Ich begrüße Sie sehr herzlich, freue mich, dass wir heute hier gemeinsam, wie es so schön heißt auf Neudeutsch, in Präsenz eine Antrittsvorlesung haben können. Die Antrittsvorlesung von Jasmin Merzmann, die ich sehr herzlich begrüße. Bevor ich aber auf deine Person eingehe und auch ein bisschen auf unser gemeinsames Vorhaben heute, begrüße ich noch Reinhard Kanonier, den Rektor vor meiner Zeit und langjährigen 20-jährigen Chef des Hauses. Herzlich willkommen, schön, dass du da bist. So, jetzt aber an die Materie. Es geht heute um die Antrittsvorlesung von Jasmin Merzmann, die ja schon seit 2019 als Professorin hier am Haus aktiv ist und 2019 hierher berufen wurde als Professorin für Kunstgeschichte. Man muss dich, Jasmin, also eigentlich nicht vorstellen. Seit zwei Jahren bist du bei uns. Du leitest das Forschungs- und Ausstellungsprojekt Binding Bodies in Kooperation mit dem Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik der HU Berlin und dem MAG in Hamburg. Du hattest vor deiner Tätigkeit in der Professur hier schon eine Gastprofessur bei uns in Linz, warst Assistentin am Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, hattest ein Postdoc-Fellowship am IFK in Wien und warst auch Postdoc-Fellow am Internationalen Kolleg für Kulturtechnik, Forschung und Medienphilosophie IKKM in Weimar. Gleichzeitig oder davor hast du deine Promotion zu Lodovico Gigoli, Formen der Wahrheit um 1600, bravourös absolviert und dazu publiziert. Und in deinem Grundstudium hast du tatsächlich nicht ausschließlich Kunstgeschichte, natürlich, aber auch Philosophie und Geschichte in Freiburg, Paris, an der Sorbonne und in Berlin studiert. Du arbeitest derzeit an einem Buch zur Kulturgeschichte des Teufelspakts und an einem Projekt zum Um- oder Gestalten, je nachdem wie man es formuliert und diskutiert, von Pflanzen, Tieren und Menschen. Eine umfangreiche Publikationstätigkeit hast du aufzuinen Vernunft, Wien Sonderzahl Verlag herausgegeben mit, gemeinsam mit Anne von der Heiden oder alles nur exemplarisch, beispielhaft benannt, lebende Karikaturen zur Morphologie kastrierter Körper oder auch zum Thema Nein sagen, Gesten der Negation. Oder auch zum Thema Nein sagen, Gesten der Negation. Deine Lehrtätigkeit hat tatsächlich seinen Schwerpunkt in den Studiengängen der Bildenden Kunst, des Bachelors Kulturwissenschaften, des Masters MKKD und der bildnerischen Erziehung. Deine Vorlesungen, dein Lehrangebot ist aber offen tatsächlich für alle Studienrichtungen und ich glaube, das ist auch tatsächlich der ganz, ganz große Mehrwert für unsere Studierenden, dass sie an deiner Lehre in vielfacher Form partizipieren können. Vorlesungen genauso vielfältig gestaltet wie in Form von Seminaren zu einzelnen Themen, wie zum Beispiel die Bilderstürmer oder das Bilderstürmen oder auch Gartenkunst. Oder es geht auch oft um Methodenfragen und diese Methodenfragen sind vielfältig, vergleichende Sehen, Stilfragen und so weiter. Bis hin zu Übungen und natürlich Übungen vor Originalen, aber auch Exkursionen und Ausstellungsprojekten. Du verstehst dich selber und die Kunstgeschichte und dein Fach als Teil einer umfassenden visuellen und materiellen Kultur. Ich zitiere da deine eigenen Ausführungen, deren Objekte in ihren Wechselbeziehungen zueinander und zum jeweiligen politischen und historischen Kontext zu untersuchen sind. Forschungsgebiet und tatsächlich auch das Anziehende, warum wir heute hier auch zweifach einen Hörsaal hätten belegen können, weil dieser Bezug zur Gegenwart, aber auch zu den Rahmenbedingungen, auch zu den Kontexten historischer und politischer Natur tatsächlich hoch, hoch spannend sind. Und du beziehst dich eben nicht nur auf Kunstwerke, sondern auch auf populäre und epistemische Bilder, Artefakte, Filme, Videos oder auch die gestaltete Natur. Die Antrittsvorlesung heute steht unter dem Titel von Bäumen und Bildern. Und sie widmet sich genau eben diesem geschilderten oder vielleicht auch nur in kurzer Form umrissenen Ansatz, den du hast, nämlich der Ansatz der kulturwissenschaftlich orientierten Kunstgeschichte. Und du fragst, wiederum ein Zitat, nach den Techniken und materiellen Bedingungen, die der künstlerischen Formgebung vorausgehen, nach verflochtenen Bildtraditionen, Problematiken des Vergleichs und künstlerischen Strategien und deren politischer Dimension. All das als Einbegleitung, vielleicht auch als kleiner Umriss und Rahmen für deine Ausführungen, auf die wir uns alle sehr freuen. Ich bitte dich um deine Ausführungen. Ja, ganz herzlichen Dank, ganz herzlichen Dank, liebe Brigitte, für die netten Worte. Ganz herzlichen Dank an euch alle, dass ihr hergekommen seid, gerade auch jetzt zu Semesteranfang, wo alle andere Dinge auch noch zu tun haben. Es fühlt sich ein bisschen merkwürdig an, eine Antrittsvorlesung zu halten, nach den jetzt doch vielen Jahren an der Kunstuni. Aber mein Hiersein hatte ja mehrere Etappen, eben auch zwei Gastprofessuren. Und ich habe mir das AVL, was das Verwaltungskürzel für Antrittsvorlesung war, jetzt immer so ein bisschen als Ankommen Vorlesung übersetzt. Und damit habe ich mich eigentlich ganz wohl gefühlt und auch mit