Ja, einen schönen guten Abend, meine Damen und Herren, hier im Stifterhaus. Es freut mich, dass ich Sie begrüßen darf zu einem Abend des PEN-Clubs, der mit dem Thema Verantwortung überschrieben ist. Wir haben verschiedene Vortragende heute. Moderieren wird den Abend die Vizepräsidentin des Peng-Clubs Oberösterreich, die Frau Claudia Thaller. Wir haben als Vortragende auch hier Thomas Duschlbauer, der einen Essay uns näher bringen wird. Thomas Schlager-Weidinger, der einige Gedichte zum Besten gibt, sowie Katja Winkler von der Katholischen Privatuniversität Linz, die ganz generell und vielleicht sehr wissenschaftlich, wir wissen es noch nicht, über das Thema referieren wird. Ich wünsche Ihnen einen anregenden Abend und darf an Frau Thaller übergeben, noch eine Anmerkung zum Schluss, das Tragen der FFP2-Maske ist eine Empfehlung des Hauses, aber nicht obligatorisch. Ich danke Ihnen. Einen schönen guten Abend. Ich darf Sie zu einer PEN-Oberösterreich-Veranstaltung begrüßen zum Thema Verantwortung. Diese Veranstaltung wurde bereits dreimal verschoben. Geplant war das Thema im Herbst 2019 für Frühjahr 20, verschoben auf Herbst 20, verschoben auf Frühjahr 21 und nun sind wir da Herbst 21. Nur ich habe so das Gefühl, das Thema Verantwortung ist von Verschiebung zu Verschiebung aktueller geworden denn je. Verantwortung, ein weites Feld. Man kann so schön Eigenschaftswörter davor hängen. Denken Sie es mal mit. Eigene, persönliche, soziale, ethische, politische, selbstverständlich, und moralische. Klingt überhaupt besonders gut. Und man kann sie einfordern, bevorzugt von den anderen. Heute ist der 9. November. Man kann eine Assoziation haben zum 9. November 1938. Hier und heute möchte ich es dabei belassen. Wir werden uns dem Thema Verantwortung von literarischer und philosophischer Seite annähern. Damit bin ich beim heutigen Abend. Wir haben zum zweiten Mal schon uns einen wissenschaftlichen Gast zur Literatur geholt. Wir haben damit begonnen im Herbst 19 zum Thema Angst. Da hatten wir den Psychologen und Angstexperten Dr. Moschitzki. Heute haben wir zum Thema Verantwortung als Gast aus der Wissenschaft Frau Dr. Katja Winkler von der Katholischen Privatuniversität Linz. Herzlich willkommen, Frau Dr. Winkler. Und wir haben unsere Lesenden aus dem Kreis des Pen-Oberösterreich. Das sind heute Abend zwei Herren, weil im 19. Jahr zu Angst waren es zwei Damen. Zwei Thomasse. Wir haben hier als Lesende den Thomas Duschlbauer und den Thomas Schlager-Weidinger. Grüß euch, schönen Abend, euch beiden. Die Reihenfolge haben wir uns so vorgestellt, dass wir Literatur, Vortrag Literatur abwechseln lassen, quasi die beiden Lesenden, die Vortragende symbolisch quasi in die Mitte nehmen und beginnen wird der Thomas Duschlbauer mit seinem Essay. Allerdings begonnen hat er interessanterweise zu schreiben mit Lyrik. Er ist dann umgestiegen auf Essays und Prosa, Essays zum Thema digitale Öffentlichkeitsarbeit, Politik und Ökonomie und er unterrichtet auch an verschiedenen Hochschulen, so zum Beispiel an der FH St. Pölten und der FH in Hagenberg. Und heute wird er uns aber eben einen Essay bringen. Bitte, Thomas. Es ist eigentlich ganz super, dass es dreimal verschoben worden ist, weil dadurch habe ich mehr Zeit gehabt, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen, weil überhaupt einmal in dieses Thema hineinzukommen, weil das so viele Facetten hat, das ist eigentlich gar nicht so einfach. Und ursprünglich war bei mir diese Auseinandersetzung mit, weil das ja heute ein historischer Tag ist, mit Sigmund Baumann, der über den Holocaust geschrieben hat und den Holocaust jetzt nicht quasi etwas gegen die Aufklärung gesehen hat, sondern eigentlich als Kind der Aufklärung sozusagen dieses modernistische, totale Prinzip, das dahinter steckt und dieses Prinzip der Verantwortung, das zu dieser Zeit eigentlich in der Bürokratie aufgegangen ist, dass jeder Prozess in ganz viele kleine Schritte, so wie bei einem industriellen Prozess, unterteilt wurde, sodass man sehr bequem die Möglichkeit hat, ein Stück Verantwortung immer sozusagen auf den Nächsten abzuwälzen. Und ausgehend von dieser Überlegung von Baumann war bei mir dann die Überlegung, Von dieser Überlegung von Baumann war bei mir dann die Überlegung, wie kann man sozusagen dieses Historische in die Gegenwart oder in die Zukunft hinein projizieren und dieses Prinzip, das die Bürokratie sozusagen innehat, wo findet sich das vielleicht heute? Und das ist das Thema dieses Essays, eine neue Rechenschaft. Gerade angesichts der Auswirkungen und Risiken moderner Technologien, zu denen beispielsweise der Klimawandel, die Gefahr von Pandemien, Blackouts etc. gehören, erlangt gegenwärtig das Prinzip Verantwortung des Philosophen Hans Jonas, das 1979 1979 erschien gegenwärtig wieder große aufmerksamkeit denn die nutzung von technologien macht keinen halt mehr an den grenzen unserer unmittelbaren lebenswelt und sie setzt sich auch zeitlich weit über unseren im vergleich zur evolution winzigen lebenshorizont hinweg vor dem hintergrund einer nächsten Liebe müsse die Ethik daher etwas zu einer fernsten Liebe erweitert werden. Was aber, wenn nun das Prinzip Verantwortung nicht mehr direkt vom Menschen ausgeübt, sondern von uns gleich an die Technik delegiert wird, etwa an Algorithmen. Wer soll denn besser über etwas Rechenschaft ablegen als ein Algorithmus? Noch dazu, wo die Rechenschaft dieser mathematischen Modelle so exakt und so untrüglich ist, dass daran nicht mehr gerüttelt werden kann, dass die Rechenschaft in einem 1 zu 1 Verhältnis zur Verantwortung beziehungsweise zu den für uns daraus resultierenden Konsequenzen steht. Noch dazu, wo die Ratio, die Vernunft, sich schließlich aus dem Kalkül und der Rechenschaft herleitet. So stellt auch die Blockchain eine völlig neue Qualität der Kodifizierung des Unwiderruflichen und Unverwechselbaren