Schönen guten Abend, liebe Damen und Herren, grüße euch liebe Freunde. Ich begrüße euch zur Vorlesestunde im DorfTV für die Leseeinladung und an Kurt Mitterndorfer für die Organisation. Der Roman Brüchige Zeiten ist zwischen 2018 und 2020 entstanden und mein Hauptmotiv war sicher das neue Erstarken der Rechten in Österreich, Europa und der ganzen Welt. Meine Protagonistin, die spanishstämmige Lehrerin Lucia, erlebt diesen rechten Aufbruch in der eigenen Familie an einem Konflikt mit ihrem Sohn. Jetzt vor eben Lucia, dann ihr Ex-Mann Albert, ihre Freundin Martina, natürlich ihr Sohn Fabian und dessen väterlicher Freund Hans Herrmann, der eine Rolle spielt. Es kommt auch der Kanzler Manfred Blumberg vor, auch Marni genannt. Und einige Leserinnen haben mir gesagt, dass er sie an eine reale Person in Österreich erinnert. Soviel zur Einleitung, zu mir. Ich bin in Sevalch am Attersee geboren, habe da auch noch einen Nebenwohnsitz, lebe aber hauptsächlich in Wien. Um mit einer aktuellen Situation einzusteigen, erinnere ich daran, wie es eventuell 2018, das heißt in der vorherigen Regierung, gewesen sein könnte und warum unter Umständen die Wotrubach-Kirche abgerissen werden sollte. September 2018. Manfred Blumberg bespricht mit der Staatssekretärin Martha Brauneis den Wochenplan und die anstehenden Pressekontakte. Lass dir etwas einfallen, sagt er zu Martha. Wir brauchen im September ein nachhaltiges Thema. Bis in den späten Herbst hinein. Da muss nichts dahinter sein. Das können wir später wieder zurücknehmen. Verstehst? Kleine Ablenkungen in den Medien schaffen Akzeptanz. Du weißt. Nur mit Wiesenblumen oder schönen Bildern von meinen Wanderungen werden wir weder unsere neue Mittelmeer-Strategie mit den Willigen noch die Budgetfinanzierung des ORF durchbringen. Auch beim Zwölfstundentag könnte es noch haken. Also bitte, ich verlasse mich auf dich. Die Staatssekretärin zerbricht sich den Kopf, sucht im Internet, fragt andere Ministerkollegen ihrer Partei nichts. Dann ruft sie doch den Vizekanzler an. Da finden wir etwas, komm rüber, sagt er am Telefon. Fünf Minuten später betritt Martha Brauneis das Büro des Vizekanzlers. Das haben wir gleich, sagt dieser und greift zum Telefon. Ja, genau. Ein nachhaltiges Thema. Ja, nein, nichts mit Pferden. Reimen wäre super. Ja, so ungefähr. Du bist ein Hund. Echt gut. Warte, lass mich das notieren. Ich schalte dich auf laut. Marta Prauneis sitzt bei mir gegenüber. macht Kinder rabiater. Ungarisches Mutter macht sie noch kaputter. Fritz Wotruba, heißt der Sohn, baut Kirchen aus Beton. Man sagt, er war ein Linker, vielleicht auch ein Trinker. Leer steht nun der Bau, den braucht keine Sau. Wenn Kunst entartet, wird der Abriss gestartet. Wir helfen alle mit. Beton ist nicht Granit. Das ist echt gut, du grandioser Poet. Wir werden Fakten schaffen und reißen diese grauslichen Hüten ab. Das Volk rufen wir auf, mitzuarbeiten. Ha, ha, wenn die linken Gutmenschen dagegen schreien, sind sie es, die den Brunnen vergiften. Ha, ha. Der Vizekanzler legt auf und lacht noch eine Weile. Nachdem er sich wieder beruhigt hat, sagt er zur Staatssekretärin, das mit dem Brunnen sagst du aber dem Kanzler nicht, okay? Martha hat den Text in ihr Tablet