Schönen guten Abend, liebe Damen und Herren, grüße euch liebe Freunde. Ich begrüße euch zur Vorlesestunde im DorfTV und wünsche einen interessanten Abend. Guten Abend, mein Name ist Judith Groberitzi. Ich komme aus Oberösterreich, lebe seit vielen Jahren in Wien und im Mühlviertel. Ich schreibe Romane und aus meinem letzten Roman werde ich heute Abend lesen. Die Idee, in die Stadt K. zurückzukehren, wurde langsam geboren. Es war ein vorsichtiges Sich-Herantasten, ein langes Überlegen, wie es denn nun weitergehen solle oder könne, aber erst als Rosas Gefühl des Nicht-mehr-weiter-Wissens alles in ihr zu erdrücken begann, begriff sie ganz allmählich, dass sie nach einem völlig neuen Ansatz suchen musste, dass es nicht mehr ausreichte, irgendetwas weiterzumachen, irgendetwas zu planen, nur um zu planen, nur um nicht untätig zu sein. Ohne das Chaos in der Stadt K wäre alles leichter, dachte Rosa damals. Daran kann sie sich genau erinnern. Und so kehrten ihre Gedanken in diese Stadt K zurück, ganz langsam und vorsichtig. Lange dauerte es, bis die Überlegung auftauchte, dorthin zu fahren, und noch länger, bis sie tatsächlich für sich entschied, hinfahren zu müssen. Ja, das ist zwar nicht der Anfang, aber ein Einstieg in meinen Roman, die schreckliche Stadt K., der im Spätherbst 2020 allen Lockdowns zum Trotz in der Edition Art Science in St. Wolfgang erschienen ist. Es ist wie in allen meinen Romanen eine Geschichte über eine Frau und diesmal eine Geschichte über eine rund 40-jährige Frau in einer Umbruchssituation, auf der Suche nach neuen Lösungen, nach einem neuen Lebensentwurf und behaftet mit Problemen, die ihren Ausgang eben in dieser Stadt K haben. Da steht Rosa also vor dieser Schaukel, erkennt sie wieder, wenngleich der Eisenrohrständer frisch gestrichen ist und das Schaukelbrett aus rotem Plastik neu wirkt. Unverrückbar steht sie da, so scheint es Rosa jedenfalls, obwohl doch damals alles durcheinander gerüttelt worden ist, aber die Schaukel steht fest an ihrem Platz, unbewegt, bis Rosa dem roten Schaukelbrett einen Schubs gibt. Alles erkennt Rosa wieder, oder glaubt es jedenfalls. Alles scheint noch dort zu sein, wo es damals gewesen ist, und gerade das ist es, was Rosa so überrascht, was sie nicht fassen kann, weil es doch nicht sein darf, und weil sie es nicht erwartet hat. So einfach kann es doch nicht sein darf und weil sie es nicht erwartet hat so einfach kann es doch nicht sein schließlich hat hier alle unordnung begonnen ist alles außer rand und band geraten hat sich bewegt verschoben oben und unten haben ihren halt verloren links und rechts sind vertauscht worden unwiderruflich und ein für allemal wie wie Rosa damals dachte. Und nun scheint es, Rosa, als würde doch noch alles am selben Platz stehen, unverrückt und unbewegt, als wäre nie etwas gewesen, als wäre nie alles in Bewegung geraten, nie alles ins Chaos gerüttelt und verschoben worden. Unmöglich kann es so sein, denkt Rosa und fragt sich, wo die Täuschung liegt. Schließlich hat sie selbst das Chaos hier an diesem Platz erlebt und gespürt, ist davon mitgetragen und mitgeschüttelt worden, durcheinandergewirbelt und völlig aus dem Gleichgewicht geworfen, in Angst und Schrecken versetzt worden, hilflos, ausgeliefert, dem Unbegreiflichen, hat das Chaos in sich gespürt, den Boden unter den Füßen