dar, die auf Technologie basiert. Heute hat die Blockchain sozusagen einen neuen Milestone erreicht. Mit 68.000 Dollar hat der Bitcoin quasi den vorläufigen Zenit erreicht. Darum ist dieser Konnex auch da. Die Autorität über einen Konsens oder eine daraus resultierende Vereinbarung wird dabei dezentral ausgeübt. Denn die Blockchain ist eine dezentrale Datenbank, deren Daten besonders sicher verwaltet und geschützt werden, weil sie auf verschiedene Server verteilt sind. Abweichungen und Manipulationen sind daher nicht auszuschließen, aber äußerst unwahrscheinlich, da die Informationen an allen Beteiligten rechnen und nicht nur auf einem geändert werden müssten. Die Blockchain ist transparent und für alle Nutzer kontrolliert nachvollziehbar. Wenn dort ein Vertrag geschlossen oder eine Überweisung getätigt wird, weiß das praktisch jeder. Die in der Blockchain gespeicherten Informationen können von keiner zentralen Stände geändert oder gelöscht werden. Es ist also so, als ob diese Information in Stein gemeißelt ist. Und aus wirtschaftlicher Sicht baut die Blockchain auf einem alten wirtschaftlichen Prinzip auf, der öffentlichen Erklärung. auf einem alten wirtschaftlichen Prinzip auf, der öffentlichen Erklärung. Streng genommen entspricht die Blockchain mit ihrer Kofragilität auch Peter Sloterdijks Schaumkonzept, da in diesem Gefüge jede Änderung in irgendeiner Weise von allen wahrgenommen werden kann und daher keine zentrale Überwachung mehr notwendig ist. Allerdings gibt es einen gravierenden Unterschied zwischen den räumlichen Metaphern Sloterdikes und der Blockchain. Während ein Schaumgebilde den Diskurs und die permanente soziale Aushandlung von Verhältnissen ermöglicht und repräsentiert, konzentriert sich die Blockchain auf den Aspekt der Kontrolle. Dass diese Kontrolle jedoch transparent und dezentral ausgeübt wird und Hierarchien sowie privilegierte Vermittler die Macht ausüben könnten, außer Kraft gesetzt werden, führt dazu, dass die Blockchain gemeinhin als eine liberale Errungenschaft verstanden wird. Die erste und immer noch beliebteste Anwendung der Blockchain ist das Mining von Kryptowährungen. Arbeit konzentriert sich in diesem Kontext nicht mehr darauf, mithilfe von Maschinen beispielsweise Felder zu bestellen, Tiere zu halten oder Waren aus Rohstoffen herzustellen. Stattdessen konzentriert sie sich direkt auf eine Technologie, die mithilfe eines Programmiercodes, einer Infrastruktur und dem Einsatz von Energie unmittelbar einen Geldwert produziert. Die ganze Welt ist eine Bühne und alle Männer und Frauen sind nur Spieler. Diese Worte von Shakespeare erinnern uns an die Bedeutung von Erzählungen, die unser Leben prägen und uns zum Menschen machen. von Erzählungen, die unser Leben prägen und uns zum Menschen machen. Obwohl Technologien kein Bewusstsein haben, keine kindliche Prägung erfahren, sich nicht mit Archetypen identifizieren und so weiter, daher selbst keine Geschichten produzieren, hat der Mensch sie immer in seine Geschichten verpackt. Zudem haben Geschichten wie jene von Daedalus oder der Mondlandung von Schulwern stets unsere Fantasie beflügelt und sieht so etwas wie sich selbst erfüllenden Prophezeiungen gemacht. In unseren Köpfen sind bereits Technologien am Werk, die vielleicht noch gar nicht existieren. Solche Ideen oder Visionen entstehen jedoch nicht von selbst, sondern haben auch Bezüge zur Vergangenheit. entstehen jedoch nicht von selbst, sondern haben auch Bezüge zur Vergangenheit. Technologische Entwicklungen sind in der Regel in narrative Strukturen eingebettet, die nicht nur technischer Natur sind, sondern auch kollektive Ideen zur Gestaltung unserer Gesellschaft beinhalten. Versteht man die Blockchain als eine unveränderlich sein sollende Datenstruktur und setzt diese Kulturtechnik in Beziehung zu einer langen Tradition von Medientechnologien, die etwa vom Faustkeil über den Buchdruck bis hin zu den digitalen Formen der Kommunikation reicht, dann verändert sich auch unsere Perspektive. Aus dieser kulturgeschichtlichen Sicht lässt sich sagen, dass die Blockchain aufgrund ihrer elektronischen Infrastruktur die Vorteile der Veröffentlichung über große Entfernungen mit den Vorteilen einer materiellen Schriftkultur wie dem Buchdruck verbindet und dadurch eine gewisse Verbindlichkeit zwischen allen Beteiligten schafft. Für die Mehrheit der Nutzer, die selbst nicht programmieren können, ist der im Hintergrund agierende Code jedoch eine Art Blackbox, ein Mysterium. Hier liegen wir weit hinter dem Stand mittelalterlicher Mönche, die zu einer kleinen Elite von Menschen gehörten, welche der Kulturtechniken des Schreibens und Lesens kundig waren. Dieser Umstand ist auch deshalb wichtig, weil die Blockchain ebenfalls mit Regeln für den Konsens ausgestattet ist. Öffentliche Blockchains sind als dezentrale Systeme strukturiert und da sie nicht von einer zentralen Verwaltungsstelle abhängen, müssen sich die dezentralen Knotenpunkte über die Gültigkeit von Transaktionen einigen. Hier kommen Konsensalgorithmen ins Spiel. Sie sorgen für die Einhaltung der Protokollregeln und garantieren, dass alle Transaktionen zuverlässig abgewickelt werden, sodass zum Beispiel bei Kryptowährungen die Coins nur einmal ausgegeben werden können. Es kann als problematisch angesehen werden, dass die technologische Sprache der Kodierung bisher nur von einer kleinen Gruppe von Menschen beherrscht wird, denn Codes prägen auch unsere Sicht auf die Welt. Es ist wichtig zu verstehen, dass Codes nicht nur die Realität abbilden, sondern diesem Konstrukt auch eine Struktur geben, die sich in unseren Erzählungen auch denen von uns selbst wiederfindet. Blockchain-Technologien sind nicht nur narrativ in dem Sinn, dass sie Teil der Geschichte sind, die wir als Individuen, Gemeinschaften und Gesellschaften über sie erzählen. Blockchain-Technologien können viel mehr. Sie können