Musik Wie machen wir jetzt weiter? Gespräche mit Menschen, die Zukunft denken. Ein gemeinsames Projekt der Zeitschrift Welt der Frauen und der Plattform Movement 21. Wir haben jetzt schon sehr, sehr verschiedene Aspekte zum Thema, wie wir weitermachen, gesammelt. Und schon langsam kommen wir ja doch an das Ende dieser langen Durststrecke, die wir Pandemie genannt haben. Und wir werden jetzt in den nächsten Gesprächen noch etwas Resümee ziehen. Und heute habe ich einen Gast, mit dem ich das ganz besonders gerne tue. Herzlich willkommen, Barbara Stöckl. Herzlich willkommen. Danke für die Einladung. Sehr gerne. Es ist jetzt noch früher Morgen, 9 Uhr, und wir werden uns etwas über die vergangenen ein Vierteljahre unterhalten. Barbara Stöckl, wie haben Sie denn die Zeit genutzt? Ja, genutzt ist eine gute Frage. Ist das Nutzen immer das Kriterium für alles? Ich bin durchgekommen. Sie waren ganz schön herausfordernd. Letztendlich, wenn ich da jetzt darauf zurückblicke und ich bin da noch nicht so ganz optimistisch, ob wir wirklich draußen sind, war es ein sehr herausforderndes Jahr. Ein sehr herausforderndes Jahr aus einer sehr privilegierten Sicht. Ich konnte das ganze Jahr arbeiten, aber auch das Arbeiten hatte sehr besondere Anforderungen in dem Bereich. Interviews an Videokonferenzen an Mitarbeiter und Kollegen genennen, die nicht präsent sind, sondern im Homeoffice sehr, sehr gefordert. Ich weiß nach diesem Jahr mehr denn je, dass ich ein analoges Wesen bin. Und ja, es war anstrengend, auch in allen Ängsten, in allen Herausforderungen, die wir allen hatten, auch mit diesem ständigen Blick auf Menschen, für die vieles weggebrochen ist und denen sich wirklich existenzielle Fragen gestellt haben. Viele haben ja am Anfang der Pandemie geglaubt, das ist jetzt die Chance, vieles zu verändern. Wie sehen Sie das? Am Anfang habe ich es auch geglaubt. Beim ersten Lockdown war so ein bisschen auch die Krise als Chancegefühl. Und dann nach einigen Wochen hat man auch gemerkt, auch als Journalistin ist gemerkt, dass das eine Formulierung ist, auf die Menschen fast allergisch reagieren. Was ja ganz typisch ist. Wenn man in einer Krise ist, will man nichts von der Chance hören. Das ist ein Blick, den man erst sozusagen retrospektiv haben kann. Wenn man drinnen ist, tut es weh. Dann ist dieser Mechanismus des Schmerzes, der Transformation im Gange. Und da fühlt es sich fast zynisch an, wenn man hört, die Krise als Chance. Ich bin nicht so ganz optimistisch, wenn ich so im Momentum mich umblicke. Gestern in den Nachrichten gehört in China ein Wirtschaftswachstum von 8 Prozent. Das heißt, die höher, schneller, weiter Welt ist schon wieder angeworfen worden. Und da beschleicht mich manchmal schon der bange Gedanke, dass die Krise nicht groß genug war, dass wir wirklich was verstanden haben. groß genug war, dass wir wirklich was verstanden haben. Aus Ihrer Sicht, was sollten wir denn verstehen oder wo ist Ihrer Meinung nach, wo ist das Feld, wo wir etwas lernen sollten? Ich denke, in diesen explodierenden, expandierenden Systemen, wo Quantität längst vor Qualität geht, natürlich im Zentrum des Ganzen ein Wirtschaftssystem, das uns mittlerweile schon auch kaputt macht, das uns nicht mehr Mensch sein lässt, das sich in allen Bereichen des Lebens eigentlich niederschlägt. Ich glaube, es greift zu kurz, wenn man es immer nur als das böse neoliberale System beschreibt, weil wir haben es ja so gemacht. Wir haben ja auch eine Wahl, wir haben ja auch die Entscheidung, aber wir haben es auch so gelernt und kommen aus dem ganz schwer raus, aus diesem Denken, aus diesem mehr ist besser. Und ja, das will man von uns an allen Ecken und Enden. Und dieses bewusste auch Stopp sagen, ist eine Tugend mittlerweile, die ganz schwer