verloren und ist doch nicht umgefallen, ist stehen geblieben, verwirrt und ohne Orientierung. Bis dann, irgendwann, denn auch die Zeit schien vom Chaos erfasst worden zu sein und hatte jeden Rahmen verloren, jede Einteilung, jede Vorstellung von Länge oder Kürze, bis also dann irgendwann in dieser heillosen Unordnung der Mond am Himmel stand. Eine etwas dickliche Sichel, hell, strahlend, vertraut, nicht ins Wanken geraten, sondern so wie immer. Unbeeindruckt von allem, was hier unten auf diesem Stück Erde geschehen war und noch geschah, stand der Mond da oben, wirkte fest und sicher, war plötzlich der einzige Halt, das einzige standhafte Vertraute, und Rosa hielt sich daran fest. Aber wirklich Halt bot ihr der Mond nicht, er konnte ihr nur eine Ahnung davon geben, dass das Chaos doch nicht die ganze Welt erfasst hatte. In einer Rezension des Romans hat Dominika Meindl geschrieben, man darf die schreckliche Stadt K. durchaus als Geschichte weiblicher Selbstermächtigung lesen, wenn auch als leise. Die Hauptfigur Rosa, eben rund 40 Jahre alt, kehrt allein und ohne ihren Lebensgefährten Gerhard in die für sie mit schrecklichen Erinnerungen behaftete Stadt K. in Griechenland zurück. Sie hat ihren Arbeitsplatz verloren und will sich nun während eines Urlaubs über ihre Ängste, ihre Beziehungen zu meist sehr dominanten Männern und über viele ihrer unausgesprochenen Wünsche klar werden. In der Stadt K. hofft Rosa, einen Neubeginn setzen zu können, hier neuen Halt und neue Sicherheit für ihr zukünftiges Leben zu finden und vor allem aus dieser Rolle ausbrechen zu können, in die sie sich ihr Leben lang gedrängt fühlte. dieser Rolle ausbrechen zu können, in die sie sich ihr Leben lang gedrängt fühlte. Ein Teil dieses Prozesses ist auch die Auseinandersetzung mit ihrem Vater, der bisher ihr Leben sehr stark beeinflusst hat. Und wie hier in der Stadt K. ihre Gedankengänge zu diesem dominanten Vater ablaufen. Dazu möchte ich jetzt einen Ausschnitt lesen. Warum gerade dorthin? hat Gerhard gefragt und noch nie sah Rosa ihn so überrascht. Die Augenbrauen hochgezogen, schaute er sie ungläubig und ohne Verständnis an. Einfach so, antwortete Rosa. Aber du wolltest doch nie wieder dorthin fahren, nie wieder, hielt ihr Gerhard entgegen und Rosa wusste keine Antwort. Plötzlich hört Rosa die Zikaden, die ganze Zeit schon haben sie gezirpt, nur hat Rosa es nicht wahrgenommen. Und da ist auch dieser leichte Wind, der die feinen Tamariskenäste bewegt und die Schatten ständig verändert, und das sanfte, rhythmische Schlagen der Wellen auf die Steine am Ufer ein eintöniges Plätschern. Dazu dieser Geruch von trockener Wiese, dürren Ästen und dem salzigen Meer. Da denkt Rosa, dass sie sich nun leicht fühlen müsste. Aber die Leichtigkeit will sich nicht einstellen, denn sie ist ja damals im Chaos abhandengekommen. Also muss sie die Leichtigkeit, die Unbeschwertheit hier, an dem Ort, an dem sie verloren gegangen ist, suchen. Rosa schaut hinaus aufs Meer, auf diese unendlichen kleinen Wellen, die sich ständig verändern und doch immer die gleichen kleinen Wellen zu bleiben scheinen. Plötzlich ist sie nicht mehr sicher, ob sie dieses jetzige heutige Meer sieht oder ein früheres, das Meer von damals mit den Wellen von damals. Gestern und heute beginnen ineinander zu fließen, die Trennlinie