eingegeben. Super, sagt sie und schlägt dem Vizekanzler auf den Rücken. Es staubt ein wenig. Sie gibt ihm ein Bussi und geht aus dem Büro. Lucias Freundin Martina hat es in der Tageszeitung gelesen und konnte es kaum glauben. Am nächsten Tag kam die Nachricht auch in anderen Zeitungen und im ORF. Eine Woche später beschloss sie etwas zu tun. Einige ihrer Studenten hatten an der Uni ein EU-Projekt zur Sanierung dieses Bauwerkes ausgearbeitet. Sie lud die Vier zu einer Besprechung zum Thema Kirchen in Wien ein. Das sollte unverfänglich sein. Ich habe heute eine streng vertrauliche Frage an Euch. Ihr wisst sicher vom geplanten Abrississ der votruba kirche alle vier nickten wenn ich einen protest dagegen organisieren könnt ihr mich unterstützen seid ihr dabei und ob zu 100 prozent sagte einer und eine studentin ergänzte, wir wollten ebenfalls etwas unternehmen, wenn wir aber im Hintergrund oder mit unserer Information hilfreicher sind, gerne. Du kannst dich auf uns verlassen. Martina erstellte eine Namensliste von vertrauenswürdigen Freunden und strich jene, bei denen sie Abhängigkeiten in deren Jobs vermutete. Sieben blieben übrig. Sie begann mit den Anrufen bei Lucia, die gerade in Deutschland unterwegs war. Vielleicht würde sie jetzt doch nach Österreich zurückkommen. Hallo, meine Liebe, bin Gladien Görlitz Angekommen, sagte Lucia am Telefon. Willst du nach Polen? fragte Martina. Lucia erklärte, dass sie nach der Frauenaktion in Heidelberg Angst habe, in Deutschland zu bleiben. Die deutsche Polizei ist angeblich in das Hannibal-Netzwerk verstrickt. Polen sei für sie sicherer. Martina musste lächeln und erzählte ihr vom Plan der Regierung. Sie erinnerte Lucia an die gemeinsamen Musikabende und die wilden Partys in der Kirche im 23. Bezirk. Machst du mit? Wie schnell kannst du bei mir sein? fragte sie am Ende des Gesprächs und ergänzte, ich habe von deinem Ex Albert gehört, dass Fabian Jus studieren will. Kannst du dir das vorstellen? Soll ich nochmals versuchen, ihn zu kontaktieren? Ja, bitte, schreib ihm, aber noch nichts über mein Kommen. Und klar mache ich mit. Über Polen und Tschechien könnte ich morgen bei dir in Geras sein. Diese Regierung ist nichts heilig, ergänzte Lucia. Übermorgen reicht, ich organisiere einen Termin bei mir am Bauernhof. Übermorgen reicht. Ich organisiere einen Termin bei mir am Bauernhof. Alle saßen in der Stube um den großen Esstisch. Fünf der sieben Anwesenden kannte Lucia. Die Begrüßung war herzlich. Sie setzte sich dazu. Jonas hieß der, der ihr die Pressemitteilung gab. Sie ließen ihr Zeit, sie zu lesen. »Bist du deppert?« sagte Lucia und gab das Papier zurück. In der Mitte des Tisches war ein kleines Modell aus Zündholzschachteln aufgestellt worden. Die Votruba-Kirche war gut zu erkennen. Lucia schüttelte den Kopf. Wir könnten ja den Pfarrer fragen, ob wir dort wieder eine Party feiern können. Martina zeigte auf die Kirche. Sie hielt Lucia ihre beiden hochgestreckten Daumen entgegen. Zum Glück haben sie mit dem Abriss noch nicht begonnen. Also warum nicht auch eine Party machen, wenn die Regierung schon zur Beteiligung aufgerufen hat? Aber auf unsere Weise. Wir werden die Kirche besetzen. Lucia wird nach der Kirchenbesetzung