ist. Manche Menschen schaffen es, sagen Stopp für sich, oft aus einer persönlichen Krise heraus, weil sie dann einfach krank sind, weil sie nicht mehr mitkommen. Und da ist eine Transformation im Gange, wo ich aber glaube, dass sie doch noch eine Zeit dauert. Haben Sie den Eindruck, dass wir da in verschiedenen Geschwindigkeiten oder Welten leben? Also dass es auf der einen Seite den gleichen Druck wie vorher gibt und auf der anderen Seite ein Empfinden, das aber noch nicht so ganz umgesetzt wird? Auf alle Fälle. Also das sind zwei Parallelwelten, die auch fast immer weiter auseinanderklaffen, habe ich das Gefühl. Weil wenn ich dann Interviews oder auch Vorträge von Menschen höre, von CEOs, die an der Spitze unserer Systeme stehen, dann denke ich mir, und es ist auch eine Erkenntnis dieser Krise, dass es den Privilegierten noch besser geht als vorher. Und denen, die sozial schwach sind, denen geht es noch schlechter. Und wenn ich aber dann noch sehe, dass in Amerika im Moment von Superreichen eine Plakatkampagne läuft, ich glaube Jeff Bezos ist da einer der antreibenden Kräfte unter dem Titel Tax me if you can. treibenden Kräfte unter dem Titel Tax me if you can. Also die sagen, es kann nicht anders gehen, als dass wir auch etwas abgeben in einer Form. Mein Gott, für mich ist das Wort Teilen ein so wichtiges geworden in unserer Gesellschaft. In jeder Form, da steckt so viel drin. Teilen im Sinne von verteilen, Teilen im Sinne von umverteilen, Teilen aber auch im Sinne von mitteilen. Da steckt all das drinnen, was für uns wichtig geworden ist und da braucht es, glaube ich, eine gute Betrachtung dessen. Jetzt bei der Scheidung von Bill Gates, wenn es bei der Scheidung um das Aufteilen von 120 Milliarden Dollar geht, dann denke ich mir, ob der 120 oder 100 Milliarden hat, das spürt er nicht. Das macht in seinem Leben keinen Unterschied. Und für uns ist es das Budget, das ein ganzes Land sanieren kann. Also das sind schon Beträge, wo ich sage, da ist etwas passiert, was nicht mehr gesund ist. Und da muss man jetzt gar nicht links oder es ist einfach eine Notwendigkeit, dass wir da Dinge wieder in Einklang bringen, die auseinandergeklafft sind. Das Stichwort Einklang bringt mich zur Frage, ob Sie in der gegenwärtigen Situation auch so etwas wie eine spirituelle Krise sehen. Also die Frage, wie verstehen wir uns denn überhaupt als Menschen, als Menschheit, welche Form von Selbstverständnis, von Gemeinschaft hinterlegen wir all dem, was wir tun? zentrale Frage. In meiner Erfahrung ist es auch eine Frage des Erwachsens und Erwachens. Das heißt, eine Frage, die sich auch mit dem Alter zunehmend anders stellt, weil es eine zentrale Frage ist, dass ich auf dieses Thema komme. Wer bin ich eigentlich und wie geht ein gutes Miteinander, wie geht ein gutes Leben. Und da ist es für mich keine spirituelle Krise. Da bin ich eigentlich wieder optimistischer. Da ist es ein spirituelles Erwachen, das ich ganz stark sehe. Und wo ich auch, es gibt da sehr gute Bücher und Überlegungen von Konstantin Wecker mit Bernie Glassman, der für ihn ein buddhistischer Lehrer und Freund ist, dass es auch diesen Zusammenschluss oder diese Verbindung von Politik und Spiritualität braucht. Dass auch in der Politik, die ja nichts anderes ist als ein Regeln des Zusammenlebens, spirituelle Überlegungen braucht. Und ich denke, das ist ein wichtiger Weg, wo ich aber optimistischer bin. Da sehe ich schon manches am Werden. Und natürlich sind diese Überlegungen, welche die essentiell sind im ganz persönlichen Umkreis, aber auch im politischen Sinn. Wir haben gerade jetzt wieder im Nahen Osten einen Konflikt, der so massiv auch hineinspielt in die Frage des Glaubens und auch des Eingottglaubens. Sie glauben alle an den gleichen Gott und