verschwindet, löst sich auf und Rosa weiß nicht, ob sie davor erschrecken soll oder ob sie es einfach zulassen kann, ja muss. Rosa, die immer vernünftige, klar denkende Rosa, lässt sich hier auf den Steinen des Strandes sitzend im schwankenden Schatten von Tamariskenbäumen mit Blick auf ein wenig einladendes Meer einfach treiben. Mit dem Gefühl von schlechtem Gewissen und dem Wissen, kein schlechtes Gewissen haben zu müssen, denn gerade deswegen ist sie doch hierher gefahren, um sich treiben lassen zu können. Du kannst doch jetzt nicht wochenlang wegfahren, noch dazu in dieses gottverlassene Nest, das geht doch nicht, hat ihre Mutter bei Roses letzten Besuch bei den Eltern gesagt. Und gerade damit Roses Wunsch der Verwirklichung näher gebracht. Denn dass ihre Mutter so vehement dagegen sprach, bestärkte Rosa nur in ihren Absichten und im Wissen darum, dass es jetzt, gerade jetzt notwendig war, der Stadt K. wieder zu begegnen. Ihr Vater hat nichts dazu gefragt und nichts dazu gesagt. Er hat nur auf die einzig und allein ihm mögliche Art seine Mundwinkel nach unten gezogen oder besser sie einfach fallen lassen und damit tiefstes Missfallen und tiefste Verachtung kundgetan. Rosa sitzt unter den Tamarisken und versucht, ihren Mundwinkel so nach unten zu ziehen wie ihr Vater. Sie bewegt die geschlossenen Lippen nach oben und unten, zieht und schiebt sie hin und her und weiß doch nicht, ob sie es ihm gleich tun kann. Würde dazu einen Spiegel brauchen, um das Ergebnis ihrer Anstrengungen sehen zu können, hat aber keinen bei sich, da sie ohne Umhängetasche losgegangen ist, nur ein Taschentuch in der einen, den Schlüssel in der anderen Hosentasche. So gibt sie auf, verschiebt die Anstrengung auf später und versucht nur, sich ihrem Vater und seinem Mundwinkel in Erinnerung zu rufen. Er musste nichts sagen, seine Mimik verriet alles. Und Rosa war nahe daran, ihm recht zu geben, den Plan fallen zu lassen und das zu tun, was man in ihrer Situation eben tun musste. Vielleicht fahre ich doch nicht, hat sie nach dem Essen unvermittelt gesagt und damit einen langen Monolog ihrer Mutter über die Unsinnigkeit dieser Reise und die Notwendigkeit bestimmter anderer Schritte heraufbeschworen. Ihr Vater hat gar nichts geantwortet, sondern nur mit seinem Gesicht Zufriedenheit über Rosas Vernunft ausgedrückt. Aber auf der Rückfahrt von den Eltern, allein im Zug sitzend, ist in Rosa die Zufriedenheit ihres Vaters leiser und unscheinbarer geworden, schließlich sogar fast ganz verschwunden, bis sich wieder Rosa ihren Reiseplänen und Wunschvorstellungen hingeben konnte, wenngleich sie auch das schlechte Gewissen über ihr Beabsichtigtes zu wiederhandeln bedrückte. Immer hat Rosa letztlich das erfüllt, was ihr Vater von ihr gefordert und erwartet hat. Immer ist sie seine brave, still alle seine Wünsche erfüllende Tochter gewesen. Manchmal sprach er seine Forderungen offen aus, sagte dabei aber nie, du musst, sondern höchstens, du wirst. Und rosa Tat erfüllte. Selbst wenn er gar nichts sagte, spürte sie genau, was er von ihr erwartete, handelte also von vornherein so, wie er es wollte, oder wie sie dachte, dass er es wollen könnte. Als Gegenleistung erhielt sie von ihm, ja was eigentlich, seine väterliche Liebe? Nein, das hat nichts mit Liebe zu tun. Er ließ seine Mundwinkel nicht fallen, zeigte