Schönen Abend, ich lese heute einen kurzen Auszug aus einer längeren Poserarbeit. Liegen bleiben. Ich werde heute nicht aus meiner Koje klettern. Ich müsste aufstehen. Ich habe meine mir derzeit von den Instrukteuren genehmigte Schlafzeit erreicht. bei einem mir derzeit von den Instrukteuren genehmigte Schlafenszeit erreicht. Die Schlafkoje füllt sich mit Licht und Lärm. Ich durfte diese Nacht 5 Stunden und 14 Minuten schlafen. Pünktlich werde ich vom zentralen Wechselsystem mit anschwellenden Sirenen geheult und immer greller während dem Licht geweckt. Ich habe jetzt genau 10 Minuten Zeit aufzustehen und mich für meinen Arbeitseinsatz fertig zu machen. Eine Duschmöglichkeit gibt es heute nicht. Duschen ist mir derzeit nur jeden zweiten Tag erlaubt. Diese Vergünstigung, ja Duschen ist eine Vergünstigung, werden nach einem von den Instruktoren kompliziert errechneten Belohnungssystem gewährt. von den Instrukteuren kompliziert errechneten Belohnungssystem gewährt. Ja, es gibt Belohnungen. Wo Belohnungen sind, könnte es auch Bestrafungen geben. Es gibt aber keine Strafen. Es gibt Maßnahmen. Mein heutiges Verhalten wird Maßnahmen nach sich ziehen. Das ist mir bewusst. Ich habe für mich beschlossen, es heute zu tun. Ich werde heute nicht zur Arbeit gehen. Ich will das nicht länger. Ich werde mich auch nicht krank melden. Wenn ich mich krank melde, kommt mit Sicherheit innerhalb kürzester Zeit einer der Kontrolleure in meine Kabine und macht eine Feststellung. Diese Feststellung wird sofort an einen Instrukteur der zuständigen Kammer gemeldet. Innerhalb kürzester Zeit erscheint ein Praktiker mit einem Gehilfen. Praktiker sind ehemalige Ärzte, denen die Approbation entzogen wurde. Gehilfen sind Pfleger, hin und wieder auch noch Krankenschwestern, die Praktikern zugeteilt wurden. Der Praktiker wird mich untersuchen und wird feststellen, dass ich nicht krank bin. Der Gehilfe oder die ehemalige Krankenschwester wird keine erhöhte Temperatur feststellen. Der gemessene Blutdruck, die Herzfrequenz, die Sauerstoffsättigung, all diese Werte werden innerhalb der Norm sein. Und es wird mir kein Krankheitstag gewährt. Aber auch wenn ich mich nicht krank melde, wenn ich nicht pünktlich zur Arbeit erscheine, wird einer der Kontrolleure kommen, wird feststellen, dass ich mich nicht auf dem Weg zur Arbeit befinde und wird sofort den Kammerinstrukteur verständigen. Es wird kein Praktiker und auch kein Gehilfe kommen. Es wird der Instrukteur persönlich erscheinen. Es wird etwas dauern, bis der Kontrolleur kommt und es wird auch einige Zeit dauern, bis der Instrukteur eintrifft. Ich bleibe liegen. Das WEG-System hat sich wieder ausgeschaltet. Ich bin müde, möchte jetzt aber nicht mehr einschlafen. Bald wird sich auch das Wegsystem wieder aktivieren. Ich drehe mich zur Seite und hole aus einer Ritze der Holzverschallung meiner Koje die von mir gesammelten und versteckten Zeitungsausschnitte. Zu Online-Archiven gibt es seit der großen Änderung keinen Zugang mehr. Es wird berichtet. Auch nach einer Woche gibt es noch kein Wahlergebnis. Langsam macht sich Unmut bei den Oppositionsparteien und den Medien breit. Laut Innenministerium wird in den nächsten Tagen mit einem Wahlergebnis zu rechnen sein. Umfragen zum Wahlverhalten waren bei dieser Wahl nicht mehr gestattet. Sie werden bald kommen und in meine Kabine eindringen. Als erstes werden Sie mein Arbeitsbuch verlangen. Das Arbeitsbuch ist eine App, die auf meinem Phone installiert ist. Ein Phone, das jeder Arbeiter von seinem Dienstgeber zur Verfügung gestellt bekommt. Private Handys sind nicht mehr erlaubt. Sie kontrollieren meine Tätigkeit. Ich arbeite in einer Küche in einem riesigen Hotel in den Bergen. Ich bin Saisonnier, seit zwei Jahren mache ich diesen Job. 350 Kilometer von zu Hause entfernt, untergebracht in einem Container, ein ganzes Containerdorf, steht hier mitten in den Bergen, hinter den Hotelanlagen, kaum einsehbar für die zahlreichen Touristen. Alle, die hier einen Arbeitsplatz zugewiesen bekommen haben, Kellner, Köche, Zimmermädchen, kommen aus den Städten, wo es kaum noch Arbeit gibt. kommen aus den Städten, wo es kaum noch Arbeit gibt. Seit der großen Änderung ist viel passiert. Das Arbeitsleben der Menschen hat sich verändert. Es gibt fast Vollbeschäftigung. Die wenigen Arbeitslosen heißen heute Dienstverweigerer. Sie werden von Kontrolleuren, Instrukteuren drangsaliert, erhalten kleine Einzimmerwohnungen, die als Microflats bezeichnet werden. Sie werden verpflegt, bekommen ebenfalls ein Fonds, kein Dienstfonds wie die Arbeiter, sondern ein einfaches Gerät, auf dem eine Finanz- Arbeit. Ich musste die Arbeit annehmen, weg von meiner Familie, in einem Container schlafen, muss eine bestimmte Schlafenszeit einhalten, die sich nach meiner Leistung in der Küche, dieses Molochs von einem Hotel richtet. Ein Grund, dass es kaum Arbeitslosigkeit gibt, ist auch, dass fast nur mehr Männer arbeiten. In den Büros, in den Supermärkten, in den Schäfetaschen sowieso nur Männer. Die Frauen sind zu Hause, in den kleinen Arbeiterwohnungen. Es gibt nur mehr Arbeiter. Angestellte dürfen sich nur die Kontrolleure, Instrukteure, Kommandeure nennen. Man kennt sie an den T-Shirts, die sie als Uniform tragen. Die Arbeiter tragen Grau, die Kontrolleure Gelb, die Instrukteure Blau, die Kommandeure Rot. Dankeschön. Ja, und die nächste Lesende ist Judith Gruber-Ritzi.