verhaftet. Ihr Wohnmobil, mit dem sie in Europa herumfährt, so ein bisschen aus der Familie geflüchtet ist, wird konfisziert. Und sie wird ungewöhnlich lange in Untersuchungshaft genommen. Nach einigen Wochen sogar in die Frauenjustizanstalt Schwarzau überstellt. Dort bekommt sie allerdings die Möglichkeit, mit einer Therapeutin zu reden und dieser erklärt sie ihre Lebensgeschichte, die die Therapeutin dann verschriftlicht. Daraus lese ich zwei kurze Teile. Die Kinder ihrer Klassen liebten sie. Sie erzählte ihnen Begebenheiten, die sie während ihrer Aufenthalte bei ihrer Madrid-Oma erlebt hatte. Und immer wieder sprach sie auch von Ernesto Che Guevara und seinen Reisen durch Lateinamerika. Reisen durch Lateinamerika. Zur Bundespräsidentenwahl 2016 bezog sie in einem TV-Spot einer antifaschistischen Gruppe eine klare Position. Die Direktorin empfahle mehr Zurückhaltung. Auch ihr Eintreten für eine Gesamtschule werde von der Kollegenschaft nicht geteilt, hatte sie gesagt. Die Konflikte in der Schule werden größer und ich setze jetzt bei der Lebensgeschichte etwas später ein. Ab der sechsten Klasse schickte sie Fabian nicht mehr in das Internat. Ich gestehe ihm ein freies Leben, so sagte sie bei einem Kaffeeplausch zu ihrer Freundin Martina. Trotzdem redete er kaum mit ihr und übernachtete häufiger bei seinem Vater. Lucia wollte jeweils am Vortag darüber informiert werden. Das tat er über WhatsApp. Alle lachen über dich, schrieb er einmal dazu. Lucia wollte in der Schule mit ihm reden, lud ihn in ein Café ein, schlug einen gemeinsamen Abend vor, er blockte alles ab. Erneut suchte sie Hilfe bei einer Therapeutin. Auf deren Vorschlag, dass Fabian mitkommen sollte, reagierte sie unmissverständlich. Ich bin nicht der Kranke, schrieb er. In der zweiten Therapiestunde erzählte sie vom gemeinsamen Lachen über Kindersprüche, von den Zeiten auf den Spielplätzen, von seinen vielen Fragen, von seinem Wunsch, bei ihrem Bett zu schlafen und eine Katze zu haben. Im ersten Jahr nach der Scheidung war er besonders lieb zu mir und es tat mir gut, sagte Lucia. Beim nächsten Termin besprachen sie, wie Lucia mit ihrem Sohn wieder eine Gesprächsbasis finden könnte. wie Lucia mit ihrem Sohn wieder eine Gesprächsbasis finden könnte. Ich werde ihn um Unterstützung bei meiner Entscheidung bitten, ob ich noch einmal für die Personalvertretung kandidieren soll, sagte Lucia zur Therapeutin. Als Klassensprecher des Matura-Jahrgangs unseres Gymnasiums ist auch er davon betroffen. Die Maturatermine waren für Anfang Juni 2018 angesetzt worden. Fabian stimmte einem Gespräch zu. Für einen Samstag im März vereinbarten sie ein gemeinsames Frühstück. Bereits am Tag davor gestaltete Lucia den Tisch mit bunten Servietten, einem Osterstrauch und einem großen Schokoladehasen. Um sich auf das Gespräch mit Fabian einzustimmen, ging sie hinauf. Das Schlafzimmer mit dem Balkon, das Bad und sein Zimmer waren in der oberen Etage. Fabian war für die Ordnung in seinem Zimmer selbstverantwortlich. Das hatten sie bereits vereinbart, als er noch im Internat gewesen war. Wenn die Haushaltshilfe angekündigt war, hat er zumindest den Bogen leergeräumt. Das bestätigte diese. Diesmal wollte sie bei ihm aufräumen. Darüber