Guten Abend und herzlich willkommen im Kepler Salon. Mein Name ist Barbara Jani und ich freue mich, dass ich wieder mal einen Abend hier gestalten darf. Bei mir zu Gast ist heute Robert Pfaller. Ich werde ihn dann natürlich noch näher vorstellen. Ja, wir werden uns heute unterhalten über den unsichtbaren Dritten, über Illusionen, über das Miteinander und was entsteht oft für jemand anderen, der gar nicht da ist, vielleicht. Diese Veranstaltung, dieser Kepler-Salon, findet in Kooperation mit dem Theaterfestival Shakespeare statt. Herzlichen Dank und wunderbar, dass es auch wieder stattfinden kann heuer. Ja, und noch kurz Organisatorisches. Der Ablauf ist wie gehabt. Also nach einer kurzen Einführung wird Robert Pfaller uns einen Input zum Thema geben und dann gibt es wieder die Möglichkeit zum Austausch, nicht nur für mich, sondern auch für Sie alle da draußen. Sie können, wie gehabt, die Fragen in den YouTube-Chat einfach hineinschreiben oder Sie schicken ein Mail an kepler-salon.at. Ich wiederhole es nochmal. Ja, Robert Pfaller ist Kulturwissenschaftler und unterrichtet Philosophie an der Kunstuni in Linz. Er hat schon jede Menge Bücher publiziert. Sein aktuelles Buch heißt Die blitzernden Waffen über die Macht der Form. Ich weiß nicht, wie weit das heute auch reinspielen wird, dieses Thema. Womit er sich aber schon sehr, sehr lange und viel beschäftigt, ist eben die Illusion in einer ganzen Bandbreite. Und ja, das ist so ein Thema, wo ich mir denke, wie steige ich da rein? Es ist ein großes Thema. Es ist für uns alle immer da, von Kindheit an irgendwie. Bewegen wir uns gerne in der Welt der Illusionen. Wenn ich da so anstehe, dann gehe ich manchmal her und schaue mir an, wo kommt denn dieses Wort überhaupt her? Was hat das für eine Bedeutung? Und Illusion kommt vom Verb illudere aus dem Lateinischen. Das bedeutet spielen und in, also nicht nur spielen, sondern mehr. Es steht für sich spielend hineinwerfen, ins Spiel werfen und dann trifft es ein bisschen ab, ins sein Spiel treiben, veralbern, verspotten, verhöhnen, täuschen, betrügen. Also das hat eine ganze Bandbreite von sehr positiven bis zu schon eher negativen Auslegungen. Es gibt eine andere Auslegung im Sinne von innerlich spielen. Da geht es also in die Nähe des Gedankenspiels, aber auch dann schon in die Selbsttäuschung oder in den Selbstbetrug. Also auch dauernd eine relativ große Bandbreite, die die Illusion in ihrer Auslegung eigentlich einnimmt. Und was das jetzt mit den Illusionen im Theater zu tun hat, mit den Illusionen, die wir auch im Alltagsleben oft haben, die wir im Alltagsleben leben miteinander, und das alles wieder mit dem unsichtbaren Dritten, darüber bitte ich Sie jetzt einmal um Ihr Bild und Ihre Bilder, Robert Pfaller. Vielen Dank, danke für die schöne Einladung. Ich freue mich wieder einmal, im Kepler-Salon zu Gast sein zu dürfen. Und ich beginne mit einer Erfahrung, die wahrscheinlich viele im Moment machen. die wahrscheinlich viele im Moment machen. Gerade derzeit hat man das Gefühl, viele Leute zu sehen, die sich die seltsamsten Dinge einbilden. Also viele Leute glauben plötzlich irgendwas. Es ist schwer zu sagen, ob sich das verschärft hat oder ob das vielleicht nur die mediale Wahrnehmung solcher Phänomene ist, jedenfalls treten uns viele Menschen vor Augen, die als Besitzer von Einbildungen in Erscheinung treten. Man könnte vielleicht sagen, eine Zeit, in der Menschen sich so viele Sachen einbilden, ist vielleicht eine schlechtere Zeit als eine Zeit, in der die Menschen ein bisschen aufgeklärter sind, sich ein bisschen weniger einbilden, vielleicht ein bisschen skeptischer sind, nicht sofort alles glauben und so weiter. Vielleicht schwankt das geschichtlich ein bisschen, aber vielleicht ist es auch nie ganz weg. Michel de Montaigne hat im 17. Jahrhundert geschrieben, keine Idee ist dumm genug, als dass sich nicht Menschen fänden, die bereit sind, sie mit ihrem Leben zu verteidigen. Also keine Idee ist dumm genug, um nicht mit dem Leben von irgendjemandem verteidigt zu werden. Es gibt also sehr viele Menschen, die Einbildungen haben. Das verstellt uns aber vielleicht den Blick auf die Frage, ob Einbildungen auch immer Menschen haben. Also ob es zu jeder Einbildung auch dann auch immer einen Besitzer gibt, jemanden, der das glaubt. Oder gibt es vielleicht auch Einbildungen, die niemand glaubt, die aber trotzdem existieren in den Gesellschaften, die sozusagen eine bestimmte Realität besitzen, weil sie zum Beispiel bestimmte Praktiken steuern, sozusagen. Das ist ein Gedanke, den in einer sehr schönen Weise ein französischer Psychoanalytiker untersucht hat. Octave Manonis in den 1960er Jahren hat da zwei, wie ich finde, ganz besonders anregende und kluge Aufsätze zu dieser Frage geschrieben. Der eine, also beide gibt es natürlich auf Französisch, den einen leider nur auf Englisch in Übersetzung, den anderen kann man auch in deutscher Übersetzung lesen. Manonis beginnt eine Überlegung mit einem Beispiel aus Afrika. Da haben französische Anthropologen einen Stamm beobachtet, der einen besonders bunten Maskenkult gepflegt hat, einmal im Jahr. Und sie haben die Informanten von diesem Stamm gefragt, was bedeutet denn dieser Kult, was bedeuten diese Masken? Und die haben gesagt, ach, das wissen wir leider nicht mehr. Früher hat man an diese Masken geglaubt. Wir machen das jetzt sozusagen nur noch aus Respekt vor unseren Ahnen, aber wir haben eigentlich keine Ahnung mehr, was das eigentlich bedeutet hat. Wenn man sowas als Befund geliefert bekommt in Afrika, wäre es naheliegend, eine Schlussfolgerung zu ziehen, die die Anthropologen auch eher gezogen hätten, nämlich zu denken, naja, wir sind ja offenbar zu spät gekommen. Der Kolonialismus hat hier eine Kultur schon zerstört. Die machen hier sozusagen nur noch Folklore für die Touristen, so wie das ja auch in Österreich in manchen Dörfern gemacht wird. Da werden dann Schützenvereine aus dem Boden gestampft, damit die deutschen Gäste eine Freude