen Kriegsendes gewesen war. Es ist mir eine große Freude, dass heute die gesamte Jury des Heimrath-Becker-Preises im Stifterhaus vertreten ist und um diese Juryzusammensetzung an dieser Stelle noch einmal kurz zu erläutern. Seit 2010 besteht die Jury aus Thomas Eder als Vertreter der Interessensgemeinschaft, Heimrat Becker aus Franz Josef Janin, dem ersten Preisträger von 2003 und dem Preisträger bzw. der Preisträgerin des vorangegangenen Jahres, dieses Mal also Ilse Kilic. Ihnen allen ein herzliches Willkommen im Stifterhaus. Schön, dass Sie hier da seid. Außerdem freut es mich, dass für mich unerwartet heute Heimrat Beckers Sohn zugegen ist, den ich auch ganz herzlich begrüßen möchte. Herzlich willkommen, Michael Merigi. Schön, dass Sie hier sind. Die Jury kann sich heute ja fast ein wenig zurücklehnen, ihre Arbeit ist getan. Thomas Eder wird aber wie gewohnt als Juryvertreter im Anschluss einige Worte über die diesjährigen Preisträgerinnen an sie richten und die Entscheidungen der Jury begründen. Und wie ich gehört habe, wird es auch einen Text von Franz Josefosef Janin geben über Heimrath-Becker. Zu den Preisträgerinnen, jetzt beginnt großes Klatschen. Wir dürfen ganz herzlich alle Preisträgerinnen begrüßen. Zuerst natürlich die Preisträgerin des Förderpreises zum Heimrath-Becker-Preis 2025. Herzlich willkommen, Nathalie Diewan. herzlich willkommen Natalie Divan. Und sozusagen gleich hinterher ihre Laudatorin Olivia Golde. Danke fürs Kommen. Der neue Texte-Essay-Preis 2025 ist an Erhan Altern ergangen. Auch ihn dürfen wir ganz herzlich begrüßen und herzlichen Glückwunsch. Und zu guter Letzt heißen wir den Laudator auf die diesjährige Preisträgerin des Heimrath-Becker-Preises willkommen, ein bekanntes Gesicht im Stifterhaus. Herzlich willkommen Florian Neuner, schön, dass du wieder bei uns bist. Viel geklatscht, nur noch einmal. Die Preisträgerin 2025 selbst, Liesl Uyveri, kann heute leider nicht bei uns sein. Eine Lesung erwartet uns trotzdem, nämlich per Video. Und auch wenn dieses Video natürlich schon voraufgezeichnet ist und die Preisträgerin diese Preisverleihung nicht live mitverfolgen kann, darf ich trotzdem um einen Applaus für Liesl Uivary bitten. Abschließend darf ich Sie noch auf den die nächsten Tage bereitstehenden Büchertisch der Buchhandlung Fürstlberger hinweisen und übergebe mit der Aussicht auf äußerst interessante Tage und Nächte im Zeichen von Heimrat Becker an Thomas Eder. Vielen Dank. So, ja, schönen guten Abend, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich darf Sie im Namen der Interessengemeinschaft Heimrat Becker ganz herzlich hier begrüßen. Damen und Herren, ich darf Sie im Namen der Interessengemeinschaft Heimrott-Becker ganz herzlich hier begrüßen, Sie alle, alle Preistragenden, alle Laudierenden, Lobenden. Dieser Preis wird tatsächlich jetzt schon zum 23. Mal vergeben. Er ist, wie ich meine, aus zwei Gründen ein besonderes Signal für die Literaturförderung. Zum einen, und das erwähne ich jedes Jahr wieder, durch die Großzügigkeit des Preisspenders von Heimatbecker und seiner Frau Margret Becker, die den Erlös des Ankaufs ihres Vorlasses, das die Österreichische Nationalbibliothek für das Literaturarchiv hat, dieses Bestandkonvolut angekauft. Und die Summe haben die beiden ohne zu zögern oder mit viel Druck und Nachhall der Literaturförderung und dieser Preisstiftung zugedacht, dass nun auch das Land Oberösterreich, die Stadt Linz und das jeweilige für Kunst zuständige Bundesministerium sich da beteiligt, auch diesen öffentlichen Stellen sei es gedankt, ebenso wie dem Stifterhaus, dass eine verlässliche Heimstätte für uns geworden ist, hier diesen Preis durchführen und verleihen zu können. Der zweite und vielleicht inhaltlich oder literarisch relevantere Teil ist nun die Besonderheit dieses Preises, weil dieser Preis noch in Abstimmung oder auf Anregung von Heimrath Becker für eine Literatur abseits von Belletristik, für Literatur als Kunst, für experimentelle Literatur, relevante Literatur, Neo-Avantgarde-Literatur. Sie können es vielleicht erahnen, die Vielzahl der Epitheter, die ich dem verleihe, macht es nicht gerade einfacher, hier ein schon gültiges Beschreibungskriterium gefunden zu haben. Vielleicht kann man sagen, es ist Literatur, die sich als Literatur versteht und verstehen lässt und damit auch vielleicht etwas abseits von dem liegt, was man sonst auszeichnet und lesen und darüber lesen kann. Wie ist das nun zu verstehen? Literatur als Kunst ist im Grunde immer gleich, könnte man sagen. Man könnte aber auch genauso gut das Gegenteil behaupten. Literatur als Kunst ist immer neu und sich immer verschieden. Und dieses Paradox sozusagen, dieses mögliche Paradox, versuchen wir auch in der Jury irgendwie auszuhalten und uns vielleicht auf anderes, auf vielleicht neue und vergleichbare Weise zu Lesendes hier immer wieder auch zu fokussieren. Diese Arbeiten der Preistragenden, über die dann die Lobenden sie noch ausführlich informieren werden, hängen auf vielfache Weise, wie ich meine, mit der Arbeit Heimrath-Beckers und mit seiner Haltung, mit seiner Literatur zusammen, vor allem und am Grund durch die ästhetische Qualität dieser Arbeiten, die wir heute hier auch zu hören und zu sehen bekommen werden. Das ist, so wie ich meine, die Basis, auf der wir immer wieder versuchen, wenn wir uns die Texte wechselseitig vorlesen, die in der engeren Wahl sind, auf deren Basis wir zu urteilen oder einzuschätzen versuchen. Und ich denke, dass sich in diesem Jahr auch eine vielleicht politische, sozial intervenierende Dimension dieser Texte zeigt, nämlich soziale Interventionen in den Literaturbetrieb und vielleicht sogar in die Gesellschaft als Ganzer, was immer das dann im Detail heißen mag. Dazu vielleicht später noch ein paar Worte mehr. Am Beginn wird jetzt hier jedoch Franz Josef Czernin einen kurzen Text zur Nachschrift und zu seiner Beziehung zu Heimatbecker vorstellen, vortragen. und zu seiner Beziehung zu Heimatbecker vorstellen, vortragen. Franz Josef Czernin ist, Sie haben es gehört, der erste Preisträger dieses Heimatbecker-Treises, seit Jahren ein Mitglied neben mir selbst der Jury. Er ist aber vielleicht, so könnte man sagen, im romantischen Sinn Dichter vieler Genres, vieler Ausprägungen des Poetischen, der Übersetzung, des Essays und der Gedichte. Neben dem Numinosen, das sein Dichten als Möglichkeit ernst nimmt, ist es aber auch von Reflexion, Kritik, vielleicht von Skepsis durchzogen. Und so ist es nur charakteristisch, dass er zuletzt zwei Essay-Bände, Und so ist es nur charakteristisch, dass er zuletzt zwei Essay-Bände, einen zur Theorie der Metapher und zu den Metaphern und Literatur, als ein anderes Licht im Haupttitel veröffentlicht hat und einen zweiten zur Literaturkritik mit dem Titel Gute Unterhaltung, Herr Adorno, Klossen und Essays. Aber, und hier vielleicht weg vom Essay, hin der Blick ins Wunderbare, vielleicht aber auch sprachlich Gebrochene, vielleicht hindurchgegangen durch das Feuer der sogenannten experimentellen Poesie, durch seine Verwandlungen nach Dante, die im letzten Jahrzehnt, im letzten vielen Jahren entstehen und auch in erster Lieferung vor zwei Jahren, eineinhalb Jahren erschienen sind, sprachliche Gestaltungen eines epischen Dauertons, wie das ein anderer gesagt hat, diese epischen Gestaltungen, die sowohl als Themen und Gegenstände, diese epischen Gestaltungen, die sowohl als Themen und Gegenstände, aber auch als Formen der dantischen Komedia sich diese anverwandeln und zugleich diese Komedia verwandeln. Was aber, so könnte man fragen, wenn, wie bei Heimrath Becker, die Poesie auf die Shoah trifft? Und diese Überlegungen zur Nachschrift bitte ich nun Franz Josef Cianin, uns hier vorzustellen. Ja, danke Thomas für die Worte. Danke, dass ich hier etwas zu Heimrath sagen kann, zu seinem Werk. der Idee von Literatur, die mir zunächst oder vielleicht überhaupt auch noch immer sehr nahe ist, schwer zu vereinbaren war und ist. Und ich habe einmal ganz früh oder vor vielen Jahren einmal einen Dialog verfasst, der auch in einem Essayband erschienen ist, wo ich versucht habe, diese Schwierigkeit zu artikulieren und hatte dann nach und nach das Gefühl, dass ich aber gerade da Heimatswerk nicht gerecht geworden bin. Dass meine Position, die bestimmte Dinge in Frage gestellt hat, eigentlich seinem Werk nicht gerecht geworden ist. Also es gibt dann diese Reihe, das heißt Grundbücher zur Literatur. Und da wurde ich gebeten, mich noch einmal mit Heimratswerk auseinanderzusetzen. Und da habe ich versucht, das vielleicht ein bisschen anders zu formulieren. Noch ganz kurz zum Persönlichen. Ich habe Heimrat sehr früh kennengelernt, Mitte der 70er Jahre oder 76 oder 77. Und für mich als damals jungen Autor war das extrem wichtig. Wichtig deshalb, weil wir nicht nur sehr viel über Literatur gesprochen haben und sich nach und nach so eine Freundschaft auch mit seiner Frau Margret entwickelt hat, er auch so ein wie ein kritischer, väterlicher Freund für mich war. Ich glaube, dass mich von manchen, wie soll ich sagen, manchen Abwegen und Unwegen auch abgebracht hat und mir auch den Kopf ein bisschen zurechtgerückt hat damals. Ob das nachhaltig war, ist natürlich eine andere Frage. Also ich lese jetzt diesen kurzen Text, der so einen Blick auf die Ästhetik und auf die Haltung Heimatbeckers bei seinen Texten versucht klarzumachen. Zur Heimatbeckers Nachschrift. In Heimatbeckers Nachschrift finden sich, das werden Sie wahrscheinlich auch alle schon wissen, wahrscheinlich auch alle schon wissen. Zitate aus Opferberichten, Zitate von Zeugen, Zitate aus historischen Studien zur Nazi-Herrschaft und Shoah. Zitate aus Aufzeichnungen von Tätern. Und in den Aufzeichnungen von Tätern finden sich zweierlei. Zum einen Berichte in der Umgangssprache und zum zweiten etwas, was man vielleicht bürokratische Einträge nennen könnte. zweiten etwas, was man vielleicht bürokratische Einträge nennen könnte. Kürzel, Abkürzungen, Zahlenmaterial für Statistiken und auch Statistiken selbst. Die Zitate sind unterschiedlich lang, manche sind nur eine Zeile lang, andere auch viele Seiten. Friedrich Achleitner führt in einem instruktiven Nachwort zu dem Band eine große Zahl unterschiedlicher Textsorten an, etwa Listen, Eintragungen, Aufzählungen, Verbote, Verhaftungsgründe, Auflistungen zerstörter Synagogen, verbotener Handlungen, Anweisungen, Definitionen, Wendungen, Sprachfetzen, Daten, Zahlen, Berichte, Kürzeln, Name und Berufe. Daten, Zahlen, Berichte, Kürzeln, Name und Berufe. Ist es wahr, gehen wir wirklich in den Tod? Dieses Zitat, eine Art Motto, steht am Anfang der Nachschrift. Und auch der zweite Text in dem Band ist ein Zitat. Ich zitiere, man sah Leute bestürzt auf der Straße. Ich habe meinen Stern vergessen. Oder sie wurden angehalten. Wo haben sie ihren Stern? Dann eilten sie mit schützend vorgehaltener Hand in ihr Quartier. Das erste Zitat, das Motto ist offensichtlich eine Opferäußerung. Das zweite ein Zeugenbericht. Wie soll man die beiden Zitate verstehen, frage ich mich. Wie soll man mit ihnen umgehen? Zuerst mag ins Auge fallen, dass beide Zitate Fragmente sind. Warum aber wird uns ein Fragment geboten und nicht ein vollständiger Bericht? Darauf, glaube ich, gibt es einige Antworten, die tief in Heimrath-Beckers Werk führen können. Eine von ihnen ist, scheint mir, dass wir Lesende, anders als bei einem als vollständig wirkenden Bericht, selbst zu Ergänzungen aufgerufen sind. Und das bedeutet in der Nachschrift vieles und vielleicht auch, dass wir Verantwortung für unsere Imagination