Herr Sellmayer, in wenigen Monaten, genau am 1. Jänner 2022, begehen wir das 20-jährige Jubiläum der Einführung des Euro. Diese Gemeinschaftswährung hatte ja von Anfang an die Rolle, Ihnen tatsächlich auch sehr stark integrativ in Europa zu wirken. Mittlerweile ist da sehr, sehr viel an Integrationsbegeisterung, der Ernüchterung gewichen. Wie groß ist denn Ihre persönliche Feierlust und Feierleidenschaft gegen Jahresende? Also, dass wir den Euro haben, ist ein großer Erfolg, das wir gegen viele Widerstande, wir Europäerinnen und Europäer, hinbekommen haben. Das hat uns niemand zugetraut. Und als wir es hinbekommen haben, haben viele nicht geglaubt, dass wir es schaffen würden. Also, dass der Euro jetzt über die Teenage-Jahre hinaus weiterhin stark und stabil in den Diensten aller Bürgerinnen und Bürger in Europa steht, ist eine große Leistung. Und wir feiern nicht nur 20 Jahre lang Euro, sondern wir sollten manchmal überlegen, warum wir den Euro geschaffen haben. Denn genau vor 50 Jahren, im August dieses Jahres, ist eigentlich der Anlass dafür geschehen, warum wir den Euro geschaffen haben. Da ist mitten im August der amerikanische Präsident Richard Nixon ins Fernsehen gegangen und hat das globale Währungssystem von Bretton Woods aufgekündigt und damit die Europäer im Regen stehen lassen. Und damals haben wir Europäer gesagt, wir können die Amerikaner stabilisieren uns währungstechnisch nicht mehr, deshalb müssen wir das jetzt selber machen. Und deshalb haben wir auf den Nixon-Schock reagiert und eine einheitliche europäische Währung auf den Weg gebracht. Das hat dann noch drei Jahrzehnte gebraucht, bis wir es geschafft haben. Am Ende haben wir es geschafft. Und genauso ist es vielleicht jetzt im August diesen Jahres gewesen. Da sind wir alle sehr enttäuscht gewesen, was Joe Biden als amerikanischer Präsident in Afghanistan gemacht hat. Und wir Europäer sind gerade dabei, unsere Lektionen daraus zu ziehen und vielleicht stehen wir in drei Jahrzehnten hier vor dem Landeshaus in Linz und sagen vielleicht war diese beiden Enttäuschungen genauso wirksam wie der Nixon-Schock. Wir haben damals die Währung geschaffen und jetzt haben wir uns europäisch geopolitisch stärker aufgestellt, so wie unsere Bürgerinnen und Bürger das mittelfristig erwarten. Herr Schmidt, die politische Auseinandersetzung zur diesjährigen oberösterreichischen Landtagswahl ist seit Wochen eröffnet. Wer sich dafür näher interessiert und genau hinsieht, bemerkt, dass das Thema Europa, Europapolitik de facto keine Rolle spielt. Ist nicht zu sehen auf Wahlplakaten, nicht zu sehen bei öffentlichen Auftritten. Woran kann das Ihrer Meinung nach liegen? Möglicherweise daran, dass Europa außer Streit steht und dass es kein innenpolitisches Konfliktthema ist in Zeiten der Corona-Pandemie. Ich finde das grundsätzlich nicht so schlecht. Wichtig ist, dass nach der Wahl konkret man sich Gedanken macht über eine Strategie, über eine europapolitische Strategie in Österreich, aber auch in Oberösterreich. Was kann ich über den Wiederaufbaufonds an Investitionen lukrieren, wie kann ich mich besser positionieren, um Beschäftigung und Wachstum zu schaffen? Das ist insofern interessant, als etwa im deutschen Bundestagswahlkampf Europa sehr wohl ein Thema ist, gerade auch bei der Abgrenzung von etwa CDU, CSU, FDP und Rot-Rot-Grün, wo immer wieder auch im Zusammenhang mit der Europäischen Union von der Schuldenunion die Rede ist. Da geht es dann sehr stark auch um Fiskalpolitik. Also offensichtlich in Deutschland sehr wohl ein wichtiges Thema. Vielleicht