Ist noch an. Ah es jetzt mit Corona. Heuer sollen Mama, Papa und ich zu den Feiertagen wieder zu Opa und ihr kommen. Die Mama hat ihr Telefon lautgestellt, damit wir alle die Oma hören können und gesagt, sie freut sich. Der Papa ist daneben gestanden, hat gesäufzt und nichts gesagt. Die Oma hat am Telefon eine Weile auch nichts mehr gesagt, weil sie vor Freude heulen hat müssen, als sie erfahren hat, dass wir kommen. Dann hat sie wieder angefangen vom Christkind zu reden und dass sich das auch freuen wird. Da hat dann die Mama das erste Mal gesäufzt. Aber nur ein bisschen, weil ja die Oma ihre Mama ist und sie sich überhaupt mehr zusammenreißen kann als der Papa. So richtig gesäufzt hat sie, als die Oma aufgelegt hat. Aber da habe ich kein Mitleid mit ihr gehabt. Ich seufze nämlich die ganze Zeit, aber das ist allen egal. Mich fragt niemand, wenn es darum geht, was wir zu Weihnachten machen. Der Opa sagt immer, die Kinder heutzutage sind so verwöhnt und bekommen alles, was sie wollen, Heutzutage sind so verwöhnt und bekommen alles, was sie wollen und die Mama redet immer von Kinderrechten. Aber wenn es darum geht, was ich zu Weihnachten machen möchte, gilt das alles nicht mehr. Ich habe noch am selben Abend eine Liste gemacht, was ich zu Weihnachten nicht mehr tun möchte. Zu Oma und Opa fahren. Mich von der Oma abschmusen lassen. Die blöden Geschichten von Opa über Weihnachten nach dem Krieg anhören. Der Oma zuliebe immer noch so tun, als gäbe es das Christkind. Spazieren gehen, ein Stück vom Gänsebraten essen und dabei nicht das Gesicht verziehen dürfen, mein Telefon die ganze Zeit in Mamas Handtasche lassen, vor Oma und Opa nichts über mein iPhone sagen, weil die beiden nicht wissen dürfen, dass ich schon ein Smartphone habe. Lieder mitsingen, deren Texte so eigenartig sind, dass sie sich nicht einmal der Opa merken kann. Am Abend still im alten Kinderbett von der Mama liegen, obwohl ich noch lange nicht müde bin. Oma und Opa nicht erzählen dürfen, dass ich daheim eigentlich erst um zehn ins Bett muss, die Streiterei zwischen Mama und Papa beim Heimfahren anhören müssen und während der Streiterei auf der Heimfahrt immer noch nicht auf dem Telefon spielen dürfen. Diese Liste mache ich jedes Jahr, aber ich muss nie viel ändern. Manchmal stelle ich mir vor dem Einschlafen vor, Mama und Papa haben auch so eine Liste wie ich. Und dann male ich mir aus, wie wir die Listen vergleichen und lachen, weil bei allen dasselbe draufsteht. Nur das mit dem Smartphone und dem so früh ins Bett gehen wäre wahrscheinlich bei den beiden nicht drauf. Ein paar Tage vor Weihnachten habe ich dann vom trockenen Christstollen von der Oma geträumt. Das war kein schöner Traum. Und da ist mir klar geworden, ich muss etwas unternehmen. Wenn man mehr auf Kinder hören würde, wäre die Welt viel besser, sagt die Mama oft. Ich bin mir aber nicht sicher, ob sie das auch zu Weihnachten glaubt. Ich bin mir aber nicht sicher, ob sie das auch zu Weihnachten glaubt. Meine Liste habe ich daher sicherheitshalber dem Papa neben das Frühstücksbrot gelegt. Er hat sie ganz lange angeschaut, ein paar Mal gesäufzt und genickt. Dann ist er damit zur Mama gegangen, die noch lauter gesäufzt hat als er. Sie haben mich aus dem Zimmer geschickt und das bedeutet immer, sie haben etwas enorm Wichtiges zu besprechen. Ich habe ein bisschen gemault, weil ich doch nun wirklich schon alt genug bin, um bei wichtigen Besprechungen dabei zu sein. Das hat, wie immer, nichts geholfen und ich bin gegangen. Aber natürlich habe ich die beiden, wie immer, beobachtet. Denn wenn es um Weihnachten geht, darf man wirklich nichts verpassen. Der Papa hat seine Hand auf die von der Mama gelegt und leise auf sie eingeredet. Sie hat zuerst den Kopf geschüttelt, aber der Papa hat weitergeredet und dann auch noch die andere Hand von der Mama genommen. Das hat er noch nie gemacht. Wahrscheinlich hat deshalb die Mama weinen müssen. Aber nur ein bisschen. Es hat nicht lange gedauert und sie hat begonnen zu nicken. Zuerst nur ein wenig, dann immer stärker. Und dann hat sie ihr Telefon genommen und die Oma angerufen und gesagt, der Papa ist in Quarantäne, wir können doch nicht kommen. Dieses Weihnachten war das Schönste seit langem. Wir waren zu Hause, haben den ganzen Tag den Pyjama angehabt und schon zum Frühstück Kekse gegessen. Mama, Papa und ich haben so viel miteinander gespielt und geredet wie schon lange nicht mehr. Oma und Opa haben wir dann doch noch besucht, aber erst nach Weihnachten, als es keine Gans und keinen Christstollen mehr gegeben hat.