haben. Aber was das eigentlich mal war und wozu das war und so weiter, das weiß dort auch keiner mehr. Also man könnte das ja vielleicht so interpretieren, dass man sagt, da ist eine Kultur zerstört worden, die halten halt noch an bestimmten Bräuchen fest, auch wenn sie gar nicht mehr wissen, was das einmal war. noch an bestimmten Bräuchen fest, auch wenn sie gar nicht mehr wissen, was das einmal war. Manoni hat eine andere Idee dazu gehabt und hat gesagt, ist es nicht vorstellbar, dass auch die Ahnen das schon gesagt haben? Dass auch die Ahnen, wenn man sie gefragt hätte, nicht gesagt hätten, wir wissen, was das heißt und das machen wir aus den und den Gründen, weil wir das und das glauben, sondern die hätten auch gesagt, ach, wir wissen das nicht, früher hat man an die Masken geglaubt. Das ist die Idee von Manonie und er führt damit sozusagen einen Begriff ein, eines Glaubens, der in einer Gesellschaft in bestimmten Praktiken verkörpert ist, der aber von niemandem als Überzeugung geglaubt wird. Also da ist niemand bereit, das jetzt mit dem Leben zu verteidigen, als seine Überzeugung. Für Manonis gibt es eine Unterstützung, die durch die Sprache gewährleistet wird. Das Französische genauso wie das Englische hat hier ganz brauchbare Worte, das Deutsche leider nicht. Im Englischen kann man es gut verstehen. Es gibt da zwei Worte für das Glauben. Es gibt den Begriff Faith, to have faith in something. Das wäre so eine Überzeugung. Also wenn ich Faith habe in etwas, habe ich eine Überzeugung, da bin ich vielleicht bereit, das mit meinem Leben zu verteidigen. Das ist meine Einbildung. Und dann gibt es den anderen Begriff Belief. Und Belief, das ist etwas, was ganz gut dieses Phänomen bezeichnet, wo man nicht so ganz sicher ist, ob das eine Einbildung ist, die da überhaupt einen Eigentümer hat oder ob das vielleicht eine sozusagen herrenlose, anonyme Einbildung ist. dass man Belief in den Plural setzen kann. Es gibt Beliefs. Und das entspricht ja auch ganz gut diesem Umstand, dass man vielleicht eine Überzeugung hat, aber viele Beliefs. Also man ist vielleicht, ich weiß nicht, Kommunist oder Umweltschützer und sein ganzes Leben ist dieser Idee gewidmet und man ist bereit dafür zu sterben, aber dann hat man halt auch noch so kleine Beliefs. Man liest gerne das Horoskop oder man muss unbedingt Fußball schauen und man hat irgendeinen kleinen Kitsch am Nachkastel stehen. Also das sind vielleicht so Beliefs, irgendwas, was man nicht so wirklich glaubt, was sich aber in so kleinen Ritualen und Artefakten ganz hübsch verkörpert. Im Deutschen ist das schwer wiederzugeben. Ich habe einmal eine Übersetzung vorgeschlagen, mit der ich nicht sehr glücklich bin, aber es fällt mir keine bessere ein. Ich würde Faith im Deutschen mit Bekenntnis bezeichnen und Belief mit Aberglaube. Das ist nicht besonders gut, weil man Aberglauben auch wieder nicht sehr gut in den Plural setzen kann und weil das im Deutschen auch so ein negativ bewerteter Begriff ist. Man glaubt, man weiß, was das ist. Also vor schwarzen Katzen sich fürchten oder dem Fluch der Zigeunerinnen ausweichen. Aber das, was man noch nie da meint, ist ein sehr breites Feld von sozusagen sehr niederschwelligen Einbildungen, die man haben kann und die man aber jedenfalls nicht als eigene Überzeugung anerkennt. In der Psychoanalyse gibt es eine Vorgeschichte dazu. Sigmund Freud hat an bestimmten Punkten bemerkt, dass das bei seinen Analysanten auftaucht. Und zwar hauptsächlich bei zwei Gruppen. Einerseits bei den Perversen und den Fetischisten. Das sind die, die sozusagen einen Fetisch haben, der, wie Freud klug feststellt, auch so etwas ist wie ein Beweis für einen Glauben oder für eine Einbildung, die der Fetischist aber nicht teilt. Der weiß das besser, aber sein Fetisch verkörpert eine Einbildung, die ihm trotzdem irgendwie lieb ist, obwohl er sie nicht teilt und obwohl er besseres Wissen hat. Genauso ist es auch bei einigen Zwangsneurotikern. Also der Rattenmann, den Freud untersucht, das ist auch so jemand, der immer irgendwie berührt ist von Sachen, an die er auch nicht glaubt. Also dem kommen so Sachen unter, dass er gerade an jemanden denkt und genau in dem Moment kommt er daher. Natürlich weiß er, dass er den jetzt nicht herbeigezaubert hat mit seinem Denken, aber irgendwie beschäftigt ihn das doch dauernd. Also Freud hat an diesen Punkten sehr wohl so etwas erkannt und hat dafür auch den Begriff Verleugnung eingeführt. Also Verleugnung wäre ein Vorgang, ein Abwehrmechanismus, mit dessen Hilfe ich eine Vorstellung überwinden kann, aber in meiner Praxis dann doch irgendwie an ihr festhalte, indem ich zum Beispiel einen Fetisch habe. Oder indem ich zwar genau weiß, dass ich meine Fußballmannschaft im Fernsehen nicht beeinflussen kann, aber dann trotzdem die Daumen halte. Das wären solche Verleugnungsvorgänge. Manoni hat an diesen freudschen Ansätzen zwei, glaube ich, sehr entscheidende Modifikationen oder Erweiterungen vorgeschlagen. Er hat nämlich gesagt, erstens kommt es nicht nur bei den Perversen und bei den Zwangsneurotikern vor, sondern das ist etwas völlig Alltägliches, was alle betrifft. Und zweitens kommt es nicht nur in fremden Kulturen vor, also nicht nur bei Afrikanern, die Maskenkulte machen, sondern auch bei uns. Also es ist nicht nur pathologisch und es ist nicht nur wild, sondern es betrifft die Zivilisierten und ist da auch ganz alltäglich. Und es betrifft vor allem auch die Kunst. Zwei Beispiele aus der Überlegung von Manonier. Eines ist wieder aus der Erfahrung der Psychoanalyse, aber es hat jetzt nicht besonders mit dem Fetischismus zu tun. Dem Analytiker Manonier unterläuft ein Missverständnis. Er hat eine Sprechstundenhilfe, die sagt ihm, der Herr so und so hat angerufen. Manonier verwechselt den Namen. Er hat einen Analysanten, dessen Name ein bisschen ähnlich klingt wie der eines Freundes. Er glaubt, der Freund hat angerufen und sagt zur Sprechstunde in der Hilfe, gehen Sie, rufen Sie den zurück, den