Herzlich willkommen, sehr geehrte Damen und Herren, zu diesem Abend, der sich aus dem vergangenen Jahr ins Heurige gewissermaßen herübergerettet hat. Ein Abend für Marlen Haushofer anlässlich ihres 50. Todestages und des 100. Geburtstages, ursprünglich eingebettet in ein umfangreiches und vielfältiges Schwerpunktprogramm 2020, das nun umständehalber etwas zerfleddert nachgetragen wird. Wir freuen uns sehr, dass dieser Abend nun endlich doch oder muss man sagen doch noch möglich ist. Besondere Geduld und Flexibilität wurden Martina Spitzer und Helmut Bohatsch abverlangt und von ihnen aufgebracht. Ganz herzlichen Dank dafür. Es ist uns eine große Ehre, Sie beide heute hier zu haben, in der Märchenwelt einer Zeitgenossin Marlen Haushofers in der Ausstellung zu Ilse Eichinger. Herzlich willkommen Martina Spitzer und Helmut Bohatsch in Linz in Stifters Haus hier in der Literaturgalerie. Mit den beiden prominenten Gästen begrüßen wir die ebenso prominente Daniela Striegel einmal mehr ganz herzlich hier bei uns. Sie wird eine Einführung geben in die zwei Romane Marlen Haushofers, Himmel, der nirgendwo endet und Die Mansarde, die heute zur Lesung kommen. Vielen lieben Dank für dein Kommen, liebe Daniela, wie schön, dass du da bist. Eine der Fragen, die unsere Arbeit stetig begleiten, ist immer wieder die danach, was wesentlich dazu beßennamen, also Präsenz im öffentlichen Raum? Ist es biografisches Wissen oder ist es ganz einfach nur die Zugänglichkeit der Texte selbst, eine immer wieder erneuerte, hinführende Begeisterung, die es braucht, damit die Beziehung zwischen einem Text und seinem ihm unbedingt Notwendigen gegenüber gestiftet wird. Im Fall von Marlen Haushofer sind die Voraussetzungen für das Gelingen einer Begegnung eigentlich nicht die schlechtersten. Insbesondere die seit dem Jahr 2000 in etlichen Auflagen erschienene Biografie von Daniela Striegel war wesentlicher Impuls für ein verstärktes Interesseamt und ein neues Verständnis von Haushofers Schreiben. Auch Verfilmungen wie etwa von Die Wand leisten das ihre. Dennoch ist die Ausgangslage für eine glückende Lektüre der fünf Romane und zahlreichen Erzählungen Malin Haushofers verbesserungsfähig. Vielleicht haben Sie die Bemühungen um eine der Bedeutung der Autorin angemessene Werkausgabe in den Medien ein wenig mitverfolgt. Es gab über mehrere Jahre hinweg verschiedene Initiativen, eine solche Ausgabe anzuregen. Spät aber doch hat unser aller Hartnäckigkeit den Verlag, der über die Rechte am Großteil der Werke Haushofers verfügt, überzeugen können, sich auf das Unternehmen einer Mahle in Haushofer Leseausgabe einzulassen. Bis Ende 2023 soll eine solche Ausgabe koordiniert hier am Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich vorliegen, mit einer Kommentierung zum Produktionsprozess, soweit er sich aus Nachlassmaterial erschließen lässt, mit einer Einordnung des jeweiligen Textes in den Gesamtzusammenhang, die Lebensumstände, mit Anmerkungen zur Rezeptionsgeschichte und so weiter. Nach Worte von Literaturwissenschaftlerinnen verfasst, lassen Texte eine noch umfassendere Wirkung entfalten. In der Mitteilung auch von üblicherweise nicht sichtbarem Hintergrundwissen. Heute Abend wird eine kleine Intervention das verdeutlichen, so hoffen wir es zumindest, als Vorspann vor der Lesung aus die Mansarde hören Sie eine kurze Einspielung mit einer Lesung aus drei unterschiedlichen Fassungen des Romans, aus den Manuskripten, die am Haus, hier am Oberösterreichischen Literaturarchiv verwahrt werden. Sie werden hören, wie der Text sich verändert und letztlich zu jenem wird, den wir aus dem veröffentlichten Buch kennen. Wir lesen in dieser Einspielung Gunter Schanberer und Matthias Hacker, das wurde im Vorjahr ganz schnell noch vorbereitet. Abschließend noch Hinweise, es gibt zwischen den Lesungen keine Pause, nach der Veranstaltung keine Abmoderation, ein Büchertisch steht zur Verfügung, wir ersuchen um Verständnis, dass das Literaturcafé derzeit aus bekannten Gründen geschlossen bleibt. Ihnen allen nun endlich einen recht schönen, erfreulichen Abend mit Marlen Haushofer. Ja, guten Abend, meine Damen und Herren. Ich freue mich sehr, dass doch trotz allem so viele Haushofer, Leserinnen und Leser gekommen sind. Und ich freue mich über das, was Petra Maria Dallinger gesagt hat, nämlich die Ausstellung, die Herstellung eines Buches, auch eine Ausgabe zu feiern, den Plan in einer Ausstellung von Ilse Eichinger, das finde ich schön. Und dieser Plan wurde auch unterstützt, der wurde ausgeheckt hier im Haus, also ausgehend von den Manuskripten und er wurde unterstützt von einem Manifest, das von Clemens Setz bis Elfriede Jelinek wichtige, nicht nur österreichische Stimmen der Literatur unterzeichnet haben. Und ja, ich hoffe, dass das alles so schön, wie es jetzt beginnen sollte, auch umgesetzt werden kann. Himmel, der nirgendwo endet. Das Buch ist 1966 erschienen. Geplant war es ursprünglich unter dem Titel Das Haus im Manuskript. Und das, was der endgültige Titel Himmel, der nirgendwo endet, meint, das wird am Anfang des Romans beschrieben. speziellen Blick in den Himmel. Es geht um die Kindheit, die natürlich auch so ein Himmel ist, der nirgendwo endet, bekanntlich das Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann. Und in dem Text ist auch davon die Rede, dass das Schreiben für die kleine Meta, für das alte Ego von Marleen Haushofer etwas mit Zauberei zu tun hat. Götzendienst ist hier der Ausdruck, Ersatz für alles, was ich nicht haben kann für die ganze Welt. Die Geschichte ist im Präsenz erzählt und das hat damit zu tun, dass hier eben etwas Vergangenes lebendig gemacht wird in diesem Text. Meta, der Name, begegnet uns schon in einer Figur aus dem Roman Die Tapetentür. Das ist eine Freundin von Annette, die besonders wild und ungebändigt wirkt, ein Naturkind und diesen Namen hat Marlen Haushofer hier wieder aufgegriffen. Die Widmung für meinen Für meinen Bruder würdigt den Bruder Rudolf Frauendorfer, der hier verwandelt als Nandi erscheint im Text. Und Marlen Haushofer hat diesem Kindheitsbuch eine Ausnahmestellung unter ihren Büchern zugestanden, die sie ja einmal verstoßene Kinder genannt hat. sie zwar auch nicht wiederlesen würde wie die anderen Bücher, aber an die sie doch manchmal denken würde. Die Perspektive in dieser Geschichte wächst sozusagen mit der Protagonistin mit. Sie wird reicher, erwachsener im Verlauf der Geschichte und immer wieder ist vom Überwältigtsein die Urvertrauens des Glaubens auch an das, was die Erwachsenen dem Kind sagen, wie die Erwachsenen die Welt erklären. Das Buch lebt vom Staunen und das ist natürlich ein kindliches Staunen, das hier imitiert wird. Meta überlegt, wie das nicht auf der Welt sein könnte und da heißt es, Meta ist nie geboren worden. Es ist nicht unangenehm, nicht da zu sein. Es ist überhaupt nichts. Dann wird sie langsam wieder in diese Welt geboren. Sie ist wieder da und den anstürmenden Geräuschen, Gerüchen und Bildern ausgeliefert. Dieses sich nicht wehren können ist das Leben. Es ist natürlich eine vorgetäuschte Schlichtheit, mit der wir es hier zu tun haben, vorgetäuscht von einer überaus raffinierten Erzählerin. Und diese Erzählerin ist zugleich immer die Fürsprecherin eines Kindes. Die Fürsprecherin damit auch aller Kinder, die sich gegen die Erwachsenen zu behaupten haben, die die Vernunft für sich in Anspruch nehmen und bei denen sich die Vernunft oft als Pseudo-Vernunft herausstellt, vor allem wenn man sie mit einem so listigen Blick betrachtet, wie Meta es in diesem Roman tut. tut. Es ist aber auch ein Buch über das Erwachsensein als Maskerade eines kindlichen Ichs in jedem, über das Erwachsensein als Vorspiegelung von Souveränität. In dem Buch wird ein ödipales Dreieck gezeichnet zwischen Vater, Mutter und Kind. Es ist kein harmloses Kinderbuch. Der Vater ist der Gütige, der Verständnisvolle, derjenige, der Metastreiche auch deckt, aber er kann auch anders. Er hat auch einen ungebändigten, rabiaten Kern oder etwas etwas was zum ausbruch kommt die eigentliche gegenspielerin ist die mutter die ist streng und kann man sagen nicht nur form sondern begott und zwischen diesen beiden steht das kind steht meter man wird auch mit den verwandten und mit den Bekannten und den Freunden und Freundinnen in diesem dörflichen Kosmos bekannt gemacht. Und am Ende steht die Vertreibung aus dem Paradies, nämlich der Beschluss der Eltern, dass Meta ins Internat zu gehen hat, etwas, was sie selbst als Verrat und als unverständliche Maßnahme begreift. Wer Marlen Haushofers Bücher verstehen will, der muss zweifellos Himmel, der nirgendwo endet, lesen. Himmel, der nirgendwo endet, lesen. An Hans Weigl hat Marlene Haus schon. Du hast ganz recht, ich muss wieder ganz von vorne anfangen, bei den Kindern. Denn wollte ich in der Richtung Wand weiterschreiben, kämen die Toten an die Reihe. Und das geht nicht, zumindest noch lange nicht. Es gibt auch in einer Fassung Gespräche, Interviews mit den Eltern, mit dem Bruder, in denen sich Marlen Haushofer sozusagen der Erinnerung der anderen vergewissert, die im Vergleich mit ihrer dürftig ist. Diese Zwiegespräche sind nicht in der gedruckten Fassung erhalten. Das Buch hatte verschiedene Arbeitstitel, unter anderem Ausgrabungen oder der große, sture Mure ist tot. Das hat dem Verleger aber nicht gefallen, es war ihm zu negativ. Und von der Stifteranspielung war er auch nicht angetan. Es ist letztlich die Geschichte einer Domestizierung, einer