übernehmen sollen. Eine Verantwortung, die wir aber nicht ohne Weiters übernehmen können. Denn der Umgang mit der Nachschrift insgesamt und auch mit den zitierten Fragmenten lässt uns erfahren, dass die nationalsozialistischen Verbrechen und die durch diese verursachten Leiden und Qualen sich in ihrer Ungeheuerlichkeit kaum imaginieren lassen. Es ist ein Scheitern, das uns allerdings vollständige Berichte nur vorgeblich ersparen können. Ein Scheitern zudem, das vielleicht etwas wie einen Abgrund erahnen lässt, der sich nicht nur der Imagination entzieht, sondern uns auch die Sprache verschlägt. Für die wie immer scheiternden Versuche einer die Fragmente ergänzenden Imagination ist auch wichtig, dass die Seiten, auf der jene Zitate zu finden sind, größtenteils leer und weiß sind. Durch die Leere und die Weiße und auch durch das damit einhergehende Vereinzeltsein von Sprachlichem soll sich jene Imagination dennoch auf bestimmte Weise auslösen und formieren können. Vielleicht ist es problematisch, das zu behaupten. Etwas aber von diesem preisgegebenen Sein der Opfer an verhängnisvoll Unvermeidliches kann, wenn überhaupt, durch diese Präsentationsform spürbar werden. Die Zitate sind so wie alleingelassen, in diesem Fall vielleicht geradezu unbarmherzigen Weiß der Seiten. In der Nachschrift findet sich auch ein Zitat in Jiddisch. Mir will nicht sterben. Die entsprechende Anmerkung teilt mit, dass das ein Ausruf von Kindern im Ghetto von Lodz war, als sie verladen wurden. Auch diese Opferäußerung steht allein auf einer Seite und auch hier ist jene Präsentationsform intensiv wirksam. Denn durch sie wird der Satz eines Opfers beinahe zu einem hilflosen Schrei, der im schärfsten Kontrast zu den zahlreichen Zitaten bürokratischer Äußerungen in der Nachschrift steht. Viele dieser Äußerungen sind ja Zitate aus bürokratischen Dokumenten der Nazis. Noch einmal etwas anders verhält es sich mit dem folgenden Text präsentiert in Form einer Textsäule. Also die Wörter sind da untereinander geschrieben. Er beginnt so. Reichsgesetzblatt 1933 1 Reichsgesetzblatt 1933-1 Reichsgesetzblatt 1933-1 Reichsgesetzblatt 1935-1 Reichsgesetzblatt 1935-1 Reichsgesetzblatt 1935-1 Reichsgesetzblatt 1938-1 Reichsgesetzblatt 1938 Reichsgesetzblatt 1938 Reichsgesetzblatt 1938 Reichsgesetzblatt 1938 Das ist nur ein Ausschnitt aus diesem langen Zitat in einer Textsäule. Es handelt sich hier um die Titel der sogenannten Judengesetze und ihrer Novellen. Durch die Form der Präsentation wird hier auch offenkundig, wie wenig sich in einem bestimmten Zeitraum die Zeichen selbst verändern, ganz im Gegensatz zu dem, was sie bezeichnen. Denn jede Verschärfung der Gesetze hatte, wie man sich vorstellen kann, eine radikale Veränderung, nämlich eine bedrohliche Einschränkung des Lebens vieler Menschen zur Folge. Die Zeichen aber zeigen nichts davon. Wir aber sollen uns vorzustellen versuchen, was jene Gesetze für viele Menschen bedeutet haben und zugleich verstehen, dass es auch das gleichförmig Repetitive der Gesetzestitel ist, die die bedrohlichen Folgen der Gesetze verdeckt. Man merkt den Wörtern oder diesen Formulierungen ja nicht an, was sie anrichten. Zudem können wir dabei auch erkennen, dass dieses Verdecken eine Eigenschaft jeglicher bürokratischer Sprache ist, ja manchmal auch von Sprache überhaupt. Ähnliches gilt auch für einen Text mit dem Titel Die Telefone von Auschwitz. Er besteht aus einer untereinander gesetzten Liste von Zahlen, offenbar von lagerinternen Telefonnummern, ich zitiere einen kleinen Ausschnitt, Nummer 18, Nummer 45, Nummer 17, Nummer 33 und so weiter. Was wurde da telefonisch mitgeteilt? Das wird nicht gesagt, aber Titel und Kontext lassen uns wissen, dass es etwas Mörderisches gewesen sein muss. Etwas, das die Zahlen nur höchst indirekt bezeichnen, aber bemerkenswerterweise gerade deshalb umso eindringlicher darstellen, nämlich in der Form, in der sie von Heimatbecker präsentiert werden. Ich zitiere einen kurzen Ausschnitt aus einem anderen Text in der Nachschrift, der fast eine Seite lang ist. Es ist einer der längsten Texte. Rathauspark, Burggarten, Volksgarten, Stadtpark, Parkanlagen auf dem Beethovenplatz, Franz-Josefs-Key, Schmerlingplatz, das Besetzen der Bänke auf der Ringstraße, Augarten, Gartenanlagen auf dem Sterneckplatz, Rosenpark auf dem Erzherzog Karlplatz, Prater in allen seinen Teilen, Ahrenbergpark, Belvedergarten, Botanischer Garten und das geht auch noch eine ganze Weile weiter. Wenn man anfängt, diesen Text zu lesen, dann weiß man noch nicht, außer man kennt die entsprechende Anmerkung am Ende des Bandes schon, worum es eigentlich geht. Man denkt vielleicht, der Text könnte auch aus einer Werbeschrift für Wiener Parkanlagen und Plätze stammen. Erst wenn man zum letzten Satz gelangt, wird die Sache klar. Denn da heißt es, ich zitiere wieder, Denn da heißt es, ich zitiere wieder, das gesamte Gebiet des Wiener Waldes, des Biesambergs unter Freudenau ist als Ausflugsgebiet verboten. Man versteht jetzt, dass man die Namen der Orte, Parks und Plätze gelesen hat, die Juden nicht mehr betreten durften. Einem solchen Listentext könnte man in anderen Kontexten einigen ästhetischen Reiz abgewinnen, gerade auch in der Tradition der sogenannten experimentellen Literatur und der konkreten Poesie. Denn Listen sind da ein nicht seltenes literarisches Mittel. Die Liste von Parks und schönen Plätzen können dann auch Wohlgefallen hervorrufen. Und es ist ein zentraler Aspekt der Konzeption der Nachschrift durch die Form der Präsentation der Texte, das Ästhetische, verstanden als ein möglichst kontextoffener und zugleich textinterner Umgang mit Texten, in seiner Zweifelhaftigkeit, ja Hinfälligkeit, deutlich zu machen. Denn in dem Augenblick, in dem der Kontext der nationalsozialistischen Verbrechen wirksam wird, erscheint jene ästhetische Haltung, gerade weil ihre Möglichkeit durch die Präsentationsform hervorgerufen wird, als unangemessen, ja geradezu als moralisch verwerflich. Daran ließen sich auch unabhängig vom historischen Kontext des Nationalsozialismus weitreichende und allgemeinere fragen zum begriff der literatur ja der künste überhaupt anschließen und diskutieren das war das was ich vorweg als auch für mich selber sehr schwierig und problematisch angedeutete in diesem zusammenhang ein letztes zitat zitiere. Oben Paul Geißler, Garmisch-Baden-Kirchen, das Schulhaus Adolf Hitlers in Fischlahn, Radierung. Das sind drei Bildlegenden zu Bildern, die wohl in den 30er und 40er Jahren, jedenfalls in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden sind. Die Bilder selbst sind aber im Heimatstextbuch nicht zu sehen. Und in diesem Fall braucht man sie auch gar nicht sehen, denn der Kontext, der in den Bildlegenden angegeben ist, sagt alles Wichtige aus. Natürlich kann man sich auch bei diesen wahrscheinlich idyllischen Landschafts- und Städtebildenden einem kontextoffenen Wohlgefallen, einem sozusagen interesselosen Wohlgefallen hingeben. Doch das wäre wiederum höchst unangemessen, ja geradezu verwerflich. Ähnlich verhält es sich übrigens auch mit den Fotografien, die in Heimrath-Beckers Epitaph, ein Fotoband, versammelt sind. Viele von ihnen zeigen Fundstücke, nämlich Überreste aus dem Konzentrationslager Mauthausen, eingestürzte Mauerteile, verrostete Metallstücke etwa, die manchmal noch ihren mörderischen Zweck und Gebraucher ahnen lassen. Wenn man nun diese Fotografien ohne das Wissen um ihren Fundort und dessen Geschichte betrachtet, dann scheinen sie gemäß modernistischer kompositorischer Traditionen als ästhetisch wohlgefällig, ja geradezu als schön. Es sind sozusagen schöne Fotografien. Bei einigen von ihnen mag man etwa an die Objekte in der Tradition der Arte Bovera oder auch von Richard Serra denken. Ihre einstige verbrecherische Verwendung tritt dann aber in den Hintergrund. Weiß man um den Kontext des Fotografierten Bescheid, dann wird womöglich eine verhängnisvolle Aporie offenbar, für die wir keinen Ausweg, keine Lösung kennen, als sie, wie dies eben in Heimrath-Beckers Werk geschieht, darzustellen. Danke. Vielen Dank, Franz Josef Cernin. Wir beginnen nun mit dem Essay-Preis, dem Neue-Texte-Essay-Preis, der seit 2016 verliehen wird, also mittlerweile heute hier der zehnte Preisträger, Erhan Altan. Erhan Altan hat mehr als die Hälfte seines Lebens der Übersetzung experimenteller, deutschsprachiger, spezieller österreichischer Literatur ins Türkische gewidmet. Die für die Übersetzung insgesamt wichtige Frage nach der Relation oder der Gleichheit zwischen den beiden Teilen, verbundenen Teilen des Übersetzens, ich vermeide es von der Ziel- und Ausgangssprache, von der Quellsprache und der Ausgangssprache hier zu sprechen, in die übersetzt würde, in die übersetzt würde. Diese Frage steht bei jedem Übersetzungsprozess auf dem Spiel. Rückt dabei jedoch häufig die semantische Seite in den Blickpunkt, wenn man nach der angemessenen Relation, Äquivalenz zwischen den beiden Bezugsteilen fragt, so ist für die experimentelle Literatur das den Text generierende Prinzip zumindest ebenso wichtig. Und so hat Erhan das bedeutungshafte und das generierende Prinzip so vieler für die deutschsprachige Dichtung relevanter Texte erkannt, durchdrungen und übersetzt. In seinen Übersetzungen von Friedrich Achleitner, HC Artmann, Franz Josef Cernin, Gerhard Rühm, um nur einige jedoch bedeutsame zu nennen. Und dieses erkannte und übersetzte Prinzip wirkt von dem einen Pol auch wieder auf den anderen, diesen befeuernd, zurück. Also durch die Übersetzung bekommt auch der Ursprungstext möglicherweise einen neuen Drive. möglicherweise einen neuen Drive. Der Übersetzer in Erhan Altan ist aber wohl nur als der eine Teil des altanschen Feuers zu charakterisieren. Ein weiterer Zweig seines Wirkens ist der Veranstalter Erhan Altan. Zusammen mit Ece Özdemir verantwortet er die Tätigkeit des neuen Wiener Divan, eines Vereins, der literarische, filmische und kulturelle Veranstaltungen durchführt. Mit sehr großem Zuspruch und Erfolg. Das türkische Wien und nicht nur das türkische würde Entscheidendes vermissen, gäbe es nicht die Formate, die die beiden Ece und Erhan ersonnen haben. Als eine Hinterfragung des Nationalismus jeder Prägung, als ein Rütteln an Gewissheiten, als ein immer tiefer Bohren in und zugleich leichter Machen von Stereotypen und Verkrustungen. Der Mensch, der gerade das Kino verlassen hat, heißt zum Beispiel eine dieser Reihen, Tanzabende, Gespräche zu Feminismus und Gewalt und so weiter sind hier immer wieder an verschiedenen Orten zu hören. Und dann, und dann der Essayist Erhan Altan. Ich wage es vielleicht zu sagen, dass Erhan hier durch die so leichte wie abgründliche Schule, die doch keine Schule ist, von Peter Waterhouse gegangen ist. von Peter Waterhouse gegangen ist. Mit eben diesem, diesem und dessen Überlegungen zur Literatur befassen sich Erhans Texte immer wieder. Das Einhaken am scheinbar Nebensächlichen, am Übersehenden im besten Sinne, aus einer formalen Mücke einen bedeutungsstiftenden und zugleich diese Bedeutung wie der unterlaufenden Elefanten zu träxeln. Das ist Erhans beharrliche und zugleich im Gegenstand so leichte essayistische Arbeit. Sein Gesprächsbuch mit Tomris Uyar, der Frau des Dichters Zugut Uyar, seine Essays zu österreichischen Dichterinnen im Band Zugunruhe, sein Essay zu Garib, der ersten und dann auch der zweiten Neuen in der türkischen Literatur. Und seine, wenn ich so sagen darf, starkköpfige Sturheit, wenn er etwa auf der Spur des Sonnets die Verbindung zwischen Friedrich II., seiner Skola Poetica Siciliana in Palermo und