Herrn, was weiß ich, Noiré, und sagen Sie ihm, ich möchte ihn gern demnächst auf einen Café treffen. Jetzt ruft er aber versehentlich beim Analysanten an. Und Analysanten und Analytiker, die gehen nie zusammen auf einen Café. Die dürfen sich nur in der Psychoanalysestunde sehen, aber sonst herrscht Abstinenz. Jetzt ruft er dort an und sagt sagt, wie ist die Gattin von dem Analysanten? Und sagt, ach, der Herr Psychoanalytiker, der Herr Doktor Mannoni, möchte gerne den Herrn Noiré treffen auf einem Café. Nächste Analysestunde kommt der Herr Noiré strahlend herein und sagt zum Analytiker, ach Herr Doktor, ich habe natürlich sofort gewusst, dass das ein Missverständnis sein muss, aber meine Frau war sehr beeindruckt, dass Sie mit mir auf einen Kaffee gehen wollen. Da hat man sozusagen in einer Nussschale die gesamte Struktur der Verleugnung, sagt man nun. Erstens hat man da den Satz, ich weiß zwar, dass das Blödsinn ist, ich weiß genau, dass da ein Missverständnis gewesen sein muss, aber, dennoch aber, und dann kommt noch etwas, es ist großartig, und zwar unter Umständen, weil es jemanden gibt, der es doch geglaubt hat. Das muss nicht immer sein, aber diese Struktur, ich weiß zwar, dennoch aber, das, sagt Manoni, ist die eigentliche Struktur der Verleugnung. Und immer wenn wir das sagen, dann sozusagen betreiben wir diese Verleugnung und operieren mit Einbildungen, die nicht ganz unsere eigene Sicht sind. In Österreich kennt man das auch so, wenn jemand sagt, ich bin zwar kein Nazi, aber das finde ich schon oder sowas. Also da hat man auch diesen Umgang mit einer Einbildung, in diesem Fall ein bisschen einen unappetitlichen. Ein zweites Beispiel, das auch ganz interessant ist und das ein bisschen parallel ist zu diesen Maskenkulten, die ja anscheinend niemand mehr versteht bei den Afrikanern, sagt Manoni, wir machen es ja eigentlich mit dem Weihnachtsmann ein bisschen ähnlich. Da sagen wir zwar nicht, dass die Ahnen daran geglaubt haben, aber wir behaupten, die Kinder glauben an den Weihnachtsmann. Und das stimmt ja auch vielleicht bei den ganz kleinen Kindern, aber relativ bald findet es auch wieder heraus. Und dann ist oft in den Familien gar nicht so klar, wer da jetzt eigentlich an den Weihnachtsmann glaubt oder wer will, dass der andere an den Weihnachtsmann glaubt. Also sozusagen beim Christbaum und am 24. Dezember merkt man oft so eine eigentümliche Demarkationslinie, die irgendwie dort verläuft, wo die Kinder so 12, 13 sind. Also bis die Kinder 12 sind, seufzen die Eltern und sagen, Weihnachten ist so anstrengend, immer muss man den Baum herrichten. Aber das machen wir halt für die Kinder. Kaum sind die Kinder 13, wollen sie eigentlich lieber mit den Freunden ausgehen und sagen, Weihnachten, das ist so anstrengend, aber wir machen es halt für die Eltern. Also das ist auch wieder so ein, ich weiß zwar dennoch aber, ich weiß zwar, dass das Blödsinn ist und dass ich eigentlich lieber was anderes machen möchte, dennoch aber mache ich es halt, weil angeblich die anderen dran glauben. Die seufzen aber vielleicht eh genauso. Bei manchen Einbildungen, die nicht unsere eigenen sind, haben wir also ein starkes Interesse, jemanden dingfest zu machen, von dem wir glauben können, dass es seine Einbildungen wären. So wie dieser Herr Noiré froh war, dass er gemeint hat, seine Frau hätte geglaubt, der Analytiker will ihn auf ein Café treffen. Oder so wie die Eltern froh sind, dass die Kita an den Weihnachtsmann glauben. Es ist bezeichnend und das charakterisiert wieder dieses eigentümliche Verhältnis, dass die Eltern, die es ja besser wissen, zu der Einbildung haben, die angeblich die Einbildung der Kinder ist, dass sie eigentümlich leidenschaftlich sind darin, dass das als Einbildung der Kinder sozusagen festgeschrieben bleibt. dass das als Einbildung der Kinder sozusagen festgeschrieben bleibt. Dazu hat Johann Heusinger, Wissenschaftler in seiner schönen Studie Homo Ludens, der spielende Mensch, 1938 veröffentlicht, eine schöne kleine Detailbemerkung geschrieben. Er hat bemerkt, ich zitiere, Heusinger, ein etwas kindlicher Vater kann ernstlich böse werden, wenn ihn seine Kinder dabei ertappen, wie er sich als Weihnachtsmann verkleidet. Also nicht die Kinder sind enttäuscht und sagen, oh je, jetzt haben wir es gesehen, der hat sich verkleidet, wir haben geglaubt, der Weihnachtsmann existiert, jetzt ist alles ein Schwindel, sondern der Vater ist böse. Und das muss uns hier zu denken geben. Das ist das psychoanalytisch Interessante hier. Also es ist nicht die Illusion des Vaters, aber eigenartigerweise ist er sehr interessiert daran, dass diese Illusion für die Kinder sozusagen gewahrt bleibt. Das ist dieses gespaltene Verhältnis, das die Verleugnung charakterisiert. Ich weiß zwar, dass der Weihnachtsmann nicht existiert, dennoch aber ist es großartig, wenn wir das mit den Kindern spielen und wenn die so tun, als würden die an den Weihnachtsmann glauben. Trotzdem finden wir diese eigentümliche Diskrepanz zwischen es besser wissen und doch an der Einbildung irgendwie leidenschaftlich interessiert sein. Manon Nie sagt ein Beispiel aus seiner eigenen Erfahrung. Er hat für einen bestimmten Tag die Möbelpacker bestellt, weil er umzieht. Und er wartet auf die und geht schnell runter und trinkt in einem Kaffee, noch schneller in einem Kaffee. Und zufällig fällt sein Blick auf die Zeitung, die da liegt. Und da ist gerade die Seite mit dem Horoskop aufgeschlagen. Und er liest zufällig das Horoskop bei seinem Sternzeichen. Und da steht tatsächlich beim Horoskop, heute ist ein günstiger Tag für größere Unternehmungen und Fortbewegungen. Also ein bisschen abstrakt, wie Horoskope halt sind. Aber er sagt, ich muss lachen, weil ich habe ja tatsächlich für den Tag die Möbelpacker bestellt. Natürlich weiß ich, dass das Horoskope Blödsinn ist. Dennoch aber muss ich lachen. Und, sagt er klug, mein Lachen wäre wahrscheinlich ein anderes gewesen, wenn da gestanden wäre, heute ist ein ganz ungünstiger