Zähmung. Und es geht um die Trauer, die Trauer um das widerspenstige Mädchen, das Meta, das die Autorin, wenn man so will, einmal war. Das einzige Vorhaben, das die Autorin umgesetzt hat, von den vielen Vorhaben, die sich Meta zurechtgelegt hat, sich Meter zurechtgelegt hat als Erwachsene und dem sie nicht untreu geworden ist, war unbedingt mit dem Rauchen anzufangen. Sonst ist sehr viel nicht verwirklicht worden und ich glaube, dass das auch der Motor für die Literatur von Marleen Haushofer ist, diese Trauer um die eigene Kindheit und das frühere Ich und Näheres hören Sie jetzt. All right. Das kleine Mädchen, von den Großen Meta genannt, sitzt auf dem Grund des alten Regenfasses und schaut in den Himmel. Sie schaut in den Himmel. Der Himmel ist blau und sehr tief. Manchmal treibt etwas Weißes über dieses Stückchen Blau und das ist eine Wolke. Meta liebt das Wort Wolke. Wolke ist etwas Rundes, Fröhliches und Leichtes. Meta sitzt strafweise im Regenfass. Sie hat die Großen bei der Heuernte gestört und geärgert. Sie ist zweieinhalb Jahre alt und kann nicht über den Fassrand blicken. Eingefangen, festgehalten und eingesperrt zu werden, ist das Schlimmste, was es gibt. Sie wirkt an einem Brocken aus Schmerz und Wut, der immer wieder vom Magen in die Kehle steigt und sich nicht schlucken lässt. Ein schreckliches Unrecht ist ihr geschehen. Sie hat eine Weile gebrüllt und jetzt weint sie still vor sich hin. Die Großen sind böse. Sie wird sie einfach fortschicken. So, jetzt sind sie weg und Meta will sie nie wiedersehen Sie ist ganz allein Er mattet vom Weinen, rutscht sie zu Boden Und sitzt auf Moospolstern und kleinen Steinen Seit Wochen hat es nicht mehr geregnet Es ist heiß und trocken im Fass Das Holz ist alt und glänzt silbergrau. Es zieht die kleinen Hände an und lässt sich betasten und streicheln, bis es leise zu summen beginnt. Mach dir nichts draus. Sie werden dich schon wiederholen, die Großen. Ich bin gut und warm. Du musst dich nicht fürchten. Meta lauscht im Gesumm und lehnt die Wange gegen die gewölbten Bretter. Zartes, raues Streicheln und Wärme, die unter die Haut dringt. Sie fängt an, das Holz abzuschlecken. Es schmeckt vertraut und ein wenig bitter. Der Brocken in ihrer Kehle löst sich, fließt zurück in den Leib und versickert. Das alte Fass ist brav und zum Liebhaben. und zum Liebhaben. Aus seinen Rissen, in der Glut vergangener Sommer entstanden, wachsen kleine Moospflanzen und bilden Polster für eine feuchte, gekränkte Wange. Immer tiefer hinab gleitet das Kind jetzt, jetzt liegt es auf dem Rücken. Es gibt so viel zu sehen, die eigenen bräunlichen Knie, darüber das silbrige Holz und das Fleckchen Himmel, eine tiefblaue Gasse, die nirgendwo endet. Meta reißt die Augen ganz weit auf und die Blaue sickert in sie hinein. Das tut sie so lange, bis sie ganz dick und angeschwollen ist und der Himmel verblasst. Dieses Spiel ist nicht ganz geheuer. Vielleicht mag der Himmel nicht, dass man ihm seine Farbe wegnimmt. Meta schließt die Augen und schickt die Blaue wieder hinauf. Das ist sehr anstrengend und sie wird müde und leer davon. Als sie endlich die Augen aufschlägt, leuchtet der Himmel wieder tiefblau. Meta ist ganz und gar getröstet und immerfort wispert das alte Fass seine unverständlichen Geschichten. Fass seiner unverständlichen Geschichten. Alle hundert Jahre beugt sich ein Großer, ein Riese, über den Rand und seine Stimme klingt brummend oder kreischend in die warme Dämmerung, je nachdem, ob es ein Mannriese oder eine Frauriese ist. Meter tun die hellen Stimmen in den Ohren weh, deshalb hat sie die Mannriesen lieber. Rollende Augen, vorspringende Nasen, Schnurr- und Kinnbärte, nackte, schweißglänzende Wangen. Und die Riesen riechen bis auf den Grund des Fasses und verdecken den Himmel mit ihren großen Gesichtern. Meta mag heute die Riesen nicht sehen und sie schließt die Augen. Wenn sie dann wieder die Lieder öffnet, ist da nichts als die tiefe blaue Gasse, das schimmernde Holz und die leise alte Fassstimme. Ein rotbrauner Falter lässt sich auf dem Rand nieder Und wo seine Flügel an die Blaue des Himmels stoßen Zittern goldene Bänder Später kommt eine Hummel Umkreist brummend das Fass Und lässt sich auf Metas Knie nieder Dort sitzt sie lange Und betastet mit ihrem Rüssel die feuchte Haut. Es kitzelt ein wenig, aber Meta regt sich nicht. Die Hummel erweckt ihr Verlangen, sie möchte sie fangen und anfassen, aber sie weiß, die Hummel mag nicht festgehalten werden. Endlich, das Gekrappel ist schon fast nicht mehr auszuhalten, Endlich, das Gekrappel ist schon fast nicht mehr auszuhalten, muss Meta leise auflachen und die Hummel schießt mit einem zornigen kleinen Schrei in die endlose Himmelsgasse hinein, wird ein goldener Punkt und ist verschwunden. Dann geschieht lange, lange Zeit gar nichts Gewisper, Sirren von Gräsern, ferne Rufe von der Wiese her Und der süße Geruch nach frischem Heu Etwas drückt Metas Augen zu Und da, da kommt ein Riese, ein Riese, den sie noch nie gesehen hat und beugt sich über das Fass. Sein Bart ist rot und gelockt, er hat große blaue Augen und Haare, die in wilden Büscheln um seinen Kopf stehen. Seine Wangen sind dick und braun-rot und er zeigt breite weiße Zähne. in dick und braun-rot und er zeigt breite weiße Zähne. Schön und schrecklich sieht er aus. Meta starrt hinauf in das feuchte Gesicht und atmet schweren Heugeruch. Die blauen Augen, die sind voll wilder Freude und voll Spott. Das ist kein braver Riese, aber auch kein böser. Sicher ist es der Riesenkönig. Jetzt wirft er den Kopf zurück und stößt ein tiefes, brüllendes Lachen aus. Meter fährt hoch und sitzt ganz gerade. Der Riese ist fort und der Himmel ist grau geworden. Aber das Gebrüll kann sie noch immer hören. Langsam wird es zu einem fernen Grollen. Meta fürchtet sich. Im Fass ist es fast ganz dunkel. Es stellt sich tot und hat aufgehört zu wispern. Das alte Fass hat auch Angst. Das ermuntert Meta ein bisschen. Sie streichelt die raue Wand und flüstert Trostworte, aber das Fass bleibt stumm. Es hat sich ganz und gar in sein altes Holz verkrochen. Und da ist wieder das Gebrüll des Riesen. Es kommt vom Wald her. Dort stapft er jetzt über Bäume und Büsche und schüttelt zornig seinen roten Bart. Meta legt sich auf den Bauch und presst das Gesicht ins Moos. Ein fremder Geruch steigt darauf aus, nach Finsternis und Verlassenheit. Die Großen vergessen das Kind im Regenfass nicht. Nachdem das letzte Fuderheu eingebracht ist und als die ersten Regentropfen niederklatschen, Befreien Sie es aus dem Gefängnis. Aber Meta hat die Großen ganz vergessen. Erstaunt starrt sie in die lachenden, aufgeregten Gesichter. Aha, sagen die Großen. Es hat also doch genützt. Jetzt ist sie endlich brav. Man darf ihr einfach nicht alles hingehen lassen. Meta weiß nicht, wovon sie reden. Sie ist sehr müde und irgendetwas Wichtiges, dem sie auf der Spur gewesen ist, hat sich vor den lärmenden Großen verkrochen. Und sie fassen sie viel zu fest an. Sie zerren an ihren Haaren und bohren ihre dicken Finger in das sanfte junge Fleisch. erren an ihren Haaren und bohren ihre dicken Finger in das sanfte junge Fleisch. Meta fängt an zu weinen und verbirgt ihr Gesicht an einer vertraut riechenden Brust. Dann veräppen alle Geräusche und es wird leer und still. Meta hat sich in den Schlaf geflüchtet. Das Lusthaus ist ganz mit wildem Wein bewachsen. Selbst im Sommer, wenn die Sonnenglut das Gras vor dem Haus rot verbrannt hat, bleibt es im Lusthaus dämmerig und kühl. Es gibt da nichts als rohe Bänke, einen Tisch und Vaters altes Sofa. Früher einmal war das Sofa in der Kanzlei, aber Mama hat das riesige alte Ungetüm aus dem Haus schaffen lassen. Vater hat deshalb gegrollt und hat das Sofa im Lusthaus einquartiert. Er liebt alte Dinge und kämpft mit Mama einen langgezogenen Kampf um seine alten Mäntel, Hosen und Hüte und um eine fuchsrote Pelzmütze, die Mama am liebsten verbrennen möchte. die Mama am liebsten verbrennen möchte. Meta findet die Pelzmütze wunderschön und sogar Mama muss zugeben, dass Vater damit ausschaut wie ein russischer Großfürst. Sie hätte ja nichts gegen eine neue Pelzmütze einzuwenden, nur das räudige fuchsrote Ding will sie nicht im Haus haben. Fortan hält Vater also seinen Mittagsschlaf nicht mehr in der Kanzlei, sondern im Lusthaus auf dem grün bespannten Ungetüm. Das alte Sofa strömt einen geheimnisvollen, bitteren Geruch aus und tief in seinem Bauch zwischen Rosshaar und Stahlfedern hausen die Träume. Nicht irgendwelche Träume. Träume, die nur für Vater bestimmt sind. Meta weiß genau, nur aus diesem Grund schläft er auf dem Sofa. Mama spottet darüber, wie es Meta scheint, voll heimlicher Eifersucht. Sie wird nie wissen, was für Träume das sind, die aus dem Rosshaarbauch aufsteigen, Vater einhüllen und weit forttragen. Nicht einmal bei Regenwetter schläft Vater in der Kanzlei. Erst wenn der erste Schnee fällt, zieht er sich beleidigt dorthin zurück. Wenn es kalt ist, schlüpft er nach dem Mittagessen in seinen alten Militärmantel, setzt den grau-grün schillernden Hut auf, den Schlafhut, wie Meta ihn bei sich nennt, und verschwindet im Lusthaus. wie Meta ihn bei sich nennt, und verschwindet im Lusthaus. Dort schläft er hinter Gitter und wildem Weingerank, die Wange an einen kleinen roten Polster gepresst, eine Hand schützend über Mund und Nase gelegt. Meta steht auf Zehenspitzen hinter dem Lusthaus und beobachtet Vater. Sie sieht nur seine Augen, über die er die dünnen Lider gesenkt hat, nicht ganz