der osmanischen Dichtung befragt und suchen will und findet, oder wenn er die Vermutung des notwendig Gedankenlosen, weil im Paarreim Fortlaufenden der Divan-Poesie ausstellt und erweist. Das Ergebnis zum Beispiel seiner Überlegungen zu Realismus in der österreichischen und der türkischen Literatur können Sie auf dem Büchertisch, der auch potlatschartig von den heute hier Anwesenden zusätzlich bestückt wurde, erwerben und lesen. Ich bin sehr dankbar, Erhan, für deine zugewandte und zarte Bestimmtheit, für dein Forschen an den Gründen und den luftigen Höhen des Poetischen. Als erste von allen Sprachen ist die Nachschrift ins Türkische übersetzt worden. Ich erspare es mir, um Ihnen den Übersetzer zu nennen. Und heute wird Erhan sich in einem Auszug aus seinem jüngsten Essay mit der Nachschrift befassen. Gratulation zum Preis und wir können nun seinen Überlegungen lauschen. Alles Gute. Danke, Thomas. Ein paar Worte vorher über Heimrat Becker. Seit einem Vierteljahrhundert beschäftige ich mich mit Heimrat Becker und mit Nachschrift. Heimrat Becker ist mein Lebensbegleiter geworden und die Übersetzung von Nachschrift halte ich für das Wichtigste, was ich in meinem Leben getan habe. Nachschrift wurde für mich nicht nur zu einer literarischen, politischen und ethischen Orientierung, sondern auch zu einer großen Hilfe um eine Haltung zum Völkermord von 1915, armenischer Genozid, und damit eine Möglichkeit der zwischenmenschlichen Annäherung an die armenischen Freunde und Freundinnen zu finden. Für mich gibt es keinen größeren Namen, für den ich eine Auszeichnung erhalten könnte. Ich habe heute aus Zeitgründen wichtige Teile meines Essays, vor allem über meine eigene Verstricktheit, ausgelassen und werde eine verkürzte Version meines Aufsatzes hier vorlesen und ich werde ein bisschen zügig vorlesen. Die Verstrickung und ihre Aufgabe. Unwissenheit ist die Ausgangssituation einer jeden Aufklärung. Eine Unwissenheit, bestehend aus mangelnden oder falschen Kenntnissen, ist oft das Ergebnis von Kräften, die das Wissen verdrängen und vergessen machen. Die Bewegung von Aufklärung wendet sich gegen diese Kräfte und versucht, einen Weg zu dem zu öffnen, was zum Schweigen gebracht wurde, zum Weisgemachten. Ähnlich verhält sich mit den Seiten von Nachschrift. Es ist auf fast jeder Seite eine Bewegung ins Ungewisse, ins Weiße. Wir haben sehr viel Überschneidung heute. So möchte ich behaupten, dass Nachschrift ihre Wirkung sowohl durch das Bestehende als auch durch das Fehlende entfaltet. Beides sind konstituierende Elemente. Es ist unmöglich, über den Holocaust zu schreiben und es ist unerlässlich, darüber zu schreiben. Man darf nicht glauben, dass man diese Blackbox des Grauens vermitteln kann, aber man darf es auch nicht aufgeben, es zu versuchen. Die Unerlässlichkeit fußt auf dem Bestehenden und die Unmöglichkeit, meiner Meinung nach, auf dem Fehlenden. Auf den meisten Seiten der Nachschritt fehlt einiges von den gesamten Vorgängen und Sachverhalten. Die Textmontagenbeckers lassen den Rahmen und oder den Ausdruck unvollständig. Auf vielen Seiten könnte einiges hinzugefügt werden, um den Rahmen konkreter zu machen. Einige Seiten enthalten nicht genügend Informationen, den Text richtig einzuordnen, manchmal gar zu verstehen. Dieser Umstand erschwert gewissermaßen das Verständnis, so dass man beim Lesen auf die Anmerkungen am Ende des Buches zurückgreifen muss, was aber auch nicht immer die Lösung bringt. Der Rahmen des Holocaust ist da, aber manchmal ist der raumzeitliche, manchmal der logische oder ein anderer Rahmen offen. Die Anmerkungen sind eigentlich ein Zwischenschritt bei der Suche nach dem, was fehlt. Suche nach dem, was fehlt. Beides zusammen, das vor der Lektüre vorhandene Wissen über den Holocaust und die Differenz der Textseiten zu diesem Wissen ermöglicht es, das Fehlende wahrzunehmen, zu erkennen. Mein Bemühen beim Lesen, den Rahmen zu vervollständigen, bringt mich oft dazu, die Seite aus dem Blickwinkel des Täters zu betrachten. Und umgekehrt bringt mich mein Bemühen, dem Text Bedeutung zuzuschreiben, ihm Ausdruck zu verleihen, dazu, mich auf den Blickwinkel des Opfers hinzubewegen. Ich würde daher die beiden Leserfunktionen getrennt betrachten, die unvollständige Information und der fehlende Ausdruck. Die unvollständige Information wird versucht, anhand des vorgegebenen Schemas, das sich auf der Struktur der Seite befindet, zu vervollständigen, um zum fehlenden Ausdruck zu gelangen. Um zu gelangen, muss erst das Schema in Richtung vom Holocaust weiterentwickelt werden. Die Vorstellung des Unvollständigen entsteht in erster Linie durch die Leerstellen, die Lücken oder die Seiten, die eine Sequenz der Abfolge darstellen. Beide verleiten einen dazu, es zu inter- bzw. extrapolieren, so um die Lücke zu füllen bzw. die Sequenzen oder Prozesse fortzusetzen. Während ich so versuche, die Information zu vervollständigen, führe ich die Logik des Textes fort, die die Logik der nationalsozialistischen Ordnung widerspiegelt. Ich ertappe mich dabei, während ich den Text vom Blickwinkel des Täters betrachte. Dieses Mitgehen mit der Struktur des Textes nenne ich Verstrickung. Was mich zu einem Täterdenken führt, ist nicht nur die NS-Logik. Was mich zu einem Täterdenken führt, ist nicht nur die NS-Logik. Neben den grafischen Entscheidungen von Heimrath-Becker ist dieses Täterdenken auch den Zeichensystemen, Modellen der Zivilisation eingeschrieben. Allerdings, unabhängig davon, ob die Informationen vervollständigt werden oder nicht, bleibt oft etwas Ungesagtes zurück, das ich als fehlenden Ausdruck bezeichne. In dem Fall jedoch, indem ich die Aussage des Textes so zu einem Ausdruck führe, indem ich den inneren Vorgang aufnehme und weiterführe, komme ich einer Vorstellung von der Hilflosigkeit näher, in der sich das Opfer befindet und befinde mich in einer Situation, in der ich die Gefühle wie Entsetzen, Trauer und Empathie mit dem Opfer entwickle. Das Fehlende in der Aussage des Textes, das Wissen, wie die Geschehnisse mit dem Tod endeten, bilden die Anfangs- und Endstationen des Denkmodells oder Schemas, das sich zu einem Ausdruck entwickle, welcher zur Erkenntnis dieser Vorstellung führt. Denkmodells oder Schemas, die auf ein Verbrechen verbeißt, aufgrund einer Vertrautheit den Leser in den Bann von verbrecherischen Gedanken zieht, entsteht eine Verstrickung. Ich werde versuchen, dies an einigen Beispielen aus den ersten Seiten von Nachschrift zu verdeutlichen. Dabei werde ich mich nur auf mich selbst beziehen. Das heißt, ich kann dies nur durch Selbstbeobachtung tun. selbst beziehen, das heißt, ich kann dies nur durch Selbstbeobachtung tun. Die Seite 8 kann in zwei Teilen betrachtet werden. Zunächst findet sich ein Monolith aus 23 seilenlang wiederholten Reichsgesetzplatzeinträgen, in denen die zwischen 1933 und 1941 in Kraft getretenen und im Reichsgesetzplatz veröffentlichten Gesetze aufgelistet sind. Diese rechtwinklige, monolithische Struktur, die aus den Wiederholungen besteht und keine Durchdringung zulässt, setzt die Undurchdringlichkeit und Einschüchterung des Gesetzes und seiner Umsetzung grafisch um. Die darauf folgenden Einsatzgruppeneinträge im zweiten Teil weichen jedoch von diesem Anschein der Konsistenz ab, den das Gesetz sich selbst und der Außenwelt vermitteln will, sodass sie teilweise durch Zeilensprünge unterteilt sind. Damit wurde die Reihenfolge, in der jede Zeile einen Eintrag aus dem Reichsgesetzblatt enthielt, durchbrochen. Diese Änderung in der Reihenfolge der Zeilensprünge deutet darauf hin, dass die gesetzliche Reihenfolge verlassen wurde. Unter Anmerkungen findet sich auch folgender Text. Der fortschreitende Prozess der Aussonderung des als Juden definierten Bürgers zuerst mit vorwiegend legalen, dann mit terroristischen Mitteln ist dargestellt bei Hilberg. Ich denke, das Wort terroristisch hier Gesetzlosigkeit bedeutet, denn sie arbeiteten im Mordsauftrag. Außerdem ist das Wort Einsatzgruppe in der ersten Zeile in Einsatz und Gruppe unterteilt. Diese Struktur zeigt, dass zwar die Länge der Zeilen konstant bleibt, aber die Unterteilungsordnung verlassen und Worteinheiten gebrochen werden. Außerdem umfassen nach der 23-Seilen-langen Wiederholung von Reichsgesetzplatz-Einträgen die Einsatzgruppe-Einträge nur noch drei Zeilen, was eine Verkürzung hindeutet. Wenn die letzte Seite vor dem rechten Hand der anderen Zeilen endet, wird nicht nur die Ordnung, sondern auch die rechtwinklige monolithische Struktur aufgegeben. Diese Auslassung der Fortsetzung ist aber vielleicht nicht nur eine willkürliche Auslassung, sondern ein Zeichen dafür, dass die Handlungen der Einsatzgruppe vielleicht mit weiteren Einsatzgruppen fortgesetzt werden. Diese grafische Offenheit des Endes suggeriert zudem, dass eine weitere Steigerung erreicht wurde, die hier unausgesprochen bleibt. Diese Offenheit veranlasst mich, die grafische Progression fortzusetzen, indem ich die Linie ins Weiße extrapoliere. Diese Tendenz in mir, den Sachverhalt weiterzuführen, lenkt mich auf den Plan des Täters, den ich mir nicht eingestehen will. Ich spreche hier von meiner Verstrickung. In dieser Progression, in der die Reichsgesetzplatz-Einträge die Segregation und die Einsatzgruppe-Einträge das Massaker bezeichnen, bezeichnet der leere Raum, der durch die leeren Anschläge oder Zeilen gebildet wird, den Genozid. Dieser aus der Schlussfolgerung geleitete Moment der Begegnung mit dem Tod, dessen Ausdruck in der leeren Seite in der fehlenden Aussage gefunden wird, entsetzt mich und zieht mich in ein Trauern um die Opfer hinein. Somit gebe ich die Verstrickung auf. Es sind zwei unterschiedliche Operationen. Während die Verstrickung sich textintern vollzieht, vollzieht sich die Aufgabe textextern durch das Wachrufen des Wissens über den Holocaust und der Differenz dazu. In Nachschrift wird eine Anteilnahme meist nicht nur durch ein bloßes Einfühlen in die Situation des Opfers hervorgerufen, sondern durch eine bipolare Rezeption von sowohl der Täter als auch der Opferperspektive, die in kurzem zeitlichem Abstand aufeinander folgen. Dieses kurze Oszillieren zwischen den Positionen des Blickwinkels der Täter und der unerträglichen Situation der Opfer führt mich zu einem Position- und Perspektive-einnehmenden Denken, in dem ich das Geschehen nicht von sachlicher Distanz beobachte, sondern daran in einem persönlichen Einbezogensein teilnehme. Es ist ein bipolares und relationales Hineingehen in das Geschehen, das eine sprunghafte Wahrnehmung der Vorgänge ermöglicht. Das Denken in Relationen bietet bei jeder Seite eine kleine Befreiung von der vor kurzem erworbenen Schuld. bietet bei jeder Seite eine kleine Befreiung von der vor kurzem erworbenen Schuld. Auf Seite 10 der Nachschrift sind die Parks, Gärten und Anlagen der Stadt aufgelistet, die zum Verweilen und Ausruhen einladen und ab einem bestimmten Zeitpunkt für Juden und Jüdinnen als Promenaden verboten waren. Becker hat diese Liste bis an den linken und rechten Rand der Seite ausgedehnt. So wird auch grafisch visualisiert, dass nirgendwo ein Verweilen, nirgendwo ein Entkommen möglich war. Wir können uns die Leerstellen und Zwischenräume zwischen den Parks und Gärten auch als die winzigen Räume vorstellen, die für Juden und Jüdinnen frei blieben oder so, dass sie in diese undefinierten Räume hineingezwungen wurden. Dass auch hier der Satz in der letzten Zeile ohne Punkt und in der Mitte der Zeile endet, kann auch als Zeichen dafür verstanden werden, dass der Raum am unteren Ende dieser grafisch gestalteten Seite weiterzugehen