dem Gedanken, dass es einfach eine sehr schöne Gelegenheit ist, euch hier heute alle endlich mal wiederzusehen. Der Vorteil bei so einem späten Antritt ist, dass man in sehr viele bekannte, liebgewonnene Gesichter schauen kann. Ja, ihr habt es gerade schon gehört, ich arbeite gerade an einem Buch über Teufelspakte, bei dem mich interessiert, wie eine Realität, wie das historische Imaginäre strukturiert sein muss, damit man mit einer fiktiven Entität wie dem Teufel einen juristischen Akt eingehen kann, eben einen Pakt schließen. Und mein Material ist da die visuelle Kultur, es sind aber auch Selbstzeugnisse und Texte primär der frühen Neuzeit, aber bis ins frühe 20. Jahrhundert. Heute habe ich mich aber dagegen entschieden, über Verträge zu sprechen, die unweigerlich ins Verderben führen. Das schien mir irgendwie unangemessen. Und deshalb habe ich überlegt, worüber ich sprechen kann und habe mich eben entschieden, von meinem zweiten Forschungsprojekt auszugehen, kann und habe mich eben entschieden, von meinem zweiten Forschungsprojekt auszugehen, in dem es um die Gestaltung und Umgestaltung von Lebewesen geht. Viele dieser Themen sind nicht so richtig fest vortragstauglich. Also ihr habt schon gehört, ich habe mich mit Kastration beschäftigt, mit Schädelmodellierung, mit Geweideformationen. Ich beschäftige mich gerade im Rahmen dieser Binding-Bodies-Ausstellung mit dem chinesischen Füße-Binden. Aber ein Thema, das auch in diesen Kontext gehört, sind die Bäume und die habe ich nun zum Thema gewählt. gewählt. Das Projekt heißt Gestaltung und Umgestaltung von Lebewesen und Gestaltung ist dabei bewusst ein ganz offener Begriff, weil es einerseits um die Modellierung konkreter Körper geht, von Menschen, von Tieren, von Pflanzen und andererseits aber um künstlerische Modellierung und die Frage, wie beides zusammenwirkt. Wenn ich mich entschieden habe, heute über Bäume zu sprechen, dann nicht, um über Untaten zu schweigen. Viele kennen sicher das Gedicht von Berthold Brecht aus den 30er Jahren an die Nachgeborenen. 30er Jahren an die Nachgeborenen? Was sind das für Zeiten, wo ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist, weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt? Wenn ich trotzdem über Bäume spreche, dann in der Überzeugung, dass diese Zeilen so heute nicht mehr gelten, weil wir Bäume durchaus als politische Akteure erkannt haben. Erstens natürlich mit Blick auf den Klimawandel, zweitens aber auch als progressive Modelle, vor allem als Baumkollektiv, als Wald und drittens, weil Bäume natürlich durchaus Spuren von Untaten tragen. Man denke nur an die Birken von Birkenau. Heute möchte ich das Thema Bäume aber vor allem nutzen, um ein bisschen darüber zu erzählen, was für mich Kunstgeschichte bedeutet. Sowohl im Sinne einer Geschichte der Kunst, wobei ich mit diesem Singular immer etwas Harderes, ist auch ein generischer Titel in unserem Vorlesungsverzeichnis, als auch im Sinne der Kunstgeschichte als Disziplin. Einsteigen möchte ich allerdings nicht mit einem Baum, sondern mit einem, wenn auch hölzernen Stuhl, einer Installation, die auf der Documenta 10 gezeigt wurde. Erstens Stühle. Erstens Stühle. bestandteilen. Die Seminare unserer Abteilung sind offen für Studierende der gesamten Kunst-Uni. Das bringt es mit sich, dass die Ansprüche an das Fach ganz unterschiedlich sind und sich von jedem Blickpunkt aus andere Konstellationen ergeben. Die Installation, die Sie hier sehen, ist eine in den Raum übersetzte Anamorphose, ein Projektionsverfahren, mit dem ich mich immer wieder beschäftigt habe und das ich heute aufgreife, weil es mir als probates Mittel für die Rezeption von Bildern erscheint. Landläufig gilt die Anamorphose als Zuspitzung der Zentralperspektive, die das, was diese nur der Theorie nach tut, nämlich das gesamte Bild auf einen Flucht- oder Blickpunkt hin auszurichten, ins Extrem treibt. Die Anamorphose tut das, indem sie den Betrachtungspunkt aus der Mitte an die Seite des Bildes verlegt und die Figur nur von diesem exzentrischen Punkt aus erkennbar werden lässt. An diese Vertreibung des Betrachters oder der Betrachterin aus dem Mittelpunkt wurden die unterschiedlichsten Theorien angeknüpft. Lacan hat darüber spekuliert, Lyotard, Gijek und viele Kunst- und WissenschaftshistorikerInnen. darüber spekuliert Lyotard, Gizek und viele Kunst- und WissenschaftshistorikerInnen. Was dabei oft aus dem Blick geraten ist, mich aber besonders interessiert, ist erstens die prozessuale Komponente, also die langsame Herausbildung der Figur und ihr Vergehen. Also man kann auch, je nachdem wo man herkommt in dieser Stuhlanamorphose, zuerst nur diese Bruchstücke sehen. Und je nachdem, wie man sich durch den Raum bewegt, schließt sich das Ganze zu einer Figur zusammen oder zerfällt eben wieder. Es ist eine Art von Morphing, das bei monumentalen Anamorphosen, wie dieser hier in der Trinità dei Monti in Rom, besonders deutlich wird. Und hier kommt jetzt auch der erste Baum ins Bild. Sie müssen sich das so vorstellen, Sie betreten einen Korridor in einem Minimenkloster in Rom und was Sie sehen, ist ein betender Mönch, der Gründer dieses