die Narrative konfigurieren, die wir verwenden, um unsere alltägliche soziale Realität zu interpretieren. Sie können damit auch das Prinzip Verantwortung neu definieren, beziehungsweise sogar sukzessive relativieren. Denn erstmals in der Geschichte haben wir Menschen Technologien geschaffen, die den Diskurs über sich selbst und ihre ethische Tragweite regulieren und beeinflussen können. Erstmals in der Geschichte wurde im Vorjahr beispielsweise eine Technologie in die Lage versetzt, über sich einen Artikel zu schreiben und so etwas wie eine Autorenschaft zu übernehmen. Es wird zudem auch noch lange dauern, bis die Kulturtechnik des Codierens Daten so weit aufbereiten kann, dass wir sie vollständig verstehen und sich so die Welt für uns Menschen als Kollektiv noch besser erschließen lässt. So viel Zeit haben wir nicht, denn je nach Sichtweise gehen wir immer mehr von unserer Deutungshoheit oder Gestaltungsmacht ab, wenn Algorithmen selbst neue Algorithmen schreiben. In einem eher optimistischen Szenario, das auf historischen Erfahrungen beruht, könnte man meinen, dass sich eine Entwicklung wie die der Schrift abzeichnet. Diese wurde bereits praktiziert, noch bevor sie auf breiter Basis genutzt werden konnte. Und als die Mehrheit schließlich schreiben konnte, machte sie von ihrem Recht auf persönliche Erkundung der Welt gebraucht. Sie schrieb selbst Geschichte. Zu dieser Einschätzung muss allerdings gesagt werden, dass zum Beispiel die Auswirkungen des Buchdrucks immer schon zuvor in den Köpfen angekommen sind, bevor sie eben zu Papier gebracht und realitätsveränderte Handlungen vorgenommen wurden. Heute sind die erdachten Codes direkt mit den Ausführungstechnologien verbunden. Es ist daher nicht gewährleistet, dass ein Code als Schnittstelle zwischen einem Algorithmus und dem Computer, der die Berechtigungsschritte ausführt, gesellschaftlich ausverhandelt wurde. Ausgehend von der Idee Marshall McLewins, dass Technologien auch Kulturtechniken als Kulturtechniken eine strukturelle Wirkung haben, gilt dies für Schrift und Bücher ebenso wie für die Kodierung, die Blockchain, künstliche Intelligenz und so weiter. So wurde mit dem Buchdruck vermutlich eine strukturelle Macht auf die Gesellschaft ausgeübt, die auch den Beteiligten nicht bewusst war, da sie primär auf den Inhalt der jeweiligen Kommunikation ausgerichtet war. Das Schreiben ist ein Ausdruck unseres Denkens und es bedarf einer Leserschaft, die zu einer Reaktion motiviert werden kann. Und wir sollten auch nicht vergessen, dass es mehr als einen Leser gibt und daher unterschiedliche Interpretationen eines Textes auch zu unterschiedlichen Handlungen führen können. Auch Dekodierung ist aufgrund unseres Denkens ein dem Schreiben ähnlicher Akt, aber der Programmiercode ist als ein Sprechakt zu sehen, der die Realität direkt konstituieren kann. Hinzu kommt, dass bisher etablierte Kulturtechniken wie die Schrift, die es uns ermöglicht haben, unsere soziale Wirklichkeit zu verhandeln, zunehmend mit solchen Sprechakten gekoppelt werden. Diese Tatsache sollte uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass Programmiersprachen als formale Sprachen klassifiziert werden, die im Vergleich zu natürlichen Sprachen als präziser und klarer gelten. In der Folge werden soziale Beziehungen immer starrer, was zu einem Verlust an Dynamik und damit an Freiheit und Verantwortungsbewusstsein führt. Technologien wie die Blockchain konfigurieren narrative Strukturen, die von einer Handlungsebene abstrahieren. Da sprach Gott, es werde Licht und es ward Licht. In ähnlicher Weise, wie hier in der Genesis beschrieben, funktionieren auch die Sprechakte, die durch die Technologie der Kodierung erzeugt werden. Die Szene aus dem Schöpfungsbuch stellt eine Vorstellung von Schrift dar, in der Buchstaben nicht nur sprachliche Symbole sind, sondern etwas Reales, das aus einer bestimmten geistigen Substanz besteht. Für Gott ist es möglich, diese Buchstaben nach seinem Willen so zu gestalten, dass aus ihnen zugleich so etwas wie Wirklichkeit entsteht. Die göttlichen Sprechakte der Schöpfungsgeschichte sind etwas ganz Eigenes. Sie kommen aus dem Nichts und haben keinen Kontext, an den sie gebunden sind. Sie sind eine Art Happening, ein reines Ereignis oder eine Vorstellung. Wenn das Wort, wie im Johannesevangelium verkündet, den Anfang der Schöpfung markiert, dann drückt Gott auch in ihm aus und manifestiert sich in dieser Schöpfung. Der Vollzug des gesprochenen Wortes als Schöpfung, als performativer Sprechakt im Sinne von Osten, kann im Sinne von Osten gedeutet werden. Aber es ist zumindest für uns Menschen unvorstellbar, dass Gott bereits eine Idee von dem haben konnte, was nach dieser Erzählung noch nicht existierte und was er als erster intendiert hat. Diese radikale Form der Emergenz übersteigt unsere Vorstellung von Imagination, zumal wir unfähig zu jeder Vorstellung sind, uns vorzustellen, was noch nicht ist. Danke. Herzlichen Dank, Thomas Dusselbauer. Ich kannte den Inhalt des Essays gar nicht und bin insofern nicht überrascht, als ich wusste, es wird sophisticated, sophisticated, der Thomas bringt. Und ich denke mal, ich möchte einen Gedanken aufgreifen. Du hast gesprochen, dass man verschiedene Interpretationen über verschiedene Dinge legen kann und so würde ich es auch mit deinem Essay halten. Ich denke mir, er ist vielseitig interpretierbar. Dankeschön, Thomas. Ja, wir kommen zum Vortrag von Frau Dr. Katja Winkler. Sie ist Assistenzprofessorin am Institut für christliche Sozialwissenschaften an der katholischen Privatuniversität Linz. Forschungsschwerpunkte von ihr sind politische Philosophie, postkoloniale Ethik und Religionssoziologie. Heute wird sie, so viel ich weiß, aber mehr weiß ich auch nicht, zum Thema Verantwortungsethik sprechen. Herzlich willkommen, bitteschön. Vielen Dank für die Einladung. Ich werde jetzt tatsächlich