neigt. Ich ertappe mich, besonders auch als ein Wiener dabei, einen Blick darauf zu werfen, ob alle öffentlichen Räume in der Liste enthalten sind oder ob noch weitere öffentliche Räume fehlen, die man hätte hinzufügen können. Gleich danach stelle ich mit Entsetzen fest, wie unmenschlich die Lebensräume eingeengt wurden. Das bedeutet, dass ich wieder für kurze Zeit den Blick des Täters in der Wohne verstrickung, um dann wieder aufzugeben und in die große Hilflosigkeit des Opfers zurückzukehren. Auf Seite 21 werden wir mit Begriffen konfrontiert, die uns in Gedichtform begegnen. Jede Gruppe von Begriffen, die in drei gliedrigen Zeilen angeordnet sind, bezieht sich auf eine andere Phase der Judenvernichtung, wobei jede Zeile eine Etappe innerhalb dieser Phase darstellt. Die erste Dreiergruppe umfasst die Absonderung und Isolierung, die zweite Gruppe die indirekten Tötungen und die dritte Gruppe die direkten und immer umfangreicheren Tötungen. Am Anfang und am Ende jeder Dreiergruppe stehen Zeilen, in denen das Wort Definition wiederholt wird. Diese Begriffe verweisen auch auf die Praxis, den Holocaust über Definitionen zu erfassen. Das geht so weit, dass die Zitate aus Raoul Hilbergszeichnis, mal aus der Kapitelnummerierung und hier aus einer Tabelle herausgenommen werden. Es ist bezeichnend, dass der Text mit Definition endet, obwohl es klar ist, dass es keine Fortsetzung der Definitionen gibt und geben kann. Der Holocaust konnte zum Glück keine Definitionen mehr machen. Was bedeutet dann die abschließende Definitionen gibt und geben kann. Der Holocaust konnte zum Glück keine Definitionen mehr machen. Was bedeutet dann die abschließende Definition hier? Indem sie das Ende mit dem Anfang gleichsetzt, könnte sie darauf hinweisen, dass die Definitionen der Geschichtsschreibung einen in sich geschlossenen Kreis schließen. Diese Variante ist schlüssig, lässt sich aber auch relativieren. Wenn die große leere Fläche unter dem Text in Betracht gezogen wird, könnte sie eine Öffnung markieren, auf die Zeit danach verweisen, bis auf unsere Gegenwart hin. Wir verstehen mit Begriffen und entfernen uns mit ihnen von den Sachverhalten, die diese Definition zusammenfassen. Ohne Definitionen kommen wir nicht zu allgemeinen Sichtweisen und mit denen entfernen wir uns von den Sichtweisen der Einzelnen, wo das tiefere und eigentliche Verständnis liegt. Zumal die Definitionen uns eine Sichtweise eröffnen, den Plan der Täter, die uns aber sofort für andere Sichtweisen blind macht. Hat Heimrat Becker all diese Begriffe aus seiner Tabelle zitiert, weil es praktisch ist, alles von einer Seite zu zitieren? Oder wollte er durch die Form des Zitats etwas aussagen und gar kritisieren? Sie zeigen auch unsere wissenschaftliche, wirtschaftliche und industrielle Logik. Es ist zwar unschön zu sagen, aber diese Definitionsgruppen haben eine eigene Anziehung und Ästhetik in der Logik ihrer poetischen Ästhetik, bei der das Auge verweilt und sich verstrickt. Die letzte Definition kommt nach den zentralen Tötungsoperationen, nach einem Begriff, der nicht mehr gesteigert werden kann. Da braucht es keine Differenz mehr zum Holocaust, da ist man mittendrin. Die letzte Definition führt uns zur Aufgabe, weil die Verstrickung nicht mehr weitergehen kann. Dieser Text ist auch ein Beweis dafür, dass Nachschrift allein vom Blickwinkel eines nationalsozialistischen Täters nicht gelesen werden könnte, selbst wenn er mit der Ergänzung fehlender Informationen und Begnügen und dem Text keinen Ausdruck zu verleihen sich bemühen würde, Text keinen Ausdruck zu verleihen, sich bemühen würde, weil das Verharren im Blickwinkel des Täters das Leugnen unmöglich macht und es einen in vielen Dimensionen mit seiner Tätenschaft konfrontieren lässt. Dieses wird aber unerträglich, weil es einen über das Geschehen sensibilisiert. Diese Sensibilisierung ist nicht nur kontraproduktiv, sondern auch vernichtend für die Position eines Täters, weil sie nur über Desensibilisierung funktioniert. Die Bejahung einer Welt, wo jeder jeden tötet, würde einem die Basis für Vertrauen wegnehmen, damit die Existenzbasis. Deshalb könnte man es nicht mit Genugtuung lesen, man müsste eine enorme Leugnungsleistung zusammenbringen. Die Seiten 22 und 23 zeigen die Nummern der Kapitalüberschriften des Buches Dokumenta zur Geschichte der Frankfurter Juden 1933 bis 1945. Sie erstrecken sich über zwei Seiten, die so weit wie möglich in einem Viereck geschrieben sind, ohne aber das Viereck perfektioniert und das Versende erreicht wird und enden mit der Wiederholung der Worte nach dem Osten. Warum stehen auf zwei Seiten nur die Überschriftenziffer und Buchstaben von diesem Buch? Will Heimrath-Becker damit uns sagen, dass wir zur angegebenen Literatur gehen und sie lesen sollen? Oder stellen diese Überschriften einer Mauer dar, ein Dickicht aus vertrauten Zeichen, vor dem wir gelernt haben, Halt zu machen, uns nicht mehr um persönliche Tragödien zu sorgen und uns nicht vielleicht verstricken? Auch wenn man noch dazu bedenkt, dass diese Ziffer und Buchstaben in seiner Handschrift liegen, dass er es persönlich nimmt, sagt vielleicht auch etwas darüber aus, wie er selbst involviert war. Viele Fragen, die alle gleichzeitig wahr sein könnten. Nachschrift ist nicht nur ein Buch über Holocaust, sondern auch ein Buch über die Geschichtsschreibung des Holocausts, so dass wir beim Lesen darüber nachdenken und fragen können, wie wir selbst damit umgehen, schließlich auch, wie Heimrat Becker damit umgeht. wie wir selbst damit umgehen, schließlich auch wie Heimlath-Becker damit umgeht. Jede Seite von Nachschrift, die die Texte von Tätern enthält, enthält zugleich Beispiele von Verdrängung und Leugnung. So kann Nachschrift auch als ein Buch über die Entwicklung, die Chronologie und die Mechanismen der Verdrängung und der Leugnung gelesen werden. Stanley Cohen trifft die Unterscheidung folgendermaßen. Repression refers to inner states, like emotions, while denial refers to outer realities. Es kann aber auch als ein Buch über die eigene und mögliche Geschichte der Leugnung gelesen werden. Nach der Auflistung der Überschrift in Zn und Buchstaben kommen die Worte nach dem Osten als einzige Zitate vom Inhalt dieser Überschriften und zwar ganz am Ende des Buches. Nachdem alles Aufwindbare über Frankfurter Juden in diesem Buch dokumentiert wurde, aber nicht ihr Schicksal erwähnt wird, endet es mit einem Ungewissen nach dem Osten, so wie es auf der Seite 533 neben Auschwitz-Tresinstadt-Rabensburg-Buchenwald steht. Die Wörter nach dem Osten sind in Nachschrift mit Kapitalbuchstaben geschrieben und sie schreien. So wie Seite 21 fällt hier auch die Verstrickung mit der Aufgabe zusammen, dass textinterne und textexterne Operationen auf demselben Zeichen stattfinden. Zahlen, Statistiken und Verzeichnung spielen hier eine besondere Rolle in der Nachschrift. Dazu bringe ich noch kurz zwei Beispiele. Zuerst die Seite 28. Hier fällt der Fahrplan. Damit wollte Heimrat Becker auf den zeitorganisatorischen Rahmen hinweisen. Der Satz besteht aus einem Rahmen, mit dem sich die Reichsbahnbeschäftigten miteinander kommunizierten. Viel wichtiger ist aber, dass sie alles andere nicht kommunizierten. Es ist unmöglich, dass sie nichts bemerkt, nichts gewusst haben. Das Ergebnis von Wissen und Nichts dagegen tun ist Leugnen, das heißt darüber hinweg kommunizieren. Hier wird die Verpackung der Leugnung dargestellt. Während auf der linken Seite nur die Angabe über die Stundenzählung des Fahrplans der Züge stehen, die Menschen in den Tod brachten, stehen auf der gegenüberliegenden Seite 29 die internen Durchwahlnummern der Auschwitz-Telefone. Auch hier sieht man etwas über das System der Zahlen, ohne von den Personen- oder Aufgabenbereichen hinter diesen Ziffern etwas mitzubekommen. Die Durchwahlnummern zeigen das Beziehungsgeflecht, das funktionierte, während er ermordet wurde, und dass diese Beziehungen auch die Tötungspraktiken überlagerten. ermordet wurde und dass diese Beziehungen auch die Tötungspraktiken überlagerten. Lies man beide Seiten zusammen, wird es nahegelegt, dass die Zugtransporte nach Innauschwitz endeten. Und dies wird jedoch in Zahlenrelationen oder Zeichensystemen dargestellt, die die Aufmerksamkeit darauf und weg vom Mord lenkte. Auf der linken wie auf der rechten Seite wurde über das System der Zahlen kommuniziert, ohne es zum Kommunikationsinhalt zu machen, dass diese Menschen in den Tod geführt wurden, dass die Fahrten immer nur in eine Richtung gingen und niemand aus Auschwitz herauskam. Die fehlenden Ziffern in der Telefonliste, die Einbeziehung von Buchstaben bei den Durchwahlen und die Unregelmäßigkeit der Reihenfolge fallen sofort auf. Besonders bei Nachschrift wird mir bewusst, dass jedes Zeichensystem seine eigene Sprache hat, die das Denken in sich einschließt und aus der man nur mühsam herauskommt. Nicht nur, dass die Präzision und Effizienz dieser Tötungsmaschinerie ohne das Zeichensystem der Zahlen nicht möglich wäre, sondern sie dienen auch als Ablenkung, als Mittel der Leugnung. nicht möglich wäre, sondern sie dienen auch als Ablenkung, als Mittel der Leugnung. Die lineare ergänzende Beschäftigung mit den Texten des Täters zieht mich in seinen Bann. Es gibt also eine semiotische Infiltration oder Verstrickung. Natürlich lässt mich das Wort Auschwitz diese Verstrickung wieder aufzugeben und schickt mich erneut ins Unausgesprochene. So ist es möglich, nach Schrift als ein Buch zu denken, das aus Texten besteht, die zum Nachdenken anregen, aber diese Anregungen verschieben. Die Klassifizierungen, mit denen wir die Welt konstruieren und wahrnehmen, sind zugleich Mittel des Treffens und des Fehlens. Und auch des Verstehens und auch des Verdrängens. Hier zahlen, dort Schamata, dann wieder Gedichte, zeigen beides, das, was geschehen ist und wie es verdrängt wurde, wird. Nachschrift lässt erkennen, wie die Funktion der Verdrängung auf jeder Seite von einer anderen Art semiotischer Kategorie übernommen wird und dass diese Kategorien einen eigenen und verbogenen Grund für diese Verstrickung beim Lesen von Nachschrift darstellen. Jeder versteht und interpretiert alles auf seine Art und Weise. Tatsächlich habe ich aus Nachschrift gelernt, über die historische Perspektive von 1915 hinaus zu gehen und eine möglichst persönliche Position einzunehmen. Ich möchte auch sagen, dass Nachschrift mir Anschauung über die Verfasstheit einer Täterrolle wurde. Die Beziehung, die Becker zu seiner Vergangenheit herstellte, warf ein Licht auf die Dunkelheit der nationalen und kulturellen Identität, die mir eingepflanzt wurde. Danke. Applaus Vielen Dank. Vielen Dank. Applaus So, ja, wir kommen jetzt zu unseren Preisträgerinnen. Nathalie Divan erhält den Förderpreis zum Heimatbeckerpreis. Ihre poetischen Arbeiten in Bild, Text, Zeichen, Stadtraum haben die Jury überzeugt. Und wir freuen uns sehr, dass wir diese Preisträgerin auszeichnen dürfen und dass nun Olivia Golde Natalie Diewan loben wird. Olivia Golde ist Kulturwissenschaftlerin und Autorin, sie hat eben Kulturwissenschaften und literarisches Schreiben in Leipzig studiert, ist Mitbegründerin und Redakteurin des Netzwerks unter Zeitschrift PS, was nicht nur Postscript heißt, also nicht nur Nachschrift, sondern in diesem Fall politisch schreiben, Anmerkungen zum Literaturbetrieb. Die Zeitschrift erscheint seit 2015 im jährlichen Rhythmus und als bemerkenswert hat Olivia Golde auch empfunden, 2021 eine öffentliche Bibliothek in der Uckermark aufgebaut zu haben und nach ihrem Umzug nach Wien studiert sie Critical Studies