keine Verachtung, keine Missbilligung und ignorierte sie nicht. Das war Rosas Belohnung für ihr Wohlverhalten. Handelte sie ihm zuwider, so ließ er seine Mundwinkel fallen, nicht nur für einige Sekunden, nein, für Wochen und Monate, ja, für Jahre hingen sie dann herab. Eine ständige Mahnung, ein Ausdruck dauerhafter Verachtung. Vor allem aber ließ er Rosa dann unsichtbar werden. Es war tatsächlich so, als wäre sie für ihn nicht mehr vorhanden, einfach nicht mehr existent, es gab Rosa nicht mehr in seiner Anwesenheit. Nicht zu umgehenden Nachrichten ließ er ihr über ihre Mutter zukommen. Selber aber richtete er kein Wort an sie, sagte höchstens Ja oder Nein, brummte vielleicht das eine oder andere Mal, wenn Rosa ihn direkt ansprach. Von sich aus aber sagte er nichts zu ihr. Bevor sich Rosa jedoch endgültig in Luft auflöste und tatsächlich verschwand, tat sie rasch etwas, das sein Wohlgefallen fand. Es war nicht immer leicht, dann genau das Richtige zu finden. Es durfte nicht irgendeine unbedeutende Kleinigkeit sein, nein, es musste ein großer Schritt, eine große Geste sein, etwas, das massiv in Rosas Leben eingriff und ihrem Vater sehr deutlich zeigte, dass Rosa nun wieder seine brave Tochter Rosa sein würde, etwas, das Rosa sehr schmerzen musste, ihr sehr viel abverlangte, nur so wirkte es, nur so konnte sie ihn wieder versöhnlich stimmen. Langsam, ganz langsam, es konnte Wochen, ja Monate dauern, hob er dann allmählich seine Mundwinkel wieder an, bis sie gerade standen. Und mit jedem Millimeter, den seine Mundwinkel nach oben wanderten, wurde Rosa ein kleines Stückchen sichtbarer für ihn, Rosa ein kleines Stückchen sichtbarer für ihn, wurde langsam, sehr langsam herausgehoben aus ihrer Unsichtbarkeit, bis sie wieder ganz da war, ganz die brave Tochter war. Dass dabei jedes Mal ein Stück von Rosa tatsächlich und für immer verschwand, ahnte Rosa, aber ändern konnte sie es nicht. Wenn, und das war Rosa klar, wenn sie also wirklich in die Stadt K. fahren würde und damit dem Wunsch ihres Vaters zuwiderhandelte, mussten seine Mundwinkel nach unten sausen und Rosa für lange Zeit in der Unsichtbarkeit verschwinden. Doch das nahm Rosa dieses Mal in Kauf. Dieses eine Mal konnte und durfte sie nicht seine brave Rosa sein. Dieses eine Mal musste sie sich ihm entgegensetzen, indem sie sich ihm entzog, vielleicht sogar für immer. Bei ihrem ersten Aufenthalt in der Stadt K, damals mit ihrem Lebensgefährten Gerhard, haben sie auch eine Wanderung in ein Dorf oben auf einem Berg gemacht. Sie haben das Dorf immer vom Hotelstrand aus gesehen und sind dann hinaufgegangen. ausgesehen und sind dann hinauf gegangen. Jetzt ist Rosa ganz allein in der Stadt K. und wandert noch einmal hinauf in dieses Dorf. Rosa hat das Dorf anders in Erinnerung. All die Jahre über hat sie ein liebliches Bergdorf vor Augen gehabt, freundlich und hell. Aber jetzt empfindet Rosa das Dorf geradezu als archaisch. Die groben, grauen Mauern aus den grauen Steinen des Gebirges, geduckte, graue Steinhäuser, die Hauptstraße ins Dorf hinein, ein felsiger, wenn auch breiter Weg. ein felsiger, wenn auch breiter Weg. Das erschreckt Rosa, denn sie hat erwartet, in eine sanfte, freundliche, liebliche Dorfwelt eintauchen zu können. Rosa geht dennoch den gewundenen Weg ins Dorf hinein, fühlt sich wie ein Eindringling, ist