Tag, wenn Sie eine größere Bewegung vorhaben. Abgesehen von solchen Paradoxien in unserem Alltagsleben kann man das, was man nur nie da entdeckt hat, und er hat das auch selber getan, sehr gut auch als Prinzip der Kunst erkennen. In der Kunst spielt das eine ganz entscheidende Rolle. Und es ist vor allem das, was uns die Freude an der Kunst macht. Vielleicht ist es immer sogar das, was uns Freude macht an der Kunst, vielleicht auch sogar im übrigen Leben. Man kann es sehen, zum Beispiel bei der sogenannten Trompe-l'oeil-Malerei. Trompe-l'oeil-Malerei, das ist eine Erfindung aus dem 16., frühen 17. Jahrhundert, vor allem in den Niederlanden, wo diese sehr dem Landschaftsbild noch eine Fliege sitzen würde, die einen Schatten auf das Bild wirft. Man sieht aber natürlich sofort, das ist alles mit großer Meisterschaft gemalt, auch die Fliege ist gemalt und auch der Schatten. Und man sagt dann aber sowas wie, ah, das ist aber hübsch, man hätte glauben können, da sitzt eine Fliege auf dem Bild. Das ist der typische Effekt von Troc-Leu-Malerei. Gibt es auch in der zeitgenössischen Kunst. Es gibt eine schöne Fotografiearbeit von Urs Lüthi. Das aussieht wie eine monochrome Fotografie, über der leider die Glasplatte geborsten ist. Aber in Wirklichkeit ist das natürlich eine Fotografie von so einer Glasplatte, die genau diesen Eindruck erwecken soll. Also es gibt Probleu auch in der Fotografie. Und man sagt wieder natürlich, ah, wie hübsch, man hätte glauben können, da ist das Glas kaputt gegangen, aber natürlich weiß ich, das ist eigentlich ein Trick des Künstlers. Philosophisch interessant ist hier, dass die Freude an der Illusion gekoppelt ist an das bessere Wissen. Und sozusagen an die Aufgeklärtheit, an das Wissen, dass das Illusion ist. Es ist nicht so, wie man oft annimmt und auch Philosophen geglaubt haben, ist. Es ist nicht so, wie man oft annimmt und auch Philosophen geglaubt haben, dass wir dann glücklich sind, wenn wir in der Illusion aufgehen und dann enttäuscht werden, wenn wir es besser wissen, sondern interessanterweise ist es hier genau umgekehrt. Lust können nur die empfinden, die es besser wissen. Alle anderen hätten hier keine Lust. Wenn ich da ins Museum komme und glaube, da sitzt eine Fliege auf dem Bild, dann sage ich, ja, schon aber komische hygienische Zustände, also dass die das zulassen, dass da auf dem Meisterwerk die Insekten sitzen. Also bei uns ist das anders. Also ich hätte überhaupt keine Freude daran. Und genauso mit der geborstenen Glasplatte. Wir sagen, das sind Zustände, da können Sie ja wer verletzen oder was. Aber die Freude habe ich nur, wenn ich weiß, dass das eine Illusion ist. Übrigens ist das auch das Prinzip des Spiels. Das ist eine ganz entscheidende und philosophisch, glaube ich, revolutionäre Idee von Johann Heusinger in seinem Buch über das Spiel. Heusinger denkt da ganz ähnlich wie Manon Mee. Wenn man sagt, das Spiel erzeugt ja eine Begeisterung, die wir sonst gar nie vorfinden im übrigen Leben. Beim Spiel kann es vorfallen, dass sich beste Freunde zerstreiten, beim Mensch ärgere dich nicht oder dass wir wildfremden Menschen um den Hals fallen. Das ist ganz eigenartig, das machen wir ja sonst nie. Und darum, sagt Heusinger, müssen wir alle Theorien verwerfen, die glauben, die Begeisterung des Spiels käme daher, dass wir kurz vergessen haben, dass das ein Spiel ist und wir glauben, das ist jetzt Wirklichkeit und so weiter. Weil man nie sagt, so regen wir uns das ist jetzt Wirklichkeit und so weiter. Weil man nun sagt, so regen wir uns ja in der Wirklichkeit nie auf. Wenn ich beim DKT 100 Dollar verliere, kann ich zorniger werden, als wenn ich im wirklichen Leben wirkliche 100 Dollar verliere. Und das bedeutet, dass das Spiel eine ganz eigene psychische Realität erzeugt, die davon abhängig ist, dass ich immer weiß, dass das ein Spiel ist. In dem Moment, wo ich das vergesse, verliere ich diesen heiligen Ernst und verfalle in den üblichen profanen Ernst. Man kann das gut vergleichen. Also nehmen wir an, Sie erfahren, die Studienbeihilfe ist um 5% erhöht worden. Und dann sagen Sie vielleicht zu den Kollegen, heute trinken wir ein Glas mehr und freuen uns, dass die Studienbeihilfe erhöht worden ist. Aber Sie klatschen sich jetzt vor Begeisterung auf die Schenkel oder Trommel auf den Tisch. Aber wenn bei der Fußball-Europameisterschaft ein Tor fällt, und das muss gar nicht von Österreich sein, da kann man plötzlich jubeln und auf den Tisch klopfen. Selbst bei Belgien gegen Frankreich konnte ich Hurra rufen, obwohl ich die Belgier nicht lieber habe als die Russen. Also Belgien gegen Russland. Selbst bei Mannschaften, die mir nicht persönlich nahestehen, kann ich mich über den Erfolg kindlich freuen, während ich mich über eine wirkliche Gehaltserhöhung oder etwas Ähnliches mäßig freue. Ein weiteres Beispiel von Manon Mee bringt uns schon in die Nähe des Theaters. Manon Mee sagt, wenn er zum Beispiel ins Varieté geht, und das ist ein Zauberkünstler, und der kann irgendwie ein ganzes Huhn aus dem Ärmel zaubern oder seine Assistentin zersägen. Natürlich wissen wir, dass da jetzt nichts Übernatürliches geschieht. Es ist uns ganz klar, dass das irgendwie ein Trick ist. Aber was wir sehr mit großer Sorgfalt einfordern, ist, dass die Illusion perfekt sei. Also wir wollen nicht das Huhn schon irgendwie vorher aus dem Ärmel herauslucken, sehen oder irgendwie begreifen, wie der Zersägetrick genau funktioniert, sondern wichtig ist, dass die Illusion gewahrt bleibt. Und da sagt man nun schon, für wen waren wir denn da eigentlich die Illusion gewahrt bleibt. Und da sagt Manoni schon, für wen waren wir denn da eigentlich die Illusion? Warum ist es uns so wichtig, dass es so aussieht, als hätte der da jetzt was Übernatürliches zustande gebracht? Das sind nicht wir, sagt Manoni, sondern die Illusion muss für jemand anderen aufrechterhalten werden. Und zwar, hier denkt er wieder psychoanalytisch, das ist offenbar so etwas wie eine innerpsychische