liegt es in Österreich am Verständnis für die Komplexität der Europäischen Union. Also bei einem gebe ich Ihnen recht, Europa ist eine komplexe Angelegenheit, aber Europa muss auch eine emotionale Angelegenheit sein. Also ich habe den deutschen Bundestagswahlkampf bisher nicht so vernommen, dass Europa das große Konfliktthema ist, die große Konfliktlinie ist zwischen den Parteien. Ganz im Gegenteil, also bei Grünen, SPD, CDU, CSU steht Europa eigentlich außer Streit. Hier gibt es natürlich Nuancen und Unterschiede, aber das ist nicht das Hauptthema des Wahlkampfs. Und das ist auch gar nicht so schlecht so, weil gerade Deutschland spielt hier eine besondere Rolle in dieser europäischen Integration. Und wenn Deutschland hier pragmatisch seiner europapolitischen Linie treu bleibt, dann ist es nicht unbedingt schlecht für Europa, weil es gibt dadurch keine große Veränderung. Auf der anderen Seite, der europäische Green Deal, klimapolitisch muss es eine Weiterentwicklung geben, aber es kann nur eine pragmatische Weiterentwicklung sein, wo die Bevölkerung auch mitgenommen wird. Europa steht hier bei den Grundparteien, bei den großen Parteien auch in Deutschland außer Streit. Die Auseinandersetzung folgt danach. Wir blicken nunmehr auf gut eineinhalb Jahre Corona-Pandemie zurück, wo ja noch kein Ende in Sicht ist. Die Pandemie, die Covid-19-Krise hat natürlich auch Europa, die Europäische Union, auf die Probe gestellt. auf die Probe gestellt. Zum Teil, was ganz erstaunlich, wie da auch das Vertrauen in Brüssel und auch die Europäische Union bei vielen Menschen geschwunden ist. Zum Teil ist auch die Solidarität innerhalb der Mitgliedstaaten ja geradezu zu einer Farce geraten. Was ist denn da Ihrer Meinung nach schiefgelaufen? Na, ich glaube, es ist nichts schiefgelaufen, sondern es ist in der gesamten Welt eine Herausforderung gewesen, die wir seit 100 Jahren nicht mehr erlebt haben. Und es ist immer erstaunlich, dass wir Europäer uns so selbst geißeln, als ob wir die Allerschlechtesten von allen wären. Ich erinnere mich, wie die Amerikaner täglich sagen, wir sind die Allerbesten. Dabei sind wir in Europa mehr geimpft. Wir haben eine geringere Arbeitslosigkeit, weil wir das alles aufgefangen haben durch unsere sozialen Sicherungsthemen. Und wir beide stehen jetzt heute, beide doppelt geimpft hier in Linz und können wieder in jedes Restaurant gehen und wissen, dass die Pandemie noch nicht ganz vorbei ist. Aber es gibt keinen anderen Kontinent, wo die Menschen wieder so wohlhabend, so sicher und so gesund wieder zusammenlegen. Also manchmal müssen wir Europäer, glaube ich, überlegen, wenn wir über Europa sprechen, warum erzählen wir erstmal die ersten zehn schlechten Sachen, die uns einfallen. Das gibt es keinen anderen Kontinent der Welt, wo das so ist. Die Amerikaner sagen erstmal, warum sie die Besten sind. Wir Europäer sagen immer, warum wir die Schlechten sind. Ich finde Bescheidenheit ist eine gute Sache. Aber so verdammt gut wie uns Europäern geht es eigentlich niemand auf der ganzen Welt. Und da sollten wir manchmal bei aller Selbstkritik, wir können immer noch vieles besser machen, auch sagen, diese Pandemie haben wir Europäer durchstanden, weil wir gemeinsam gearbeitet haben. Weil wir nach einigen Wochen, am Anfang hat jeder auf sich selbst geschaut. Ich bin in Wien in dieser Zeit gewesen, da durfte man nicht an den Neusiedler See fahren. Hat auch keiner gesagt, Österreich fällt jetzt auseinander. Sondern es ist nun mal in einer Gesundheitskrise so. Aber jetzt sind wir durch die