irgendwie einen ganz anderen ethischen Pfad einschlagen als der Vorredner, aber das ist ja wahrscheinlich recht gut. Dann haben wir so ein ganzes Tableau vorliegen, was Verantwortung bedeuten kann. Also ich möchte aus theologisch-sozialethischer Perspektive zu diesem gewichtigen Begriff Verantwortung vortragen und mache das aus einer bestimmten ethischen, also bestimmten wissenschaftlichen Perspektive, die vielleicht bestimmten Intuitionen widerspricht, die Sie hier im Raum haben, wenn Sie Verantwortung hören. Ich stimme nämlich einerseits nicht dem Narrativ zu, das mit Überforderung und Komplexität hantiert. Das Komplexitätsnarrativ zu Verantwortung suggeriert nämlich, dass Verantwortung zu übernehmen gar nicht mehr möglich ist. Also die Welt aktuell ist zu komplex. Wir brauchen vielleicht Algorithmen, die die Algorithmen generieren und eben die Einzelne, der Einzelne kann Verantwortung aufgrund dieser Komplexität nicht mehr übernehmen, Abschätzung unserer Handlungen viel zu kompliziert geworden ist und kaum einschätzbar geworden ist. Also vielleicht das tatsächlich aber als Anschluss an den Vortrag, natürlich nicht an den Schluss, sondern an den Mittelteil. Also aber diesem Narrativ, das vielleicht zu so einer Art Verantwortungsweitergabe führt, will ich hier nicht das Wort reden und andererseits will ich auch nicht dem Eigenverantwortungsnarrativ das Wort reden. Das heißt also auch, es geht vor allem vielleicht darum, Eigenverantwortung heißt Unabhängigkeit und vor allem auch wirtschaftliche Unabhängigkeit. Also diesem individualistischen Bild von Verantwortung will ich auch nicht das Wort reden. will ich auch nicht das Wort reden. Mir geht es praktisch um eine Lesart zwischen den Polen der grenzenlosen Machbarkeit, jeder ist für sich selbst verantwortlich und dann wird schon für alle Verantwortung getragen, und dem Stillstand, also alles ist praktisch zu komplex und es kann überhaupt keine Verantwortung mehr übernommen werden. Ich versuche jetzt, Verantwortung aus alteritätsethischer Sicht Ihnen ein bisschen nahe zu bringen und zwar Verantwortung zu denken vom jeweils anderen her, nämlich eine Verpflichtung dem oder der anderen gegenüber und das heißt eine Verpflichtung dem oder der anderen zu antworten. Also das steckt praktisch ja schon in dem Wort drin. Ich werde, wie gesagt, auf Alteritätsethiken Bezug nehmen, die vor allem von dem jüdischen Denker Emanuel Levinas geprägt worden sind, aber auch von der Gender-Theoretiker Judith Butler. Beide definieren grob gesprochen Verantwortung als das Vermögen oder die Verpflichtung, Antworten zu geben und zwar Antworten auf die Ansprache des Anderen. Die Ansprache oder nur die Anwesenheit von Anderen, dessen kann ich mich nicht entziehen. Also wenn Andere da sind, fordern die mich heraus und praktisch die anderen verlangen verantwortetes Handeln von mir. Das ist so der Grundgedanke. In den nächsten Minuten werde ich also eine kleine Begriffsdefinition von Verantwortung geben und vor allem auf diese Alteritätsethiken eingehen und dann aber auch die Kritik dieser Anerkennungstheorien der Alteritätsethiken am Eigenverantwortungsnarrativ und am Komplexitätsnarrativ nochmal darstellen. Zum Schluss möchte ich noch, also ich weiß nicht, das ist vielleicht ein bisschen gewagt hier im Raum, aber eine Bemerkung zur Verantwortung der Schriftstellerin machen. Also, zum Begriff Verantwortung. Verantwortungsethik kennen wahrscheinlich die meisten von Max Weber. Allgemein gesprochen hat in dem Sinne Verantwortung damit zu tun, dass man unter den Bedingungen einer sozialen Welt handelt, in der die Folgen des Handelns von Bedeutung sind. Verantwortung heißt, das haben wir im vorherigen Essay auch gehört, gewissermaßen eine Rechenschaft für unser Handeln abzulegen, Konsequenzen zu bedenken, Folgen abzuwägen. Es geht um eine folgenbasierte Legitimation, die auf einer Zurechnungsfähigkeit passiert und es geht bei Verantwortung immer irgendwie auch um eine Zuständigkeit von jemandem für etwas. Verantwortung ist ein dreigliedriger Begriff. Jemand ist verantwortlich für etwas oder jemand und der muss auch sein Handeln vor jemandem verantworten. Also wer ist verantwortlich für wen oder was, vor wem oder was und deswegen geht es bei Verantwortung um ein Verantwortungssubjekt, ein Verantwortungsobjekt, aber auch um eine Verantwortungsinstanz. Also ein Verantwortungssubjekt, das muss nicht unbedingt ein einzelnes sein, sondern es kann auch ein Kollektiv sein, eine Nation, die Kirche, es kann die Bundeskanzlerin sein, es kann ich sein, du sein, es können Eltern sein für ihre Kinder. Verantwortungsobwirkt müssen wir ebenfalls individuell oder kollektiv denken können, also auch praktisch den oder die, für die ich Verantwortung übernehme, kann eine Gruppe sein, die Notleidenden. Ich kann Verantwortung für Gräueltaten übernehmen, für eine ganze Gesellschaft auch. Die Verantwortungsinstanz, wahrscheinlich fällt jede von Ihnen vor allem ein Gericht ein, das praktisch über bestimmte Handlungen und deren Folgen urteilt. Es kann auch damit die kritische Öffentlichkeit gemeint sein mit der Verantwortungsinstanz. Es kann natürlich auch auf das Individuum verlagert das Gewissen sein. Es kann Gott sein, aber es können auch wieder die Einzelnen sein, zum Beispiel aber auch Notleidende oder die Betroffenen von etwas, von einer Handlung. Verantwortung ist also immer ein intersubjektives Geschehen und das betonen diese Alteritätstheorien, auf die ich jetzt eingehen werde. diese Alteritätstheorien, auf die ich jetzt eingehen werde. Verantwortung entsteht aus alteritätsethischer Sicht dadurch, dass wir der Anrede durch den anderen ausgesetzt sind. Und wir können uns dieser Anrede der anderen nicht entziehen. Es geht also nicht um eine Beschäftigung mit sich selbst bei Verantwortungsübernahme oder um eine gewisse Unabhängigkeit unserer Taten, sondern