gesenkt. Ein schmaler Spalt bleibt offen und schimmert wie Perlmutter. Unheimlich ist das. Sieht Vater das kleine Gesicht hinter den Weinranken? Stellt er sich nur schlafend? Sie wird es nie wissen. Die Neugierde brennt und schneidet und lässt Meter das harte Stahlgitter an der Wange gar nicht spüren. Geheimnisvolle Brauenbogen. Eine Braue steht höher und das sieht spöttisch und erhaben aus. Wenn sie den Mund sehen könnte, der kann sich nicht verstellen, aber er liegt verborgen unter der schmalen braunen Hand. Vater will nicht, dass man die Träume von seinem Gesicht ablesen kann. Ganz lautlos schläft er, nur die Schulter unter dem Militärmantel hebt und senkt sich regelmäßig. Plötzlich weiß Meta, wovon der Vater träumt. Er ist in Russland, in jenem fernen, sagenhaften Land, das jeden Mittag aus dem Bauch des Sofas aufsteigt. Ganz heimlich ist Vater dorthin zurückgekehrt und marschiert mit dem Regiment auf den Karrenwegen im dicken Lehmstaub, der unter den Füßen der Männer aufwirbelt und sie ganz bedeckt. der unter den Füßen der Männer aufwirbelt und sie ganz bedeckt. Wunderbares Zauberwort. Das Regiment. Wildes Heimweh nach Russland überfällt Meta. Nie wird das Regiment wissen, dass hinter ihm, Tränen blind vom gelben Staub, ein kleines Mädchen dahin stampft. Hinauf und hinab durch Galicien, durch Dörfer und Lindenalleen und vorbei an goldenen Feldern, Sümpfen und schwarzen, zerschossenen Wäldern. Russland ist weit und riesengroß und das Regiment macht viel zu lange Schritte. Manchmal wird der Marsch unterbrochen. Die Männer sitzen in Lehmhütten und trinken Rum oder sie liegen im Stroh und fangen Läuse aus ihren Kleidern. Es ist schrecklich, so viele Läuse zu haben. Auch der Hauptmann hat Läuse. Er wohnt jetzt in Graz. Und das klingt recht unglaublich. Vielleicht liegt er auch gerade auf seinem Sofa und träumt von Russland? gelbe Finger vom Zigarettendrehen. Und er ist froh, dass das Geld in der Regimentskasse nicht weniger wird. Vom Geld versteht der nämlich überhaupt nichts. Jetzt zucken Vaters Augenglieder und der Perlmutterstreifen blitzt auf. Lacht Vater hinter der vorgehaltenen Hand? Oh mein Gott, muss es beim Regiment lustig zugehen und sie ist nicht dabei. Jeden Sommer kommt Sascha mit seiner Mutter und seinen Großeltern aus der Stadt. Sie wohnen dann in einem nahen Bauernhof. Sascha ist viel älter als Meta. Er geht schon ins Gymnasium und ist Primus. Jedes Jahr bringt er herrliche Zeugnisse heim und seine Mutter ist sehr stolz auf ihn. Sein Vater ist im Krieg gefallen und die Familie lebt von der Pension des Großvaters, eines alten Generals. Sascha wird militärisch erzogen. Er hat glänzende Manieren und gehorcht aufs Wort. Trotzdem mag M Meta ihn gern. Meta mag die Jäger nicht. Ihr dummes, brüllendes Gelächter und die endlosen Geschichten, die sie erzählen. Was für Prallereien um einen einzigen Hirsch, den sie endlich aus dem Hinterhalt abgeknallt haben. Sie sitzen in der Stube und trinken und ihre Stimmen hallen durch das ganze Haus und sie riechen sehr schlecht nach verschwitzten Gewand. nach verschwitzten Gewand. Ihre Köpfe werden immer röter, ihre Stimmen immer lauter und bald wird man vor Rauch ihre Gesichter nicht mehr sehen. Und hinter dem Haus liegen langgestreckt und kalt die schönen Opfer. Sie sind ganz still und das Blut an ihren Esern ist zu braunen Krusten getrocknet. Meta sieht, dass der Vater die Jäger ein wenig verachtet. Er gehört nur ganz oberflächlich durch seinen Beruf zu ihnen. Er scherzt mit ihnen, trinkt auch einmal ein Glas Wein, aber seine Augen sehen durch sie hindurch und bleiben kühl und gelassen. Sie begreift, es ist einfach seine Pflicht, dort drinnen zu sitzen und sich das Gelächter anzuhören. Vater ist ein guter Schütze, aber er ist kein Jäger. Irgendetwas fehlt ihm dazu. Was ist er aber wirklich? Bestimmt wäre er höchst verwundert, wüsste er, dass seine Tochter über ihn nachdenkt und wie genau sie ihn beobachtet, immer mit dem beschämenden Gefühl, dass es nicht ganz in Ordnung ist. Um Vater herum sind immer ein paar Meter Luft, die man nicht durchdringen kann. Er ist sehr anziehend, auch das entgeht ihr nicht. Sie sieht, wie alle Leute sich in seiner Nähe drängen, aber es scheint ihn gar nicht zu freuen. Vielleicht bemerkt er es nicht einmal. Alles, was er sagt und tut, ist wie ein Spiel, in dem er einen Zug vorausweist, den die anderen noch nicht wissen. Aber wenn sie dann weggegangen sind, ist sein Gesicht fast hager vor Anstrengung und seine Augen blicken starr. Eine Wolke von Kälte und Überdruss liegt um ihn und er sperrt sich stundenlang in der Kanzlei ein. Nein, eigentlich mag Vater die Menschen nicht. Er kann ein liebenswürdiger, heiterer Gesellschafter sein, aber lieber geht er in den Wald, sitzt alleine in der Kanzlei oder schläft im Lusthaus. Was denkt er, wenn er tagelang mit dem Hund unterwegs ist? Mieter vermutet, er denkt an früher, an den Schlosspark, den Großvater und die Brüder 20.000 Meilen unter dem Meer und an Russland und das Regiment. In seine Erinnerungen gehüllt, geht er leichtfüßig durch den Wald, den Hund an der Seite, allein und glücklich. und glücklich. Es tut weh zu wissen, dass er auf seinen Wegen nicht an Meta denkt, aber es ist sicherer, die Klassiker vor ihr, also vor Meta, fernzuhalten. Die roten Bücher verbergen Mord, Totschlag, Raub, Krieg, Schändung und Blutschande. Was ist das überhaupt? Schändung und Blutschande. Sie kann unmöglich danach fragen, denn bestimmt sind das grässliche Vergehen, von denen sie gar nichts wissen darf. Die Klassiker können sich eben alles erlauben. Und das ist ein Glück für Meta. Auf diese Weise erfährt sie, wie es im Leben wirklich zugeht. Sie darf ja nicht mal die Zeitung lesen. Es könnte, Gott behüte, etwas über einen Mord drinnen stehen. Mama hat ihr Stifter ans Herz gelegt. Stifter und Grillparzer. Aber Mita kann nicht viel mit ihnen anfangen. Stifter zu lesen, macht sie immer traurig. Er ist so ernst und feierlich und ein wenig langweilig. Nur ein Satz bleibt hängen. Sture Mure ist tot. Dieser Satz stürzt in Trauer und Verlassenheit. Vor langer Zeit hat Meta den großen Sturemure gekannt. Es ist so lange her, dass sie sich nicht mehr erinnern kann. Aber sie hätte ihn nicht vergessen dürfen. Und jetzt ist er also tot. Unbegreifliche Schuldgefühle quälen sie. Manchmal ist ihr der Wahrheit auf der Spur und der Kopf tut weh vom Nachdenken. Der große, sture Mure ist tot. Sein Grab liegt irgendwo im Wald, dort, wo der Schnee in tiefen Wächten liegt und lautlos wächst, höher und höher, bis er an den grauen Himmel stößt. Schlankl, der Arme, hat eine unselige Leidenschaft. Von Zeit zu Zeit rennt er von zu Hause weg und man hört ihn kläffend den Wald durchjagen. Ein Verbrechen für den Hund eines Försters, der ein gutes Beispiel geben sollte. Vater ist ganz unglücklich darüber. Schlankl ist der beste Hund, den er jemals gehabt hat. Aber Vater weiß genau, eines Tages wird er nicht mehr nach Hause kommen und irgendwo im Wald liegen. genau. Eines Tages wird er nicht mehr nach Hause kommen und irgendwo im Wald liegen. Deshalb muss er ihn nach jedem derartigen Ausflug verprügeln. Es ist nicht zum Aushalten. Vater ist an den ganzen Tage erbittert und sperrt sich in der Kanzlei ein. Meta leidet mit dem geschlagenen Freund und mit Vater, der so furchtbare Dinge tun muss Und alles ist vergeblich Wochenlang bleibt Schlangel daheim und dann kommt es plötzlich wieder über ihn Er hebt witternd die Nase, seine langen braunen Ohren zucken vor Jagdfieber Wieder blitz ist er verschwunden und bald hört man sein helles Kläffen vom Wald herunter. Wenn er nur den Mund halten wollte, aber so hören alle Leute im Tal, was er treibt. Froh und glückselig folgt er dem Ruf, dem er nicht widerstehen kann. Gegen Abend kriecht er dann auf dem Bauch die Wiese herunter und winzelt vor Vaters Füßen. Aber die Reue nützt ihm gar nichts. Vater geht seufzend und holt den ledernen Riemen. Es ist entsetzlich. Die ganze Familie zittert für Schlankl. Meta möchte mit ihm heulen, drückt sich aber nur leise weinend auf der Stiege herum. Und später versucht sie ihn zu trösten und er leckt winselnd ihre Hand ab. Armer Schlankel, warum kannst du nicht vernünftig sein? Aber tut sie denn nicht auch immer vor Dinge, die sie nicht tun sollte? Sie kennt den Drang, der Schankl in den Wald treibt. Und wäre sie ein Hund, hätten die Bauern sie längst erschossen. So hocken sie beieinander. Blondes, tränenfeuchtes Haar an braunes Fell gedrückt. Und wieder ist Schlankl ausgerissen Zwar nur zu einer kurzen Jagd, aber das ganze Tal kann sein Kläffen hören Jetzt sitzt er mitten auf der Wiese und bringt den Mut nicht auf, Vater nahe zu kommen Plötzlich sind ihm die letzten Prügel eingefallen Wenn Vater ihm entgegen geht, rennt er ein Stück bergan und bleibt traurig im Gras sitzen. Dieses verzweifelte Spiel dauert schon eine halbe Stunde. Vater wird langsam wütend. Wenn Schlankl nicht sofort kommt, wird er die schlimmsten Prügel seines Lebens beziehen. Meta kann es nicht mehr mit ansehen. Sie läuft zu ihm hin. Und vor ihr weicht er nicht zurück. Sie ist ja seine Freundin, die er tröstet, wenn sie weint. was sie getan hat. Sie hat Schlankl in die Falle gelockt. Vater hat ihn am Halsband und zerrt in die Wiese hinunter. Er kann seinen Zorn nicht bremsen. Und diesmal ergeht es dem Hund schlecht. Nachher schleppt Schlankl sich ins Ofenloch. Meta ist starr vor Entsetzen. Das hätte Vater nicht tun dürfen. Mama ist in die Küche geflüchtet und schluchzt