sicher, dass alle im Dorf bereits wissen, dass sie, Rosa, kommt, fühlt sich beobachtet und sieht doch selbst niemanden. An einem kleinen steilen Platz mit einem großen Maulbeerbaum in der Ecke endet die Straße. Zwischen den Mauern führen schmale, steile und felsige Pfade weiter. Rosa würde so gerne die Gärten hinter den Mauern sehen, stellt sie sich trotz allem idyllisch vor, voller Blumen, sonnig und unter Feigenbäumen angenehm schattig, glaubt die Bienen Summen zu hören, bildet sich ein, Thymian und Melisse zu riechen. Dabei aber steht sie auf diesem engen, grauen Platz zwischen grauen Steinmauern und wagt sich nicht mehr weiter. Unheimlich erscheint ihr alles, so ganz anders als damals mit Gerhard. Damals, so scheint es Rosa, gingen sie auf hübschen Wegen durchs Dorf, Kinder schauten ihnen nach, alte Männer grüßten freundlich, Frauen saßen auf Steinen neben Hofeingängen. Kein bisschen unheimlich war es, nur freundlich und hübsch. Sie durchquerten das Dorf, gingen weiter bergauf, zu beiden Seiten Ziegenställe, ein wildes Gemecker von vielen schäckigen Ziegen begleitete sie, dann eine kleine Tür hinaus durch die stachelige breite Hecke aus Feigenkakteen. Ein ausgetretener, schmaler Pfad führte immer weiter bergauf, bis sie überraschend schnell, wie es rosa schien, auf einen Sattel kamen und auf einer Wiese stehen blieben. Die felsigen Berge, die man vom Strand aus sieht, vor sich, aber weiter hinten noch höhere, steilere und grauere Berge. Sie hörten die Glöckchen der Schafe, konnten aber keine sehen. Rosa wäre damals so gerne weitergegangen, hinein in dieses große Gebirge, hatte gar keine Angst davor, aber Gerhard wollte nicht, wollte zurück, wollte umdrehen, sah keinen Sinn darin weiterzuwandern, ohne zu wissen wohin, ließ sich von Rosa nicht umstimmen. Er blieb hart, hielt Rosas Wunsch für unsinnig, sagte Rosa, dass es unvernünftig sei, wollte keinen Schritt mehr weiter, machte einfach kehrt. Und Rosa ging ihm nach, unwillig, enttäuscht, auch wütend, weil Gerhard sich nie von einer Stimmung treiben lassen wollte und nicht bereit war, Rosas Wünschen auch nur ein bisschen entgegenzukommen. Also gingen sie zurück, wieder durchs Dorf, bis hinunter zum Anfang des Dorfes, wo das Gasthaus mit Terrasse steht, tranken dort etwas und marschierten die staubige Schotterstraße zurück zum Hotel. Rosa steht auf dem Platz mit dem Maulbeerbaum, sieht nur graue Steinmauern, aber keinen Menschen und geht, nur um nicht weiter hier zu stehen, in einen dieser felsigen Pfade zwischen zwei Mauern hinein. Da endlich hat sie wieder den Geruch von Thymian in der Nase, geht noch ein Stück weiter, fragt sich, was sie hier so allein eigentlich sucht. Gespenstisch erscheint Rosa jetzt das Dorf, weil sie noch keinen Menschen gesehen hat, keine menschliche Stimme gehört hat, nicht einmal ein Hund bellt und selbst die Ziegen meckern nicht. Wie ausgestorben wirkt das Dorf auf Rosa, nur sie selbst als einziges lebendiges Wesen steht zwischen den grauen Steinmauern. Da hält es Rosa nicht mehr aus zwischen diesen Mauern, geht so schnell kann, den felsigen Pfad zum Platz mit dem Maulbeerbaum zurück. Geht weiter, den breiteren Weg entlang, will das Dorf schnell verlassen. Die alte Frau steht ganz plötzlich vor Rosa. Wie aus dem Nichts kommend ist sie plötzlich da. Eine alte, weißhaarige