Ordens, unter einem Baum. Und wenn Sie jetzt diesen Gang entlang gehen, der ziemlich lang ist, sicher zehn Meter, dann verziehen sich die Falten des Gewandes dieses Mönchs immer, immer weiter und ergeben das Relief einer Landschaft. Zweitens interessiert mich das mit diesem Morphing einhergehende Bewusstwerden des künstlerischen Materials. Wenn man figurative Bilder betrachtet und nicht gerade Malerin ist, fokussiert man meist vor allem auf das Sujet. In diesem Fall aber sieht man von der Frontalansicht unkenntliche Farbfelder. Man sieht, es ist ein Fresko. Bei der Stuhlanamorphose sieht man, es ist aus Holz gemacht, das auf Gehrung geschnitten ist und so weiter. Drittens interessiert mich die durch dieses Dispositiv deutlich werdende intrinsische Verbindung von Bild und BetrachterInnen. Ohne ihren Blick gibt es den Stuhl gar nicht, gibt es den Mönch gar nicht und die vom Bild geforderte Bewegung macht fast gezwungenermaßen den eigenen Standpunkt bewusst. Auf die Praxis der Kunstgeschichte übertragen heißt es, wie wir Bilder betrachten und was wir darin erkennen, hängt von unserem Blickpunkt ab und dieser ist natürlich durch unsere Interessen, unsere Gegenwart, aber auch Kategorien wie Geschlecht oder Herkommen geprägt. ist es immer wieder eine Herausforderung, eine Balance zu finden zwischen diesem Bewusstsein der eigenen Situiertheit und dem Versuch, durch Forschung eine gewisse Mobilität des Blicks zu erreichen. Also ich empfinde es immer so, dass egal welchem Objekt man begegnet, eine Skulptur aus dem 15. Jahrhundert vielleicht, die ist erstmal mit mir im Raum in der Gegenwart da, geht mich in irgendeiner Weise an. Und dann kann ich mir natürlich Fragen stellen, wie hat eine Magd des 15. Jahrhunderts in Frankreich diese Skulptur wohl gesehen und dann muss ich mich ein Stück weit davon verabschieden, wie ich sie sehe und versuchen durch das Anschauen der visuellen Kultur der Zeit, durch die Lektüre von Texten, mich dem anzunähern. Ein Aspekt des Modells lässt sich nicht übertragen, die Suggestion nämlich, es gäbe einen privilegierten Standpunkt, von dem aus sich die eigentliche Bedeutung des Bildes enthüllt. Ich würde eher sagen, man sieht von jedem Punkt aus etwas anderes. Und deshalb ist auch diese Anamorphose so interessant, weil es dort wirklich so ist, dass es nicht nur diesen einen Punkt am Gang gibt, sondern wenn man weiter zur Seite tritt, dann wird der Mönch einfach erstmal ein bisschen dicker und dann verzieht er sich und irgendwann kann man sich in diese Landschaft vertiefen. Strukturell ähnlich könnte man sagen, ergeht es beim Blick in den Wald. Auch hier findet sich kein Standpunkt außerhalb des Ganzen, von dem aus sich die Komplexität des Waldlebens erschließen würde. des Ganzen, von dem aus sich die Komplexität des Waldlebens erschließen würde. Man muss sich schon hineinbegeben und es kann sein, dass mit diesem Schritt die Vorstellung, die man sich gemacht hat, verschwindet. In vielerlei Hinsicht ist der Wald, und ich zeige hier eine Zeichnung von einem Tropenforscher, der gleichzeitig ein großartiger Zeichner ist. In vielerlei Hinsicht ist der Wald vielleicht auch ein Bild für das, was Kunstgeschichte auf der Objektebene ist. Nicht eine bloße Menge von Bäumen, sprich Kunstwerken, sondern ein komplexes, wandelbares Gefüge. Anna Zing, deren Konzept ich hier sehr frei adaptiere, definiert Gefüge als offene Ansammlungen nicht nur von Arten, sondern von Lebensweisen, die erst durch die Kohabitation und Kooperation entstehen. ändern sich mit der Zeit, neue Bedingungen oder Karten von ihrem Blickpunkt aus bestimmte Werke zusammenstellen und Schlüsse aus diesen Konstellationen ziehen. Ein wenig ähnelt das vielleicht dem, was Abi Warburg mit seinem Menusyneprojekt vorschwebte, der übrigens ebenfalls von KunsthistorikerInnen forderte, nicht nur die Blüten, sondern auch, Zitat, das Leben im unterirdischen Wurzelwerk zu erforschen. Was also sehen KunsthistorikerInnen, wenn sie Bilder von Bäumen oder Wäldern betrachten? Ich würde nur Schlaglichter auf drei verschiedene Ansätze werfen. Ein Ansatz, den ich dabei vernachlässige, ich habe ihn gestern Abend noch gestrichen, ist die Materialästhetik, die natürlich interessant ist mit Blick auf das Holz, aber ich hatte Angst, dass das zu lang wird. und eine kulturwissenschaftlich orientierte Kunstgeschichte, mit der ich mich identifiziere und die diese Ansätze zusammenzuführen sucht, in gewisser Weise aber früher ansetzt, insofern sie davon ausgeht, dass die Bäume, denen wir in Bildern begegnen, mehrfach geformt sind. Einmal durch sevikulturelle Techniken, soziopolitische Bedingungen, künstlerische Inszenierungen und nicht zuletzt den Blick mit dem unterschiedliche Rezipient in sie betrachten. Zweitens, Kunstgeschichte als Botanik. Ein Ast, ein Fragment eines Astes und man kann sagen, ob Hobbema oder Reustal der Autor ist. Zitat Ende. Im Standardwerk der Stilgeschichte, Heinrich Wölflins kunsthistorischen Grundbegriffen von 1915, spielen Bäume eine erstaunlich zentrale Rolle bei der Beobachtung stilistischer Differenzen auf individueller, regionaler und epochaler Ebene. Hobbimas Bäume, also ich