an der Akademie der Bildenden Künste, Studiert, publiziert Scenes und kleine Lyrik, zuletzt etwa in der Literaturzeitschrift Posse Mark I oder in GYM 02 neue Texte zum Thema Arbeit. Ich freue mich sehr auf diese Lobpreisung und diese Lesung. Bitte. Kommunikationsgerier oder geh nie mit einem Golfer mit. Nathalie Divan, wenn ich sie nach ihrer Schreibarbeit frage, ist keine von denen, die behauptet, immer schon geschrieben zu haben. Und wenn ich sie als Lyrikerin anspreche, dann schüttelt sie gar wild mit den Händen. Was sie hingegen von sich benennt, kommt mit einer leichten Verschiebung daher. Seit ich 14 Jahre alt bin, war ich fast jeden Abend auf einer Veranstaltung, sagte sie letztens zu mir. Abend auf einer Veranstaltung, sagte sie letztens zu mir. Für einen Moment blieb mir die Luft weg vor diesem Energieaufwand, dieser Einlassungsbereitschaft, Hunger, Neugier. Es ist ein beständiges sich reinschmeißen in die Welt, das ich hier als erstes hervorheben und als Arbeitsweise sichtbar machen will. Nathalie Diwan erfindet ihre Texte nicht primär, sie greift sie sich. Dies gilt für ihr lipogrammatisches Suchtverhalten, ebenso wie für ihren anagrammatischen Ritt durch Wien und Umgebung, wo leerstehende Geschäfte sich jetzt mit neuen Bedeutungen schmücken. Geschäfte sich jetzt mit neuen Bedeutungen schmücken. Und es könnten noch viel mehr sein, wenn Eigentümerinnen und Eigentumsverhältnisse per se sich nicht meist selbst wie Ungetüme verhalten würden. Sie findet also ihr Material und sampelt, kollagiert, transformiert. So wie eine Bildhauerin, die im Steinklotz das Gesicht erkennt. so wie eine Bildhauerin, die im Steinklotz das Gesicht erkennt. In Nathalie Diewans Texten trifft man selten auf ihr Ich, aber immerzu auf das Ich der Gesellschaft und der anderen. Ihr Werk ist also weniger die manchmal gallige Introspektion des Lyrikers mit der Feder, allein in seiner Stube, nicht der Nachgesang der Natur, sondern alles Menschengesagte in eben seiner Geschaffenheit sichtbar machend. Eine lebendige, ja mitunter den Aufruhr ermöglichende Methode, durch den einfachen Trick uns daran zu erinnern, alles was ist, ist auch anders machbar. Sprachliche Lösungen, wie Nathalie Dieiewan ihre Methodik in einem Interview nennt, sprachliche Lösungen sind ja meist längst vorhanden, sie warten nur darauf, gehoben zu werden. Auch das wieder eine Referenz auf ihre Arbeitsweise, eine Sammlerin, die in der Welt Buchstaben findet, wie eine Ornithologin ihre Vögel selbst im Dunkeln. Angewandte Literatur, so nennt sie es auch, und jedes Wort freut sich doch, wenn es Verwendung findet. Manche Ideen können wir nur erfahren und miteinander teilen, wenn wir uns die Bücher kaufen, in denen sie zu finden sind. Das wird aber immer weniger erschwinglich und ist auch sonst nicht barrierearm. wird aber immer weniger erschwinglich und ist auch sonst nicht barrierearm. Wenn aber eine Autorin mit ehemaligen Ladenüberschriften arbeitet, mit Graffiti in der Stadt, mit der stürmischen Wiedereignung des öffentlichen Raumes, dann können alle darüber nachdenken. Dann gehört es uns allen. Das ist der Aspekt der radikalen Inklusion von Nathalie Divans Arbeit. Yes, we sign. Jemand sagte mal, Menschen sind aus anderen Menschen zusammengesetzt. Ebenso sind alle Texte aus anderen Texten zusammengesetzt und kein Buch führt das so schön und selbstlos vor, wie Natalie Divans Debüt, die luzider Konsole. Der luzide Spieltisch, wie ich es heimlich nenne, oder auch das versorgte Leuchten. Nicht nur hat sie über zehn Jahre an diesem Projekt gearbeitet, welches auch jetzt, bloß weil ein Zwischenstand in Buchform gegossen wurde, keinesfalls als abgeschlossen gelten kann. Auch hat sie sich durch alle anderen Projektete die nebenbei und gleichzeitig stattfanden wie hingearbeitet zu ihrer programmatik die eine grammatik der gegenwart ist und dabei zigtausend parallel realitäten entwickelt ich benutze luci der konsole am liebsten für orakelüche, als I Ching im John Cajun Sinne und generell als Gesprächspartnerin, wenn ich nicht mehr weiter weiß. Es ist ein Buch, dessen Lektüre sich wie der kindliche Griff ans Springkraut anfühlt. Aus jeder Berührung platzen mindestens drei weitere Bedeutungen heraus. Zuerst dachte ich, Nathalie Divan hatte mit luzider Konsole ein Lebenswerk vorgelegt. Inzwischen weiß ich es besser. Das war kein Punkt, da läuft sich jemand gerade erst warm. Eine Dehnübung, ja, das ist dieses kreisgelbe Buch. Auf sprachlicher Ebene windet sich die Zunge beim Lautlesen zwischen mindestens drei Sprachen. Sprachlicher Ebene windet sich die Zunge beim Lautlesen zwischen mindestens drei Sprachen. Inhaltlich bleibt allen kurz die Luft weg. Ich habe es schon angedeutet, kein eigenes Wort, alles Zitate. In diesem Sinne auch sie eine Nachschreiberin. Zudem gibt es mindestens zwei Lesarten des Buches. Eine romantische, im textgespräch hüpfend nach lust und laune oder aber auch eine eher archäologische in dem die leserin die zitatquellen nachschlägt damit nicht genug gibt es als angebot auch noch markierte stellen die je mit einem symbol versehen themen figuren performen denen sich ebenso folgen ließe jede labyrinth bauern würde hier von neid erblassen die glyphen übrigens sie stehen in ihrer schönheit in nichts jenen nach die bei ethan an oder elen cix zuzufinden sind natalie die waren als ich sie nach ihrer perspektive auf den literaturbetrieb fragte und nach diesem moment jetzt als plötzlich endlich ein preis vom himmel fällt verdient unbedingt aber verdienen tun ihn ja viele und so funktioniert der preismarkt nicht antwortet mit einem anderen staunen dass sie mehr als zehn jahre weg vom fenster sein konnte um ein pakistanisches restaurant ohne feste preise auf die beine zu stellen und jetzt aber wieder ganz im Schreiben lebt und das gesehen wird, Springkraut also sein darf, die Zwänge beißen um sich und wir, wir beißen zurück. An dieser Stelle möchte auch die Redaktion der Zeitschrift PS Anmerkungen zum Literaturbetrieb Politisch Schreiben ihrer Autorin ganz herzlich zum Preis gratulieren. zum literaturbetrieb politisch schreiben ihre autorin ganz herzlich zum preis gratulieren wir lassen hier gemäß fußnote 1306 nur kurz die frage stehen was tun preise fördern sie so wie es ihre intention ist oder zähmen sie auch laufen wir gefahr das werk der natalie die waren einzuhegen können wir nicht auch deshalb ihre lehrstand anagramme so sehr lieben, weil sie nicht zu kaufen sind und in Räumen spielen, die sich auch nicht mehr verkaufen können? Das alles kann nur die Zukunft zeigen. Auf diese warten wir gespannt und wünschen unserer Autorin ganz viel Glück. Jedoch Erfolg, Erfolg ist ein Golfer. Dankeschön. Applaus Danke herzlich für die Einladung nach Linz und für diesen Preis. Ich stehe hier ein bisschen weiter vorne als meine Kolleginnen davor und ein paar Leute bekommen jetzt schon ein bisschen mit der Angst zu tun, wie es denn jetzt weitergehen könnte. Ich kann euch beruhigen, ihr müsst heute nicht mitarbeiten. Ich habe nur eine ganz, ganz kurze Frage an euch und zwar, könnten Sie mir Ihren Namen buchstabieren? Das bringe ich zusammen, denke ich. S-T-E-F-A-N Das bringe ich zusammen, denke ich. S-T-E-F-A-N. Könnten Sie mir Ihren Namen buchstabieren? Okay. E-L-F-R-I-E-D-E. Kann man manchmal nicht genau auseinanderhalten? Gibt es da nicht noch eine andere Art zu vorstabieren? Welche? Das ist vielleicht jemanden, der mir noch einen Namen vorstabieren könnte, vielleicht der Herr in der ersten Reihe. Meinen eigenen? Kann ich nicht. Ja, F-R-A-N-Z-J-U-S-E-F. E-R-H-A-N. A-L-T-A-N. Es reimt sich. Hast du vielleicht eine alternative Buchstabierversion für uns, fürs Telefon? Emil Richard Heinrich Anton Nordpol Anton Ludwig Theodor Anton Nordpol. Vielen herzlichen Dank der Kollegin in der ersten Reihe. Die Kollegin in der zweiten Reihe würde ich auch bitten, ihren Namen zu buchstabieren. Sie möchte nicht. Vielleicht können Sie uns Ihren Namen buchstabieren. K-O-R-N-E-L-I-A Und der Kollege in der hinteren Reihe. A L F R E D Herzlichen Dank für Ihre Mitarbeit. Ich übernehme mit einem kurzen Text. Sie werden es gleich verstehen. Heimrad sowie Heimradeln, Handern sowie Handanlegen, Volker sowie Volkerverständigung in Tomerga, this broken German. Heinrich, Emil, Ida, Marta, Richard, Anton, Dora. Heinz, Emil, Ida, Marie, Richard, Anton, Dora. Richard, Anton, Dora. Heinrich, Emil, Isidor. Marie, Richard, Albert, David. David, Emil, Emil. Walter, Albert Albert Nathan. An das Postamt in Rostock. In Anbetracht des nationalen Umschwungs in Deutschland halte ich es für nicht mehr angebracht, die in der Buchstabiertabelle des Telefonbuchs aufgeführten jüdischen Namen wie David, Nathan, Samuel etc. noch länger beizubehalten. Ich nehme an, Emil, Wilhelm, Anton, Nordpol. Dejan, Erhan, Erhan, Wojtczek, Ahmed, Nilufar. Daria, Elif, Elif, Wanda, Asra, Nikola, Handan, Elif, Isis, Melek, Radomir, Asra, Daria, Hassan, Erhan, Ibrahim, Mohammed, Rabia, Ahmed, Deyan. Ende November 2020 beschloss der zuständige Arbeitsausschuss, eine neue Buchstabiertafel zu erarbeiten, die auf Städtenamen basiert. Hollywood, Entenhausen, Insel der Seligen, Mordor, Ringwelt, Atlantis, Dallas. Dallas, Entenhausen, Entenhausen, Wunderland, Atlantis, Nordpol. Adalbert, Heimrat, Divan. Helga, Nina, Goldenberg. Herein kam der alte Zweriner und grüßte scheinheilig hinter ihm Weinstein und dann Helga mit Schiller. Was ist passiert? Herein kam der alte Adalbert, hinter ihm Heimrat und dann Golde mit Divan. Später kam aus Berlin ein Mann namens Kerper als Bevollmächtigter für das Zahngold. Schrieb Goldenberg auf die Rückseite eines Briefes von Nina an Oppenheimer und darunter schrieb Golde auf die Rückseite eines Briefes von Erhan an Üveri und darunter schrieb Divan auf die Rückseite eines Briefes von Erhan an Üveri. Und darunter schrieb Diban auf die Rückseite eines Briefes von Franz Josef an Thomas. Und darunter, ihr Trick ist das gleiche Wort hundertmal in verschiedenen Verbindungen zu wiederholen, bis man endlich seine Gewalt spürt. Und sofort sah es im Land des Chen und Lein jeder. Das Gesetz ist nicht tot. Das Gesetz lebt. Das Gesetz ist groß. Das Gesetz kommt in Alphabet zu sich und liefert die authentische Interpretation. Die Schrift ist heilig, sie kommt von den Göttern. Das Alphabet jedenfalls kommt von der Obrigkeit. Später kam aus Berlin ein Mann namens Kerper als Bevollmächtigter für das Zahngold, später noch ein zweiter, ebenfalls auf dem Boden die Hemdsärmel aufgekrempelt. 