Instanz. Freud hat die menschliche Psyche aufgegliedert in so Instanzen, also so Teile, die auch ein bisschen konfliktuell zueinander sich verhalten können. Und eine solche Instanz, die schaut auf uns und schaut, ob wir die Dinge ordentlich machen und ist ziemlich grausam, wenn nicht, das Über-Ich. Manonis sagt, wir werden aber nicht nur von der Instanz beobachtet, sondern offenbar tragen wir noch eine zweite Beobachtungsinstanz in uns und das ist eine Art naiver Beobachter. Der zeichnet sich dadurch aus, dass er immer dem Augenschein glaubt. Wenn wir so tun, als wären wir glücklich und lächeln und uns hübsch anziehen und uns irgendwie elegant bewegen, dann glaubt der naive Beobachter, wir sind glücklich. Wir wissen es vielleicht eh besser, wir haben Schulden und sind unglücklich verliebt oder irgendwas. Aber wenn wir das machen, glaubt der naive Beobachter, wir sind glücklich. Und das ist von großer Bedeutung. Und da komme ich jetzt sozusagen mit Manonie zum Theater. Manonie sagt nämlich, im Theater spielt das eine ganz entscheidende Rolle. Ähnlich wie beim Zaubertrick sind wir da auch ständig bedacht darauf, dass die Illusion gewahrt bleibt und täuschen diesen naiven Beobachter. Der schaut die ganze Zeit zu und der ist der Einzige, der weiß, der nicht weiß, dass das jetzt alles Theater ist. Wir wissen das natürlich und die Schauspieler natürlich auch, aber es zeigt man noch nie, wir als Zuschauer im Theater stecken mit den Schauspielern unter einer Decke. Wir tun gemeinsam unser Bestes, um die Illusion aufrecht zu erhalten. Wenn da auf einer Bühne einer stirbt, dann sind wir ganz betroffen, uns kommen die Tränen, vielleicht wieder mehr als im wirklichen Leben bei einem Trauerfall. Und das heißt ja, im Theater spielen beide Seiten, die auf der Bühne, aber auch die im Zuschauerraum und alle gemeinsam halten eine Illusion aufrecht für den Blick eines naiven Beobachters. für den Blick eines naiven Beobachters. Und das ist jetzt vielleicht ziemlich wichtig, das hat Folgen für die Leute, die sozusagen diese Illusion für den anderen darstellen. Wenn man das nämlich macht, dann sozusagen erzeugt man eine vorgestellte Erwartung beim anderen. Also wenn ich dem naiven Beobachter etwas vorspiele, stelle ich mir unbewusst vor, dass der das von mir erwartet und dann beginne ich, mich in dessen Einbildung zu bewegen. Ich weiß genau, das ist alles Blödsinn und ich spiele das vor, aber ich bewege mich in der Einbildung dieses Anderen. Das nennt man in der Psychoanalyse Übertragung. Also immer, wenn man sich in der vermuteten, imaginierten Einbildung eines anderen bewegt. Wenn ich das mache, wovon ich glaube, dass es das ist, wofür der andere mich hält, dann beginne ich, meistens unbewusst, in der Übertragung auf diesen anderen oder in dessen Übertragung, in dessen Einbildung zu agieren. Und das kann ziemlich starke Effekte haben. Ein kleiner Schritt zurück über die Rolle dieses naiven Beobachters im Theater. Man kann den ganz gut an manchen ästhetischen Effekten erkennen. Und man kann jetzt gut erkennen, dass der da am Werk ist, im Theater. Und das ist das, was man noch nie da erzählt, nicht einfach Einbildung ist. Einbildung ist. Jetzt kommt übrigens gerade eine Meldung, Fußball und Psyche, Freude auf dem Fußballplatz, Kurier-Pop-Up-Meldung. Manon Nie hätte darüber geschmunzelt. Manon Nie hat ein sehr schönes Beispiel dafür, wie unsere Reaktionen im Theater eigentlich über den Umweg, über diesen naiven Beobachter verlaufen. Also stellen wir uns einmal vor, ein Schauspieler spielt einen Toten. Der liegt jetzt regungslos auf der Bühne, aber leider steigt dem Schauspieler ein bisschen Bühnenstaub in die Nase und plötzlich muss er missen. Wir lachen, sagt man. Aber dieses Lachen ist eigentlich ziemlich interessant und erklärungsbedürftig. Worüber lachen wir da eigentlich? Und seine Erklärung lautet, wir lachen eigentlich über das dumme Gesicht, das jetzt einer machen müsste, der anders als wir nicht gewusst hätte, dass das Theater ist. der anders als wir nicht gewusst hätte, dass das Theater ist. Also der nicht geglaubt hätte, Hamlet ist jetzt tot oder Antigone, sondern der geglaubt hätte, das ist alles echt, die Person, der Held, die Heldin sind jetzt wirklich gestorben und dem muss das natürlich jetzt fürchterlich verblüffen, dass ein Toter oder eine Tote niesen kann. Uns natürlich nicht, aber wir stellen uns vor, wie der da jetzt reinschauen würde. Psychoanalytisch ist etwas hier interessant, worauf man vielleicht später noch genauer eingehen kann. Wir können daraus nämlich ganz gut eine Charakterisierung dieses naiven Beobachters gewinnen. Der naive Beobachter ist offenbar einer, der alles glaubt, was er sieht. Er kann nicht unterscheiden zwischen Beater und Wirklichkeit oder zwischen Vorgespieltem und Echtem. Für den ist alles echt, was gut gespielt ist. Insofern ist er psychoanalytisch natürlich naiv und wir können sagen, er verfügt über kein Realitätsprinzip. Also er kann nicht zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden. Aber, was wieder interessant ist, was er schon kann, ist, er kann zwischen Möglichem und Unmöglichem unterscheiden. Also dass ein Tod ein Mist ist, das geht zwischen Möglichem und Unmöglichem unterscheiden. Also, dass ein Tod ein Mist ist, das geht nicht. Das würde den verblüffen. Das ist keiner, der alles glaubt. Sondern das geht nicht und das entsetzt ihn. Das ist unheimlich für den. Wir können natürlich darüber lachen, dass das unheimlich ist, weil wir eine Erklärung haben. Weil für uns ist ja nicht der Augenschein wirklich. Wir wissen ja, das ist ja nur ein Schauspieler, das ist ja nicht wirklich Hamlet und so weiter. Das weiß ein naiver Beobachter nicht und deswegen wäre das für ihn unheimlich, wenn ein Toter miest. ist ein Sonderfall im Theater, wo man diese Wirksamkeit des naiven Beobachters besonders gut verfolgen kann. Und deshalb interessiert man noch nie gerade das Genre Komödie besonders. In der Komödie passiert nämlich etwas Interessantes. Das