schlimmste Phase durch und jetzt müssen wir auch für ein paar Monate die Nerven bewahren. Denn jetzt fängt die komplizierteste Phase der Pandemie an, denn jetzt haben wir eine Pandemie der Ungeimpften, wir haben die Geimpften, die schon alles wieder machen können und jetzt kommt es sehr auf den gesellschaftlichen Zusammenhang an und auf politische Führung, dass wir diese schwierigste und komplizierteste Phase der Pandemie überstehen. Aber ich glaube, dass in unserem demokratischen Europa, unserem rechtsstaatlich verfassten Europa, wir das am Ende ebenfalls wieder gut hinbekommen werden. Mittlerweile hat die Europäische Union einen Wiederaufbaufonds geschaffen, den sogenannten European Recovery Fund. Der ist mit sagenhaften 2,1 Billionen Euro ausgestattet. Das ist, um es nochmal zu beziffern, sind das 2.100 Milliarden Euro. Viele Menschen erleben die Europäische Union, Brüssel als sehr abstrakt, viel zu weit entfernt, zu wenig dran an den Lebensrealitäten der Menschen. Was haben denn jetzt die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich von diesem Wiederaufbaufonds? Also der Wiederaufbaufonds ist eine große gemeinsame solidarische Leistung. Das haben wir noch nie gemacht in der geschichte der europäischen union dass wir angesichts einer existenziellen krise an der ja niemand schuld ist das war ein virus das uns alle heimgesucht hat gesagt wir stemmen die folgen der corona pandemie gemeinsam und warum tun wir das weil wenn es unserem nachbarn in europa schlecht geht geht es uns auch schlecht wenn sie italien oder der slowakei schlecht geht es auch österreich schlecht wir hängen alle miteinander zusammen das kann man nicht besser zeigen als in dieser corona pandemie und wenn wir mal konkret fragen was bedeutet es für den bürger hier in alle miteinander zusammen. Das kann man nicht besser zeigen als in dieser Corona-Pandemie. Und wenn wir mal konkret fragen, was bedeutet es für den Bürger hier in Linz? Also der Europäische Aufbaufonds finanziert in Österreich beispielsweise das Klimaticket. Das ist eine Reform in Österreich, die verbunden ist mit dem Europäischen Aufbaufonds. Die Primärversorgung in der Gesundheitsversorgung wird ausgebaut mit Mitteln des Europäischen Aufbaufonds. Das kommt in Österreich direkt an. Auch viele Forschungs- und Sozialsubventionen kommen hier an. Aber viel wichtiger noch, häufig wird Europa auf so eine buchhalterische Übung reduziert. Was kommt bei mir an, was kommt beim Nachbarn an? Wichtig ist, dass keiner unserer Nachbarländer einen katastrophalen Wirtschaftseinbruch haben, sondern insgesamt Europa am Ende dieses Jahres etwa die Stärke wieder hat, die es vor der Pandemie hatte. Und das gibt es auch nirgends in der Welt, das gibt es nur in Europa. Wenn wir mal in die USA schauen, die immer sagen, in den USA ist alles viel besser. In den USA sind die Menschen viel weniger geimpft und in den USA ist das Wirtschaftswachstum, das sehr sehr fragil ist, augenblicklich stets auf der Kippe, während wir in Europa augenblicklich voranschreiten. Also das ist eigentlich der wirkliche Grund, warum wir diesen Aufbauplan gemacht haben, damit es niemanden in Europa schlecht geht. Wir haben keine Währungskrise gehabt, wir haben keine Staatsschuldenkrise gehabt, sondern wir haben gemeinsam es gestemmt und kommen jetzt eigentlich einigermaßen wirtschaftlich glimpflich aus dieser Jahrhundertkrise hinaus, die keiner von uns verschuldet hat. Die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie ist unbestritten eine globale Herausforderung, natürlich auch in Europa. Ich