1994 versucht Angerbauer in einer Beilage der oberösterreichischen Nachrichten zum Thema Uhren, Schmuck, Juwelen ein Textinserat zu schalten, das wiederum die Gewinnung von Zahngold während der Judenvernichtung thematisiert. Die oberösterreichischen Nachrichten lehnen die Einschaltung mit dem Hinweis auf Geschäftsschädigung ab. ab. Microsoft launched a Chinese Blog Service, das uns gewisse Dinge nicht mehr beim Namen nennen lässt, jetzt hier in Russland. Wie die New York Times recherchiert hat, wurden seit Trumps Amtsantritt mehr als 200 Begriffe aus dem Vokabular der Bundesbehörden verbannt. Die Veröffentlichung von Textfragmenten des Inserates in zwei komplementären Einschaltungen, in deren Inneren jeweils auf einem LED-Screen beklemmende historische Filmaufnahmen laufen, wird von der Inseratenabteilung der Oberösterreichischen Nachrichten zuerst zugesagt, dann jedoch vom verantwortlichen Redakteur abgelehnt, um einfach die Berichterstattung nicht zu gefährden und auch um selbst nicht als kriminell zu gelten. Google has agreed with authorities to censor its Chinese search engine, for example, as has Yahoo, der mit einem Fingerschnipser den Golf von Mexiko in den Golf von Amerika verwandeln kann. Die Angelegenheit landete schließlich am 31. März 1933 auf dem Schreibtisch des Beamten Neugebauer, der einer Änderung aufgeschlossen gegenüberstand. Angerbauer fertigt Plakate an, die der am Boden kauenden Figur nicht nur zwei Leidensgenossen gegenüberstellen, sondern vor allem die umstehende schaulustige Menge von Täterinnen und Tätern ergänzen. Während die Heimatwerbung Niederösterreich und der Werbering die Plakate anstandslos affischieren, den Zensurakt der oberösterreichischen Nachrichten dokumentieren, that forbids users from using certain words, dazu zählen die englischen Wörter für Klimawandel, Rassismus, Vielfalt und gar Frau, Oberösterreich den Plakatierungsauftrag wegen der Zurschaustellung eines Möglichkeitssinns jenseits der kapitalistischen Verwertung und des konsumorientierten Gebrauchs öffentlichen Raums sowie der Delegierung der öffentlichen Raumnutzung an Großkonzerne, Automassen und Wachschutzbataillone. Man wolle dazu beitragen, eine neutralere und unvoreingenommene Kommunikation auf amtlicher Ebene zu gewährleisten. In ihrer Samstagsausgabe bildete die russische Tageszeitung Kommersant die wirtschaftliche Realität im Land ungeschminkt ab. Auf journalistische Beiträge wurde verzichtet, stattdessen gab es 36 Seiten lang Bankrotterklärungen russischer Unternehmen, samt ausführlicher Textanalyse und Interpretation. Das Inserat soll sich gewissermaßen an die Steinsockel hinter ihnen anschmiegen und im Wirtschaftsmagazin Cashflow erscheinen. Mit The Missing Image hat Ruth Beckermann jetzt aber eine andere Form der Intervention gefunden. 1990 bemalt der niederösterreichische Konzeptkünstler Johannes Angerbauer den sogenannten straßenwaschenden Juden Alfred Hörlitschkas am Albertinerplatz in Wien mit wasserlöslicher Goldfarbe. Ein junger Mann in dunklem Anzug kniet da auf allen Vieren auf dem Trottoir, seine Hände umschließen offensichtlich eine Bürste, mit der er den Asphalt bearbeitet. Die Aktion ist eine Anspielung auf die massenhafte Gewinnung von Zahngold während des Holocausts. Hinter ihnen stehen Leute, eine Menge Schaulustiger aus der Gesichter in Großaufnahme herausgeholt werden, Männer und Frauen, die in die Kamera lachen. Angerbauer wird verhaftet und dem Amtsarzt zugeführt, der ihn ohne Ergebnis auf Geistesstörung bzw. Gefährdung untersucht. Nach ausholenden Beruhigungsgesten führten die beiden untersuchenden Konsularärzte im weißen Kittel, einer trägt eine Hakenkreuzbinde am Arm, den nicht widerstrebenden Arp in ein großes Zimmer, sahen ihn genau an und fragten ihn dann, wie alt er sei. Arp zögerte, als ob er nachtächte, bat dann um ein Stück Papier und schrieb sein Geburtsdatum. 16.09.87, 16.09.87, 16.09.87, bis die Seite voll war. Dann addierte er die Summe und reichte das Resultat den Examinatoren. Sie glaubten ihm. Der Buchstabe des Gesetzes erst realisiert die Wirklichkeit, ruft sie durch Beschreibung erst ins Leben, das heißt macht sie sichtbar durch Etikettierung, das heißt Schilderung. Und sofort sah es im Land des Hen und Lein jeder. Das Gesetz ist nicht tot. Das Gesetz ist groß. Das Gesetz kommt in Alphabet zu sich. Vielen Dank, Nathalie Diewan. Wir kommen nun zum Heimatbeckerpreis 2025 und ich darf Ihnen die Begründung der Jury, die kurze Begründung vorlesen. Das Werk von Liesl Uivary umfasst Poesie, Prosa, Hörspiele, Fotos, Musik, Videos, Computerkunst. In allen diesen Ausprägungen wendet Liesl Uivary den formalen Furor der Nachkriegs-Avantgarden auf Ideologien entlarvende Spracherkundungen an. Schon ihr erstes Buch, Sicher und Gut, bringt die Begriffe in Oppositionslisten ins Flirren. Die Zitat, Sammlung gewitzter, schlichter und in sich ruhender Texte, bewegt sich wie das Zünglein einer Waage zwischen einer ernsten und einer humoristischen Lesart. Natürlich sind beide verquickt. Je nachdem, mit welcher Erwartung man sich den Texten nähert, können sie als Beitrag zur literarischen Komödie der Menschheit erscheinen, als Satire spezifisch österreichischer Lebensmethodik oder als modernistisch-analytische Deskription düsteren, repressiven Nachkriegslebens. Auf jeden Fall stellen sie dessen existenzielles Rückgrat heraus, so Ann Cotton in Nachwort zur Neuauflage, die 2017 im Kleber Verlag erschienen ist. Weaverys wunderbares Buch Rosenzugaben ist im Jahr 1983 in der Edition Neue Texte erschienen und steht somit auch im Zusammenhang mit Heimrat Beckers verlegerischer Tätigkeit und auch mit seiner Vorstellung von Literatur als sprachkritisch-politischer Verfahrensweise. In den Wiener Vorlesungen zur Literatur, mit dem Titel Wild Cards publiziert, hinterfragt die Autorin Grundannahmen des Sprechens und der Wahrnehmung der Wirklichkeiten und stellt sie in Zusammenhang mit einem notwendigen, sich vielleicht auch im Horizont bereits abzeichnenden Paradigmenwechsel. Wichtig ist mir, so das Zitat am Ende dieser Begründung, gerade auch im Kontext mit Heimrath Beckers Arbeit, Liesl Uyveris Überzeugung als schreibender Mensch zu einer Gemeinschaft der Schreibenden zu gehören, gewissermaßen Teil eines Systems zu sein, es mitzugestalten. Also Projekte der Zusammenarbeit, etwa dokumentierend oder die Arbeit anderer begleitend. Soweit Ilse Kilic als Teil dieser Begründung der Preisvergabe. Und ich möchte nun Florian Neuner bitten, der als Schriftsteller, Essayist, Herausgeber und Veranstalter viele Seiten des literarischen Lebens bespielt und kennt und auch mit dem Werk von Liesl Uivary sehr vertraut ist, uns hier die Laudatio auf Liesl Uivary zu Gehör zu bringen. Bitte, Florian. Ja, guten Abend. Es ist meine Freude und Ehre, diese Laudatio auf Liesl Ulveri zu halten, einige Schlaglichter auf ihr Werk zu werfen. auf ihr Werk zu werfen. Jede Codierung kann geändert werden. Welche Absichten verfolgt diese Sprache? Sie reagiert offenbar nur mit einem lebendigen, intelligenten Organismus, der daraufhin sowohl zu ihrem Wirt als auch zu ihrem Meister wird. Liesl Uyveri, das Wort Ich. Ich halte die Augen geschlossen und bleibe reglos. Alles klar, jetzt wo ich mich bewege, spüre ich all das, was nicht in Ordnung ist. Ich bin offline. Ich habe umfangreiche Hirnschäden erlitten. Bin ich wirklich noch ich? Das Wort Ich im Singular würde in vielen anderen Sprachen keinen Sinn ergeben. Im japanischen beispielsweise gibt es, wenn man Dialekte einbezieht, mehr als 100 Möglichkeiten, ich zu sagen. Wer ich sagt und sich für eine der Varianten entscheidet, nimmt damit eine Stellung in einer sozialen Hierarchie ein und oder ordnet sich ein in Geschlechterverhältnisse, lässt ein soziales Naheverhältnis anklingen oder markiert Distanz. Liesl Uivary hat zu Anfang der 1970er Jahre an der Jesuitenuniversität in Tokio unterrichtet und harte Erfahrungen mit kultureller und sprachlicher Differenz gemacht, noch ehe sie als Autorin an die literarische Öffentlichkeit getreten ist. Sprachskepsis also, aus Erfahrung und nicht nur aus Lektüren gespeist. In das Wort Ich, erschienen 2011, lesen wir weiter, wie oft tue ich etwas, das nicht nötig wäre. Ich brauche ständig frischen Bezug zur realen Welt. Was tue ich jetzt? Ich werde mich anziehen und essen und trinken. Ich habe Kopfschmerzen. In Tokio unterrichtete Liesl Uivari nicht etwa Deutsch. Sie hatte einen Lehrauftrag für Russisch und ihre erste Buchpublikation war dann auch eine Anthologie mit inoffizieller sowjetischer Lyrik. Freiheit ist Freiheit erschienen 1975 in Zürich. Freiheit ist Freiheit, erschienen 1975 in Zürich. Die von Uivry ausgewählten Gedichte, die in dem Buch auf Deutsch und Russisch abgedruckt sind, weil sie auch in der Originalsprache noch unveröffentlicht waren, repräsentierten nicht die übliche Dissidentenliteratur, sondern standen in der Tradition der sowjetischen Avantgarde. Zum Beispiel Vsevolod Negrasov, ein der konkreten Poesie nahestehender Autor. Ich lese ein kurzes Gedicht von ihm. Was ist das? Was ist das? Das ist alles. Das ist alles. Alles und sonst nichts. Alles und sonst nichts. Und alles ist prima. Und alles ist prima. Liesl Uyveri schreibt in ihrem Vorwort über die Situation in der Sowjetunion in den frühen 1970er Jahren, alle Manipulationen, die darauf abzielen, die traditionell akzeptierten sprachlichen Denkschemate aufzulockern und zu erweitern, werden als sinnloser, unverständlicher Blödsinn klassifiziert und können deshalb in die veröffententlichte literatur keinen eingang finden dass es sich dabei um eine sprachlich motivierte zensur handelt ergibt sich schon daraus dass sich aus den meisten dieser gedichte ein vordergründiger politischer protest nicht herauslesen lässt die erfahrung mit dieser literatur und ihren entstehungsbedingungen, die Erkenntnis, dass formal avancierten Texten eine auch politische Brisanz zuwachsen kann, steht im Hintergrund der ersten eigenen Texte von Liesl Uivari. Ein Text wie »Was ich schreibe« ist nicht weit entfernt von der Literatur Negrasovs. Ich schreibe alles, was ich schreibe. Ich sehe alles, was ich sehe. Ich höre alles, was ich höre. Ich lese alles, was ich lese. Ich trinke alles, was ich trinke. Ich esse alles, was ich esse. Ich singe alles, was ich singe. Ich sage alles, was ich sage. Ich verdiene alles, was ich verdiene. Ich hasse alles, was ich hasse. Ich liebe alles, was ich liebe. Ich habe alles, was ich habe. Ich träume alles, was ich träume. Ich tue alles, was ich tue. Der zitierte Text ist abgedruckt in Liesl Uyveres ersten Buch »Sicher und gut«, und zwar in einem Abschnitt, der mit »Ich« überschrieben ist. Erschienen 1977 im Wiener Rombus Verlag, dem kein langes Leben beschieden war, Jahrzehnte vergriffen und inzwischen dankenswerterweise wieder aufgelegt von Ralf Klever. Da sie dieses Debüt nach wie vor sehr wichtig ist, können Sie daran sehen, dass Liesl Uivereie und experimentellen Literatur zu öffnen für Alltag, Politik und autobiografische Selbstreflexion. Dienen die seriellen und permutativen Verfahren, die Wiederholungsstrukturen und das Isolieren einzelner Worte und Wendungen in der konkreten Dichtung dazu, die Aufmerksamkeit auf die sprachlichen Zeichen selbst und ihre Verknüpfung zu lenken, steuert Uivere in sicher und gut in die andere Richtung. Die Schablonenhaftigkeit, auch Austauschbarkeit und Beliebigkeit von Phrasen werden mit diesen Methoden kenntlich gemacht. Im Gedicht für Marxisten etwa heißt es, ich muss dann noch auf die Bank, der Klassenkampf verschärft sich. Ich muss dann noch auf die Bank. Der Klassenkampf verschärft sich. Vielleicht schaue ich abends vorbei. Der Klassenkampf verschärft sich. Mittwoch, Donnerstag rufe ich an. Der Klassenkampf verschärft sich. Und so weiter. Sicher und gut wurde von einer ganzen Reihe von Verlagen abgelehnt, unter anderem auch von der Edition Neue Texte. Das Buch ist auch nicht so leicht vorstellbar in Heimrath-Beckers Verlag. Liesl-Ulveris zweites Buch Rosenzugaben ist dann allerdings tatsächlich in der Edition Neue Texte erschienen. Wenn man die beiden Bücher nebeneinander legt, würde man nicht ohne weiteres auf die Idee kommen, dass sie von derselben Autorin geschrieben wurden. Eine Brücke könnte aber vielleicht das neue Gedicht, zusammengesetzt aus alten Gedichten, aus sicher und gut bilden. Uyveri spricht von einem Anti-Poesie-Buch, einem Buch gegen Gedichte und hat nach Rosenzugaben auch keine Gedichtbände mehr veröffentlicht. Sie greift auf einen archaischen, beinahe archetypisch anmutenden Bestand an Bildern und Metaphern zurück, von den Rosen über Mond und Blut bis zu Nachtigallen und knatternden Fahnen und schreibt