trotzdem haben sie ständig Krieg miteinander. Jetzt gibt es natürlich viele verschiedene Ursachen, aber worauf ich hinaus möchte, David Steindl-Ras, den Sie wahrscheinlich auch kennen, Benedikt Dienermönch, wird demnächst 95. Und er war ja einer, der versucht, sozusagen diese Festlegung auf Konfessionen und auf den Krieg, der daraus entsteht, zu überwinden. Und wenn ich Sie richtig verstehe, würden Sie auch in diese Richtung gehen? Ich denke, anders kann es nicht gehen. Es ist dieses Stoppsagen in vielfacher Hinsicht ein so wichtiges geworden in dieser Welt. Stopp in einer persönlichen Entwicklung, in einem Weg, den ich so nicht gehen will. Stopp in Konflikte, die anders nicht lösbar sind, als auch einen Strich zu ziehen und zu sagen, was ist hier eigentlich, wie können wir es auflösen? Und da geht es nicht immer dann um ein Zurückblicken und um ein Bessermachen, sondern gerade den Konflikt, den Sie angesprochen haben, da kann es nicht anders gehen, als dass diese ganz starke Friedensbewegung und diese Friedenssehnsucht, die es auf beiden Seiten gibt, auf Seiten Israels und auf Seiten der Palästinenser, dass man auf der aufbaut, also nach David Steindl Rast und seinen Gedanken, auf ein Schauen, was ist und nicht auf ein Schauen, was fehlt. Und das trägt, das trägt immer. Und ja, da bin ich jetzt zu wenig realpolitisch, um zu sagen, das kann gut klappen, aber es ist zumindest mal eine Waffenruhe definiert. weil leider zu viel passiert, auch was die Todesopfer auf beiden Seiten betrifft. Aber es ist zu wenig zu sagen, irgendeine Seite hat Recht. Um das geht es nicht mehr. Beide Seiten haben Recht und beide Seiten haben nicht Recht. Es kann nur mehr sein, lasst uns gemeinsam diesen Weg bauen. Und die Basis kann nur die Friedensbewegung sein, die es auf beiden Seiten gibt. Also das Verbindende suchen, das Recht haben überwinden, auch das Trennende überwinden. Das führt mich noch zu einer Frage, Sie sind als Talkmasterin tätig. Sie haben eine eigene Sendung, wo Sie sehr viele verschiedene Leute immer um einen Tisch versammeln und Sie auf sehr kunstvolle Weise im Gespräch verknüpfen. Jetzt erleben wir gesellschaftlich, dass wir gerade zum Beispiel zum Thema Wissenschaft, zum Thema Corona, all diesen Dingen, eine riesige Kluft, eigentlich eine Sprachlosigkeit zwischen den Menschen haben. Da werden manche Themen einfach ausgespart im privaten Bereich, weil man nicht mehr zusammenkommt. Aus Ihrer Erfahrung, als eine, die Gespräche führt, wie könnte man denn das ändern, im Privaten, aber auch gesellschaftlich? Was braucht es da, damit wir wieder in den Fluss des Gesprächs kommen? Ich denke, und das, was Sie hier ansprechen, ist wirklich ein ganz großes Dilemma. Ich kenne das auch im persönlichen Bereich, gerade wenn es um das Thema Impfung, Verschwörungstheorien, Corona-Kritik geht. Ich glaube, es braucht ein Aushalten. Es braucht ein Annehmen der eigenen Ohnmacht. Es braucht ein Wissen, das eben nicht alles vereinbar und aussprechbar ist. Ich glaube, dass dieses Streben nach ständigen Glücksmomenten und wenn ich in Bücherläden gehe, dann sehe ich, dass mittlerweile der Stoß an Lebens das Leben ist auch Leid, das Leben ist auch Schmerz und das darf sein und das gehört dazu und das darf man auch aushalten müssen. Das darf man nicht wegleugnen. Du hast eine andere Meinung. Punkt. Du hast eine andere Meinung. Punkt. Es ist. Es ist und es findet statt. Und ich habe nicht recht und du hast nicht recht. Wir können Argumente austauschen, aber wir dürfen es auch nebeneinander stehen lassen. Und wir können unsere Ohnmacht aushalten. Das ist eine Erfahrung, die immer schwieriger wird, weil wir immer glauben, die Ohnmacht muss weg. Sie darf nicht sein. sie behindert uns. Und das zu ertragen, gehört einfach zum Leben