glaube, mittlerweile hat sich ebenfalls unbestritten herausgestellt, dass das Impfen die wohl effizienteste Maßnahme zur Bekämpfung ist. Wo steht denn Österreich da im europäischen Vergleich? Also wir stehen eine Spur besser als das europäische Mittelfeld, eine Spur besser als der europäische Durchschnitt. Europaweit, bei der europäischen Bevölkerung sind bei der Bevölkerungsgruppe 18 plus, also bei den Erwachsenen, knapp 70 Prozent der Bevölkerung durchgeimpft. Das ist genau das, was die Europäische Union auch zugesagt hat, was das Ziel war. Österreich steht bei dieser Bevölkerungsgruppe etwa bei dem gleichen Wert, bei der Bevölkerungsgruppe, bei der gesamten Bevölkerung steht Österreich ein bisschen besser als der EU-Durchschnitt, etwa bei 58 Prozent, das ist noch immer zu wenig. Da muss es rasch weitere Erfolge geben. Je mehr wir schaffen in der Durchimpfung, desto geringer, desto begrenzter die Ausbreitung. Und wir sind jetzt in einer vierten Welle, die dramatisch sein kann. Jetzt fangen die Schulen, die Schulen gerade geöffnet in Ostösterreich, nächste Woche in Oberösterreich. Hier muss noch viel gelingen, aber hier ist Österreich gar nicht schlecht positioniert europaweit. Ich glaube, es wird deutlich, dass Sie an die Größe der Europäischen Union glauben, auch dafür plädieren, dass das auch Stärke in unserer aller Überzeugung Eingang findet. Sie selber verwenden gerne auch diesen Begriff. Wir müssen uns eigentlich verabschieden von dieser Selbstverzwergung, uns immer klein zu machen. Wir hatten tatsächlich die Probe auf dem Exempel, gerade vor wenigen Tagen, als sich das Debakel in Afghanistan gänzlich abzeichnete, nach 20 Jahren internationaler Bemühungen zur Herstellung von Demokratie, Rechtsstaat in Afghanistan haben die Taliban, das Terrorregime, letztlich wieder die Macht ergriffen. Europa hat tatsächlich keine gute Figur gemacht. Was ist denn da Ihrer Meinung nach passiert? Also ich wundere mich wieder einmal, dass wir jede Krise der Welt Europa die Schuld dabei geben. Bei dieser Krise ist es doch so, die Bilder aus Afghanistan sind schrecklich, das wird niemand bestreiten. Aber Afghanistan war ein Antiterroreinsatz der Amerikaner, die daraufhin auf die schrecklichen Anschläge vom 11. September 2001 reagiert haben. Die EU-Staaten, die in der NATO sind, haben sich damals solidarisch erklärt und als Artikel 5 des NATO-Vertrages aktiviert worden, die USA unterstützt, aber es war immer ein amerikanischer Einsatz und es war ein Einsatz gegen den Terror. Jetzt sind die Amerikaner rausgegangen. Das hat übrigens der amerikanische Präsident Donald Trump veranlasst, der mit den Taliban einen Seitenvertrag geschlossen hat. Joe Biden hat das nicht korrigiert, das hat vielleicht den einen oder anderen überrascht, aber wer die amerikanische Innenpolitik ansieht, merkt, dass in den USA nach 20 Jahren die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr bereit waren, ihre Söhne und Töchter in Afghanistan am Hindukusch sterben zu lassen. Das kann man glaube ich ganz gut nachvollziehen. Und deshalb jetzt zu sagen, das ist jetzt ein Debakel Europas, ich verstehe das nicht. Europa hat dort keinen Krieg geführt, Europa hat die Amerikaner geschützt. Die Amerikaner gehen raus. Dann gehen wir natürlich auch raus. Natürlich könnte man sich wünschen, dass die USA, wenn sie rausgehen, durch die Europa ersetzt werden und wir Europäer jetzt als Weltpolizist überall Frieden schaffen. Aber dafür braucht es ein paar Voraussetzungen. Zu jetzigem Zeitpunkt ist die Europäische Union von den Mitgliedstaaten