hat er sich schon als Kind gefreut. Aha, der Kasten ist gedreht und das Bett steht an der Wand. Am Kasten hing ein neues Plakat. In großer Frakturschrift las sie. Gott ist immer mit den starken Bataillonen. Friedrich der Große Gott und Bataillone? Lucia schloss die Augen und atmete einige Male tief durch. Sie hielt sich am Türstock fest. Dann ging sie näher hin. Ibo Österreich stand ganz klein am unteren Rand. Die Identitären? Sie wusste im Moment nicht, was sie tun konnte. Wen konnte sie anrufen? Wer konnte wissen, woher solche Plakate kommen? Kam es von diesem Deutschlehrer? Lucia riss den Kasten auf und wühlte in Fabians T-Shirts. Sie hielt ein gelbes in der Hand. Identitäre Bewegung, Heimat, Freiheit, Tradition war darauf zu lesen. Verdammte Scheiße, schrie sie, setzte sich auf Fabians Bett und vergrub ihr Gesicht in den Händen. So verharrte sie einige Zeit. Draußen begann es zu dämmen. Sie knipste das Licht an. Ohne weiter nachzudenken hob sie die Matratze ein wenig. Aufkleber kamen zum Vorschein. Auf einem rot-schwarzen Sticker stand in großen Buchstaben Blatt in, Blatt out. Burschenschafter mit Schwertern waren abgebildet. Auf einem anderen war Merkel muss weg aufgedruckt. Sie hörte Fabians Stimme auf der Stiege. Er sprang herein. Hey, was soll das? Das ist eine Verbotszone, schrie er. Was? Was? schrie Lucia zurück und hielt ihm mit der einen Hand das T-Shirt und mit der anderen Hand einen Aufkleber vor das Gesicht. Geh, verschwinde, sofort, das geht dich nichts an. Und ob mich das was angeht, ich bin deine Mutter und das ist meine Wohnung. Woher hast du das? Ich will deine Antwort, hier und jetzt. Nein, verschwinde. Ich will deine Antwort, hier und jetzt. Nein, verschwinde. Es war das erste Mal, dass ich ihr Sohn vor ihr aufbaute. Sei vorsichtig. Ich verlange von dir eine plausible Erklärung. Nichts werde ich erklären. Du hast kein Recht, in meinen Sachen zu wühlen. Raus aus meinem Zimmer. Es stimmt. Mit dir redet man am besten nicht. Was? Mit mir redet man nicht. Wer sagt das? Steckt da dein Vater dahinter? Setz dich hierher und rede. Raus, schrie Fabian nochmals und las Papa endlich in Ruhe. Er machte einen Schritt auf seine Mutter zu. Kurz hob er den Arm. Du bist eine Volksverräterin. Meine Freunde und ich verteidigen das eigene und du, du bist immer noch für die illegale Grenzöffnung. Lucia atmete einige Male kräftig aus, öffnete die Arme und versuchte einen Schritt auf Fabian zuzugehen. Er wich zurück. Bitte, Fabs, sagte sie mit leiser Stimme, kannst du nicht erkennen, dass die, die vom eigenen reden, Rassisten sind? Typisch Linke, wenn ihr nicht mehr weiter wisst, sind alle, die nicht eurer Meinung sind, Rassisten oder Faschisten. Wir werden die Islamisierung Österreichs nicht zulassen.« Lucia setzte sich nochmals auf Fabians Bett. »Steh auf! Verschwind aus meinem Zimmer, sonst riecht mein Bett nach dir.