löse das Rätsel sozusagen auf, das sind jeweils Details aus diesen Bildern. Hobbimas Bäume, so Wölflin, erscheinen leichter, haben einen lockereren Umriss und stehen lichter im Raum. Reustals ernstere Art bevorzugt schwerere Linien und kompaktere Laubmassen. Ich weiß gar nicht, ob man das überhaupt so gut erkennt. Kann man vielleicht hier vorne ein bisschen dunkler machen? Oder ist das gut so? Geht? Okay. Geht? Okay. Die individuellen Differenzen dieser beiden Maler verblassen, laut Wölflin zumindest, wenn man sie in einem zweiten Schritt... Okay, nee. Aber gut, da sieht man nicht so wahnsinnig viel. Okay, gut. Also, die individuellen Unterschiede zwischen den beiden Malern verblassen laut Wölflin, wenn man in einem zweiten Schritt die Gemälde der beiden Holländer mit einer flämischen Landschaft, wie dieser hier von Rubens, vergleicht, die sie nicht wirklich sehen. Prägnanter als die Unterschiede im Individualstil seien die der Schule bzw. der Nation hier verstanden als Kunstlandschaft. Rubens Baumstämme, so schreibt er, zitat, winden sich leidenschaftlich empor und ihre Laubkronen sind so sehr als geschlossene Massen behandelt, dass Reustal und Hobbema jetzt gleichmäßig als äußerst feine Silhouette-Tiere erscheinen. Kein holländischer Baumstamm hat das Pathos der flämischen Bewegung. Doch sowohl die individuellen wie auch die regionalen Unterschiede treten zurück beim Vergleich der Kunstwerke verschiedener Epochen. Für den Übergang der Renaissance zum Barock, was Wölflins Schwerpunkt ist, formuliert er fünf Dichotomien, die Sie hier sehen, die jeweils in den unterschiedlichen Gattungen untersucht werden. Am eindrücklichsten ist der Vergleich beim ersten Paar, dem linearen und dem malerischen, als Kennzeichen der klassischen bzw. der barocken Kunst. Gegen malerisches Laub, wie das bei Rubens, setzt der Albrecht Altdorfers kleines Gemälde des heiligen Georg, der vom Wald geradezu verschlungen wird. Während man auf den ersten Blick vor allem über diese Laubmassen staunen wird, zeigt Welflin, dass hier nicht Laub, sondern unendlich viele einzelne Blätter dargestellt sind und das ist für ihn das lineare Malen. Man kann sich diesen Gegensatz ganz gut vorstellen, wenn man an Kinderzeichnungen denkt. Da gibt es immer so zwei Optionen. Entweder sie malen so eine Art Wolke als Krone des Baums oder sie malen einzelne Äste, an denen eben so einzelne Blätter sitzen. Und das wäre sozusagen die lineare Variante. An keiner Stelle interessiert sich der Autor für die kulturgeschichtlichen oder sozialpolitischen Hintergründe der Gemälde, also etwa die naheliegende Frage, wie es zu einer erstaunlichen Bildfindung beziehungsweise zu der ihr wohl vorausgehenden Veränderung im Naturverhältnis kommen konnte. In ihren Methoden ähnelt eine solche Kunstgeschichte der Botanik. Beide entwickeln Methoden der genauen Beobachtung, Wölflin das sogenannte vergleichende Sehen, das sich nicht zuletzt der Reproduktionstechnik und der Erfindung der Doppelprojektion verdankt. Die Doppelprojektion ist ein bisschen die heilige Kuh, kann man sagen, der Kunstgeschichte. Früher war es immer so, dass jeder Hörsaal mit zwei Diaprojektoren ausgestattet war. Es gab auch zwei Diashieber innen, die eigens dafür angestellt waren, die beiden Projektoren zu bedienen. Und ich kann mich noch gut erinnern, als die digitalen Projektionen eingeführt wurden, dass mein Doktorvater darauf bestanden hat, dass zwei Beamer installiert wurden im Hörsaal, weil er sich irgendwie nicht von diesem System verabschieden konnte. Und das ist natürlich logistisch ziemlich schwierig mit zwei Powerpoints zu agieren. Beide Kunstgeschichte wie Botanik entwickeln eine differenzierte Terminologie für jede Art von Faltenwurf. Beispielsweise gibt es einen eigenen Begriff, es gibt die Schlüsselfalte, die Knitterfalte, die Röhrenfalte, die wie auch immer Falte. Beide klassifizieren in Gattungen und Arten und untersuchen darüber hinaus die Evolution und die Migration von Formen. Bei Wölflin wird dieses botanische Vorgehen auf fast skurrile Weise explizit, wenn er zwei Akte von Botticelli und Lorenzo di Credi vergleicht und feststellt, sie unterscheiden sich, Zitat, so grundsätzlich und unverwechselbar wie eine Eiche von einer Linde. von einer Linde. Der Temperamentsunterschied sei im Ganzen wie in den Teilen zu beobachten, ja in der Zeichnung eines bloßen Nasenflügels müsste man schon das Wesentliche des Die-Charakters erkennen. Dass Wölflin diesen Vergleich ausgerechnet an einem weiblichen Akt vorführt, zeigt vielleicht, wie ideologisch auch eine vermeintlich reine Formanalyse sein kann, zeigt sich noch deutlicher, wenn Wölflin mit Blick auf diese drei Eichen von Rembrandt schreibt, der Himmel webt eine Glorie um sie, dass sie dastehen wie Sieger. Zwar werden Eichen, die dastehen wie Sieger, erst 20 Jahre später zur Realität, als die Gewinner der Olympischen Spiele 1936 in Berlin nicht nur mit Eichenlaub begrenzt, sondern auch mit Setzlingen beschenkt wurden, deren Verbleib übrigens Cyprien Gaillard in einem großartigen Video nachgespürt hat. Aber die Assoziation des Nordischen mit dem Wald und vor allem der Eiche war seit