Dekonstruktionen der traditionellen Form- und Bilderwelt, bis es syntaktisch und metrisch knirscht und semantisch rauscht. Im Selbstverständnis der Autorin, die konkrete Methode angewandt auf traditionelle poetische Gegenstände, ein Hantieren mit Gefühlsbrocken in Form von Sprachblücken. Helmut Heißenbüttel sah damals Lektürepotenziale als Polemik, als banale Lapidarität und als Struktur einer ganz neuen, immer tiefer greifenden Sprachveränderung. Einen kurzen Eindruck möchte ich Ihnen geben. Traum-Zugabe ist das folgende, kurze Gedichte überschrieben. Mein Kopf, der Traum, eine Last, einer unbekannten mir selbst entfernt, voller Lust in Gefahr in jedem Traum, in meine Feder ausgeliefert, verstrickt, tief fliegend, blühend, den Verrückten sehr geneigt und momentklar der Schrecken, in meine Feder ausgeliefert verstrickt, tief fliegend blühend, den Verrückten sehr geneigt und momentklar der Schrecken, kann mein Auge mich selber groß sehen, unter neuen Bäumen, Feldern nahe stehen, bedächtig rasen, voller Erwachen, in Schlafhäusern, ich im Fluss. Liesl Uivere ist nicht bloß Autorin, sie ist Medienkünstlerin. Auch wenn die Literatur für sie als Grundlagenforschung auch stets unangefochten im Mittelpunkt ihrer Interessen und künstlerischen Projekte stand, nicht nur, aber zunächst auch, weil es sich um ein preiswertes Medium handelt, waren transmediale Erweiterungen von Anfang an Teil ihrer künstlerischen Arbeit. Das Wort Ich beispielsweise ist im Kontext des Projekts Interessante Produktionen entstanden, das auch Serien von Videofilmen umfasst, in denen es um Küchenschaben geht und um den Keller in Uyveres Wohnhaus in Wien. Radio- und Fotoarbeiten begleiten und flankieren ihr Schreiben. Für die Fotoserie Privatsachen hat sie von 2006 bis 2008 die Arbeitsumgebungen von Kolleginnen und Kollegen dokumentiert. Für Helmut Heißenbüttels Sendereihe Autorenmusik hat sie sich mit der Maultrommel beschäftigt. Später faszinierte sie das Theremin, dieses berührungslos spielbare Musikinstrument. Zunächst und bis heute bot die Fotografie Uivere Möglichkeiten der medialen Horizonterweiterung. In den 1970er Jahren ein analoges Medium, dessen Handhabung man sich in der Dunkelkammer erarbeiten musste. Heute fotografiert Uivere mit ihrem Mobiltelefon und lebt ihren Spieltrieb mit diversen Bildbearbeitungsprogrammen aus. Überhaupt gilt für ihre Arbeit mit Bild und Ton, dass der Spieltrieb Purismus gar nicht aufkommen lässt. 1980 erscheint der Fotoroman Biesamberg und zu diesem Fotoroman heißt es in einem Begleittext zersplitterte Botschaften, verschmutzte Häuschen, Schuleen, Gras, Meter hoch. Oder der Prospekt eines langen Feldes, einer leeren Bank, verfliegend. In rascher Schnelle rutscht das Auge über Angelegenheiten geringerer Wichtigkeit, bis ich mitten im Satz innehalte. Sind das etwa Reize, die einzig in meiner Einbildung bestehen? Achtung Rodelbahn, man schießt. Hier in Linz, in der Galerie Merz, unter der Ägide des speziell für visuelle literarische Grenzüberschreitungen aufgeschlossenen Heimrat Becker, stellte Liesl Uyvera erstmals im Oktober 1980 gemeinsam mit Bodo Hell aus. Hell zeigte Wiener Schriften als Nukleus seines Stadtschriftprojekts Uiweri New Yorker Schriften. Im Begleittext der beiden Künstler, die sich mit ihrem Interesse für Text im öffentlichen Raum als Ahnen Nathalie Divans erweisen, auch wenn sie selbst nicht intervenierten, sondern nur registrierten. Zur Ausstellung hieß es damals, In der städtischen Öffentlichkeit sind wir von einer ungeheuren Vielfalt normierter Schriften umgeben. Täglich tauchen neue Schriften auf, ältere und alte Buchstabenformationen existieren weiter. Ganze Heere von Designern scheinen ununterbrochen an markanten, anreizenden Schriften tätig. Wichtig, dass jede Schrift in sich normiert ist, die Buchstaben gleichen einander wie ein Ei dem anderen. Ist die Eliminierung der individuellen Handschrift aus dem öffentlichen Bereich nicht frappant? Einzig im Namenszug der Unterschrift soll das Persönliche gezeigt und festgehalten werden kritzeleien schmierereien nein folgsames lesen ja in unserer fotoarbeit sind wir diesen dingen nachgegangen und habe material zusammengetragen dass diese sachverhalte fixiert ohne sie vorschnell auflösen zu wollen. Die leichtere Verfügbarkeit und Leistbarkeit von Grafik- und Musikprogrammen im Laptop-Zeitalter entfachte bei Liesl Uivari eine große Experimentierlust und Produktivität, die in der Medienkunst- und Sound-Art-Szene auch wahrgenommen wird. So war Uivari 2018 in der ausstellung hätten alliances über künstlerinnen im bereich der elektronischen musik und kunst vertreten die das institut für medienarchäologie anlässlich der ars electronica im lenthus zeigte der medienkünstler martin breindl schreibt wenn die autorin ließ leuvere mus Musik oder Bilder produziert, spielt sie kontrollierte Spiele, indem sie die zahlreichen Klang- und Bildobjekte, die sie um sich versammelt hat, von einem möglichen Seinszustand in einen anderen, ebenfalls möglichen Seinszustand transformiert. Sie kann diese Transformationen anstellen, weil sie ausschließlich an der virtuellen Maschine arbeitet, deren integrativer Bestandzeit sie selbst als Cyborg geworden ist. Ihre Leistung als Cyborg ist, dass sie die Möglichkeiten dieser Mensch-Maschine-Vermählung innerlich begreift und ausschöpft. Oder sagen wir, Liesl Uivry war ihrer Zeit voraus, technologisch, ästhetisch, gedanklich. In einer Zeit, in der Literatur noch oft an Papier und Buchform gebunden war, lotete sie bereits die Ränder des Digitalen aus. Ihre Texte sprechen mit Maschinen, stellen sich selbst in Frage, transformieren sich, sie sind keine Beruhigung, sondern Bewegung. Uivori hat früh erkannt, dass Literatur nicht nur Geschichten erzählen kann, sondern auch Denkprozesse simulieren, Klangräume eröffnen, mediale Grenzen überschreiten muss. Mit ihrer Sprachkunst, ihrer medienteoretischen Schärfe und ihrer interdisziplinären Neugier hat sie Maßstäbe gesetzt, wenn auch oft abseits des literarischen Mainstreams. Gerade deshalb ist die heutige Auszeichnung so bedeutsam, denn sie rückt eine Künstlerin ins Zentrum, die sich bewusst dem Zentrum verweigert. Merken Sie etwas? Das sind Textbausteine, die eine KI vorschlägt für eine Laudatio auf Liesl-Ulveri. Nichts davon ist falsch. Im Netz finden sich ja auch einige fundierte Texte zu ihr, die abgesaugt werden können und doch ist der Text von einer eigentümlichen Floskelhaftigkeit geprägt. Sicher und gut. Die Datenwelt überlagert jetzt die reale Welt und unser Leben wird nie mehr so sein wie vorher, schreibt Uyveri in ihrem 2013 erschienenen Buch Ein Schattenprogramm, das in einer Reihe steht mit das Wort Ich 2011 und Body and Tech 2024. Das ist nichts weiter als Text. Es handelt sich um reflexive, die literarischen Produktionsbedingungen in der medialen Umgebung des frühen 21. Jahrhunderts reflektierende Prosa, der eine Art Stream of Consciousness zugrunde zu legen scheint. Trotzdem wirken diese Texte so, als seien sie von Schnitten durchzogen, montiert. Nach jedem Satz erfolgt ein Zeilenwechsel. Im Schattenprogramm sind auf den Doppelseiten jeweils zwei verschiedene Schrifttypen einander gegenübergestellt, einmal linksbündig, einmal im Blocksatz. Uivere arbeitet mit den unterschiedlichen Schrifttypen, um zu zeigen, wie die grafische Gestaltung die Wirkung der Texte mitbestimmt und modifiziert. Sie hat oft darauf hingewiesen, dass sie ihre Texte als realistisch empfindet, als Versuche abzubilden, was im Kopf vorgeht. Und das ereignet sich nun mal sprunghaft, assoziationsgeleitet und nicht linear wie im narrativen Text. Die als realistisch geltenden Erzähltexte, die Familienchroniken über Tante, Haus, Arisierung und dergleichen hingegen kommen ihr viel eher abstrakt vor, liefert Ulveri also mimetische Beschreibungen des zu jeder Zeit zerhackten Bewusstseins. Eben nicht ganz, meint ein Kotten in ihrem Nachwort zu ein Schattenprogramm und sagt treffend, es ist schon aktive Dissoziation und zwar im Text, sie nimmt nicht ihren Bewusstseinsstrom aufs Platz, sondern trennt in einem eigenen Arbeitsschritt Satz von Satz. Diese werden isoliert montiert mit großer Sorgfalt. So entkommt sie ihrem eigentlich nur in Absehung vom Inhalt als Kontinuum vorstellbarem Bewusstsein, dieser existenziellen Fiktion und zeigt stattdessen eine Pluralität von Fragmenten. Ulvares Bewusstseinsrealismus reicht zurück bis zu dem Band Schöne Stunden, 1984 erstaunlicherweise erschienen in einer Taschenbuchreihe des Ullstein Verlags. Die Autorin spricht hier explizit von einem inneren Monolog. Seine Wörter und Gedanken, seine Argumentationsfolgen und seine bisweilen bizarre Logik wiederholen nur das Tun der Sprache um uns herum. Zitat aus dem Buch, die Welt ist völlig aus den Fugen und alles darin ist ungewiss. Voller Widersprüche, fremd und verwirrend. Ich glaube, ich verliere den Verstand. Statt die anderen zum Schweigen zu bringen, indem ich vorgebe, dass ihre Worte nichtig sind, versuche ich jenen Raum zu definieren, von dem aus ich spreche und der langsam Form annimmt. In den poetologischen Überlegungen, die sie in ihren Wiener Vorlesungen zur Literatur ausbreitete, verwies Liesl-Uivry auf die Idee Kurt Goedels, mathematisches Denken zur Erforschung des mathematischen Denkens selbst zu verwenden. Sie sagt, dieser Einfall, die Mathematik introspektiv zu machen, erwies sich als ungeheuer fruchtbar und seine vielleicht weitestreichende Folge war der nach Gödel benannte Unvollständigkeitssatz, alle widerspruchsfreien axiomatischen Formulierungen der Zahlentheorie enthalten unentscheidbare Aussagen. Auf die Literatur bezogen heißt das nach Liesl-Olvery, was die Literatur mit dem gödelischen Theorem gemeinsam hat, also wo eine Analogie möglich erscheint, ist die Verwendung von Metasprache und Objektsprache im Text. Nur eben, die Objektsprache besteht ja nicht nur aus Objekt, Akkusativ, Konjugationen und Phonemen, vereinfacht ausgedrückt, sondern sie ist selbst ein Kulturprodukt mit vielen Metaelementen aus Literatur und Ideologie, Religion und Wissenschaft, Technik und Technologie. Und die Metasprache ist nicht nur Metasprache in Bezug auf die ohnehin schon vieldimensionale Objektsprache, sie ist Metasprache vor allem in Bezug auf die Literatur selbst, weil sie sich vor allem auf die Literatur bezieht, ja beziehen muss, auch wenn diese Tatsache vielen Autoren überhaupt nicht oder nur zum Teil bewusst ist. Autoren erzählen Romane und schreiben Erzählungen, weil sie eine Metasprache gar nicht kennen, sondern glauben, sie können mittels der Sprache, so wie sie ist, mit der Welt umgehen. Andere Autoren thematisieren die selbstbezüglichen Aspekte des Schreibens sehr wohl und führen die Leser in ihrer Literatur durch die komplexen Labyrinthe des Denkens. Das ist zweifellos pro domo gesagt und in Kürze Uyveris poetologisches Programm. In der Reihe der introspektiven Bücher ist Tiere im Text, 1991 irreführenderweise als Roman publiziert, sicherlich das Persönlichste und Riskanteste, zusammengesetzt aus Traumfragmenten, Erinnerungen, Fantasien, die mit Tabus behaftete Sphären nicht aussparen, ein Schreiben unterhalb der Bewusstseinsschwelle, ein Rühren in brei tausend trüber Begierden. Zum Beispiel, auf dem Weg neben einem Fluss finde ich die Postkarte eines Mörders, eine mehrfach gefaltete größere Karte auf orangefarbenen Karton. Darauf steht, ich gerate langsam in die weichen Geschippe, soll heißen, ich muss wieder einen Mord begehen. Schon ein Stück davor habe ich eine Karte dieses Mörders gefunden, sie aber nicht an mich genommen. Der Mörder hat eine