« Seine Stimme überschlug sich. Lucia schloss kurz die Augen und erhob sich. Gut, du willst es nicht anders. Nimm diesen Mist und was du sonst noch brauchst. Fahr wieder zu Papa. Mach deine Matura, vielleicht bist du danach bereit, mit mir zu reden. Sie drehte sich um, ging vor die Tür und zählte bis zehn. Dann bewegte sie sich die Stiege hinunter. Langsam. Der Handlauf gab ihr einigermaßen Sicherheit. Im Wohnzimmer suchte sie ihr Telefon. Sicherheit. Im Wohnzimmer suchte sie ihr Telefon. Lucia stürzte danach in ein tiefes, schwarzes Loch. Sie vermietete die Wohnung, wollte nicht mehr an die Schule zurück und hat für die Eintrichtungsgegenstände ein Wohnmobil angeschafft, mit dem sie in Europa herumfährt. Was sie da alles erlebt, ist im Buch zu lesen, aber um die zweite Hauptfigur vorzustellen, steige ich noch etwas ein in die Geschichte von Fabian. Der hat ungefähr ab 18 seine Lebensgeschichte aufgeschrieben und sie ist daher in der Ich-Perspektive formuliert. Es war ein Unfall, hatte mir meine Mutter immer wieder gesagt, und dass ich gleich danach in Liebe entstanden sei. Meine Großeltern mütterlicherseits lernte ich nie kennen. Was wäre anders geworden, wenn Mamas Eltern in meiner Schulzeit noch gelebt hätten? Hätte ich bei ihnen sein können, während Mama in der Schule unterrichtete? Ich war bei der Scheidung doch schon zwölf, durfte aber nicht allein zu Hause sein. Von Montag bis Freitag musste ich in diesem Internat bei den Schwestern vom armen Kind Jesu bleiben. Jeden Morgen setzte mich der Bus des Ordens vor der Schule ab. Wie peinlich. Tut mir leid, ich bin für dich verantwortlich, erwiderte der Fahrer auf meinen Wunsch, früher aussteigen zu dürfen und fügte hinzu, sag ruhig Hermann zu mir, das dürfen alle, die mit mir fahren und vernünftige Burschen sind. Ich stieg als letzter aus und war daher der Erste zum Abholen für die Rückfahrt. Meine Mitschüler kannten den Bus. Die Ordensgründerin war am Heck abgebildet. Schüler kannten den Bus. Die Ordensgründerin war am Heck abgebildet. Heimlich schlugen einige das Kreuz und lachten, wenn ich aus der Klasse ging. Hermann wartete draußen. Er nahm mir die Schultasche ab und ich durfte vorne bei ihm in der Fahrerkabine sitzen. Auch beim Anlegen des Gurtes half er mir. Auch beim Anlegen des Gurtes half er mir. Sie haben wieder gelacht, sagte ich eines Tages im Oktober. Hermann startete den Kleinbus, schaute zu mir herüber und murmelte. Ich denke noch, vielleicht kann ich da irgendwie helfen. Alle wussten, dass Mama Lehrerin in meiner Schule war. Und wenn sie mich sah, versuchte sie mich am Gang an sich zu drücken. Irgendwann in der dritten Klasse holte sie mich aus dem Unterricht. Sie dürfte eine Freistunde gehabt haben und wollte nur ein wenig mit mir reden. Am Tag darauf fand ich einen Zettel in meiner Lade. Für Schwuchti. Mami holt dich gleich ab. Mach dich schön. Neben einem gezeichneten Kreuz war ein Kussmund aufgedrückt. Nur ein einziges Mal war ich im Waschraum frisiert. Aber Gernot hatte mich gesehen, ein Foto gemacht und es in der WhatsApp-Gruppe der Klasse geteilt. Ich sah das Bild am Handy meines Sitznachbarn, da ich nicht Teil der Gruppe sein durfte. Gernot war schon 13, der beste Fußballspieler der Klasse und er mochte mich nicht. In den Pausen verteilte er kleine Geschenke und Werbematerialien seiner Mutter. Wahrscheinlich hatte er auch die Fußball-Sammelkarten von ihr. Von den Champions-League-Karts fehlten mir noch Lionel Messi, Frank Ribery und Andres Iniesta. Drei Cristiano Ronaldos hätte ich für einen Messi gegeben, aber Gernot tauschte