hinter der vorgehaltenen Hand. Aber Vater ist eben je zornig. Meta weiß, wie das ist. Schuld ist nur sie, denn sie hat schankl eingefangen Freilich, die Prügel waren unvermeidlich, aber sie hätte wenigstens nichts damit zu tun gehabt Besser, die Bauern erschießen Schlankl bald, damit er nicht wieder dieser jämmerliche Angst ausstehen muss Was sie getan hat, nennt man Verrat. Sie hat einen Freund verraten. Das lässt sich nie wieder gut machen. Am Abend ärgert sich Vater, als er ihre roten Augen sieht Meta versteht ihn gut Er schämt sich, weil er so zornig gewesen ist Beide sind sie sehr schlecht gewesen Aber Schlankl hat gewusst, was er von Vater zu erwarten hat Aber ihr hatte er vertraut Er liegt noch immer im Ofenloch und trinkt nur die Milch, die Mama im Mitleid hineingeschoben hat. Meta wagt sich gar nicht in seine Nähe. Die Nacht wird furchtbar. Kein einziges Gespenst kommt heute, nur der Geist eines kleinen Hundes mit langen, weichen Ohren. Mit großen, feuchten Augen starrt er Meta vorwurfsvoll aus der Dunkelheit an. Nur der Geist eines kleinen Hundes mit langen, weichen Ohren. Mit großen, feuchten Augen starrt er Meta vorwurfsvoll aus der Dunkelheit an. Ich bin ein Verräter, sagt sie sich. Dagegen kann man gar nichts tun. Sie muss das Wissen um ihre Schlechtigkeit ertragen. Ihre Hände liegen auf der Decke. Sie mag sich selber nicht anfassen. Wer möchte schon einen Verräter berühren? Beim Erwachen liegt sie genauso, wie sie eingeschlafen ist und fühlt sich müde und zerschlagen. Das ist gut so, wir werden erst schlanklade Knochen wehtun. Aber der scheint über Nacht alles vergessen zu haben, denn er begrüßt sie freudig. Sie wagt nicht, ihn zu streicheln. Ja, hat er nur vergessen, was sie ihm getan hat? Oder hat er ihr verziehen? er ihr verziehen? Meta muss zur Schule und als sie mittags heimkommt, kehrt Vater gerade aus dem Revier zurück. Schlankl rennt einen Schritt hinter ihm her und alles scheint wieder in Ordnung zu sein. In den nächsten Tagen ist Vater besonders liebevoll zu Schlankl und daran erkennt Meta, dass er die Sache auch noch nicht vergessen hat. Ja, ist dieser Hund so dumm? Oder so edel? Meta kann nicht dahinter kommen. Die Wirkung der Prügel dauert diesmal länger an. Und alles hofft auf Schlankels vollständige Besserung. Er ist zutraulich, wie immer, aber Metas Verrat steht zwischen ihnen. Sie findet ihre Unbefangenheit nicht wieder und traut sich kaum, mit ihm zu spielen. Im Frühsommer bekommt Mama eine weiße Henne geschenkt. Irgendjemand hat sie mitgebracht, weil die weißen Hennen lieber brüten als Mamas italiener Hühner. Hennen lieber brüten als Mamas italiener Hühner. Bald zeigt sich, dass die eingesessenen Hennen die Neue nicht leiden mögen. Auch der Hahn will nichts von ihr wissen und peckt sie, sobald sie in seine Nähe kommt. Meta tut die dicke Weiße leid. Bestimmt hat sie Heimweh nach ihrem alten Hof und nach dem großen weißen Gockel. Mama nennt die Henne Eulalia und Meta findet das sehr passend. Eulalia ist entschieden etwas Fettes, Dummes und Weißes. Meta gewöhnt sich daran, Eulalia zu streicheln und zu ihr zu reden. Und auf einmal wird sie das arme Wesen nicht mehr los. Den ganzen Tag rennt die Henne hinter ihr her und hüpft sogar die Stiege hinauf und in Metas Zimmer. Das verbietet Mama sich energisch. Hennen sind nicht stubenrein und außerdem haben sie Läuse und Milben, von den Bazillen ganz zu schweigen. Aber Meta bringt es nicht fertig, die Zudringliche zu verscheuchen. Wenn sie unter dem Birnbaum sitzt, hockt Eulalia neben ihr und starrt sie aus törichten, vorwurfsvollen Augen an. ihr und starrt sie aus törichten, vorwurfsvollen Augen an. Die beiden werden zum Gespött des Hauses. Aber wie es so geht, Eulalias blinde Liebe weckt auch in Meta Zuneigung. Es ist gut, geliebt und angebetet zu werden und sei es auch nur von einer weißen Henne. Für Eulalia gibt es keine größere Seligkeit, als von Meta im Hof hin und her getragen zu werden, dabei stößt sie kleine zufriedene Klux aus. Und geht nicht mit den anderen Hühnern in die Steige, sondern muss am Abend von Meta in der Tenne auf einen Balken gesetzt werden. Dort verbringt sie ihre einsamen Nächte. Am Morgen wartet sie schon vor der Haustür und empfängt Meta aufgeregt gackernd. Meta begreift, sie ist für Eulalia der liebe Gott. Aber was für einen schwachen, unverlässlichen Gott hat sich das arme Tier erwählt. Was soll aus dieser Liebe werden? Meta muss doch im Herbst ins Internat. Mama verspricht zwar, gut für die Henne zu sorgen, aber was nützt das, wenn Eulalia nur Meta lieben kann? Die ersten 14 Tage im Internat merkt Meta gar nicht, was um sie herum vorgeht, weil sie immer an ihre Henne denken muss. Mama schreibt einmal, es gehe Eulalia gut, aber Meta glaubt nicht recht daran. Und wirklich, bald darauf gesteht Mama in einem Brief, dass man sie schlachten hat müssen, weil sie aufgehört hat zu fressen. Sie ist eine sehr zarte, fette Nudelhenne gewesen. Das ist eine lehrreiche und traurige Geschichte. Das ist eine lehrreiche und traurige Geschichte. Meta beschließt, nie wieder ein trauerndes Wesen leichtfertig trösten zu wollen. Jetzt hat sie auch noch diesen armen Hühnergeist am Hals. Wenn Mama sie wenigstens würdig bestattet hätte, aber eine Nudelhenne. Nein, das ist zu arg. Meta antwortet nicht auf diesen Brief. Sie will nicht, dass Mama sie für überspannt hält. Und bald beginnt die Erinnerung an Eulalia zu verblassen. Und allmählich wird Metas früheres Leben unwirklich und schattenhaft. Die Mansarde. Zwischenspiel. Vor dem Schlafzimmerfenster über der Straße stand ein Baum. Ein Baum, über den sie sich nie einig werden konnten. Von unserem Schlafzimmerfenster aus sehen wir einen Baum, über den wir uns nie einig werden konnten. Von unserem Schlafzimmerfenster aus sehen wir einen Baum, über den wir uns nie einig werden. Er behauptete, es wäre eine Akazie. Er sagte Agazie mit dem weichen Tonfall der Leute aus Görz. Dabei stammte nur seine Mutter aus Görz. Aber er hatte die Agazie und den weichen Singsang ihrer Rede übernommen. Hubert behauptet, es wäre eine Akazie. Er sagt Agazie, weil sein Vater, der aus Görz stammt, dieses Wort so aussprach. Weil seine Mutter unter Agazien gewandelt war, liebte er, der Sohn, diese seltsamen Bäume, ihren Duft, von dem es in Büchern heißt, er wäre süß und berauschend. Weil sein Vater als junger Mensch unter Agazien gewandelt war, liebt er, der Sohn, diese Bäume, von denen es in Büchern heißt, der Duft wäre süß und berauschend. Er ist auch wirklich süß und berauschend, wie ja überhaupt die Eigenschaftswörter in den alten Romanen meist sehr treffend sind und man sie nur nicht mehr lesen kann, weil man denkt, man hat sie zu oft gelesen. Er ist auch wirklich süß und berauschend, wie er überhaupt die Eigenschaftswörter in den alten Romanen sehr treffend sind. Ein Jammer, dass man sie wirklich nicht mehr verwenden darf. Trotzdem, es nützt nichts. Die übereifrigen jungen Leute können sich auf den Kopf stellen. Akazien riechen süß und berauschend und werden es tun, solange es eine einzige Nase gibt, die das wahrnehmen kann. Trotzdem, und wenn sich alle Welt auf den Kopf stellt, Akazien duften süß und berauschend. Und sie werden es tun, solange es auf der Welt auch nur eine einzige Nase gibt, die diesen Duft riechen kann. Er also hielt den Baum für eine Agazie, einzig und allein, weil nur dieser Baum ihm geläufig war und Erinnerungen in ihm wach rief, Erinnerungen an eine Allee von Agazien, die er nie gesehen hatte, deren Duft aber bis zu seinem Tod in seinem Hirn leben würde. Hubert also hält den Baum vor unserem Fenster für eine Akazie. Übrigens steht der Baum jenseits der Straße nicht zu nahe, sodass wir ihn vom Bett aus sehr gut beobachten können. Er war dann ein junges Mädchen mit einem Sonnenschirm, das in jener Allee spazieren ging und den Duft der weißen Trauben oder waren es Dolden, dies wusste er nie genau, einsog. In einer Akazienallee war Huberts Vater, der alte, damals noch sehr junge Ferdinand, mit jungen Mädchen spazieren gegangen. Süße Schwermut und schmerzende Heiterkeit, ein südlicher Himmel, blau und feucht. Sommerweiße, die gelb durch den Schirm sickerte und jener unsagbare Geruch, der die runde, unverletzte Welt erfüllte. Die Mädchen hatten Sonnenschirme getragen, um sich vor der südlichen Sonne zu schützen. Aber die Sonne war gelblich durch die Seite des Schirmes gesickert und jener unsagbare Duft hatte die Welt erfüllt, eine runde, unverletzte Welt, die es nicht mehr gibt. Ja, wir haben jetzt eine Vorstellung von der Feinarbeit Marlen Haushofers am Text. Die Mansarde ist drei Jahre nach Himmel, der nirgendwo endet, publiziert worden im Jahr 1969, dem vorletzten Lebensjahr von Marleen Haushofer. Und in gewisser Weise ist es eine Fortsetzung der Novelle Wir töten Stella. Das Personal wird sozusagen noch einmal aufgegriffen und weiterentwickelt. Alle Beteiligten sind jetzt älter geworden. Der Mann und die Frau, das Ehepaar sind so um die 50, der Vater ist wieder ein Anwalt. Aber anders als Richard ist dieser Hubert kein dämonischer Typ. Es ist die Geschichte einer Ehe, die Geschichte von zwei Eheleuten, die, wie es im Text heißt, einander manchmal satt bis zum Hals haben. Aber, heißt es weiter, wir können es uns einfach nicht lange leisten, einander satt zu haben, denn wem sollten wir uns sonst zuwenden. Wir begeben uns in diesem Roman auf zwei Ebenen. Da ist die Gegenwart, die Gegenwart der 60er Jahre in Wien. Und da ist die Zeit vor 17 Jahren und