könnte man als die Grundstruktur von Komödie begreifen. könnte man vielleicht als die Grundstruktur von Komödie begreifen, nämlich da müssen immer irgendwelche Leute, irgendwelche anderen Leute täuschen und denen irgendwas vorspielen. Nehmen Sie zum Beispiel Some Like It Hot von Billy Wilder, da müssen diese zwei Armen von der Mafia verfolgten Musiker, Jack Lemmon und Tony Curtis, anderen vorspielen, dass sie Frauen wären, weibliche Musikerinnen. Und alle anderen glauben das auch sofort. Das ist eigentlich ziemlich unglaublich, aber die glauben das sofort. Man könnte also sagen, in der Komödie gibt es immer Helden. Oder man könnte auch sagen, mit einem alten philosophischen Begriff, Naves, das sind sozusagen zynische Schurken, das sind welche, die die Illusion durchschauen, aber sie gerne für andere sozusagen vorspielen, also Schurken. Und dann gibt es andere, die sozusagen genarrt werden von diesen Schurken, das sind die Narren, also Fools, das sind Begriffe, die man bei John Locke und Thomas Hobbes und Bernard de Montville findet im 17. und 18. Jahrhundert in der Philosophie. Naves und Fools, Schurken und Narren, Zyniker und Naive, könnte man sagen. Nun gibt es in der Komödie aber interessanterweise immer mindestens zwei Stadien. Im ersten Stadium spielen auf der Bühne die Naves, die Schurken, irgendwelchen anderen, den Fools, irgendwas vor und die glauben das sofort. Das heißt, wir haben jetzt plötzlich die naiven Beobachter auf der Bühne. Das, was sonst sozusagen im Dunkeln irgendwo sitzt scheinbar und die Zuschauer und das Theater beobachtet. Das kommt jetzt auf die Bühne und als Zuschauer der Komödie haben wir das vor uns. Wir sehen da auf der Bühne, wie lustig irgendwelche Leute hinters Licht geführt werden und wir sind quasi die Verbündeten dieser Schurken, die die anderen da nahren. Aber damit ist es nicht zu Ende. Es gibt nämlich in jeder Komödie dann eigenartige Umkehrpunkte, wo sich das völlig umdreht und wo das, was die einen den anderen vorgespielt haben, plötzlich für diese einen selber zwingend wird. Also nachdem der Jack Lemmon lang genug anderen eine Frau vorgespielt hat, will er plötzlich wirklich einen Millionär heiraten und ist ganz froh, wenn er einen Heiratantrag bekommt. Also die Schurken werden sozusagen zu den Narren ihres eigenen Narrenspiels oder sie werden zu den Spielzeugen ihres eigenen Spiels. Das ist das Tolle, was in der Komödie passiert und genauso wie wir zuerst über die Narren lachen, lachen wir im zweiten Moment über die Schurken. Die sind fast noch komischer als die Narren, weil die fallen sozusagen auf ihren eigenen Trick herein oder die müssen plötzlich das, was für sie nur blödes Theater ist, als eine zwingende Wirklichkeit anerkennen. Sie haben das nur vorgespielt, aber plötzlich ist das Realität für sie. Das ist ein zweiter Moment von Komik. Also die Narren amüsieren uns durch ihre Naivität. Die Schulten amüsieren uns durch ihre Nichtgläubigkeit, die aber dann zu einer umso größeren Unterworfenheit unter diese Illusion führt. Dass das überhaupt plausibel ist, also dass wir das Glauben, dass Leute auf ihre eigene Illusion herein, also auf die Illusion, die sie anderen vorgespielt haben, so hereinfallen können, dass die plötzlich selber zum Spielzeug dieser Illusion werden, das ist, glaube ich, nur möglich, weil wir als Zuschauer ständig diese Erfahrung machen. Weil wir als Tragödienzuschauer in Tränen ausbrechen können, was wir im wirklichen Leben ja nicht machen würden. Das heißt, wir können hier an den Helden der Komödie eigentlich unser eigenes Schicksal als Theaterzuschauer gut beobachten. Das passiert uns eben im Theater auch mit diesen hohen Affektentladungen, die wir da abliefern. Es passiert uns aber auch im Alltagsleben, nämlich zum Beispiel, wenn wir als Schauspieler uns bewegen. Richard Sennett hat das gut beschrieben in seinem Buch Verfall und Ende des öffentlichen Lebens, wo er gesagt hat, seit der Renaissance haben in Europa Menschen eine Trennlinie gezogen zwischen dem privaten und dem öffentlichen Leben. Und privaten waren sie mehr oder weniger so, wie sie sind oder zu sein glauben. Im Öffentlichen haben sie sich ein bisschen zusammengenommen, sich anders angezogen, haben anders angefangen zu sprechen, haben anders angefangen, sich zu bewegen und wurden dadurch in der Öffentlichkeit gleichsam zu Schauspielern. Und die entsprechenden Architekturen kann man in italienischen Renaissance-Städten gut sehen. Da gibt es sozusagen theatralische Plätze, wo die Menschen Gelegenheiten hatten, sich im Alltagsleben als öffentliche Personen zu präsentieren und als Schauspieler ihrer selbst dort aufzutreten und gesehen zu werden. Das hat eine bestimmte Kultur der Höflichkeit erzeugt oder der Zivilisiertheit, wie Seydet sagt, die uns eben Gelegenheit gab, uns als Schauspieler im Alltagsleben zu profilieren. Und diese Civility oder diese Höflichkeit erzeugt ja wieder Einbildungen. Also man tut so, als würde man Anteil nehmen am Schicksal des anderen und sagt, wie geht's? Und der andere spielt wieder Wohlergeben, sagt Danke blendend. Und das ist natürlich alles gespielt und das wissen auch alle. Und das ist auch der Grund, weshalb ein strenger Moralist, Immanuel Kant, gesagt hat, die Höflichkeit ist zwar eine Lüge, aber es ist eine erlaubte Lüge, weil niemand dabei getäuscht wird. Das ist völlig bei allen ganz klar. Es gibt nicht den Eigentümer der Einbildung, der das glaubt, was da in der Höflichkeit gespielt wird. Aber es ist nicht nur erlaubt, weil niemand getäuscht wird, sondern das hat auch Rückwirkungen auf die, die da spielen. Und wenn man nur eine Weile genug sich elegant bewegt hat, dann wird man besser erkannt. Das ist erstaunlich, aber das wirkt auf einen zurück. Also genau die, die getäuscht haben, sind dann am Schluss selber die Getäuschten, weil die Illusion, in der sie sich da bewegen, sie selber formt oder gestaltet. Das ist mein letzter Punkt für heute. Ich glaube, das gibt uns auch so etwas wie einen