Frau in schwarzer Bluse und schwarzem Rock, das Gesicht runzlig, der Körper klein und rund, der lächelnde Mund gibt den Blick auf zwei goldene Zähne frei. Rosa erkennt sie sofort, wird ganz ruhig, kann zurücklächeln, grüßen, dabei mit dem Kopf nicken. Auch die alte Frau grüßt, nickt und geht an Rosa vorbei, die Straße durchs Dorf bergauf. Rosa starrt der Frau nach, erwartet, dass diese sich so plötzlich, wie sie erschienen ist, auch wieder in nichts auflöst. Aber das passiert nicht. Die alte Frau geht einfach weiter durchs Dorf und dreht sich nicht mehr nach Rosa um. Das erste Haus des Dorfes, wenn man von unten heraufkommt, ist das Gasthaus. Bis dorthin geht Rosa zurück, will etwas trinken, vielleicht eine Kleinigkeit essen, ebenso wie damals mit Gerhard, als sie auf dem Rückweg hier einkehrten. Rosa steigt also die Stufen hinauf zur Terrasse und setzt sich an einen der Tische. Von ihrem Platz aus sieht sie hinunter auf die Stadt K, die im Dunst liegt, links das Meer, nur das Hotel sieht Rosa von hier nicht. mehr, nur das Hotel sieht Rosa von hier nicht. Ob der Grieche mit der Goldrandbrille am Strand liegt, fragt sich Rosa und spürt auf einmal, wie sie sich am frühen Morgen gefühlt hat, als er so überraschend neben ihr stand und sie kaum ein Wort herausbrachte. Rosa sitzt da, schaut hinunter aufs Meer und auf die Stadt, umkreist mit ihren Gedanken den Griechen mit der angenehmen Stimme und erschrickt beinahe, als sie Schritte hört. Aber es ist nicht die alte Frau mit den beiden Goldzähnen, sondern eine schlanke Frau mittleren Alters in einem bunten Kleid. Sie grüßt freundlich und Rosa bestellt Mineralwasser und Salat. Sie grüßt freundlich und Rosa bestellt Mineralwasser und Salat. Erst jetzt wird Rosa die Diskrepanz zwischen dem gespenstisch leeren, grauen Dorf und diesem Gasthaus so richtig bewusst. Dass das Dorf völlig anders auf sie wirkte als damals, kann sich Rosa nicht erklären. Überhaupt scheint ihr heute alles fremd zu sein, obwohl sie doch gehofft hat, ihr Vertrautes wiederzufinden. Auf dem breiten Geländer, das die Terrasse zur Straße hinunter begrenzt, spaziert eine magere, langbeinige, rothaarige Katze mit schmalem Spitzenkopf. Rosa versucht sie anzulocken, aber die Katze setzt sich auf dem Geländer nieder, ohne Rosa Beachtung zu schenken und beginnt sich zu putzen. Damals, fällt Rosa ein, haben die Leute erzählt, dass die Katzen hier im Dorf das Chaos im Voraus gespürt hätten. Wie verrückt seien sie schon Stunden zuvor hin- und hergelaufen, hätten laut geschrien und nicht gewusst, wohin. Rosa hat das damals geglaubt. Erst später, wieder zu Hause, ist sie unsicher geworden und je mehr Zeit vergangen ist, desto weniger hat sie es geglaubt, bis sie es vergessen hat, bis sie beim Anblick von Katzen nicht mehr an das Chaos denken musste. Das war aber auch das Einzige, das Rosa im Zusammenhang mit dem Chaos vergessen konnte. Erst jetzt fällt es ihr wieder ein. vergessen konnte. Erst jetzt fällt es ja wieder ein. Dass die rothaarige Katze entspannt da sitzt und sich putzt, empfindet Rosa jedoch nur kurze Zeit als beruhigend, denn bald wird ihr klar, dass sie nun ständig auf diese Katze starren wird, um jede Veränderung in deren Verhalten registrieren zu können und somit gewarnt zu sein. Obwohl die Vernunft ihr sagt, dass es nicht stimmt, ist sie