diese Zeit wird wieder erweckt in der Erinnerung der Ich-Erzählerin durch Postsendungen, die jeden Tag der Woche bei ihr eintreffen, anonyme Sendungen. Bei ihr eintreffen anonyme Sendungen. Und der Inhalt dieser Sendung ist eine Überraschung, denn es sind ihre eigenen Aufzeichnungen. Damals, als sie das geschrieben hat, hat sie eine überraschende, plötzliche Taubheit erlitten und wurde von ihrem Mann und ihrer Schwiegermutter sozusagen in den Wald verbannt und von ihrem kleinen Sohn getrennt. In eine Jagdhütte, die Szenerie erinnert an Himmel, der nirgendwo endet, aber auch an die Wand. Und in dieser Szenerie gibt es einen X, einen Mann, der X genannt wird, dem sie begegnet. Und in einer früheren Version des Textes ist von einem Tauschhandel die Rede mit deutlichen sexuellen Konnotationen. Zweimal in der Woche lasse ich mich von ihm umbringen und gehe auferstanden heim. Im gedruckten Text wird das nur angedeutet, dass es zwischen den beiden eine erotische Spannung gibt. Aber das mit dem Umbringen kommt schon irgendwie vor, denn es handelt sich um irgendeinen nicht ganz erklärten Täter. Einer, der irgendetwas Schreckliches verbrochen hat, ist dieser X. Heute würde man sagen, er ist der Typ, der idealtypisch die sogenannte toxische Männlichkeit verkörpert. Solche Typen gibt es ja im Werk von Marleen Haushofer immer wieder, der gefährlich ist, aber irgendwie auch anziehend, irgendwie auch faszinierend. Und es werden hier auch mit dem Verbrechen, das er beichtet, seinem Vis-a-vis, weil er weiß, die Frau hört nichts, kann er sich eben aussprechen. kann er sich eben aussprechen. Es werden mit dem Verbrechen, mit dem individuellen Verbrechen, auch die nationalsozialistischen Verbrechen angesprochen oder angedeutet, müsste man eher sagen. Und an einer Stelle heißt es, wahrscheinlich gibt es Ereignisse, denen keine Generation gewachsen ist. Die Protagonistin erlebt das, was ihr Mann Hubert ihr mit dieser Verbandung angetan hat, als Verrat. Wir haben jetzt gerade gehört, Verrat ist das Schlimmste und kann nie wieder gut gemacht werden. Und tatsächlich, das wird auch explizit gemacht im Roman, ist diese Familie zerstört, ist dieser Riss nicht mehr zu kitten, auch wenn nach außen 17 Jahre später alles befriedet wirkt. befriedet wirkt. Das Ich in dieser Geschichte hat sozusagen eine doppelte Fluchtbewegung vollzogen. Einerseits die Flucht in die Taubheit. Es wird ganz klar gemacht, dass sie selbst weiß, dass es eine psychosomatische Erscheinung ist, dass sie nicht wirklich organisch krank ist. Und diese Flucht in die Taubheit ist eine Form des Protests. Und so steht es auch im Text. Warum will ich oder jenes fremde Wesen in mir nicht mehr hören? Und warum zu einer Zeit, in der ich endlich das hatte, was ich immer wollte, eine Familie ganz für mich allein? Man könnte sagen, die Antwort liegt nahe, dass sie das, die Familie für sich allein, eben nicht wirklich wollte, dass ihre Selbstbestimmung, ihre persönliche, ihre erotische, auch ihre künstlerische Selbstbestimmung damit ein Ende haben würde. Die Krankheit ist also eine Art sich taub stellen gegen alle Ansprüche, die die bürgerliche Welt an dieses Ich richtet. Und die zweite Fluchtbewegung ist die in die Mansarde, buchstäblich hinauf in das Dachstübchen. in ihrem Alter Ego akzeptiert hat, dass das Leben, dass die Existenz durch die vier Wände eines bürgerlichen Daseins beschränkt ist. Und die Flucht eben nur nach oben möglich, von Mansardengedanken ist im Text die Rede. Ich habe einen bürgerlichen Mann geheiratet, muss mich entsprechend benehmen, der Abend in der Mansarde genügt für meine unbürgerlichen Ausschweifungen. In dieser Mansarde zeichnet die Frau, sie ist Illustratorin von Kinderbüchern, sie zeichnet Vögel und möchte einem bestimmten Gefühl, einem bestimmten Bild, inneren Bild auf die Spur kommen. Und am Schluss gelingt ihr das aber nicht, indem sie einen Vogel zeichnet, sondern einen Drachen. Autobiografisch ist in diesem Roman unter anderem die Topografie, das Haus, der Garten, der Baum, aber auch die Sache mit dem Kind. Denn, so heißt es auch im Text, das Kind habe man ihr weggenommen, aber in Wahrheit habe sie es im Stich gelassen. habe sie es im Stich gelassen. Wir verfolgen hier, wenn wir diese Geschichte lesen, eine abgründige Alltäglichkeit. Und zugleich zeichnet Haushofer ein sozialpsychologisches Porträt der Hausfrau, könnte man sagen, als Sisyphos, die Hausfrauenarbeit, als unbedankte und vergebliche Arbeit, Paexenons. Die Fertigstellung dieses Buches hat Haushofer nur unter Schmerzen zustande gebracht. Sie war damals schon schwer krank, hatte schon eine Chemotherapie begonnen, all das aber vor ihrer Familie verheimlicht, die wiederum vor ihr verheimlicht hat, das zu wissen. Also die Familie hat ja unerbrochen voreinander, haben alle irgendwas verheimlicht. Und sie hat Hans Weigl, ihrem Freund, Mentor, Förderer, das Pouvoir gegeben, mit dem Verlag zu verhandeln. Unter anderem wegen der Austriazismen, die der deutsche Verlag herausstreichen wollte, das kennen heutige Autoren genauso. Und es ging unter anderem auch um die Titelfrage. Der Verleger stößt sich am Begriff, an einem Untertitel, Bezeichnung, Gattungsbezeichnung Roman und möchte, dass das ganze Lebensbeichte heißt, dann Seelenbeichte. Ja, und der Titel gefällt ihm auch nicht, die Mansarde, und er findet besser das Zimmer im Dachgeschoss. Bekenntnisse als Untertitel, das wäre eine neue Idee. Und Hans Weigl hat, weil eben Haushofer schon krank war, versucht hier einzugreifen und hat dann als Kompromissvorschlag unterbreitet, die Mansarde ein Protokoll der Einsamkeiten. Und das erklärt damit, dass ja die Wände der Mansarde abgeschrägt seien und eben ein sehr schönes Symbol für das quasi reduzierte Leben. Und schließlich schreibt Marlene Haushofer selbst an Hans Weigl, schon ziemlich verärgert, Hans Weigl ist verreist und sie sagt, sie müsse ihn mit Wernalp, so hieß der Verleger, mit Wernalp, Klammer Alp würde auch genügen, belästigen. Dieser habe sie angerufen und wolle nun den Untertitel Aufzeichnung über ein abgeschrägtes Leben. Sie redet sich damit heraus im Gegenüber, dass ja Weigl nun der alleinige Entscheider sei, Frau von Wehrenalp, die Pflegergattin, die den Roman lektoriert habe, sei ganz begeistert. Doch, so Haushofer, wie soll man mit dem abgeschrägten Leben fertig werden? Darauf ist er besonders stolz. Sicher ist es von ihr. Sicher ist es von ihr. Es ist in Wirklichkeit keine pathetische Geschichte. Es gibt schwere Themen, aber die werden mit Leichtigkeit und Nüchternheit dargestellt und es ist ein sehr witziger, ein satirisch scharf zupackender Text und ich verrate hier kein großes Geheimnis, wenn ich sage, dass er der Lieblingsroman der Hausherrin ist von Marleen Haushofer. Man könnte sagen, dass er eben auch verdeckte Selbstkritik enthält und nicht nur satirische Angriffe auf vor allem Frauen, die mitspielen in diesem Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit, die sich anpassen. Und es geht natürlich auch um den Tod, aber nicht mehr als in anderen Texten von Marleen Haushofer. Das Erlöschen des Bewusstseins wird als etwas Erstrebenswertes dargestellt. Marlene Haushofer hat im Text das auch bemerkt, dass es ziemlich boshaft zugeht und hat ihre Erzählerin sagen lassen, es ist mir nicht gegeben, mit Tellern zu werfen, aber ich möchte auch nicht gehässig oder ironisch werden. Und dazu besitze ich eine leichte Neigung. Da hat sie stark untertrieben und mit Tellern hat sie durchaus auch geworfen, aber jetzt kommt der Text. Sonntag. Vor unserem Schlafzimmerfenster aus sehen wir einen Baum, über den wir uns nie einig werden. Hubert behauptet, es sei eine Akazie. Er sagt Agazie, weil sein Vater, der aus Götz stammte, dieses Wort so aussprach. Ich weiß nicht, ob alle Leute aus Götz das tun oder ob es nur eine Eigenheit von Huberts Vater war. Hubert liebt Akazien, von denen es in alten Romanen heißt, der Duft ihrer Blüten sei süß und berauschend. sei süß und berauschend. Er ist tatsächlich süß und berauschend, wie ja alle Eigenschaftswerte aus alten Romanen treffend sind. Nur darf man sie heute nicht mehr verwenden. Trotzdem werden Akazienblüten immer süß und berauschend riechen, solange es auf der Welt noch eine einzige Nase gibt, die das feststellen kann. Hubert hält also den Baum jenseits der Straße für eine Akazie. Dabei versteht er überhaupt nichts von Bäumen. Er liebt Akazien nur, weil sein Vater, der alte, damals junge Ferdinand, in einer Akazienallee zu Lustwandeln pflegte. Ich nehme an, er tat dies nicht allein, sondern in Begleitung eines jungen Mädchens. Das Mädchen trug gewiss einen Sonnenschirm und dieser Sonnenschirm war aus gelber Seide. Und jener unsagbare Duft erfüllte die Welt. Eine Welt, die rund und ungebrochen war und die es nicht mehr gibt. Auch den alten Ferdinand gibt es nicht mehr, aber sein Sohn behauptet immer noch, der Baum vor unserem Fenster sei eine Akazie. Dazu kann ich nur lächeln. Dazu kann ich nur lächeln. Für mich ist der Baum eine Ulme. Oder Erle. Was beweist, dass auch ich nicht sehr viel von Bäumen verstehe, obgleich ich auf dem Land aufgewachsen bin. Es ist eben schon lange her und wer weiß, wo ich damals meine Augen hatte. Ich lege auch keinen Wert darauf, die Namen zu wissen, die im Naturgeschichtsbuch stehen. Schönbaum genügt mir vollkommen als Bezeichnung. Manche Vögel heißen bei mir Rotfüße oder Grünfedern. Und jedes Säugetier, dessen Name mir unbekannt ist, heißt Pelztier. Langohriges, bekannt ist, heißt