nicht mit mir. Mit Papa brauchte ich über die Schule gar nicht reden. Du musst lernen, dich durchzusetzen, war seine Antwort, wenn ich ihm von meinen Problemen in der Klasse erzählte. Und auf meine Frage, ob ich nicht zu ihm ziehen könne, weil ich es im Internat nicht aushalte, hat er noch zwei andere Stehsätze auf Lager. Reden wir in zwei Jahren. Jetzt bin ich kaum daheim. Und der Zweite, die Ordnung bei den Schwestern wird dir guttun. Du wirst dann später dafür dankbar sein. Meine Eltern redeten kaum miteinander, aber in dieser Frage waren sie sich einig. Mit Mama war es anstrengend. An den Wochenenden wollte sie über alles reden. Lass uns das diskutieren, sagte sie immer und immer wieder. Auf meine Einwände zum Internat wiederholte sie die alte Geschichte vom Unfall ihrer Eltern und dass es auch so mit meinem Papa vereinbart sei. An den Wochenenden, an denen ich bei ihr war, kontrollierte sie meine Hefte und fragte mich zu den Lehrern aus. Etwas später in der Geschichte. Zum 14. Geburtstag lag neben der Torte ein Bild mit Strand und Blaum Meer. Ich habe für uns einen gemeinsamen Urlaub in Izmir gebucht, sagte Mama. Ich habe für uns einen gemeinsamen Urlaub in Izmir gebucht, sagte Mama. Ich werde dort einen Türkischkurs machen und dir würde es auch nicht schaden. Ich drehte die Karte um. Wie konnte ich diesem Urlaub entkommen, ausgerechnet die Türkei? Während der Busfahrt in der letzten Schulwoche erzählte ich Hans Hermann Mamas Pläne. Großer, wenn du willst, kannst du nächste Woche zu mir kommen. Ich rufe deine Mutter an und sage ihr, dass wir dich gerne im Fußballtraining dabei hätten. Du könntest mir dann alles erzählen. Außerdem habe ich einige nette Filme. Ob sie da zustimmt? Aber ja, ruf sie an. An welchen Tagen werden wir Fußball spielen? Dienstag und Donnerstag nachmittags. Passt dir das? Ja, super. Soll ich mit der Straßenbahn kommen? Nein, mein Großer, wenn deine Mutter zugesagt hat, hole ich dich mit dem Bus ab. Das wird sie nicht misstrauisch machen. Ich melde mich. Ich war zum ersten Mal bei Hans Herrmann in der kleinen Wohnung, in die wir über einen Seiteneingang des Klosters gelangt waren. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und zog mein Komikbuch aus der Tasche, die vollständige Maus von Art Spiegelmann. Kennst du das Buch? fragte ich stolz und erzählte ihm, dass ich aus dem hinteren Teil Seiten ausgeschnitten und das Leseattrape ins Gebetbuch eingelegt hatte. Hans Herrmann blätterte in das Buch hinein und schaute ernst. Von wem hast du das? Ist dein Muttergeschenk? Das dachte ich mir. Hans Herrmann schlug das Buch zu. Das hat ein Multikulti-Fanatiker geschrieben. Der würde die Türken in deiner Klasse lieben. Sag, verstehst du diese abartige Sprache bei diesen Zeichnungen? Das ist jiddisch. Das wusste ich nicht, ist mir schon komisch vorgekommen, aber besser als beten zu müssen, war es jedenfalls. Ich packte mein Buch wieder ein. Ich habe früher auch viel beten müssen, erzählte Hermann. Und nicht nur das. Meine Mitschüler haben mich nur Bastard gerufen, wenn sie mich gemeint haben. Den Ausdruck hat Bruder Alphonsus verwendet. Ein Schulbruder, oben in der Schopenhauer Straße. Bastard? Hast du so viel angestellt? Hans Hermann