der Romantik fest etabliert und hatte etwa durch Riels Naturgeschichte des Volkes von 1855 weite Verbreitung gefunden. des Volkes von 1855 weite Verbreitung gefunden. Wölflin legt aber nicht nur besonderes Augenmerk auf Baumformen und empfiehlt übrigens auch, dass KunsthistorikerInnen deren Unterschiede in der Natur mit dem Zeichenstift in der Hand selbst studieren, sondern er nutzt den Wald auch als Metapher für die Kunstentwicklung, in der, Zitat, neben den alten auch junge Pflanzen stehen und das stärkere Individuum hemmend auf die Entfaltung des Schwächeren hinübergreifen kann. Ein solcher Vergleich sollte auch mich natürlich vorsichtig stimmen, wenn es darum geht, den Wald als Modell zu instaurieren. Nur fünf Jahre vor den Grundbegriffen war Rudolf Duisbergs sozial-davenistische Schrift »Der Wald als Erzieher« erschienen, in dem die ständischealdgemeinschaft zum vorbild erklärt wird weil dort alle ihren festen platz haben nur keine nomaden und schädlinge in wölflins 1931 publiziertem buch italien und das deutsche formgefühl überflügelt der Volkscharakter schließlich alle anderen Kategorien. Also bis dahin war sozusagen der Epochenstil immer dem Schul- oder National- oder Regionalstil übergeordnet. Solche Aussagen bestätigen die These Lorandestens, dass die Natur zu jeder politischen Position ein Paradigma liefern kann. Der Wald kann ganz offensichtlich sozialdarwinistisch interpretiert werden oder, wie in der gerade so florierenden und so faszinierenden Mycel-Forschung, ein Modell für Diversität und Kooperation abgeben. Ich erwähne das alles nicht nur, um zu zeigen, wie kontaminiert der Waldboden ist, sondern vor allem auch, um zu zeigen, wie schwierig oder unmöglich ebenso etwas wie formale Beschreibung ist. ein klein bisschen botanisches Arbeiten durchaus sinnvoll ist. Vor allem das Trainieren genauer Beobachtung und die Methode des vergleichenden Sehens halte ich auch in der Lehre für unverzichtbar. Aber erstens muss man dieses Verfahren und eben die Praxis des Vergleichens überhaupt hinterfragen und zweitens kann man ganz offensichtlich nicht dabei stehen bleiben. Drittens der Blick unter die Rinde und auf den Stamm. Für die meisten KunsthistorikerInnen ist die formale Beschreibung, wenn überhaupt, nur der erste Schritt in einem von Erwin Panofsky, einem weiteren männlichen Doyen der Kunstgeschichte formulierten dreistufigen Interpretationsmodell, bei dem auf die formale Beschreibung eine ikonografische und schließlich eine textbasierte ikonologische Deutung folgt. Das ist das Modell, was die meisten schon in der Schule lernen und ein Teil unserer Arbeit besteht eigentlich darin, dass sie es wieder verlernen, damit es nicht immer solche Kurzschlüsse gibt, Grün gleich Hoffnung, gestürzter Baum gleich Memento Mori. Für diese zweite Richtung der Kunstgeschichte zeige ich exemplarisch noch einmal Reustal, in dessen Bilder Panofsky ein Disguised Symbolism bzw. gelehrte Vanitas-Verweise erkennen wollte. Ganz fraglos ist eine Reflexion über Vergänglichkeit in solchen Bildern präsent. Aber erstens lässt sie sich unterschiedlich deuten, etwa religiös oder im Sinne eines ökologischen Kreislaufs, wobei man dann schauen müsste, was man im 17. Jahrhundert unter Fäulnis sich überhaupt vorgestellt hat. Und zweitens ist damit noch längst nicht alles über ein solches Gemälde gesagt. Schaut man noch einmal hin, fallen, wenn man besser sehen kann, die Tiere auf, die da weiden. Man sieht unten Kühe. Und es fällt auf, dass die Bäume unten abgefressen sind. Das heißt, es handelt sich um einen sogenannten Hutewald, in dem Tiere geäst haben. Der Maler hat also ganz offenbar ein Interesse am Gefüge des Waldes, zudem, das zeigt nicht zuletzt die Stadtsilhouette, Sie sehen zumindest den Kirchturm links im Hintergrund, auch Menschen und Weidetiere, also sprich Haustiere, gehören. Betrachtet man weitere Darstellungen von Bäumen mit diesem Fokus, fällt auf, dass erstaunlich viele Bäumespuren menschlicher Eingriffe aufweisen. Hobbimas hoch aufgeästete Pappeln oder Reustals Baum vor einem Gasthaus wurden ganz offensichtlich als Brennholzlieferanten genutzt. Der exotische Drachenbaum in Martin Schongauers Flucht nach Ägypten hat sicher auch symbolischen Hintergrund, aber auch einen kulturhistorischen, insofern dieser Baum nach der Kolonisation der Kanarischen Inseln, wo er endemisch ist, auch auf der Iberischen Halbinsel angepflanzt wurde, wo man sein blutrotes Harz für Arznei und Färbezwecke verwendet hat. Und man sieht es hier an dieser aufgeplatzten Wunde, dass da vielleicht ein Schnitt gesetzt wurde. Besonders häufig findet man in den Bildern der Zeit Kropfweiden dargestellt, also Weiden, deren Äste man zum Korbflechten verwendete und deren bizarre Gestalt Künstlerinnen bis in die Moderne hinein fasziniert hatte. Es gibt ganz großartige Zeichnungen von Van Gogh auch noch von solchen Kropfweiden. auch noch von solchen kopfweiden schon vor der formung durch einen stil also sind diese bäume durch kulturelle techniken geformt worden hobbemaas allee von mittelharnis ist auch deshalb spannend weil man in diesem fall über die pflanzung der monumental ins Bild gesetzten