Pelztier. Langohriges, dickschwänziges, rundschnauziges, seidenweiches Pelztier. Den Sobenannten macht das gar nichts. Sie reichen keine Ehrenbeleidigungsklagen ein und auch dem Baum dort drüben ist es einerlei, wie ich ihn nenne. Also soll er eine Ulme oder Erle sein. Also soll er eine Ulme oder Erle sein. Er weiß nicht, dass es mich gibt. Seine merkwürdigste Eigenschaft ist, dass man ihn nur im Winter sehen kann. Sobald er austreibt und sich mit Laub bedeckt, wird er unsichtbar, bis er eines Tages wieder kahl und zart verästelt vor dem grauen Novemberhimmel steht und das Rätselraten um seinen Namen wieder anfängt. Hubert richtet sich im Bett auf und sagt, es ist natürlich eine Agazie. Erle oder Ulme, sage ich starrsinnig. Du hältst mich wohl für schwachsinnig, sagt Hubert. Glaubst du, ich kenne eine Akazie nicht auf den ersten Blick? Ich weiß genau, dass er in Wirklichkeit gar nicht weiß, wie eine Akazie aussieht, sage es aber nicht, um ihn nicht zu kränken. Ich weiß nämlich nie so genau, was ihn kränken könnte. Manchmal ist er dickfällig, manchmal kränkt er sich über Winzigkeiten. Das mit der Akazie würde ihn gewiss kränken, wie alles, was sich irgendwie auf seinen Vater bezieht. Hubert betreibt nämlich insgeheim ein bisschen Ahnenkult. Und da ich das auch tue, bin ich in diesem Punkt vorsichtig. Und da ich das auch tue, bin ich in diesem Punkt vorsichtig. Ich schwieg, ließ die Sache auf sich beruhen und sah hinüber auf den Baum. Es ist ein Sonntag im Februar und diese kleine Szene spielt sich jeden Sonntagmorgen ab. Montag. An diesem Montagmorgen kam ein Brief für mich, ein dicker, gelber Umschlag, die Adresse in Druckbuchstaben geschrieben. Ein Absender war nicht angegeben. Ich ging damit in die Küche und wunderte mich, wie die Katze ging ich um den heißen Brei herum. Endlich schnitt ich den Umschlag auf. Ein paar vergilbte Seiten aus einem Schulheft fielen heraus, eng beschrieben mit einer Schrift, die ich sofort wiedererkannte. Es war nämlich meine eigene Schrift. Das heißt, die Schrift einer jungen Person, die ich einmal gewesen war. Ich erkannte nicht nur die Schrift, ich wusste wirklich sofort, was da vor mir lag, wenn ich es auch vor ungefähr 17 Jahren zuletzt gesehen hatte. Ich spürte nichts als Widerwillen und jenen Schock, den mir unvorhergesehene Ereignisse immer versetzen. Ich steckte die Papiere zurück in den Umschlag und trug sie in die Mansarde. Pruschen, 6. September. Ich mag den Jäger nicht. Er schaut mich an, als überlege er, ob er mich nicht, Huberts Familie zuliebe, erschießen sollte. Er ist ja daran gewöhnt, kranken Tieren den Gnadenschuss zu geben. wird ein Mann sie ja kaum suchen. Dabei könnte es mir einerlei sein, ob der Jäger sie liest oder nicht. Wahrscheinlich könnte er meine Schrift gar nicht entziffern. Er wird sie auch gar nicht lesen wollen. Ich bin ja in keiner Weise interessant, viel weniger als ein Krüppel. Mit einem Krüppel kann man leben, weil man mit ihm reden kann. Wenn ich abstoßend hässlich wäre, ein Feuermal oder einen Buckel hätte, so könnten die Leute mich bemitleiden oder verhöhnen. Mit mir können sie das nicht tun, denn ich höre weder Mitleid noch Spott. Ich muss ihnen unheimlich und unerträglich sein. Aber den Jäger würde ich auch nicht mögen, wenn ich noch ein wirklicher Mensch wäre. In seinen Augen, die gar keine Farbe haben, kann ich nichts lesen als eine gewisse Berechnung. Er ist habsüchtig und behandelt seine Tiere roh. Das weiß ich, weil ich es sehen kann. Ich bin ja taub, nicht blind. Er ist roh zu ihnen, nicht aus Jezorn, sondern weil er sie verachtet und weil sie von ihm abhängig sind. Ich stehe auf einer noch tieferen Stufe als sie, aber man bezahlt ihn dafür, dass er mich aufgenommen hat und in einem gewissen Sinn für mich sorgt. Vielleicht hält er mich für ungefähr so nützlich wie seine Kuh, nur dass die Kuh den Kopf wendet, wenn er sie anschreit. Dass er mich nicht behandeln darf wie die Kuh, macht ihn ärgerlich. Manchmal scheint er auch Angst vor mir zu haben. Vielleicht aus irgendeinem Aberglauben heraus. Weiß ich, was in diesem Gehirn vorgeht? Wenn er nicht so auf Geld aus wäre, hätte er mich nie aufgenommen. Ich glaube nicht, dass er noch Dankbarkeit für meinen Schwiegervater empfindet, dem er viel verdankt. Der alte Mann ist tot und nicht mehr von Nutzen für ihn. Vielleicht will er sich im Dorf hervortun mit seiner Anhänglichkeit an seine alte Herrschaft, aber auch das ist ganz unsicher. Die Leute kennen ihn, seit er geboren wurde und durchschauen jede seiner Handlungen, genau wie er die ihren durchschaut. Jäger sind auch oft sehr unbeliebt, weil man sie immer noch als eine Art von Lakaien betrachtet, die nicht ganz zum Dorf gehören und denen man nicht trauen kann. Dorf gehören und denen man nicht trauen kann. 12. September. Mein Zimmer ist klein, mit winzigen Fenstern und ziemlich dunkel, weil hinter dem Haus gleich der Berg ansteigt. Man könnte von einem Baum aus leicht bei mir einsteigen, aber die Fenster sind vergittert und geben dem Raum etwas Kerkerhaftes. Die Wohnung des Jägers ist etwas heller, weil seine Fenster auf der dem Tal zugewendeten Seite liegen. Er hat Morgensonne. Ich hätte Nachmittagssonne, wenn nicht der Berg zwischen dem Licht und mir wäre. Es gibt hier viel zu viele Berge. Ich habe Berge nie gern gehabt. In diesem Zimmer hat mein Schwiegervater gewohnt, wenn er hier zu Jagd war. Ich glaube, er war nicht so versessen auf die Jagd, er wollte nur seiner Frau entkommen. Die Möbel stammen von ihm, Der Jäger hat sie geerbt. Ein Bauernbett mit bemaltem Kopfteil. Ein Auge Gottes sieht mir zu, wenn ich schlafe oder wach liege. Dann gibt es noch einen bemalten Kasten, einen kleinen Schreibtisch und einen alten braunen Ledersessel, in den man sich verkriechen kann. In der Ecke steht ein grüner Kachelofen. Nebenan ist eine kleine Küche mit gemauertem Herd, einer wackeligen Kredenz und einem rohen Fichtenholztisch. Von der Küche aus kommt man in den Abort. Den ließ mein Schwiegervater bauen, weil es ihm zu mühsam war, über die Stiege hinunterzugehen. Den Herd benutze ich nicht. Ich koche auf einem Elektrokocher. Der Jäger sieht es nicht gern. Er schielt geradezu vor Ärger über diese Verschwendung. Er bekommt so viel Geld, dass er den Kocher hinnehmen muss. Der Jäger ist nicht mehr jung, aber auch nicht alt, denn er versieht noch seinen Dienst. Untertags geht er viel weg, morgens und abends muss er daheim sein, um seine Kuh zu melken. Eine Frau hat er entweder nie gehabt oder verloren. Ich glaube eher, er ist verwitwet. Die Tür meines Zimmers geht auf einen Holzbalkon, von dem eine Stiege hinunter führt, worüber ich sehr froh bin, so froh ich eben überhaupt sein kann. Manchmal sitze ich vormittags auf dem Balkon, um ein bisschen Sonne zu spüren. Ich sitze auf einem sehr harten Sessel, in dessen Lehne ein Herz geschnitzt ist. Wenn ich aufstehe, stoße ich mit dem Kopf gegen ein Hirschgeweih. Die ganze Veranda hängt voll ausgebleichter Knochen. Die Sonne kommt ziemlich spät, gegen neun Uhr erst. Sie muss den gegenüberliegenden Berg übersteigen. Vor dem Haus fließt ein kleiner Forellenbach, die Prusch. Derzeit führt er sehr wenig Wasser, weil es lange nicht geregnet hat. Jenseits der Prusch steigt schon der Berg an. Ich sitze hier wie in einem Käfig. Hinter den Bergen gibt es wahrscheinlich kleine Täler und wiederum Berge. Mein Großvater hatte ein Haus, das war sehr groß und breit. Rundherum lagen Wiesen, auf denen um diese Zeit die Kühe weideten. Richtig große Kühe, nicht so arme Kreaturen wie die Kuh des Jägers. Dort sah man den ganzen Tag lang die Sonne und fühlte sich frei und sicher Wenn mein Großvater noch lebte, hätte er mich zu sich geholt Und ich wäre nicht allein Es hätte ihm nichts ausgemacht, dass wir nicht miteinander reden könnten Wir redeten ja nie sehr viel Aber er ist tot und kann mir nicht helfen. Niemand kann mir helfen. An Hubert und an den kleinen Ferdinand denke ich nicht oft. Es wäre nicht gut, an sie zu denken. Ich sitze zusammengekauert im Ledersessel und schreibe auf den Knien. Seit ich hier bin, fühle ich mich müde. Aber ich möchte nicht voreilig urteilen. Vielleicht wird mir die Ruhe hier guttun und die gesunde Luft. Ruhe gäbe es ja für mich an jedem Ort der Welt. Die Luft wird es auch sein, die mich so müde macht. Ich muss mich erst an sie gewöhnen. Die Baronin musste schon auf mich gewartet haben. Sie riss die Tür auf, zerrte mich hinein und schleuderte mich, meine Schultern umklammernd gegen ihren Busen. Dieser Busen ist etwas sehr Rätselhaftes und Unheimliches. Er ist nicht weich, wie ein Busen sein sollte, sondern steinhart. Und er knisterte, als wäre er mit Sägespänen gefüllt. Dabei ist er echt. Die Baronin trägt tief ausgeschnittene Kleider. Und ich habe notgedrungen so viel von ihrem Busen gesehen, um zu wissen, dass er echt ist. Trotzdem fühlte er sich nicht menschlich an. Darüber habe ich oft und ergebnislos nachgedacht. Nachdem ich eine Weile in eiserner Umklammerung gehalten und mich wiederholt auf den Mund geküsst hatte, gelang es mir, den Kopf so weit zu drehen, dass sie beim nächsten Kuss meine Wange erwischen musste. Sie ist der einzige Mensch, der mich auf den Mund küsst, und einmal hat sie mir dabei vom oberen linken Schneidezahn einen kleinen Splitter abgebrochen. Ich fand, dies ginge zu weit. Seither schließe ich fest den Mund und versuche durch die Nase zu atmen, was nicht leicht ist, weil die Nase von irgendwelchen Teilen der Baronin gequetscht wird. Seit