Anhaltspunkt für Ethik. Es ist nicht nur ein Schlüssel zum Verständnis von Vorgängen auf dem Theater und von ästhetischen Effekten wie beim Trompe-l'oeil oder beim Zaubertrick, sondern es liefert auch vielleicht einen Schlüssel dafür, wie wir mit unseren Affekten umgehen können. Das hat der französische Philosoph Alain mit bürgerlichem Namen August Emile Chartier, aber sein Pseudonym war eben Alain, der hat vor ungefähr 100 Jahren für eine französische Arbeiterzeitung so Kolumnen geschrieben über glückliches Leben. Und weil er ein sehr guter Schüler der antiken Philosophie war, die sehr viel über Einbildung nachgedacht hat, ist er auf diese Überlegungen gekommen, dass er gesagt hat, es ist sehr nützlich, wenn wir bestimmte Sachen spielen, weil wir dadurch sozusagen in diese Einbildung geraten. Auch wenn wir natürlich wissen, dass das Einbildung ist. Aber dieses Spielen hat Wirkung auf uns und verändert uns. Und wenn wir zum Beispiel höflich sind und uns damit unser Glück vorspielen, dann werden wir glücklicher. Und wenn wir damit sozusagen auch unsere gegenseitige Wertschätzung vorspielen am Arbeitsplatz, auch wenn wir den Kollegen eigentlich hassen, aber trotzdem sagen wir guten Morgen, dann verändert sich etwas an dem Verhältnis zwischen uns. Und darum sagt Alain, unsere Gefühle sind Werke. Wir produzieren sozusagen unsere Gefühle, indem wir sie vorher spielen und zum Ausdruck bringen, auch wenn wir wissen, das ist jetzt nur gespielt. Aber dieses Theater wirkt auf uns zurück und wie die Komödien helden, wird das für uns eine ziemlich zwingende Wirklichkeit. Das ist nicht nur beim Glück so, sagt Allain, sondern beim Unglück genauso. Wir dürfen nicht glauben, dass wir immer nur unglücklich sind, wenn uns etwas Böses betrifft oder etwas Schlechtes widerfährt, sondern meistens, sagt Alain, sind wir unglücklich, weil wir uns zuerst unser eigenes Unglück vorgespielt haben. Das passiert meistens durch so Unachtsamkeit und Formlosigkeit. Ich komme ein bisschen müde nach Hause, setze mich ein bisschen schlampig hin, esse die Chips aus dem Sackerl. Und so, sagt Alain, spiele mir eigentlich schon mein Unglück vor. Und im Vorspielen unseres Unglücks sind wir unglaublich variantenreich und geschickt. Darum schreibt Alain, noch der gewöhnlichste Mensch wird zum Künstler, wenn er sein Unglück mimt. Also da sind wir großartig und sehr überzeugend, wenn wir diese Rolle spielen. Und uns selber überzeugen wir dabei ganz hervorragend, weil wenn wir das eine Zeit lang so gespielt haben und so schlampig da gesessen sind und so krank reingeschaut haben oder unglücklich, dann fallen uns auch natürlich unglaublich viele kluge Gründe ein, warum wir recht haben, dass wir so unglücklich sind. Also wer aller gegen uns ist und wie schlecht die Welt ist und die verhungerten Kinder und was sonst noch alles in den Sinn kommen kann und was ein überzeugender Beweis dafür ist, dass es richtig ist, unglücklich zu sein. Und das finden wir dann ganz echt und dann haben wir das Gefühl, jetzt sind wir ganz bei uns und das ist unser wahrer Charakter. Also wenn wir uns unser Unglück vorgespielt haben, glauben wir uns das viel eher, als wir uns unser Glück glauben, wenn wir uns das vorgespielt haben. Beim Glück haben wir immer das Gefühl, das ist nur episodisch oder war überhaupt nur eingebildet. Beim Unglück haben wir das Gefühl, das ist jetzt ganz echt und das sind wir. Das ist eine eigentümliche Asymmetrie. Letzter, allerletzter Punkt, den man daraus ziehen kann, noch ein Beispiel von Alain. Er sagt eben, darum ist es ganz wichtig, dass wir alles, was wir wollen, auch immer ausdrücken. Also wenn wir zum Beispiel jemanden lieben, dann ist das ganz wichtig, dass man das auch zeigt und zum Ausdruck bringt, dass man miteinander glücklich ist. Drum muss man ab und zu ausgehen, zusammen ein Eis essen gehen oder ins Kino oder sowas. Das muss sozusagen ausgedrückt werden, es muss zur Darstellung gelangen. Und warum? Ich unterlege alle Argumente jetzt noch einmal mit den psychoanalytischen Begriffen. Ich glaube, es ist deshalb wichtig, weil das bedeutet, das nicht auf der Ebene alleine zu behalten, wo wir wissen, dass wir die andere Person lieben und dass wir mit der Person glücklich sind, sondern wo wir den naiven Beobachter davon überzeugen, dass das so ist. Und wenn wir den überzeugen, dann haben wir eine Möglichkeit, in der Übertragung dieses naiven Beobachters zu agieren. Also wir können erreichen, dass diese Einbildung, die wir diesem naiven Beobachter vorgespielt haben, für uns selber zwingend wird und die gibt uns sozusagen einen Rückhalt. In dieser Einbildung, für uns selber zwingend wird. Und die gibt uns sozusagen einen Rückhalt. In dieser Einbildung, die für uns zwingend wird, können wir uns dann mit einer schlafwandlerischen Sicherheit bewegen, wie gute Tänzer beim Tanzen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ja, vielen Dank, Robert Faller, für diese Reise durch die Einbildungen, die sehr umfassend und sehr gut erklärt waren, finde ich. Wir haben schon jede Menge Fragen aus dem Publikum. Bevor ich starte damit, nochmal die Einladung, auch selbst noch welche zu formulieren und zwar entweder direkt über den Chat im Livestream oder per Mail an kepler-salon.at. Beginnen wir mit der Frage von Reni, die ist ziemlich lang, da muss ich dann inzwischen mal scrollen. Zum Beispiel mit dem Vater, der wütend wird, weil die Kinder herausfinden, dass er sich als Weihnachtsmann verkleidet. Das soziale Konstrukt übt in der Ausübung der Illusion Druck auf die einzelnen Akteure aus. Die Mutter zum Beispiel möchte die Illusion für die Kinder, solange es geht, aufrechterhalten, was durch die Ungeschicktheit des Vaters sabotiert wird. Weswegen dieser vielleicht wütend wird? Weil er seine Rolle nicht überzeugend gespielt hat. Und als erwartet der Kinder ist es natürlich das Reizvollste, hinter die Kulissen dieser Illusion zu blicken und mit detektivischem Gespür die Wahrheit aufzudecken. Beschreibt das Huizinga