dazu. Und das ist auch eine Erfahrung, die ich im Moment mache, die ganz schwierig ist in diesem persönlichen Bereich auch, wo es um diese Dissonanzen und Konflikte geht, Dinge einfach auch nebeneinander stehen zu lassen. Aber gleichzeitig, wenn ich Sie richtig verstehe, das Verbindende zu suchen, also nicht in der Sprachlosigkeit zu bleiben, sondern ein anderes Thema zu suchen, über das man sich verständigen kann. Genau so ist es. Also nicht den Konflikt, nicht die Dissonanz in den Vordergrund stellen. Das darf sein und es darf auch jeder seine Meinung haben. Und manchmal mutet es absurd an, wenn ich die Argumente an das Denken da in diesen Fragen höre. Und ich denke mir, wie kann man so verquer sein? Wie kann man es nicht sehen? Und trotzdem muss ich mir auch überlegen, warum tut das so viel mit uns? Wo sind vielleicht auch die Punkte, wo ich selber hinschauen muss? Und was kann ich in diesem Konflikt anbieten? hinschauen muss und was kann ich in diesem Konflikt anbieten? Was kann ich anbieten an Gemeinsamkeit? Wo ist eine Basis, die gemeinsam trägt und wo wir vielleicht gar nicht so weit auseinander sind? Also das ist letztendlich dieses Überwinden von Dissonanzen, weil Sie meine Sendung angesprochen haben. Ich denke, das geht auch über dieses ganz feine Weben von Brücken, die wir bauen. Das ist ganz wichtig, dass Menschen aus unterschiedlichen Lebenswelten, unterschiedlichen Generationen, unterschiedlichen Denkungsarten nicht nur Konflikte und im Streit und in der Diskussion miteinander verbunden sind, sondern auch im Kennenlernen dieser Welt. Einfach im Wissen umeinander, im Staunen umeinander. Das bewegt dich, das macht dich stark. So habe ich das noch nie gesehen. Es ist ja diese Lösung dieser Dissonanzen, und das weiß man ja auch aus vielen Therapieformen, immer dieses in den Schuhen des Anderen gehen. Ein bisschen versuchen, in der Imago-Therapie heißt es, ich höre dich, ich habe dich gehört. Also es einfach mal wahrnehmen, stehen lassen, schauen, was es tut und erst dann den nächsten Schritt gehen. Wir kommen leider schon wieder an den Schluss unseres Gesprächs. Jetzt möchte ich noch einmal an den Anfang zurückkehren. Sie haben am Anfang etwas Skepsis durchklingen lassen, ob wir tatsächlich fertig sind mit der ganzen Pandemie und haben auch geschildert, wie es Ihnen ergangen ist in der ganzen Unsicherheit, die sich da aufgetan hat in diesen ein Vierteljahren. Sollte dann noch einmal etwas kommen aus Ihrer Erfahrung, woran lohnt es sich denn, sich festzumachen? Wie kann man sich am besten vielleicht prospektiv gedacht einstellen darauf? Ich freue mich jeden Tag, wenn hier Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen reinkommen, mehr noch denn je zu sagen, es ist schön, dass ihr da seid, dass miteinander in der Familie die sozialen Kontakte pflegen, in welcher Form auch immer. Für mich ist es immer wieder auch der Weg in die Natur hinaus zu gehen, zu schauen, dass die Sonne jeden Tag aufgeht und ich habe nichts dafür getan, dieses Staunen können in den kleinen Dingen, die tragen, so lächerlich sie scheinen mag. Aber wenn ich jetzt hinausgehe in die Natur, wo es explodiert durch den vielen Regen, den wir jetzt hatten und wo Dinge passieren, die viel größer sind, als ich denken kann, das trägt immer wieder, auch in schwierigen Zeiten. Vielen Dank, Barbara Stöckel. Sie haben uns, denke ich, jetzt Mut gemacht. Dankeschön. Dass wir auch gut weitergehen können. Vielen Dank. Danke Ihnen, dass Sie dabei waren. Und wenn Sie noch mehr Antworten auf die Frage, wie wir jetzt weitermachen, haben möchten, dann können Sie bitte gerne unsere Websites von Welt der Frauen oder Movement21 besuchen. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag. Bleiben Sie gesund und zuversichtlich.