Jahren frage ich mich, was diese Begrüßung bedeuten soll. Ich kann es mir nur so erklären, dass sich alle Gier der Baronin in diesem Augenblick entlädt. Ich bin dann gar nicht ich, sondern die ganze Welt, die sich ihr mit eherner Konsequenz verweigert. Ich roch Lavendel, Puder und den metallischen Körpergeruch der Baronin. Sie entriss mir den Mantel und trieb mich mit großen Handbewegungen ins Wohnzimmer, genau wie man Hühner in den Stall scheucht. In ihrem altdeutschen Wohnzimmer hat sich, seit ich es kenne, nichts geändert. Ein schrecklicher Raum, der genau zu seiner Besitzerin passt. der genau zu seiner Besitzerin passt. Es gibt dort keine einzige Sitzgelegenheit, auf der man sitzen kann, ohne die peinlichsten Zustände zu bekommen. Mir schlafen immer die Füße ein auf diesen Sesseln. Später bekomme ich Kreuzweh und noch später ein Ziehen in den Schultern. Und dann fangen meine Sitzknochen an, sich unerbittlich durch mein Fleisch zu bohren. Dann weiß ich, dass ich sofort heimgehen muss, denn der Schmerz ist nicht lange auszuhalten. Die Baronin ist natürlich besser gepolstert als ich, aber wie sie es aushält, verstehe ich trotzdem nicht. Jetzt hatten wir uns also niedergelassen und die Qual konnte beginnen. Die Baronin hatte die Hände auf den Tisch gelegt und die Finger gespreizt. Ihre Hände sind weder runzlig noch gefleckt, sondern dick und glatt und an den Fingerspitzen abgestumpft und sehr breit. abgestumpft und sehr breit. Die Baronin muss vier oder 75 sein, aber sie sieht viel jünger aus, nicht eigentlich jünger, nur so, als habe ein Künstler seines Fachs sie mit 50 einbalsamiert. Solange ich sie kenne, ungefähr 27 Jahre müssen es sein, hat sie sich kaum verändert. Sie ist gar nicht verfallen oder zerbrechlich. Einfach zum Fürchten. Übrigens ist sie keine wirkliche Baronin, nur ein sehr reiches Großbürgermädchen, das einen Baron geheiratet hat. In jedem ihrer Zimmer hängt ein großes Ölbild, das sie in verschiedenen Stadien zeigt. Einmal als junges Mädchen, dann als junge Frau und schließlich als Witwe. Angeblich war sie einmal eine Schönheit, aber auf den Bildern sieht sie immer gleich aus, wie eine Menschenfresserin. Man möchte sie mit einer großen Kohlenzange weit von sich wegschieben. Vielleicht wäre sie dann leichter zu ertragen. Und wie geht es dir, Tante Lilli, sagte ich. Das sage ich jedes Mal. Es ist ein Stichwort. Daraufhin muss ich längere Zeit gar nichts sagen und brauche nur aufmerksam in das große, rosa gepuderte Gesicht zu starren. Eine Minute später waren wir schon dort angelangt, wo jedes Gespräch mit ihr anlangt, nämlich beim verstorbenen Baron. Ich bemühte mich, nichts zu hören, aber so auszusehen, als hörte ich jedes Wort. nichts zu hören, aber so auszusehen, als hörte ich jedes Wort. Der Baron ist schon 40 Jahre tot, aber sie will ihm nicht gestatten, tot zu sein, denn der Hass auf ihn erhält sie schön, gesund und vital. Nachdem ich so viele Jahre über ihn nur das Widerlichste gehört habe, mache ich mir ein deutliches Bild von ihm. Ein kranker, unglücklicher Mann, der sich für viel Geld verkauft hat. Ich sehe ihn, wachsgelb und mit zitternden Händen in seinem Zimmer sitzen, die schwarzen Augen auf die Schreibtischlade gerichtet, in der seine einzige Hoffnung liegt, sein Armeerevolver. Und Tag und Nacht das Geschrei einer Frau in den Ohren, die er nur einmal in betrunkenem Zustand in der Hochzeitsnacht angerührt hat. Angeblich soll er später immerzu Weiber ausgehalten haben, aber ich glaube es nicht. Seine Lebemannslaufbahn muss bestimmt in jener Nacht ihr Ende gefunden haben. Und dann endlich der Griff in die Schublade. Ich habe eine gewisse Schwäche für den Baron. Besonders gefällt es mir, dass er mit seiner Frau kein Kind gezeugt hat. Das war ein schöner Zug von ihm. Wenn ich auch zugebe, es war ein kleiner Betrug dabei. Dass viele Geld einstecken und dann nicht einmal Kinder zeugen, ist ja nicht sehr ehrenhaft, wenn auch vernünftig. Alles in allem kein erfreulicher Lebensweg. Für den Spaß, den er als junger Mann hatte, musste er zu teuer bezahlen. Ein leichtsinniger Mensch, nicht sehr gescheit, vielleicht ein Feigling. Die Zeit und der Hass haben ihn aufgebläht zu einem Dämon, der er nie gewesen sein kann. Überhaupt ist das alles ein Dreigroschenroman und so unwirklich und unmenschlich wie der Sägespänebusen der Baronin. Ich frage mich manchmal, wie ich es hier jemals aushalten konnte. Aber damals erschien mir das kleine Untermietzimmer, ehedem für das Dienstmädchen bestimmt, als ein Segen vom Himmel. Ich durfte sogar das Bad benutzen und die Küche. Und schon nach einer Woche durfte ich die Baronin Tante Lilly nennen. Dann fingen ihre furchtbaren Erzählungen an, das Geschrei und Getobe. Und ich fing an, mich vor ihr zu fürchten. Und doch einmal, in einem eisigen Kriegswinter, als ich die Krippe hatte, pflegte sie mich, gab mir Aspirin ein und wickelte mich in ein feuchtes Leintuch. Sie tat es mit großer Brutalität, aber anders kann sie ja nichts tun. Und ich wurde schnell wieder gesund, vielleicht schon aus Angst vor einem zweiten Wickel. Damals, das darf man nicht vergessen, hielt sie sogar stundenweise den Mund und ließ mich schlafen. Deshalb hielt ich sie lange Zeit für einen Menschen. Später klammerte sie sich dann im Luftschutzkeller an mich und klapperte mit den Zähnen. Und sie schrie nicht dort unten, wo es nach Angstschweiß und alten Kartoffeln roch. Sie wimmerte. Dieses Gewimmer beeindruckte mich mehr als der ganze Luftangriff. Gewiss, es war keine Schande zu wimmern und mich zu umklammern, aber beinahe hätte sie mir die Rippen dabei gebrochen. Es war eben überhaupt eine arge Zeit. Einmal schrieb sie mir sogar nach Puschen. Irgendwie musste sie Hubert die Adresse entrissen haben. Sie schrieb, sei tapfer, mein unglückliches Kind, an allem sind die Männer schuld. Ich hoffe, du siehst das endlich ein. ein unglückliches Kind, an allem sind die Männer schuld. Ich hoffe, du siehst das endlich ein. Und dann folgte eine lange Epistel über die Scheußlichkeiten des Barons. Ich antwortete nicht und daraufhin schrieb auch sie nicht mehr. Ein Mensch, der nicht antwortet, hört auf zu existieren, zumindest für die Baronin. Später, als ich wieder zurück war, traf sie mich auf der Straße und schleppte mich zu sich. Es war für sie ein Freudentag und seither besuche ich sie jeden vierten Dienstag im Monat. Ich muss wirklich nicht ganz normal sein. Niemals erwähnt die Baronin meinen Mann, das ist sehr klug von ihr, denn sie könnte es nicht über sich bringen, ein freundliches Wort über ihn zu verlieren, da er für sie eine Miniaturausgabe des Barons ist. Und weil sie mich um keinen Preis verlieren will, hält sie darüber lieber den Mund. Ich bin ein Ding, das an ihrem Tisch sitzt und sich ihren Unrat aufladen lässt. Mehr nicht. Alles, was es auf der Welt gibt, existiert ja nur in Bezug auf sie. Also ist ihre Welt winzig klein. Sie schlug mit der Faust auf den Tisch und die Teetassen klirrten laut. Hatte ich nicht hingehört? Natürlich nicht. Ein Schweinehund war er, schrie sie. Sonst nichts. Und starrte mich an. Es ist sehr merkwürdig, dass ihre Augen, kleine, kreisrunde, gelbe Augen, nichts von der Wut ausdrücken, die ihren Körper schüttelte. die ihren Körper schüttelte. Ich habe nie so ausdruckslose Augen gesehen. Reg dich nicht so auf, Tante Lilly, sagte ich. Er ist ja längst tot und verdient es auch nicht. Das war eine widerwärtige Schmeichelei, aber wer würde neben ihr nicht widerwärtig? Ich bin kein Held. Ich werde es in meinem Zeilen, schrie sie. Mich immerzu aus diesen gelben Augen anstarrend, die gar nichts sehen konnten. Dann weinte sie, nicht aus Kummer, aus Hass. Doch wo hört der Hass auf und wo fängt Kummer an? Sie hatte mir einen Wickel gemacht und Aspirin gegeben und war vielleicht doch ein Mensch. Er war so schön, sagte sie, ein so vornehmer Mann. Sie flüsterte beinahe und eine Gänsehaut überlief mich. Ich habe es lieber, wenn sie schreit. Ich hatte Angst. Sie musste doch längst wissen, wie ich über sie denke. Eines Tages würde sie vielleicht die Lust anwandeln, mich mit der gusseisernen Stehlampe zu erschlagen. Aber das kann sie sich wohl nicht leisten, denn dann wäre ich tot und sie müsste mit sich selber schreien. Jetzt verlor sie sich in Erinnerungen an ungeheure erotische Erfolge Eine Racheaktion gegen die Gleichgültigkeit des Barons Er sollte sich bloß nicht einbilden, sie wäre ihm treu gewesen Ich glaubte ihr kein Wort, so mutig sind Männer einfach nicht Wenn ich sie frage, wo all diese Männer hingekommen sind, versagt ihre Fantasie. Einige mögen ja gestorben oder ausgewandert sein, aber doch nicht ein ganzes Regiment von Männern. Während ich hier wohnte, kam außer einem Handwerker nie ein Mann in die Wohnung. Damals hoffte ich sehr, es würde sich ein Mann für sie finden, vielleicht ein deutscher Offizier, der ihren Ruf nicht kannte, aber vergeblich. Ich saß ganz still und wunderte mich, dass ich nicht aufsprang und weglief oder hell auflachte und den ganzen Spuk verscheuchte. Vorsichtig sah ich nach der Wanduhr. Vorsichtig sah ich nach der Wanduhr. Noch eine Stunde musste ich durchhalten. Langsam verwandelten sich die Erzählungen für mich in Meeresbrausen und ein gelegentliches Aufbrüllen der Brandung. Ich versuchte, in die Mansarde zu flüchten und im Geist einen Vogel zu zeichnen. Meine Finger zuckten ein bisschen, als führten sie einen Zeichenstift, und ich fühlte mich sicher und abgeschirmt. Beinahe war ich glücklich, aber da brüllte