nicht ausgestattet damit. Ich kann mir nicht ein Stofftier anschaffen und mich dann wundern, dass es nicht den Einbrecher verbellt, sondern da muss ich mir halt einen wirklichen Wachhund anschaffen. Das haben die Europäer bisher nicht getan. Und das ist eine eigene Entscheidung. Und ich glaube, in Wirklichkeit sind die Krisen, die uns in Europa betreffen, liegen viel näher. Die Krisen, die uns eigentlich direkt betreffen, liegen in der Ukraine, direkt an einem wichtigen EU-Mitgliedsstaat wie Polen benachbart, liegen in Mali. Das ist ein wichtiger Ort in Afrika, wo wir gemeinsam eigentlich unter EU-Flagge den Terror bekämpfen. Darauf sollten wir uns konzentrieren. Die Europäische Union kann Frieden und Stabilität vielleicht in unserer Nachbarschaft gewährleisten, wenn wir uns etwas mehr bemühen. Wir schaffen das aber nicht auf der ganzen Welt. Die Amerikaner, die das jahrzehntelang gemacht haben, haben sich zurückgezogen. Wir sollten Europäer nicht vermessen sein und jetzt glauben, dass wir jetzt überall hineingehen können. Das ist übrigens auch nicht, was unsere Bevölkerung will. Fragen Sie mal hier in Linz auf der Straße, wer möchte seine Söhne und Töchter am Hindukusch in den Einsatz bringen und jede Woche Särge aus Kabul zurückbringen. Das möchten die Menschen zu Recht nicht. Also bitte etwas realpolitischer und Europa das zutrauen, was wir Europa auch machen lassen wollen und da haben wir in unserer Nachbarschaft genügend zu tun. Unsere Zukunft liegt nicht in Afghanistan, das ist hart zu sagen, unsere Zukunft liegt in der Stabilisierung der unmittelbaren Nachbarschaft der Europäischen Union und da haben wir genug zu tun. Die illiberale Entwicklung in Polen und Ungarn machen die beiden Mittelstaaten der Europäischen Union und da haben wir genug zu tun. Die illiberale Entwicklung in Polen und Ungarn machen die beiden Mittelstaaten der Europäischen Union durchaus so etwas wie Schmuddelkinder der europäischen Einigung. Die Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sind seit Jahr und Tag massiv gefährdet. Was sollte denn Ihrer Meinung nach die Europäische Union tatsächlich tun, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten? Ich glaube, sie sollte zweierlei tun. Auf der einen Seite ist die Europäische Kommission gerade als Hüterin der Verträge dabei, die relevanten Gesetze in Polen und in Ungarn auf ihre Europarechtskonformität zu prüfen. Und ich glaube, dass die Europäische Kommission hier die Unterstützung aller Mitgliedstaaten, aller anderen Mitgliedsstaaten braucht. Man darf die Europäische Kommission hier nicht allein als Hüterin der Verträge im Regen stehen lassen, sondern auch Österreich und die österreichische Bundesregierung und die anderen nationalen Bundesregierungen in Europa müssen diese Themen ansprechen und müssen hier Druck aufbauen und dürfen nicht wegschauen. Das ist das eine. Ich glaube, im Hinblick auf die Rechtsstaatlichkeit ist schon einiges passiert. Der politische Druck ist hier gegenüber Polen durchaus massiv und das hat auch seine Folgen. Die polnische Seite hat ihre Entscheidungen, was die Rechtsstaatlichkeit und die Kritik daran betrifft, verschoben, um hier noch einmal in einen Nachdenkprozess zu gehen. Also hier tut sich was, hier entwickelt sich was. Bei europäischen Werten darf es einfach keine Kompromisse geben und auch was Ungarn betrifft, werden die letzten Gesetze, zum Beispiel im Bildungsbereich, aber auch die Frage der Meinungsäußerung und der Meinungsfreiheit und der Freiheit der Medien, der Medienfreiheit, werden auch genau auf