Verantwortung erwächst aus der Beziehung zum anderen. Levinas spricht von der Urempfänglichkeit für das Antlitz des Anderen und von der ungewollten Anrede durch die Anderen. Also wir sind grundsätzlich existenziell voneinander abhängig und somit ist die Empfänglichkeit für den anderen also die Grundlage für Verantwortung. Also es ist davon auszugehen, wir können uns den anderen Menschen nicht entziehen, das ist praktisch schon, wenn wir auf die Welt kommen, in den Alteritätstheorien gibt es so ein Beispiel des frühkindlichen Imitationsverhaltens. Also wenn ein Kind auf die Welt kommt, reagiert es innerhalb von ein paar Minuten auf die Bezugsperson. Zum Beispiel, wenn ich die Lippen so zum Rund forme, reagiert das Kind und formt sie ebenfalls so. Forme, reagiert das Kind und formt sie ebenfalls so. Und das macht es auch relativ schnell dann sogar initiativ, weil es eben in Kontakt mit der anderen Person treten will. Das ist praktisch so eine bio-soziale Grundlage, die diesen Alteritätstheorien zugrunde liegt. Die gehen also davon aus, dass Anerkennung, also Anerkennungsethiken gehen davon aus, dass Menschen sich dem anderen nicht entziehen können und dass eine gewisse Abhängigkeit besteht. Also das heißt auch, die Verantwortlichen sind gar nicht so souverän in ihrem verantwortlichen Handeln. Primär ist für Anerkennungsethiken, dass wir, also primär ist, Entschuldigung, ist nicht für Anerkennungsethiken, dass wir Verantwortung für die Handlung des anderen übernehmen, als wären wir der Urheber der Handlung. nehmen, als wären wir der Urheber der Handlung. Also zum Beispiel Eltern haften für ihre Kinder, heißt insofern jetzt nicht primär, die Eltern sind die Täter, steigen nachts in die Baustelle, ins Schwimmbad oder weiß Gott was ein, sondern alteritätsethisch heißt das, Eltern haften für ihre Kinder, Eltern und Kinder sind existenziell in einer unauflöslichen Beziehung zueinander, was auch immer passiert, wie auch immer die Beziehung aussieht. Also alteritätstheoretisch heißt, Verantwortung hat man sich nicht ausgesucht, Verantwortung hat man sich nicht ausgesucht, sondern man muss auf die Ansprache oder das, was die anderen tun, reagieren. Also einerseits kann ich mich nicht dem anderen entziehen, andererseits ist es schon ethisch relevant, dass ich mich auch nicht entziehen will. Also dass ich mich praktisch intentional auf die anderen einlasse. Denn mein Vermögen, das auf mich durch andere eingewirkt werden kann, bindet mich in eine Verantwortungsbeziehung, sagt zum Beispiel Judith Butler. Sie schreibt weiter, ich kann die Frage der Verantwortung nicht losgelöst vom anderen denken. Wenn ich das tue, habe ich mich schon aus jener Art der Anrede herausgenommen, aus der Verantwortung überhaupt erst hervorgeht. Das wäre dann zu diskutieren eben bei der anderen Interpretation vom Verantwortungsbegriff. Sie schreibt weiter, Ausgangspunkt der Verantwortung ist also der andere, ein anderer Mensch, der durch seine Ansprache die subjektive, also meine subjektive Weltordnung aus den Angeln hebt. Der fordert und zur Verantwortung ruft. Ein Ruf, dem auf ethischer Grundlage entsprochen werden muss. Sie spricht in gewisser Weise von einer ethischen Pflicht, für den anderen ansprechbar zu sein, also den anderen die Möglichkeit zu geben, Also den anderen die Möglichkeit zu geben, mich zu fragen, dass ich antworte. Und was bei dem Punkt wichtig ist, ich habe einerseits letztlich keine Wahl, irgendwie Verantwortung zu übernehmen. Ich kann mich nur, komme ich später noch drauf, dem schon irgendwie entziehen. nur, komme ich später noch drauf, dem schon irgendwie entziehen. Und es geht aber immer um eine Ansprache, auch jetzt nicht von denen, die ich kenne, die so sind wie ich, die so zu meiner Community gehören, sondern es geht um die Ansprache durch die Fremden. Also praktisch um eine Offenheit gegenüber denjenigen, die genau nicht so sind wie ich, genau gegenüber denjenigen, die meine Weltordnung aus den Angeln heben. Butler spricht vom Ausgeliefertsein den anderen gegenüber und Verantwortung übernehmen bedeutet dann, dass man sich diesem primären Ausgesetztsein gegenüber den anderen, den fremden anderen nicht verschließt. Also ich muss die Möglichkeit der Ansprechbarkeit offen halten, dann bin ich verantwortlich oder dann handle ich verantwortlich. Wenn ich mich dieser Ansprache der anderen irgendwie entziehe, handle ich unverantwortlich. Zu betonen ist nochmals, dass es eben nicht um eine Offenheit gegenüber meinesgleichen geht, nicht um eine Offenheit gegenüber meinesgleichen geht, sondern um die Offenheit gegenüber denjenigen, die ich nicht kenne, gegenüber den Entfernten. Vielleicht in meinem Fall, wenn man diesen Begriff Antlitz aufnimmt, es geht um die Ansprache oder die Anwesenheit des Antlitz der Geflüchteten, des Antlitz der von Armut Betroffenen, des Antlitz der Arbeitssuchenden, des Antlitz der Menschen mit Beeinträchtigung, des Antlitz der besonders gefährdeten Gruppen in Zeiten der Corona-Pandemie, der vulnerablen Gruppen. Es geht aber auch, und das ist beim 9., also es geht aber auch praktisch am 9. November um das Antlitz derjenigen, die zum Beispiel im KZ getötet wurden. Und es geht aber auch um das Antlitz der nachfolgenden Generationen, wenn man es umweltethisch deuten möchte. Wenn man sich nicht anfragen lässt und die Anfrage ist eine Zumutung, weil das sind eben wie gesagt Fremde, Andere, wenn ich praktisch diese Zumutung von mir schiebe, komme ich meiner Verantwortung nicht nach. Und diese Zumutung von mir wegschieben, das tue ich wahrscheinlich öfter, als mir lieb ist. Ethisch gesprochen, man konstruiert bestimmte Gründe, um dem anderen, um praktisch nicht verantwortlich sein zu müssen. Und aufgrund dieser Gründe kann ich andere ganz gut aus meinem Sichtfeld oder aus der Gesellschaft exkludieren. Und das kann ich letztendlich durch das Komplexitätsnarrativ. Also