die Brandung. Was sagst du dazu? Er hat nicht einmal einen Abschiedsbrief hinterlassen. Mein Mund sagte, er war vielleicht zu unglücklich, Tante Lilly, Er hat nicht einmal einen Abschiedsbrief hinterlassen. Mein Mund sagte, er war vielleicht zu unglücklich, Tante Lilly. Unglückliche Leute schreiben keine Briefe. Unsinn, schrie sie. Er war nicht unglücklich. Er hat es aus Gemeinheit getan, aus purer Gemeinheit. Versuch ja nicht, ihn zu verteidigen. Er war einfach ein Schweinehund. Kalte Drohung lag in ihrer Stimme und ich bat den toten Baron insgeheim um Vergebung und sagte, du hast schon recht, er war ein Schweinehund. Meine Füße waren längst eingeschlafen, mein Kreuz tat weh und jetzt fingen die Sitzknochen an, sich durch mein Fleisch zu bohren. Ich war so geschlagen, dass ich nichts mehr sagen konnte. Dann hörte ich mich zu meinem Entsetzen leise lachen. Ich war offenbar im Begriff überzuschnappen. Was gibt es da zu lachen, sagte die Baronin kalt. Ich lache, versuchte ich zu erklären, weil die Menschen so dumm sind. Sonderbarerweise gefiel ihr dieser Ausspruch. Drei altvertraute Berichte folgten. Über eine dumme Köchin, die ein Kind bekommen hatte, über einen dummen Neffen, der ein Mädchen unter seinem Stand geheiratet hatte und über eine dumme Hausmeisterin, die ihren alten Hund nicht vertilgen ließ. Ich spürte, wie meine Stirn vor Anstrengung feucht wurde. Dabei war es kalt im Zimmer. Die Baronin spart mit den Kohlen. Eine Temperatur von 15 Grad genügt ihr. Sie dünstet so wohlig in ihrem Hass und trinkt dazu in großen Mengen Eiswasser. Glitterweise schüttet sie es in sich hinein, aber der Brand ist nicht zu löschen. Wenn sie einmal stirbt, wohin geht dann ihr Hass? Stirbt er mit ihr? Das ist kaum glaubhaft. Vielleicht bleibt er im Zimmer zurück und sickert dann so ganz langsam durch die Fensterritzen hinaus und vereinigt sich mit der großen Hasswolke, die immer über der Stadt brütet. Während ich anfing, den Tisch für die liebe Dame zu decken, überlegte ich, dass ich es eigentlich gar nicht tun musste. Ich tat es nur aus Gewohnheit. Ich hätte der lieben Dame nicht öffnen müssen oder ich hätte sagen können, gehen Sie wieder heim. Ich bin heute nicht in der Laune, Sie zu sehen. Oder möchten Sie nicht lieber eine saure Gurke statt Kaffee und Gugelhupf? Es würde mir viel weniger Mühe machen. Ich stellte mir ihr Gesicht vor und musste wieder lachen. Dann tat ich aber doch brav alles, was zu tun war. Ich deckte den Tisch, trug den Gugelhupf herein und stellte den Wasserkessel auf die Platte. Die liebe Dame war immer sehr pünktlich. Man konnte sich auf sie verlassen. Im Badezimmer machte ich mich ein bisschen zurecht und sah, dass dort, wo die Polsterkante mich gedrückt hatte, zwei tiefe Furchen sich eingegraben hatten, von der Schläfe bis zum Ohrläppchen. Dagegen konnte ich nichts tun. Derartige Furchen vergehen erst nach ein, zwei Stunden. Ich stäubte etwas Puder darüber, aber im Grunde war es mir einerlei. Warum sollte ich nicht gefurcht umhergehen? Der Triumph des Traums war noch nicht ganz erloschen. Ich bildete mir ein, jetzt die Vögel besser zu verstehen und nahm meinen Misserfolg von gestern Abend nicht mehr so ernst. Dann läutete es. Die liebe Dame trat ein. Ich weiß noch immer nicht, ob ich sie mag oder nicht mag, aber jedes Mal versetzt sie mich in Erstaunen und das schon seit 15 Jahren. Sie ist, wie ich, ein Mensch und eine Frau und wir haben gleichzeitig ein Kind bekommen, aber ich spüre nicht, dass wir etwas gemeinsam haben. Und ich frage mich immer wieder, warum kommt sie zu mir? Und ich frage mich immer wieder, warum kommt sie zu mir? Ich bin eine schlechte Unterhalterin, zumindest für liebe Damen, für die ich nicht zaubern kann, weil sie mich nicht verstehen könnten. Im Grunde kann ich überhaupt nur kleine Kinder oder alte Leute unterhalten. Erwachsene schüchtern mich ein. Sie sind so anders als ich. Und die liebe Dame ist vollkommen erwachsen. Manchmal, wenn sie bei mir sitzt, denke ich, gleich wird sie einschlafen und unter den Tisch fallen. Ich nehme es ihr nicht übel, denn jeder Satz, der aus meinem Mund kommt, langweilt mich selber. Aber im Gegenteil, sie fällt nicht unter den Tisch. Sie scheint von unserer Unterhaltung jedes Mal hochbefriedigt zu sein. Die liebe Dame bleibt eines der ungelösten Rätsel meines Lebens. Für mich ist sie ein rares Exemplar einer ausgestorbenen Gattung. Und ich habe schon versucht, sie zu erforschen, aber ich komme nie hinter ihr Geheimnis. Die liebe Dame ist lieb, daran besteht kein Zweifel. Sie sieht auch angenehm aus, groß, schlank und sehr gewaschen. Ihr naturblondes Haar trägt sie zu einer zeitlosen Frisur, aufgesteckt. Ihr Gesicht ist länglich, angenehm und in sich gekehrt. Ihre Augen sind blau, aber nicht durchsichtig und sie stehen etwas zu eng beisammen. wenn man es von den Seiten her leicht zusammengedrückt. Die Augen stören mich etwas, weil sie so klein und eng beisammen stehen, aber das ist ein rein ästhetischer Grund. Die liebe Dame hat einen Mann, der sehr tüchtig sein soll, gut aussieht und ihr Bruder sein könnte. Und die vier Kinder sehen genauso aus wie die Eltern, lernen gut und sind brav, aber nicht unnatürlich brav. Das alles weiß ich nur aus Erzählungen und von Fotografien, denn ich besuche die liebe Dame niemals. Die Familie besitzt kein Fernsehgerät, sondern beschäftigt sich abends mit Spielen, Lesen und Musizieren. Der Mann ist Beamter in einem Ministerium und findet Zeit, wirklich mit seiner Familie zu leben. Ich höre von Wanderungen im Sommer und Skiausflügen im Winter. Alles gemäßigt und so, dass auch die kleineren Kinder mithalten können. Niemals höre ich von Auslandsreisen. Den Sommerurlaub verbringen sie irgendwo auf dem Lande, immer am selben Ort. Die Kinder sind zwischen 15 und 9 und alle lernen ein Musikinstrument spielen. Die liebe Dame ist wohl ungefähr zehn Jahre jünger als ich. Sie sieht aber völlig alterslos aus, so zwischen 30 und 50. Unsere Gespräche, auf Tonband aufgenommen, wären Dokumente eines unbegreiflichen Irrtums. Die liebe Dame, dieser Kaffee ist wirklich ausgezeichnet. Ich, wenigstens ist er nicht bitter. Die liebe Dame, nein, er ist keine Spur zu bitter. Schweigen. Die liebe Dame, haben Sie den Dr. Zhivago gesehen? Ich, nein, wir gehen selten ins Kino. Die liebe Dame, ein wirkliches Meisterwerk. Sie müssen es unbedingt sehen. Mein Mann war ganz begeistert. Ich, dauert es nicht sehr lange? Die liebe Dame, das schon, aber man ist so gefesselt, dass man die Zeit gar nicht merkt. Und diese Musik. Ich, aber die Sitze im Kino sind so hart. Die liebe Dame mit leicht betroffenem Blick, aber ich bitte Sie, ich hasse dich. Natürlich, das ist nicht so schlimm, ich meine nur. Die liebe Dame, zart fühlend, meine Verlegenheit übergehend. Und wie geht es Ihrer lieben Familie? Sie erscheint mir noch rätselhafter als alle meine Vögel. Und schon mit denen komme ich ja nicht zurecht. Ich muss eines der unwissendsten Geschöpfe sein. Lange Zeit hatte ich mich der Vorstellung hingegeben, dass der Mann der lieben Dame sie heimlich betrüge, nur damit die allgemeine Ordnung wiederhergestellt wäre. Seit ich ihn aber einmal gesehen habe, weiß ich, dass ich diese tröstliche Idee fallen lassen muss. Dieser Mensch betrügt seine Frau nicht. Er ist auch nicht bestechlich und wahrscheinlich bohrt er nicht einmal, wenn er alleine ist in der Nase. So also sieht das Paradies auf Erden aus. Dass ich in diesem Paradies nicht leben könnte, liegt nur an mir. Ich bin eben durch und durch verdorben und ruiniert. Niemals wird mir das deutlicher als nach einem Besuch der lieben Dame. Und niemals freue ich mich mehr darüber, dass ich so verdorben und ruiniert bin. Nur, was habe ich an mir, das sie zu mir treibt? Es ist mir ein Rätsel und wird mir immer ein Rätsel bleiben. Es ist mir ein Rätsel und wird mir immer ein Rätsel bleiben. Das war wirklich ein reizender Nachmittag, sagt die Dame und erhob sich. Das freut mich, sagte ich. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder. Bestimmt, sagte sie. Es ist schön, sich einmal von Frau zu Frau aussprechen zu können. Es gibt eben doch Dinge, die man mit Mann und Kindern nicht besprechen kann, nicht wahr? Ja, sagte ich, die gibt es. Im Vorzimmer puderte sie zart ihre längliche Nase, zog den Pelzmantel an, setzte den Hut auf und reichte mir ihre kühle, trockene Hand. Ich war darauf bedacht, diese Hand nicht zu fest zu drücken und schlug der lieben Dame vor, sie zur Straßenbahn zu begleiten. Ich musste dringend an die Luft. Es regnete ein bisschen, aber der Wind blies noch immer warm und ich vernahm zum letzten Mal, dass das Wetter nicht sehr erfreulich sei. Die liebe Dame roch zart nach Pfeilchenparfum, ein Duft, den ich heutzutage selten in die Nase bekomme und der mich mit ungebührlicher Wehmut erfüllt, denn ich liebe Pfeilchen. füllt, denn ich liebe Pfeilchen. Ich liebe sie leidenschaftlich und kein Mensch schenkt mir jemals Pfeilchen, was sehr vernünftig ist, denn Pfeilchen halten sich nicht in der Vase. Dieser Duft brachte mich dazu, ihr nochmals zu winken, als sie schon in der Straßenbahn saß. Und sie winkte zurück und lächelte dazu ihr unergründliches Lächeln mit schmalen Lippen und kleinen Augen und dem ganzen zu engen Gesicht. Erleichtert und verwirrt ging ich heim. Ich atmete tief die feuchte Luft ein. Die Dämmerung verwandelte die Häuser und Gärten in geheimnisvolle Ruinen und Wildnisse. Danke für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit. Applaus