Allee unterrichtet ist. Sie wurde 1664 vom Stadtrat von Mittelharnis beschlossen. Martin Warnke hat den sozialpolitischen Signalwert dieser Allee erkannt, die weder, wie hier bei Sebastian Franken, zu einem Schloss, es ist zwar dunkel, aber Sie erkennen es, ein Schloss und hier sind auch entsprechend artlich gekleidete Menschen unterwegs, noch zu der Kirche führt, die sozusagen links von dieser Allee ist, sondern als solche bzw. als Zeugin der republikanischen Kultivierungsleistung des Landes bildwürdig wird. Auch das ist natürlich wieder ein Bildvergleich, wo man noch sehr viel mehr beobachten könnte, beispielsweise, dass sich dieser Horizont hier ganz stark absenkt bei Hobbima, was auch die Position der BetrachterInnen verändert. Diese Kultivierung der Natur zeigt sich auch in den die Straße flankierenden Entwässerungsgräben und nicht zuletzt in einer Baumschule, auf die ich nun genauer eingehen möchte. Also auch leider sehr dunkel, aber dieser ganze Bereich hier ist eine Baumschule mit langen, dünnen Stämmen und man sieht auch einen Gärtner, der gerade diese Bäume in Form bringt. Form bringt. Die Baumschule wurde zur gleichen Zeit auch in anderen Bereichen als Modell der Kultivierung verwendet, insbesondere in der Pädagogik, aber auch in der Orthopädie und der Gartenkunst. Viertens das Seminar. Der Vergleich von Menschen und Bäumen findet sich in fast allen Kulturen. Vielerorts werden Bäume bei der Geburt oder bei Übergangsritualen gepflanzt, in Bali zum Beispiel Kokospalmen, deren Lebenserwartung in etwa der der Menschen entspricht. Im Europa der frühen Neuzeit sind es vor allem drei Techniken, die metaphorisch gedeutet werden, nämlich das Pfropfen, auf das ich heute nicht genauer eingehe, das sehen Sie hier, das Beschneiden und das Zurechtbiegen von Bäumen. Ausgangspunkt sind dabei entweder krumme Stämme, die man durch das Binden an den Pfahl der Tugend zu begradigen suchte, oder gerade aufschießende Bäume, die, solange sie noch jung und biegsam waren, in die gewünschte Form gebracht, sprich normalisiert werden sollten. In diesem Sinne eröffnet Jakob Katz seinen Tugendspiegel von 1632 mit dem Emblem eines Mannes auf einer Leiter, der vergeblich versucht, einen alten, knorrigen Baum in eine andere Form zu bringen. Dieser Spruch dort oben heißt so viel wie ein junges Reis ist zu beugen, nicht alte Bäume. nicht alte Bäume. In Comenius Didactica Magna, dem ersten großen Werk der Pädagogik, wird 1657 das Seminarium und das ist ganz lustig, weil tatsächlich leitet sich unser Begriff des Seminars von Seminare ab, was so viel heißt wie Pflanzen oder Säen. Bei Comenius wird dieses Seminarium die Baumschule zur Leitmetapher. Mit Kindern, so schreibt er, verhält es sich wie mit Bäumen. Um süße Früchte zu tragen, müssen sie von einem erfahrenen Gärtner gepflanzt, bewässert und in jungen Jahren beschnitten werden. Hier geht es also nicht ums Biegen, sondern um das Beschneiden, eine Technik, die in eben dieser Zeit perfektioniert wurde, unter anderem vom Küchengärtner Ludwig XIV. stellt den Gegensatz von krumm und gerade im oberen Register in kaum zu überbietender Deutlichkeit vor. Auch das ist vergleichendes Sehen jetzt in didaktischer Absicht. Das Ergebnis der Erziehung sind gerade Bäume, beziehungsweise die unten im letzten Register dargestellten in Korsett und Frack gekleiderten, dressierten Körper, wie wir sie auch aus den Gemälden dieser Zeit kennen. Witzigerweise findet sich dieser Vergleich von SchülerInnen und Bäumen auch mit Blick auf eine Kunsthochschule. Als 1761 die Stuttgarter Akademie des Aach gegründet wird, heißt es, die Jugend könne sich dort bilden, Zitat, wie junge Pflanzen in einer Baumschule. Diese Metapher hält sich bis ins 20. Jahrhundert. Wir alle kennen den Kindergarten, wo sozusagen junge Sprösslinge aufgezogen werden. Und noch der Bauhauslehrer Johannes Itten vergleicht seine Aufgabe mit der eines Gärtners, der den Boden bereitet und Samen sät. in eine bestimmte Form zu zwingen, geht er allerdings davon aus, dass sich, Zitat, das Wesen der Pflanzen aus sich selbst entfaltet und der Gärtner seine pflegliche Hilfe sorgfältig dosieren soll. Also ein klares Prädoyer sozusagen fürs Wachsen lassen, krumm oder gerade. Und es ist ganz interessant, das Bauhaus hatte tatsächlich seinen eigenen Gemüsegarten, der primär der Versorgung der Studierenden gedient hat und der jetzt rekonstruiert wurde. Geradheit als Ergebnis einer Begradigung findet sich auch in ganz konkreten Manipulationen des menschlichen Körpers. Nicolas Andry, der 1741 den Begriff der Orthopädie geprägt hat, aus Orthos Aufrecht und Paideia Erziehung, erläutert den Einsatz von Schienen zur Begradigung krummer Beine von Kindern, die man zu früh auf ihre Füße gestellt hat, an einem kleinen, geschienten Bäumchen, das bis heute das Logo der österreichischen Gesellschaft für Orthopädie ziert. Viele von Ihnen werden die Abbildung aus einem anderen Kontext kennen, und zwar aus Michael Foucaults Klassiker Überwachen und Strafen, wo das Bild unkommentiert bleibt, aber geradezu emblematisch seine Thesen zu dem illustriert, was er als moralische Orthopädie bezeichnet, als Orthopädie