ich sage, ich kann keine Verantwortung übernehmen, weil die Folgenabschätzung ist viel zu kompliziert. Also ich bin selbst handlungsunfähig letztendlich, wenn ich die Komplexität der Welt mir angucke. Und dann heißt es eben, der Fremde spricht mich an, aber als Antwort kann ich keine Antwort geben, weil es einfach zu kompliziert ist. Die zweite Lösung für diejenigen, die nicht verantwortlich sein wollen, ist praktisch dieses Eigenverantwortungsnarrativ zu etablieren, dann muss ich ja keine Verantwortung übernehmen, weil jede und jeder für sich selbst Verantwortung übernimmt. Rechenschaft muss ich nicht ablegen für die anderen, die mich ansprechen, sondern jeder gibt Rechenschaft für sich selbst dann ab. Also ich lasse mich gar nicht ansprechen, weil eine Antwort einfach auch nicht nötig ist, weil eben alle für sich selbst verantwortlich sind. Eine Antwort auf Notlagen von anderen ist nicht notwendig, zum Beispiel kulminiert es vielleicht darin, dass soziale Sicherungssysteme nicht mehr als notwendig erachtet werden. Wenn jeder für sich verantwortlich ist, das vielleicht noch zum Schluss, führt es zu einer Isolierung letztendlich. Der andere wird unsichtbar und Solidarität wird unnötig. Gegen dieses Eigenverantwortungsnarrativ schreiben die Alteritätstheorien an, weil bei denen eben Intersubjektivität, Sozialität, wechselseitige Abhängigkeit aufeinander angewiesen sein, abhängigkeit aufeinander angewiesen sein vulnerabilität zentral sind also existenziell gehören diese dinge zum menschen dazu alteritätstheorien führen zu einem weiten begriff der solidarität zu einer umfassenden solidarität, einer gesamtgesellschaftlichen, vielleicht sogar globalen Solidarität über die Grenzen von Klassen, sozialen Milieus, Interessensvertretungen hinweg. Und diese Art von Solidarität, nebenbei bemerkt, entspricht auch dem katholisch-sozialen Denken, dem Begriff von Solidarität, der so definiert wird, dass aus Gemeinverstrickung Gemeinhaftung resultiert. Somit ist Verantwortung in der Lesart der Alteritätstheorien eine Eigenschaft von Personen, die am Schicksal anderer teilhaben und ein Bewusstsein dafür besitzen, was sie ihnen aus Gründen der Solidarität schulden. Und deswegen ist eben so ein für Alteritäts theoretischer Verantwortungsbegriff, würde ich sagen, eine große Ressource genau für diejenigen, die praktisch am unteren Ende der Ungleichheitsskala stehen. Der ist relevant für diejenigen, die arm gemacht werden, damit die Personen eben wieder Rechenschaft für ihre schlechte Lebenslage einfordern können und Antworten fordern können von denjenigen, die mit ihnen zusammenleben. Vielleicht noch ein Punkt zu der Verantwortung der Schriftstellerin. Diese Anerkennungstheorien, Alteritätstheorien leben letztendlich auch von der Dekonstruktion. Dekonstruktion. Kunst schafft Irritation und sorgt somit für die Öffnung zum Anderen, weil ich unter Umständen für fremde Lebensweisen offen werde, weil irgendwie Unsichtbares in der Literatur sichtbar gemacht werden kann und eigentlich auch gerade durch Literatur die Vergangenheit erlebbar und die Zukunft erlebbar gemacht werden kann. Und zwar also ganz konkret, vielleicht auch in Form von Schicksalen. Form von Schicksalen. Gerade am 9. November soll daran erinnert werden, dass Menschlichkeit aus der Verantwortung für die Vergangenheit erwächst. Das Antlitz der anderen soll in Erinnerung gerufen werden und lebendig werden. Das könnte zum Beispiel eine Aufgabe der Schriftstellerin sein, wenn man sich das irgendwie überhaupt so wagen darf, von ethischer Seite in den Bereich rein zu pushen. Wobei jetzt vielleicht noch zur Güte, es haben sich ja Schriftstellerinnen damit beschäftigt, zum Beispiel Max Frisch, in diesem Essay die Verantwortung des Schriftstellers. Und der sagt eben, Literatur darf sich nicht didaktisch machen und darf nicht genuin politisch sein. Aber wenn ich den Frisch mal zitieren darf, die direkte Nützlichkeit der Dichter ist zwar fragwürdig, aber was sie leisten ist Irritation. Poesie als Durchbruch zur genuinen Erfahrung unserer menschlichen Existenz. Poesie befreit uns zur Spontanität. Weiter, Poesie macht uns betroffen, sie trifft uns da, wo wir uns wundern, sie unterwandert unser ideologisiertes Bewusstsein und insofern wird Poesie und alle Kunst, die diesen Namen verdient, als subversiv empfunden. die diesen Namen verdient, als subversiv empfunden. Es genügt, dass sie da ist, als Ausdruck eines profunden Ungenügens und einer profunden Sehnsucht. Als Ausdruck der Freiheit im Erkennen und im Empfinden. Und, das sagt er am Schluss oder vielleicht auch mittendrin, als Gegenposition zur Macht. Und da sehe ich eine Verbindung eben zu diesen Alteritätstheorien. Wenn Kunst und Poesie eine permanente Irritation hervorbringt, dann initiiert sie eine Öffnung auf den anderen hin. Vielen Dank. Sehr herzlichen Dank, Frau Dr. Katja Winkler, für Ihren echt spannenden Vortrag. Und was ich ganz besonders hervorheben möchte, ist, wie es möglich ist, Wissenschaftliches so klar, so stringent, so gut nachvollziehbar für uns Schriftsteller und Schriftstellerinnen zu bringen. für uns Schriftsteller und Schriftstellerinnen zu bringen. Alle Achtung, spannend und so präzise und so genau und dabei gut zu folgen und gut mitzudenken. Recht, herzlichen Dank und auch noch herzlichen Dank, dass Sie uns da auch noch irgendwie zum Schluss so eingewoben haben. Ich glaube, dass... Ja, ja, die Poesie, also die kommt jetzt eh zu Wort, das passt ganz gut. Wir sind damit beim dritten Programmpunkt und beim zweiten Lesenden, beim Thomas Schlager-Weidinger. Er ist wirklich ein Lyriker. Er hat Lyrikbände herausgebracht, Sonderzahl. Hier habe ich sechs theopoetische Lyrikbände in einem deutschen Verlag, zwei Lyrikbände, vielleicht sind es inzwischen schon drei oder noch mehr, in einem oberösterreichischen Verlag und im Brotberuf, weil Brot braucht auch