junge Frau umgebracht, die mir nahe steht, ich weiß nicht wen, bin ich diese Frau? Der Verbrecher war in Murau in der Steiermark eingesperrt. Ich gehe am Flussufer entlang, vielleicht am Donaukanal. Ich komme über eine Brücke. Heimrat Becker ist Schrankenwärter auf der anderen Seite der Brücke, er sitzt in einem verglasten Häuschen. Eigentlich suche ich Margit Becker, sie ist nämlich Chefin bei diesem Prozess. Ich gebe Heimrat die Karte. Ist Margit für die Todesstrafe? Apokalyptische und postapokalyptische Szenarien tauchen schon in den Texten der 90er Jahre auf, in den jüngsten Arbeiten werden sie dominant. Ein Hauch von Transhumanismus weht durch diese Texte. Dystopien werden skizziert, was in dieser fragmentierten Form ohne sinnstiftende Rahmung umso bedrohlicher wirkt. In Body and Text skizziert uevere kurze Szenen und Tableaus. Ich wandere durch eine weite postapokalyptische Landschaft. Wo ich auch hinkomme, gibt es gewalttätige und verrückte Leute, Banden, die in der Gegend umherstreifen und aus Spaß morden gemeine, bizarre Monster, perverse und religiöse Fanatiker. Diese Beschreibungen oder narrativen Kerne werden aber jeweils nur nach wenigen Sätzen wieder abgebrochen. Durch die Texte zieht sich eine Atmosphäre latenter Bedrohung, die sich bis zur Panik steigern kann. Habe ich eine Herzattacke? Meine Hände zittern unkontrollierbar. Ein Schlüssel liefert womöglich einen Abschnitt, an dessen Beginn es heißt, sie ist sichtlich beunruhigt. Der Grund sind die Datensysteme und die Versklavung von Menschen und die Verwüstung ihrer Umwelt, die sie abbilden. Die Bedrohung geht also von Technologien und anonymen Mächten aus. Jemand hat irgendwie meine Genomsequenz bearbeitet oder manche scheinen davon auszugehen, dass unsere Welt nur eine Computersimulation ist. Aber jede Codierung kann geändert, umgekehrt, annulliert, umgeschrieben werden. Ist das vielleicht der Punkt, an den die Kunst ansetzen kann? Die Medienkünstlerin Uyveri jedenfalls arbeitet durchaus an den Codes und peppt ihre Texte nicht bloß mit technizistischen Metaphern auf. Wir erinnern uns an den Satz, die Datenwelt überlagert jetzt die reale Welt. Literatur ist Teil der Datenwelt. Wer meine Worte hört und liest, trägt das Virus in sich. Wer meine Worte hört und liest, trägt das Virus in sich. An dieser Stelle in Body and Tech ist schließlich eine Spur zu William S. Burroughs gelegt, der die die Lunge eindringt und sie schädigt. Das Wort mag einmal eine gesunde Nervenzelle gewesen sein, jetzt ist es ein parasitärer Organismus, der das zentrale Nervensystem befällt und schädigt. Zitat Ende. Liesl-Ulvery aber redet nicht nur davon, sondern führt Sprache im Zustand dieses Befalls vor. Liebe Liesl, wenn du diese Veranstaltung später hoffentlich noch sehen wirst, von dieser Stelle eine herzliche Gratulation zum Heimrath-Becker-Preis. Gracias. Musik Sicher und gut, was die Welt zusammenhält, spüren Sie nichts? Gedichte über Gedichte, Romane über Romane, ich, Autobiografie mit Anleitung. Was die Welt zusammenhält. weite Herzen. Teure Heimat, billige Angebote, reiche Ernte, arme Schlucker, große Chancen, kleine Fische, dünne Suppe, dicke Luft, leichte Mädchen, schwere Geschütze, lange Finger, kurzer Prozess, alte Lieder, neue Gesichter, scharfe Sachen, milder Wein. Ohne Titel. Das gehört mir und das gehört dir und das gehört ihm und das gehört ihr und das gehört ihnen. und das gehört ihm und das gehört ihr und das gehört ihnen. Ich gebe dir nichts und du gibst mir nichts und er gibt ihr nichts und wir geben euch nichts und ihr gebt uns nichts und sie geben ihnen nichts. Augenblicke, Augenblick 1. Das Messer wird am Griff gehalten, mit der Schneide auf die Zwiebel angesetzt und mit festem Druck von oben nach unten durchgezogen. Augenblick 2. Die Straße durchläuft das Tal. Die bewaldeten Abhänge heben und senken sich. Die Zweige biegen sich im Wind. Der Bach rauscht talwärts. Die Berge ziehen in die Ferne. Ein riesiges Geröllfeld erreicht das Tal. Staubwolken wallen auf. Augenblick 3 Situation Augenblick 3. Situation. A6370 Kitzbühel, Klausnerfeld 3. 9. Mai 1974, 10 Uhr, leicht bewölkt, 16 Grad. Erdgeschoss. Frau Stöckel in der Küche wäscht, Frau Engl in der Küche kocht, Frau Zittnagel im Bad wäscht, Frau Beisel im Schlafzimmer macht die Betten. Erster Stock. Frau Meier in der Küche putzt Gemüse. Frau Turner am Balkon gießt die Blumen. Frau Pacher am Balkon liest die Zeitung. Frau Heid in der Küche kocht. Zweiter Stock. Herr Schichtl im Bett raucht. Herr Pletzer in der Küche frühstückt. Frau Müller in der Küche kocht. Frau Marder im Bett hat Grippe. Jede der genannten Personen befindet sich allein in einem Raum. Die genannten Personen können sich untereinander nicht verständigen. Body and Tech Jemand möchte mit mir sprechen, ohne die offiziellen Kanäle zu benutzen. mit mir sprechen, ohne die offiziellen Kanäle zu benutzen. Ich bin eine Expertin für derartige Botschaften, illegales Zeug aus der Zukunft. Sie hat gewisse Drohungen erhalten. Sie sollte extrem wachsam sein, um Anschläge auf ihr Leben abzuwehren. Sie müsste doch inzwischen längst Bescheid wissen. Es sind unsichtbare, unfassbare Präsenzen, deren Einfluss auf unser Leben weder fühlbar noch erkennbar ist. Denkt daran, dass wir zum Arbeiten hier sind. Sie hat sich sehr verändert in den letzten Wochen. Disziplin, Meditation, Mäßigung bei Essen und Trinken. Noch wichtiger, sie ist nicht mehr teilnahmslos, lässt sich nicht treiben. Unternimm bitte nichts auf eigene Faust. Beobachte. Die Luft ist stickig, was ist los? Da fängt sie an zu schreien. Tolles Zeug. Die Luft riecht gut, sie klärt unsere Köpfe. Kalte Nachtluft. Manche scheinen davon auszugehen, dass unsere Welt nur eine Computersimulation ist. Gibt es Wesen einer höheren Existenzebene? Können sie hier eingreifen? Gibt es Wesen einer höheren Existenzebene? Können sie hier eingreifen? Eine Welle der Hysterie breitet sich aus. Alles ist detailliert geplant. Du starrst in die Dunkelheit, bist aufgeregt, kannst nicht schlafen. Sie beobachten mich, verfolgen die Wellen im Internet. Jetzt müssten sie das Experiment beenden. Aber wann, wann? Einen Moment lang sagt niemand etwas. Die fette Wurst ist zu fett, der Wein ist zu stark, das Radio ist zu laut, die Schuhe sind zu leicht, die Wiese ist zu nass, die Häuser sind zu hoch, das Fleisch ist zu teuer, die Nacht ist zu lang, das Wetter ist zu unbeständig, der Tee ist zu bitter, Schmeckt's? Poler, Franzosen, Hamburger, Frankfurter, Ulmer, Göttinger, Pariser, Florentiner, Lüneburger, Braunschweiger, Leipziger, Augsburger, Westfieler, Thüringer, Linzer, Ischler, Wachauer, Waldviertler, Prager, Buren, Krakauer, Bosniaken, Debreciner, Greiner,eskiden, Indianer, Eskimos, Russen. Überraschende Ähnlichkeiten. Ein Gesicht wie ein Bauch, ein Bauch wie ein Gashirt, ein Gashirt wie eine Tulpe, eine Tulpe wie eine Kuh, eine Kuh wie Backpapier, Backpapier wie ein nasses Handtuch, ein nasses Handtuch wie ein Leibbrot, ein Leibbrot wie ein Kuss, ein Kuss wie eine Fichte, eine Fichte wie ein Esslöffel, ein Esslöffel wie ein Ofenrohr, ein Ofenrohr wie eine Träne, eine Träne wie Auspuffgase, Auspuffgase wie Maregi-Alpenmilch, Maregi-Alpenmilch wie rostige Nägel, rostige Nägel wie ein Kopfholster, ein Kopfholster wie eine Hose, eine Hose wie ein Sonnenuntergang, ein Sonnenuntergang wie Gummistiefel, Gummistiefel wie Emmentaler Käse, Emmentaler Käse wie ein Schneefeld, ein Schneefeld wie ein Gesicht. Die Rede macht mich wahnsinnig. Nein, wir stehen einfach alle unter großem Druck. Dass ich solche ungeschickten Worte benutze, liegt daran, dass mir niemand je beigebracht hat, wie man über solche Sachen spricht. Die Tatsache, dass du durch das, was ich gesagt habe, eine so intensive Verletzung erfahren hast, ist der erste Schritt zur körperlichen Freude. Wir drehen langsam durch. Das ist der Wendepunkt. Was ist das für eine Krankheit? Ich habe keine Ahnung. Jetzt geht es um alles. Wie interessant. Kann eine Maschine reden? Rainer Roman, geboren in Wien, Schulbesuch in Wien, Fremdenlegion in Nordafrika, Banklehre in Wien, Heirat in Wien, Scheidung in Wien, zweite Heirat in Wien, Geburt einer Tochter, Scheidung in Wien, Kurzbesuch in München, lebt in Wien. Es ist vielmehr die plötzliche Erkenntnis, dass ich unachtsam geworden bin, dass ich meine Aufmerksamkeit auf die falsche Sache konzentriert habe, während die eigentliche Gefahr die Menschen ticken, was ihnen das Wichtigste ist. Wir haben keine Vision. Das ist unser Problem. Es gibt noch Hoffnung. Noch gebe ich nicht auf. Wissen Sie, was Vitamine sind? Wissen Sie, welches Jahr wir haben? Wie bitte? Da sind noch etliche Fehler auszubessern. Und wer weiß, vielleicht heiligt der Zög ja die Mittel. Am liebsten wäre ich tot. Wie kannst du nur so etwas sagen? Haha, haha, jetzt weiß ich alles. Ein friedliches Miteinander. Ich weiß nicht, wo es herkommt und was es soll. Beobachtungen anzustellen beruhigt die Leute. Auf einem Computer lässt sich der Vorgang ganz einfach simulieren. Der Abend verläuft gut. Ich bin seit langem nicht mehr verliebt gewesen. Ich tippe auf den Button Schließen. Wichtig! Rainer Bichler sagt immer dasselbe. Ich habe alles bei mir. Bodo Hell sagt immer dasselbe ich habe alles bei mir Bruno Hell sagt immer dasselbe die ganze Zeit läutet das Telefon Uta Bandl sagt immer dasselbe am Wochenende sind wir nicht da Walter Ramsdorfer sagt immer dasselbe das besprechen wir beim nächsten Mal Günther Laikauf sagt immer dasselbe. Das besprechen wir beim nächsten Mal. Günter Laikauf sagt immer dasselbe. Ich gehe gleich wieder. Hannes Schneider sagt immer dasselbe. Das gehört in die Luft gesprengt. Bernd Burkhardt sagt immer dasselbe. Du hast Poesie im Blut. Elfriede Gerstl sagt immer dasselbe. Ich suche dringend eine Wohnung. Gerwald Brandl sagt immer dasselbe. Dienstagabend kann ich nicht. Niesl Ulvere sagt immer dasselbe. Ich muss noch arbeiten. Applaus Applaus Bitte, bitte, bitte, gerne. Walter Pieler war vor 30 Jahren bei uns sehr oft zu Gast. Walter Pieler. Ja, wie schon überall war, habe ich was anderes gehört. Sie sagten Walter Pieler. Nein, Gott. Das ist fast das, ganz ähnlich. Für mich war das jetzt, wir haben uns sehr oft unglaublich gelacht. Und wir haben uns sehr gut verstanden, die beiden. Man kann es sich vorstellen, dass man viel gelacht hat mit Liesl Uyveri. Danke für den Beitrag. Ja, das war die Verleihung der Heimrat-Bäckerpreise 2025. Ich denke, es war mehr als nur ein Anlauf für die nächsten Tage wo Sie wirklich ganz ausgewählte Stücke erwerben können. Und auf unsere nächste Veranstaltung hinweisen, die natürlich morgen um 9 Uhr ist, der Beginn des Symposions. Leider haben Brigitte Kepplinger und Georg Schöllhammer die ersten beiden Referenten abgesagt, weil sie aus verschiedenen Gründen nicht teilnehmen können. abgesagt, weil sie aus verschiedenen Gründen nicht teilnehmen können. Wir haben uns aber bemüht, einen Ersatz dafür zu finden. Es wäre gegangen um die graue Stadt Linz 1950 bis 1970 und 1968 in Linz. Das waren die Vortragstitel. Wir haben das versucht, so gut wie möglich zu kompensieren und es wird ein Podiumsgespräch geben mit Petra Maria Dallinger, der Institutsleiterin, Georg Hofer, dem stellvertretenden Institutsleiter des Adalbert Stifter Instituts und Julius Stieber, dem Kulturdirektor der Stadt Linz. Und die drei werden versuchen, ein Bild der Stadt Linz im kulturellen Kontext von Heimrat Becker zu zeichnen. So, ich hoffe, wir sehen uns alle morgen hier wieder um 9 Uhr. Andernfalls werde ich Sie irgendwo erwischen. Vielen Dank und haben Sie noch einen schönen Abend.