Europarechtskonformität überprüft. Und auch da darf es keine Kompromisse geben. Wenn es europarechtlich nicht durchsetzbar ist, weil die Europäische Union nicht die Kompetenz hat, hier in einen Bereich einzugreifen, der eine nationale Kompetenz ist, aber es trotzdem gegen europäische Werte verstößt, europäische Werte, die alle unterschrieben und alle ratifiziert haben, nur manche erinnern sich nicht mehr daran, was sie eigentlich unterschrieben haben. Wenn das der Fall ist, dann ist es hier wichtig, politischen Druck aufzubauen. Dann kann man auch nicht sagen, okay, die Europäische Kommission, eine Europäische Union muss handeln, soll handeln. Wenn die Europäische Union, sind wir alle, dann muss auch die österreichische Bundesregierung hier öffentlich Farbe bekennen, hier Druck aufbauen und klar Position beziehen. Am 26. September dieses Jahres wird ja nicht nur der Oberösterreichische Landtag neu gewählt, sondern bei unseren deutschen Nachbarn auch der Bundestag. Damit einher geht der Abschied von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach 16 Jahren von der politischen Bühne. Sie hat gemeinsam mit Emmanuel Macron, dem französischen Staatspräsidenten, doch sehr stark auch die Achse getragen der Europäischen Union, die gemeinsame Achse. Die Wiederwahl von Macron ist keineswegs gewährleistet im nächsten Jahr. Inwieweit machen Sie sich allenfalls Sorgen, wie das dann mit der Europäischen Union ohne diese beiden Persönlichkeiten weitergehen kann? Es scheint sich immer interessant zu sehen, wie in der Rückschau das aussieht. Ich erinnere mich noch gut, wie die Debatte in Deutschland und auch in den Nachbarstaaten war, als Angela Merkel Kanzlerin werden sollte. Und alle haben gesagt, naja, die kann das ja nicht, die erste Frau. Es gab wirklich schlimme Äußerungen, Kohlsmädchen kommt aus dem Osten. Ich erinnere mich, was man da gesagt hat und heute ist sie die große Staatsfrau Europas. Ich habe sie viele Jahre lang in Aktion erlebt, aus nächster Nähe und muss sagen, in der Tat, sie war eine ganz, ganz wesentliche stabilisierende Kraft der Europäischen Union. Aber alle ihre Nachfolger, alle, die da jetzt in Frage kommen, werden dieses Erbe in der einen oder anderen Form weitertragen. Es ist interessant zu sehen, dass wir in der luxuriösen Situation sind in Europa. Es ist interessant zu sehen, dass wir in der luxuriösen Situation sind in Europa. Egal wer der nächste deutsche Bundeskanzler wird, wird die Politik von Angela Merkel in der einen oder auf anderen Form nachtragen. Sogar jemand, der von einer anderen Partei ist, wirbt zur Zeit mit der Merkel-Raute auf den spitzen Seiten der Tageszeitungen. Also insofern, man muss sich keine Sorgen machen. Deutschland wird auf klar europäischem Kurs bleiben. Nicht aufregen, nicht revolutionär sein, sondern relativ langweilig. Und seien wir mal ehrlich, es ist doch kurz gut, wenn die Deutschen langseitig sind. Die waren aufregend genug in der Geschichte der Menschheit. Es ist doch gut, wenn sie weiterhin für die nächsten vier Jahre lang langweilig und in den gewohnten Bahnen sind, die proeuropäisch sind, demokratisch sind und wo demokratische, radikale Kräfte in Deutschland mit Abstand keine Chance haben, Teil der nächsten deutschen Regierung zu sein. Das ist doch eine gute Nachricht. Da schauen wir lieber auf Linz. Ich glaube, es wird spannender in Linz als in Berlin. Welche Positiv-Images bzw. Narrative, die Europa dringend braucht, können Ihrer Meinung nach tatsächlich auch wieder das Vertrauen in die europäische Integration stärken? Ich glaube das