der Thomas Schlager-Weidinger, ist er auch Hochschullehrer und zwar an der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz. Also lauter gescheite Leute heute, das ist unglaublich. Ja, er wird heute aus dem Band Wärende Wunde Gedichte gegen rechts lesen. Bitte, Thomas. Das gestatte ich mir immer den Schluck. Ja, es waren jetzt zwei sehr starke, inhaltsschwere Auseinandersetzungen mit dem Verantwortungsbegriff. Ich habe mich vor allem, was deinen Vortrag betrifft, in vielen Ansätzen wiedergefunden. Also dieses alteritätstheoretische Modell, wie man sich Verantwortung nähert und wie man Verantwortung auch literarisch verarbeitet, ist mir nahe, aber selbstverständlich ein wahnsinnig hoher Anspruch. Heute am 83. Jahrestag, es ist bereits erwähnt worden, der Reichsprogrammnacht mit 1400 zerstörten Synagogen ist natürlich der erste Teil meiner, es ist in dem Fall nicht Lyrik, sondern ich würde sie eher bezeichnen als Mikro-Essays und der zweite Teil setzt sich auseinander mit der gegenwärtigen Situation. Beginnen möchte ich mit einem ganz einem kurzen Haiku, das in Erfurt entstanden ist und mit der alten Synagoge zu tun hat. Die alte Synagoge in Erfurt ist mit ihren 900 Jahren eine der ältesten Synagogen Europas und die wurde bei einem sehr frühen Pogrom bereits 1349 enteignet und für etwas anderes verwendet und deswegen war sie dann auch zur Zeit der Nationalsozialisten nicht als Synagoge erkennbar und hat deswegen auch der Zerstörung überlebt. 2009 wird sie als Museum und schließlich auch als Vortragsraum genützt. Weil sich ein bisschen mit deutscher Politik auskennt, also Erfurt ist natürlich auch AfD nahe, das ist der Hintergrund dieses Haikus, Erfurt, alte Synagoge. Erst jetzt schmückt sie sich mit ihrem verschmähten Glanz. Wie lang bloß wieder. Der nächste Text ist nach einer Exkursion nach Auschwitz entstanden und trägt auch diesen Titel Auschwitz. Nur noch Phantomschmerz einer klaffenden Wunde, überklebt mit Pathos und zu vielen Worten. Die Steine schreien noch und auch die leeren Koffer gefüllt bis zum Rand. Hier stellt sich die Frage, Sie kennen die Zeilen von Adorno, nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist eigentlich barbarisch. Darf man das? Kann man das? Adorno hat sich wahrscheinlich ein einziges Mal nur korrigiert, und zwar bezüglich diesesauernde, wiederkehrende Leiden, hat so viel Recht auf Ausdruck, wie der Gemarterte zu brüllen. Darum mag falsch gewesen sein, nach Auschwitz ließe sich kein Gedicht mehr schreiben. Der Text heißt Ador Not. Ador not. Nach Marsch, Marsch, Oberscharführer, Rampe, war jedes deutsche Wort zu wenig, zu viel. Nach Gutmensch, Obergrenze, Asyltourist, ist jedes deutsche Wort zu wenig, zu viel. Die Stimme jedoch bleibt, um in Gedichten die Toten zu begraben und den Fluch der Wiederkehr zu bannen. Im nächsten Mikro-Essay, der betitelt ist mit Schlussstrich, Fragezeichen, setze ich mich mit einem möglichen Umgang mit der NS-Vergangenheit auseinander. Es geht nicht um Aufwärmen, um Erinnern, aber schon. Es geht nicht um Verurteilen, um Verstehen, aber schon. Es geht nicht um Schuldigsein, um Verantwortung, aber schon. Es geht nicht um Schuldigsein. Um Verantwortung. Aber schon. Es geht nicht um Betroffensein. Um Wissen warum. Aber schon. Es geht nicht um Schämen. Um Trauern. Aber schon. Es geht nicht um Aufarbeiten. um Auseinandersetzen, aber schon. Es geht nicht um Bewältigen, um Bewahren, aber schon. Es geht nicht um Verdrängen, um Vergeben, aber schon. In unmittelbarer Nachbarschaft von Linz ist das Gelände des ehemaligen KZ-Zwillingslagers von Mauthausen KZ-Zwillingslagers von Mauthausen. Noch mehr Tote als in Mauthausen, noch größer. Trotzdem ist es eigentlich so aus dem allgemeinen Bewusstsein viel, viel weiter weg. Hat auch damit zu tun, nachdem die sowjetische Besatzungsmacht aus Österreich im Jahre 55 eben das Land verlassen hat, wurden große Teile der ehemaligen Lagerareale im KZ Gusen I durch die Republik Österreich privatisiert und in den ersten Nachkriegsjahrzehnten teilweise stark mit Einfamilienhäusern überbaut. Also wer Gusen schon mal war, man erkennt nicht mehr das frühere KZ. Geschmückte Rabatten, geschnittene Hecken, gestrichene Fassaden, geschmückte Fenster, gelungenes Gedenken. Erstklassik, Gedanken eines Österreichers beim Neujahrskonzert. Jahreskonzert. Erstklassig. Der Klang der Wiener Philharmoniker, die Eleganz der weißen Pferde, der Dreivierteltakt der Opernball-Debütanten, die Schnelligkeit der rot-weiß-roten Abfahrer, Der Geschmack der rosa Schnitten und die Gedächtnislücke von 1938 bis 1945. Die nächsten beiden Texte haben mit der Aufarbeitung der unmittelbaren Familiengeschichte zu tun. Wir wussten ja mal die Opferseite auch einzunehmen. Wie in jeder Familie, gab es auch in meiner Familie die Täter, die Mitläufer, aber auch diese beiden Opfer. Das erste Gedicht ist meiner Großmutter Elisabeth Baumann gewidmet. Ihr Mann Rudolf Baumann, 13. März 1909 geboren, wurde am 14. September 1944 als Wehrmachtstessateur wegen Fahnenflucht in Treffling, Berlins, hingerichtet. Meine Großmutter Elisabeth Baumann, am 6. Dezember 1910 geboren, starb am 24. Jänner 2004. Elisabeth B. steck im nahen Wald, euer Hoffnungsort im Weltenbrand. Gefangen genommen, deine Zukunft, dein Mann verurteilt zum Tod, erschossen an einem warmen Septembertag im 44er-Jahr. Geblieben nur eine letzte verfluchte Umarmung mit einem kahlrasierten im Strefflingsgewand, zurückgeträumt in vielen Nächten. Ein paar Zeilen auch zu jeder Weihnacht vorgelesen, für ein viel zu langes Leben, das mit 33 schroff begann. Spott und Häme für die Witwe eines feigen Verräters und viel zu viele einsame Sorgen für drei kleine Mädchen, die ihren Vater nicht mehr hatten. Geblieben aber auch dein törichter Glaube, der von Jahr zu Jahr stärker wurde als Verbitterung und Hass. Du lachtest und liebtest bis zu ersten Umarmungen drüben, schenkst mir Hoffnung so im Dämmerschein. Dämmerschein. Der nächste Text ist dem Großvater meiner Frau gewidmet. Es ist Dr. Bernhard Dietrich. Seine Lebensdaten sind von 1895 bis 1961. Er wandte sich aufgrund seiner Erfahrungen als Frontsoldat im Ersten Weltkrieg und seines katholischen Glaubens bereits 1923 öffentlich gegen die NS-Ideologie in der braunen Hochburg Marburg. Nach der Machtergreifung musste er deshalb für ein halbes Jahr in die Schweiz und das Elsass flüchten. 