bereit, sich darauf einzulassen. Ständig die Katze anschauen zu müssen, keinen Blick mehr von ihr wenden zu können, aus Angst Vorzeichen zu versäumen, schafft Unruhe. Bedeutet, jede Sekunde mit neuem Chaos zu rechnen, es geradezu einzuplanen, ja, darauf zu warten, es vielleicht sogar herbeizusehnen, denn nur das könnte Bestätigung geben, nur das könnte endlich Gewissheit schaffen und, so denkt Rosa sogar einen kleinen Moment lang, die Angst nehmen. Denn wenn das eintrifft, wovor sie sich so lange schon so sehr fürchtet, müsste doch in dem Augenblick die Angst verschwinden. Die Katze hat aufgehört, sich zu putzen und liegt ruhig und entspannt auf dem Geländer. Rosa steht auf und geht zu ihr hin, um sie zu streicheln, doch noch bevor sie die Hand nach der Katze ausstreckt, springt diese auf und läuft in großen Sätzen davon, quer über die Terrasse, hinauf auf eine kleine Mauer und auf der anderen Seite wieder hinab, sodass sie Rosas Blicken entzogen ist. Ja, das waren einige Ausschnitte aus meinem Roman »Die schreckliche Stadt K«, der im Herbst in der Edition Art Science in St. Wolfgang erschienen ist. Danke. Servus Judith. Hallo, grüß dich. Schön, dass du da bist, schön, dass du gelesen hast. Danke für die Einladung. Schön, dass du aus diesem interessanten Buch gelesen hast. Ich bin sehr neugierig gewesen, bin es noch immer, wie es weitergeht. Griechenland interessiert mich immer. Was da an Schrecklichem passiert ist, würde mich auch interessieren. Ich hoffe, sie auch zu Hause oder euch. Frauenproblematik, Thematik zieht sich durch viele deiner Arbeiten durch? Eigentlich durch alle, ja. Warum? Warum? Das ist, ich könnte mir selber nie vorstellen, aus der Warte eines Mannes zu erzählen. Das kann ich mir nicht vorstellen. Das geht irgendwo einfach nicht. Und außerdem, glaube ich, gibt es da bei Frauen genug Themen, um darüber zu schreiben. Ein Gratiothema zum Beispiel. Ja, das ist ein bisschen ein schwieriges Thema. Die Vaterbeziehung und offensichtlich auch die Beziehung zu ihrem Lebensgefährten. Das ist alles sehr kompliziert. Dein Leben? Natürlich nicht. Es fließt immer was ein ein es ist immer irgendwas drinnen also die die landschafts beschreibungen sind natürlich eigenes erleben und so aber ich glaube dass jeder und jede die schreibt immer was von sich hinein bringen muss weil Weil man kann nicht nur Figuren erfinden und halt ein Leben für die erfinden, ohne dass man irgendwas Eigenes reinbringt. Statt K heißt es wirklich K? Ist die Abkürzung, ist eine Abkürzung, aber man muss jetzt nicht danach suchen. Man muss nicht suchen. Ah, schade. Vielleicht erzählst du es noch. Und was das Chaos ist, verrate ich auch nicht. Weil einfach, wie soll ich sagen, jeder sein eigenes Chaos mit sich trägt, darum geht es. Und es soll also nicht nur jetzt so ein ganz bestimmtes, konkretes sein. Mit den Katzen, die war ich schon sehr um. Ja. Die war ich schon sehr, muss ich sagen. Ja, man kann sich dann vorstellen, was es ungefähr ist. Schauen wir mal. Schauen wir. Lesen wir mal. Lesen. Ja. Ich sage danke dir noch einmal, dass du da bist, das gelesen hast. Ich sage Ihnen und euch zu Hause auch Dankeschön fürs Zuschauen und wünsche mir, dass Sie und ihr in 14 Tagen wieder Mittwoch 19.30 Uhr DorfTV einschaltet und dabei seid bei unserer nächsten Vorlesestunde. Dankeschön. Danke. you