Morale, also die Ablösung traditioneller Körperstrafen durch ein System zur individuellen und kollektiven Bezwingung der Körper. Foucault bezieht sich dabei unter anderem auf den absolutistischen Militärschriftsteller Johann von Waldhausen, der in seinem Traktat zur Kriegskunst von 1615 Empfehlungen gibt zum militärischen Drill, zu dem auch Übungen im Gerade-Stehen gehören. Dazu gehört beispielsweise, dass Soldaten eine lange Zeit lang an eine Wand gestellt wurden und dabei Fersen, Waden, Po, Schultern, Hinterkopf sozusagen an die Wand drücken mussten. Eine solche Tresur von Körpern hat Maria Loboda 2012 zu einer Installation inspiriert, in der sie militärische Formationen durch aufrechte Zypressen nachstellt, die über die 100 Tage der Documenta auf das Fridericianum zurückten. Wie sehr sich die Gleichsetzung von Menschen und Bäumen eingewurzelt hatte, zeigt sich nicht zuletzt in der im 18. Jahrhundert einsetzenden Kritik. Die wohl prägnanteste Formulierung findet sie bei Rousseau, der dem Menschen vorwirft, die Natur systematisch zu entstellen. Zitat, er zwingt einen Boden, die Erzeugnisse eines anderen zu züchten, einen Baum, die Früchte eines anderen zu tragen, das ist das Pfropfen, also wenn man auf einen alten Stamm einen anderen Zweig einsetzt. Nichts will er so, wie die Natur gemacht hat, nicht einmal die Menschen. Er muss ihn dressieren wie ein Zirkuspferd, er muss ihn seiner Methode anpassen und umbiegen wie einen Baum in seinem Garten. Zeitgleich mit Rousseau mehren sich die Stimmen, die in barocken Parkanlagen wie Versailles einen sinnlichen Ausdruck absolutistischer Herrschaft erkannten. So polemisiert etwa Christian Lorenz Hirschfeld 1783 gegen die Baumverstutzerei, welche die freien und edlen Formen der Natur und damit auch die Menschen mit der Gartenschere misshandelt. Und ich zeige hier als zweites Beispiel Schönbrunn, ein Gemälde von Bellotto, das ganz interessant ist, weil es auch die Arbeit ins Bild setzt. Also man sieht hier, wie die Kieswege mit so einer Rolle glatt gezogen werden. Und man sieht eben auch Gärtner mit langen Gärtnerscheren, die diese Formbäumchen in Form bringen. Eine bemerkenswerte Karriere hat der Formschnitt in der globalen Gegenwart absolviert. Es gibt solche geschnittenen Buchsbäume nicht nur in Plastik im Baumarkt, sondern auch auf der ganzen Welt wurde sozusagen diese Praxis exportiert. Und ein britisch-pakistanischer Künstler namens David Chalmers Alesworth hat sich damit ausführlich auseinandergesetzt mit europäischer und persischer Gartenkunst. Hier beispielsweise nimmt er einen traditionell das Paradies darstellenden persischen Teppich und projiziert darauf oder knüpft hinein das Layout von Park von Versailles. Vor allem aber hat er über eine lange Zeit Verkehrsinseln in Lahore fotografiert und von einem lokalen Miniaturmaler malen lassen. Die daraus entstandene Serie trägt den Titel Die daraus entstandene Serie trägt den Titel Heterotopiary, eine Kombination aus Foucaults Begriff der Heterotopie und dem lateinischen Wort für Formschnitt Ars Topiaria. Dieses Aquarell zum Beispiel zeigt drei beschnittene Mangrovenbäume, deren anthropomorphe Form an Menschen denken lässt, die sich auf einer Verkehrsinsel begegnen. Heterotopisch ist die Insel, insofern sie zwar den Verkehr regelt, selbst aber bis auf die gärtnerischen Interventionen unbetreten bleibt. Noch heterotopischer, wenn man das steigern kann, ist die Situation am rechten Rand, der mit der Betonbegrenzung dieser Ination angesiedelt, die der Schere des Baumpflegers entgangen ist. Jahre hinweg Bäume porträtiert, die als Straßenbegrenzung, als Werbeträgerdepot oder, wie Sie das links vielleicht erkennen können, als Wohnsitz genutzt werden. Unter diesen hybriden Gefügen gibt es einige, die sich anarchisch gegen ihre Lebensbedingungen zu stemmen scheinen. Der Stamm in der Mitte etwa beugt sich nicht den Beschränkungen, die ihm das Metallgestänge auferlegt, sondern wächst um diese Schienen herum. Ein anderer Baum rechts scheint sie sogar zu sprengen. Die Auseinandersetzung verläuft nicht spurlos, die im Zickzack geführten Narben der Rinde zeugen vom Kampf mit dem eisernen Korsett. Ausgehend von der Figur der Narbe möchte ich abschließend noch eine zeitgenössische Position vorstellen, die die Methode des Vergleichs aus einer postkolonialen Perspektive problematisiert und zeigt, wie sich Geschichte in Bäume oder Holz einschreibt. Fünftens Narben. Die Installationen des franco-algerischen Künstlers Kader Atia untersuchen in immer neuen Konfigurationen die Folgen des Kolonialismus. Im Zentrum steht sein Konzept der Reparatur, dass er auf ganz unterschiedliche Bereiche, Artefakte, Bäume, Körper, Geschichte anwendet. Zitat, wir sind aus einer unendlichen Abfolge immaterieller Reparaturen entstanden, die eine unendliche Menge immaterieller Verletzungen wiederhallen lassen und vervollständigen. Wiederhallen lassen und vervollständigen. Also hier hat er einen Baum so bearbeitet, dass die Enden, die Äste hier zu Prothesen werden. Als sein Initialerlebnis beschreibt Atiyah das Geschenk eines kongolesischen Rafia-Stoffes. Rafia ist eine Palmenart, der mit einem