1935, 36 und 44 wurde er mehrere Wochen inhaftiert. Nach dem Krieg wurde er erster Bürgermeister in Singen am Hohentwil, also im Bodenseegebiet, und Mitglied im Entnazifizierungsausschuss für Ärzte. Unmittelbar nach dem Krieg entwickelte er mit anderen die Idee einer föderalistischen Alpenunion und visionierte für die ferne Zukunft die Vereinigten Staaten von Europa. 1960 erhielt er das Bundesverdienstkreuz erster Klasse. Ich zitiere hier Thomas Morus in seiner Arztpraxis. Hinter seinem Schreibtisch prangte dieses Schild. Also jeder Patient, der zu ihm in die Ordination kam, musste sich mit folgendem Zitat auseinandersetzen. musste sich mit folgendem Zitat auseinandersetzen. Niemals habe ich daran gedacht, einer Sache zuzustimmen, die gegen mein Gewissen gewesen wäre. Bernhard D. Wieder die getrübte Sicht der Kranken steht klar und deutlich ein Bekenntnis, das täglich dir den Rücken stärkt. Nicht nur an der Wand, hinter dem Schreibtisch deiner Ordination prangt beharrlich das Minet-Tegel und bewegt dich zum Handeln, obwohl du bedroht, boykottiert, beruflich geschädigt, immer wieder von der Gestapo verhört, auf der Flucht dreimal in Haft sowie in Sorge um deine Frau und acht Kinder bist. Dennoch meldest du nicht die Schwangerschaften der Zwangsarbeiterinnen, rettest so deren Leben. Wird euer Haus zum Zufluchtsort für Verfolgte und Gegner und zum Sprungbrett in die Schweiz. Äußerst du konsequent deine Kritik gegenüber einem verbrecherischen Regime. Auch in der Zeit danach gilt für dich, was Thomas Morus in seinen harten Zeiten schrieb, niemals habe ich daran gedacht, einer Sache zuzustimmen, die gegen mein Gewissen gewesen wäre. Niemals, denkst du, und arbeitest enttäuscht von Deutschland an einer anderen Welt. Und die nächsten folgenden Texte beziehen sich auf die Gegenwart. Der folgende trägt den Titel Alte Mutter. Zu selbstverständlich ist sie unsere Gefährtin und ihrer sind wir zu gewiss in diesen Tagen. Überhören zu leicht, dass wir zwar alles sagen dürfen und sie dennoch auf unser überlegtes Schweigen setzt. Übersehen zu oft, dass sie den Willen der Mehrheit schätzt und dennoch ihr Herz brennt für jene, die unbeachtet und schwach. Vergessen, dass sie seit jeher das Bunte liebt, das unbeschwerte Lachen und freie Gedanken. Zu selbstverständlich ist sie unsere Gefährtin und ihrer sind wir zu gewiss in diesen Tagen, unserer alten Mutter der Demokratie. Die nächsten Texte nehmen bewusst Sprache unter die Lupe. Der erste Text heißt dementsprechend Sprachverwirrung. Sie sagen Asylanten und meinen Schmarotzer. Sie sagen Menschen. Und meinen Landsleute. Sie sagen Grenzmanagement. Und meinen Verriegelung. Sie sagen Mindestsicherung. Und meinen Aushungern. Sie sagen Kultur. und meinen rasse sie sagen gutmensch und meinen idiot sie sagen christlich und meinen national und wir hören immer noch schlecht und meinen gar nichts wieder einmal. Flüchtige Sprache, unkontrollierte Ströme, überbordende Wellen mächtige fluten brechende dämme unbändige schwärme eine gewaltige invasion explodierende flüchtlingszahlen belag Aufnahmezentren, gestürmte Grenzzäune in der Festung Europa. Damit wir es nicht vergessen, wir reden hier nicht von Naturkatast Kriegern, sondern von fliehenden Menschen auf der Suche nach Schutz und einem besseren Morgen. Klartext. Wieder werden Worte verbogen, Werte verleugnet. Transit- und Asylzentren oder was immer auch sonst sind nichts anderes als Lager, rechtsfreie Räume, in denen Grund- und Menschenrechte ausgesetzt sind. Wieder Werken, Kreidefresser und Wortakrobaten. Schluss mit der schönen Reederei. Asyltouristen oder was immer auch sonst sind nichts anderes als Flüchtende auf der Suche nach einem besseren Morgen, die man nicht einfach zurückweisen kann, sondern wenn schon, dann abweisen will. Wieder gibt es Kälte und Härte und eine Politik gegen Menschen. Schluss mit der schönen Rederei. Ganz anders. Die deutsche Kanzlerin 2015 gab den Text, betitelt mit Weihnachtspredigt. Eine einzige Weihnachtspredigt wird wohl 2015 überdauern. Nichts Banales, sonst salbungsvoll herausgeschmettert. Wir schaffen das, stellte die Pastorendochter klar, und nicht entschuldigen müssen wir uns für ein freundliches Gesicht. Es ist lange her, dass die Weihnachtsbotschaft von der Menschwerdung so heftig die Gemüter erregte. Und als letzten Text kommt jener mit dem Titel Verwechslungsgefahr. Eine Verweigerer-Sch-Impfung. Eine Verweigerer-Sch-Impfung. Bei Zeiten verwechseln Menschen mit fatalen Folgen. Maiglöckchen mit Bärlauch. Meinung mit Wissen. Fingerhut mit Beinwell. Hausverstand mit Sachlogik, rote Königsottern mit Korallennattern, Egoismus mit Individualismus, Knollenblätterpilze mit Wiesenschampignons und Verweigerung mit Widerstand. Danke. Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Vielen Dank, Thomas, für deine starken Texte. Ich denke mal, da waren einige Antworten dabei auf das, was Sie zuvor gesagt haben. Ob wie du sie jetzt auch immer nennst, Lyrik oder Poesie oder Mini-Essays, starke Texte, Texte passt, passt immer. Ja, wir sind damit grundsätzlich am Ende unserer Veranstaltung angelangt. Einfach zwei Sachen möchte ich noch sagen. Es gibt einen Büchertisch hinten, Sie können da ein bisschen stöbern oder schauen oder auch etwas mitnehmen. Und wir haben 2023 etwas Besonderes vor. 2023 gilt es, das 100 Jahre Pen-Österreich zu feiern. Und ich hoffe, wir sehen uns vorher noch. Schönen Abend.