wirklich große Thema ist der europäische Green Deal. Das große Thema ist die Klimapolitik. Ich glaube, und das merken wir auch bei unseren Umfragen in Österreich, dem wirklich großen Teil der Bevölkerung ist bewusst, dass Umweltverschmutzung nicht an unseren Grenzen Halt macht. Das ist ein grenzüberschreitendes Thema, ein weltweites Thema. Das ist ein Thema, wo nur ein gemeinsames Handeln wirklich Sinn macht und einen Unterschied macht. Und hier kann die Europäische Union, und das tut sie auch über die klimapolitischen Ziele 2030, 2050, die Reduktion der CO2-Emissionen, hier gibt es sehr ambitionierte Ziele, die politisch umzusetzen sind. Hier gibt es sehr ambitionierte Ziele, die politisch umzusetzen sind. Und das ist der große Narrativ. Da kann Europa eine Vorreiterrolle einnehmen. Da kann jeder Einzelne im Alltag zu Hause seinen Beitrag leisten. Und hier kann ein Bewusstsein entstehen, wo die junge Generation, auch der älteren Generation sagt, Freunde, es geht um unsere Zukunft. Bitte helft alle mit. Und gemeinsam können wir das schaffen. Gemeinsam als Europa und auch als Europa in der Welt als Standardsetzer. Also ich glaube, das ist eine Geschichte, die die Menschen verstehen und wo jeder seinen Beitrag leisten kann. Und das ist eine Geschichte, wo Europa wirklich wirken kann. Ich habe heute gelesen, dass Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz seine vielen Sympathiepunkte in deutschen Talkshows allmählich verliert. Wie sieht denn die Europäische Kommission den Mitgliedstaat Österreich heute? Österreich ist seit etwas mehr als 25 Jahren Mitglied der Europäischen Union. Und es ist eine starke Leistung dabei zu sein und mitzuwirken, dass man in den Talkshows in anderen Mitgliedstaaten aufsieht. Das ist eigentlich ein gutes Zeichen für die Entwicklung einer europäischen Innenpolitik. Das führt dazu, dass man mal Ereignisse in anderen Mitgliedstaaten kritisieren kann, aber natürlich auch umgekehrt kritisiert wird. Und ich glaube, so müssen wir in Europa miteinander leben. Es gibt keine inneren Angelegenheiten zwischen den 27 Mitgliedstaaten. Man muss sich jeden Tag wieder, auch nach der Talkshow, in die Augen schauen können. Und wenn wir das alle beherzigen, dann werden wir ein gutes Miteinander in der Europäischen Union haben und gemeinsam Europa besser machen. Ich glaube jeder in den anderen Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission freut sich über jeden starken Beitrag aus Österreich mit Vorschlägen, wie wir Europa weiterentwickeln können und ich habe in den letzten Wochen und Monaten da viele gute Beiträge gehört. Abschließend noch, wann kommt denn Ihrer Meinung nach der gemeinsame europäische Reisepass? Naja, den gemeinsamen europäischen Reisepass, den haben wir auf eine gewisse Art und Weise schon. Denn wenn man heutzutage den Reisepass eines EU-Mitgliedstaates hat, der sogar überall genormt und dieselbe Farbe hat und sogar dieselben Codes hat, dann kann man überall auf der Welt als Europäer reisen. Also wir haben ihn schon. Wir haben in der Covid-Krise jetzt, jede Krise hat am Ende auch etwas Gutes, haben wir es zum ersten Mal geschafft, dass wir jetzt europäisch vereinheitlicht einen QR-Code haben, den ich hier, ich habe das heute in Linz getestet, in jedem Hotel, in jedem Restaurant, in jedem Scharnigarten vorzeigen kann. Und das ist europäisch genormt. Das ist noch kein Pass, aber es ist eine Zugangsregelung, die überall einheitlich und relativ einfach zu bedienen ist. Also die Reisefreiheit, das ist ja unser wichtigstes europäisches gemeinsames