industriell gefertigten Toile de Vichy geflickt war. Der Akt der Aneignung dieses französischen Stoffes ist für Attia ein Akt des Widerstandes gegen koloniale Unterdrückung, die sichtbare Reparatur eine Form der Einverleibung, wie sie Oswald de Andrade 28 in seinem Kannibalistischen Manifest gefordert hat. Fortan entwickelte Attia eine Aufmerksamkeit für Reparaturen, insbesondere das Nähen und das Vernarben von Haut und Rinde. In der Dia-Projektion Open Your Eyes kombiniert er Fotografien gesichtsversehrter europäischer und kolonialer Soldaten des Ersten Weltkriegs mit Aufnahmen reparierter afrikanischer Artefakte, die er in Depots ethnologischer Sammlungen gefunden hat. Die in den Herkunftsländern durchgeführten Reparaturen sind nicht darauf angelegt, die Fraktur verschwinden zu lassen. Im Gegenteil beziehen sie aus diesen Bruchlinien eine eigene Ästhetik. Die Inkorporation fremder Materialien, Drähte, Knöpfe, Münzen wertet Attia als eine Form der Reappropriation. Das Tertium-Komparation ist dieser ungleichen Bilder, ist die Reparatur, die Gesichter sind, so Attia, geflickt like a piece of wood. Mit dem Format der Doppelprojektion rekurriert Attia auf die jetzt schon oft erwähnte Methode des vergleichenden Sehens, das im 19. Jahrhundert nicht nur in der Kunstgeschichte, sondern auch in der Ethnografie und der Kriminologie angewandt wurde. Susanne Leb hat Attias idiosynkratische Bildkombinationen treffend beschrieben. These are too far to be comparable and too close not to be comparable with regard to questions of repair, wounds, victims, violence. Atias visuelle Argumentation erscheint manchmal schräg, weil sie ständig zwischen faktualer und metaphorischer Rede schwankt. Also es sind sozusagen reparierte Gesichter, aber gleichzeitig ist eben die Reparatur für ihn viel mehr. Sie ist aber auch insofern nicht unproblematisch, diese Vergleichsmethode, als die Konfrontation von entstellten Körpern und Kunstwerken selbst schon eine Geschichte hat. in Die Forme des Malins d'Honlard von 1889 oder an die Gegenüberstellungen Paul Schulze-Naumburgs in Kunst und Rasse von 1928. Vielleicht aber ist auch Athias Slideshow eine Form der Appropriation eben des Formats der Doppelprojektion, um durch Unexpected Correlations, wie er es nennt, über die Problematik des Vergleichens grundsätzlich nachzudenken. Solche Korrelationen multiplizieren sich auf der Documenta 13, wo er die Installation gezeigt hat, The Repair from Occident to Extra-Occidental Cultures, in der Attia eine Diaschau neben Regalen zeigte, in denen Büsten, Bilder, Bücher und Zeitschriften wie in einem Depot oder mit Ellen Blumenstein einer Menosyne der Gewalt zusammengestellt waren. der Gewalt zusammengestellt waren. In der Installation Reparatur 5 Akte hat Attia die schwarzen Büsten durch weiße Marmorskulpturen ersetzt, die er von italienischen Bildhauern in Carrara anfertigen ließ. Die Holzbüsten hingegen wurden von senegalesischen Bildhauern nach Archivfotografien geschnitzt, gehorchen also westlichen Ähnlichkeitsvorstellungen. Also man sieht hier sozusagen so eine Archivfotografie eines gesichtsversehrten Soldaten und hier zeichnet sie ein bisschen nach, wenn man schlechtchter kennt, die Büste, die gerade noch in Arbeit ist. Mit dem Medienwechsel von der Fotografie zur Büste vollzieht sich eine neue Verkörperung. Das Spiel von Schwarz und Weiß, Carrara und Dakar erscheint auf den ersten Blick etwas plakativ. erscheint auf den ersten Blick etwas plakativ. Gleichzeitig aber macht es die in der Kunstgeschichte lange übersehene ideologische Kodierung des Materials sichtbar. Im 18. Jahrhundert galt weißer Marmor, wie etwa Monika Wagner gezeigt hat, als Ausdruck des Allgemeinen. Das heißt, es bezeichnete nicht primär die Hautfarbe, sondern das Universale im Gegensatz zum Individuellen, also etwa eines Porträts. Trotzdem feiert Winkelmann auch, Zitat, die sanfte und milchweiße Haut der griechischen Menschenrasse und sucht die Gleichung von Schönheit und Weisheit pseudowissenschaftlich zu begründen. Bei Athias Wahl des Materials spielt abermals eine Baum-Mensch-Analogie eine Rolle. Für die Köpfe wurden Teak-Stämme verwendet, die genauso alt sind, wie die Soldaten es heute wären. Bearbeitet wurden sie mit einem traditionellen Hackbeil. Die Hiebe erscheinen wie eine Art Reenactment der Verwundung, die durch die Analogie von stehengelassener Rinde auf Verletzungen mit Narben reagieren. mit Narben reagieren. In seiner Installation Scarification Self-Skins Architecture von 2015 analogisiert Atiyah rituelle Scarifikationsrituale, die Trauma und Heilung, Schmerz und Mut und dabei die Zugehörigkeit zu ethnischen Gruppen markieren, mit einer rissigen Holzfigur, bestickten beziehungsweise vernarbten Leinwänden, das sehen Sie da oben so ein bisschen, und der Fotografie einer zuwachsenden Baumwunde, die er mit einem Zitat von Cormac McCarthy kommentiert. Scars have the strange power to remind us that our past is real. Vielen Dank. Ich fürchte, das Ritual sieht keine Fragen vor. Aber erstens wäre ich dem ausgeschlossen und zweitens könnten wir sie aber auch bei einem Glas Wein nebenan diskutieren. Vielen Dank.