lachte. Ah, du kennst den Ausdruck nicht. Als Bastard wurde ein uneheliches Kind bezeichnet. Und da meine Mutter meinen Vater nicht angegeben hatte, war ich das Letzte bei den Lehrern und erst recht bei den Brüdern. Dieser Alphonsus hat mich schon in der Volksschule vertroschen, weil ich Linkshänder war. Zwei Jahre lang hat er mir die linke Hand eingebunden. Da geht's mir richtig gut, sagte ich. Gibt es diese Schulbrüder noch? Ja, die treiben immer noch ihr Unwesen. Richtig schlimm wurde es, als ich später zu den Benediktinern nach Göttberg kam. Damals wollte ich mich sogar umbringen, weil ich einem von denen mit speziellen Diensten zur Verfügung stehen musste. Davon erzähle ich dir ein anderes Mal. Ich habe ja versprochen, dir Filme zu zeigen. Soll ich einen einlegen? Ja, gerne. Kann ich vorher noch etwas zu trinken haben? Servus, Luis. Hallo, Kurt, grüß dich. Schön, dass du aus dem Buch gelesen hast, Brüchige Zeiten. Bei deinen Büchern und Texten fällt mir auf, dass es immer sehr politische Inhalte gibt. Woher kommt das? Ja, eigentlich seit vielen, vielen Jahren beschäftigt mich die Geschichte. Woher kommen wir? Was ist uns alles verschwiegen worden? Die Geschichte der Kleinen zu erzählen, derer, die keine Stimme haben, das sind so Dinge, die mich sehr bewegen und die auch so Motivation für meine Bücher sind. Du lebst in Wien unter Matasee. Ja. Wo ist der Lieber? Das kann man schwer sagen. Natürlich habe ich in Wien sehr viel Komfort im Sinne einer größeren Wohnung und sehr viele Möglichkeiten was Kultur anbelangt. Aber sobald es ein bisschen warm wird, dann schlägt der Attersee zu und dann ist er mir auch lieber natürlich. Du bist dort aufgewachsen? Ja Bei kleinen Leuten? Naja, meine Eltern sind beide aus der Landwirtschaft gekommen und haben eine kleine Wirtschaft gehabt, also so wie man damals gesagt hat, Eisenbahnerkühe mit Ziegen und Schweinen und mein Vater war Briefträger und meine Mutter daheim,äter haben sie dann ein Gasthaus gemacht, ein kleines. Insofern ja, eher von unten. Interessant war für mich, dass mein Vater ÖVP-Gemeinderat war, wo ich erst ganz spät draufgekommen bin, weil er eigentlich immer mit den Großen im Clinch gelegen ist. Aber halt damals innerhalb der ÖVP-Fraktion sozusagen, habe ich geglaubt, der muss jetzt Sozialist sein, was er gar nicht stimmt. Das heißt, es kommt schon ein bisschen aus deinem Aufwachsen, dass du für die Clan-Leute interessiert bist. Auf jeden Fall. Meine Mutter war vor allem eine sehr politisch denkende Frau. Da gibt es ja auch ein Buch über sie. Die hat wirklich ihre Geschichte auch in Tagebüchern schon vom Weltkrieg weg aufgeschrieben bis 2009 und da sind sehr viele Dinge drinnen, wo ich mich jetzt nicht mehr wundere, warum ich auch gerne schreiben mag. Super, schön. Zeit ist leider eh schon um, gäbe noch viel zu tratschen ich bedanke mich bei dir nochmal fürs Kommen, fürs Lesen und bei Ihnen bedanke ich mich und bei euch bedanke ich mich fürs Zuschauen, fürs Dabeisein wieder bei der Vorlesestunde und im 14. Tag ist wieder Mittwoch und wieder 19.30 und dann gibt es wieder die Vorlesestunde auf DorfTV Danke Danke Und dann gibt es wieder die Vorlesestunde auf DORF TV. Danke. Schönen Abend noch. Danke auch.