Gut. Die haben wir dank der Europäischen Union und wir haben in der Covid-Krise eins gesehen. Achtung, dass wir Europa nicht für selbstverständlich nehmen. Denn wenn wir das tun, kann es auch ganz schnell wieder verschwinden. Wer von Montag bis Samstag auf die europäische Idee, auf die Europäische Union einprügelt, muss sich nicht wundern, wenn er am Sonntag nicht mehr im Nachbarland in den Scharnigärten gehen kann. Deshalb pflegen wir dieses Europa, kritisieren wir es, wenn wir es besser machen können, aber versündigen wir uns nicht Europa, denn wir brauchen Europa mehr denn je. Wir sind zu unserem Glück in der Europäischen Union vereint, menschlich, wirtschaftlich, politisch und sozial. Und das ist eigentlich etwas, was uns die Corona-Krise in Erinnerung gerufen hat. Und deshalb hoffentlich wird es nach der Krise ein Stück weit besser werden als vorher, der Zusammenhalt und die Solidarität stärker werden. Und deshalb fahre ich ja auch mit dem Fahrrad und dem Paul Schmidt, dem Generalsekretär der österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, durch alle österreichischen Bundesländer. Denn nach diesen vielen Monaten, wo wir alle zu Hause gesetzt haben, habe ich ein Bedürfnis danach zu hören, was die Menschen vor Ort denken. Jetzt drei Tage in Oberösterreich, spannende Ideen, neue Ideen und zwar nicht die großen außenpolitischen, integrationspolitischen Fragen, sondern ganz normale Sachen. Wie reise ich? Wie sorge ich für die Gesundheit der Familie? Brauche ich eine dritte Impfung, ja oder nein? Und wie geht es weiter mit der Wirtschaft, mit dem Klimawandel, mit der Klimapolitik? Und da haben die Menschen doch ganz, ganz konkrete Bedürfnisse und ich glaube alle in der Politik, ob in Linz, ob in Wien oder in Brüssel und Straßburg, tun gut daran, da immer genau zuzuhören und jetzt nach dieser Krise mehr zuzuhören und viel mitzunehmen, was eigentlich die Bürgerinnen und Bürger gelernt haben. Ich habe manchmal den Eindruck, sie haben mehr gelernt als der eine oder andere Politiker. als der eine oder andere Politiker. Abschließend noch eine Frage. Wie oft und wie lange müssen Sie gemeinsam mit dem Herrn Sellmeier noch Rad fahren, um das Verständnis, die Begeisterung auch in Österreich für die Europäische Union wieder so richtig flott zu machen? Also einige tausend Kilometer werden wir schon noch Rad fahren, aber wir müssen nicht, sondern wir wollen, weil es uns irrsinnig viel Spaß macht. Wir haben irrsinnig viele interessante und spannende Gespräche, viele Wünsche, Ideen und viel konstruktive Kritik, die wir mitnehmen in dem Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern. Wir sind in jedem Bundesländern ein paar Tage unterwegs, sammeln Wünsche und Anregungen und führen die dann zusammen, kombinieren das Ganze mit Meinungsumfragen, bundesländerspezifische Meinungsumfragen und wenn wir alles beisammen haben, machen wir einen Bericht und fahren mit dem Nachtzug von Wien nach Brüssel und werden das dort zur Diskussion stellen. Wir werden das in Österreich, in Wien der Bundesregierung geben, werden das den Landeshauptleuten geben, zur Verfügung stellen und auch den europäischen Institutionen zeigen und mit ihnen einfach unsere Erfahrungen austauschen. Und ich glaube, nur so kann die Zukunftsdebatte wirklich auch ein Erfolg werden. Je mehr Gespräche wir haben, und das ist auch eine der Lehren aus der Pandemie, je mehr Zeit wir uns nehmen um zuzuhören, desto besser kann Europa werden und unser Ziel ist es ja eigentlich Europa, die Europäische Union gemeinsam besser zu machen. Ja genau.