so in seinem Buch? Naja, Huizinga denkt da eher psychoanalytisch. Ihm interessiert jetzt nur der Vater. eher psychoanalytisch. Ihn interessiert jetzt nur der Vater. Aus der Sicht dieses Vaters, wenn man den fragen würde, wäre es ja so, ich mache da halt eine ganze Menge Aufwand, weil die Kinder das so gern haben, wenn sie glauben können, da kommt der Weihnachtsmann. Aber dass der dann so wütend wird, wenn er entlarvt wird. Der Vater könnte ja sagen, ach, soas Blödes, ihr armen Kinder, jetzt habe ich es irgendwie vermasselt, ich hätte es euch so gern vorgespielt. Aber so ist es nicht, sondern er hat ein nicht eingestandenes Interesse daran, dass die Illusion aufrechterhalten wird und dass sich ein dankbares Opfer findet, von dem er glauben kann, dass es daran glaubt, was er da spielt. Das ist, glaube ich, die Pointe, an die Heusinger da denkt. Generell ist mir der Gedanke gekommen, gerade zu Beginn Ihrer Ausführungen, dass mit den Illusionen, die wir da aufrechterhalten, mit diesem Spiel, dass wir uns da auch in unsere Kindheit zurückversetzen. Kinder sind da so naiv und die glauben ja meistens wirklich auch noch das, was sie auf der Bühne sehen, was sie in Filmen sehen. Und dass wir einerseits die Sehnsucht haben, da hinzukommen, aber natürlich auch dann wieder wissen, okay, das ist ja nicht so. Wo wir dann lachen, wenn der Tote niest. Aber so dieser Genuss, da reinzufallen, selber Spiele zu spielen, den Weihnachtsmann zu spielen und nicht aufgedeckt zu werden, weil man wäre ja irgendwie gern der Weihnachtsmann und würde das gern spielen, so wie man es als Kind gespielt hat. Hat das damit irgendwie zu tun? Die Sehnsucht, wieder so ein ganz naives Kind zu sein? Ja, ja, absolut. Wobei man etwas auch sagen muss, also vielleicht ist die Vorstellung, dass wir einmal so naiv waren und dass das schön war, sozusagen eine Vorstellung, die wir erst entwickelt haben, nachdem der Zustand vorbei war. Vielleicht war das eigentlich nie so schön. Wir denken uns nur, das muss wahnsinnig schön gewesen sein. Leider sind wir nie mehr so. Aber das ist vielleicht eine nachträgliche Illusion. Ich kann dazu eine kleine Beobachtung beisteuern, die für mich recht aufschlussreich war. Ich bin in einem Lokal gesessen, wo ich damals öfter war. Das war ein relativ kleiner Raum mit so kleinen Tischen. Und da kam eine Mutter mit zwei kleinen Kindern. Die waren vielleicht so dreieinhalb und viereinhalb Jahre alt. Ein Mädchen, älter und ein kleinerer Junge. Und die sind so ein bisschen durchs Lokal gelaufen und haben sich irgendwie so verfolgt. Und auf einmal ist das Mädchen verschwunden. Und auf diesem kleinen Buben, auf seinem Gesicht, war irgendwie so ein Entsetzen zu sehen. Der hat irgendwie plötzlich nicht gewusst, was passiert und war ganz irritiert, dass die Schwester jetzt fort ist. Und dann hat sie so hinter einem Tisch ein bisschen hervorgeluckt und hat einen Zipfel von ihr gesehen und plötzlich ging ein Leuchten über sein Gesicht. Er war ganz begeistert, weil plötzlich hat er verstanden, das ist ein Spiel, die ist nicht verschwunden, sondern die hat nur so getan als ob. Und das war vielleicht das erste Mal in seinem Leben, dass er einen als ob begriffen hat. Und helle Freude ist bei ihm ausgebrochen. Aber selbst bei Kindern ist es entscheidend, dass sie begreifen, das ist ein Als-Ob. Das ist jetzt nicht echt. Das ist übrigens ein Punkt, den auch Heusinger macht im Homo Ludens, wo er sagt, wir stellen uns gerne vor die Wilden in Afrika, die glauben das alles. Oder wir stellen uns vor, die Kinder glauben das alles, was sie da machen und sind ganz überzeugt davon. Aber er zitiert dann ein Beispiel von einem Freund von ihm. Ein anderer Wissenschaftler kommt am Abend nach Hause und sieht im Kinderzimmer, dass der kleine Sohn vierjährige Stühle hintereinander aufgestellt hat. Und er sitzt vorne und spielt Lokomotive. Und der Vater ist ganz entzückt von dieser Inszenierung und geht hin und küsst den kleinen Sohn. Und daraufhin sagt der kleine Sohn, Vater, du darfst die Lokomotive nicht küssen, sonst glauben die Waggons, es wäre nicht echt. Also nicht er glaubt, dass das wirklich ein Zug ist. Ihm ist das völlig klar, aber er täuscht die Waggons. Der hatte auch sozusagen welche Hinters sich, die naiv waren. Darum sagt Paul Singer, also alle wissen immer, dass das ein Spiel ist, sonst hätten sie keine Freude daran. Wir haben eine Frage von Paps. Ich fand den Vergleich sehr interessant, dass wir bei Filmen bzw. Bühnenszenen stärker emotional reagieren als im echten Leben, bei entsprechend frohen oder traurigen Botschaften. Gehört es zur Aufgabe der Kunst, uns in solche emotionalen Gefühlszustände zu versetzen, damit wir sie im echten Leben nicht brauchen bzw. für echte Situationen trainieren? Vielen Dank, gute Frage. Vielen Dank, gute Frage. Nun, ich glaube nicht, also der Häusinger hätte das bestritten, es ist nicht dazu da, um irgendwas für das Leben zu üben oder zu trainieren. Es hat aber natürlich zu tun mit dem Leben und dem, was wir dann dort machen oder nicht machen. Es gibt eine prominente Theorie von Aristoteles, die sogenannte Katharsis-Theorie, die auf der Überlegung beruht, dass wir im Leben sehr oft mit stecken gebliebenen Affekten zu tun haben. Also dass wir uns das Lachen verkneifen oder das Weinen versagen, dass wir bestimmte Dinge zwar zur Kenntnis nehmen, wir wissen, der Freund ist gestorben, aber so richtig beweint haben wir ihn eigentlich noch nicht und das steckt irgendwie so als unerledigter Affekt in uns. Die Überlegung von Aristoteles, die sozusagen auch in der Psychoanalyse dann noch einmal wirksam geworden ist, war, dass wir uns sozusagen dieser steckengebliebenen Affekte entledigen können, wenn wir ins Theater gehen oder ins Kino oder auf den Fußballplatz. Dort können wir sozusagen das raushäulen, was in uns an unerledigter Trauer drinnen stecken könnte. Sie haben ja auch ein Buch geschrieben, das heißt Zwei Welten. Da geht es ja auch darum, dass eigentlich auch um diese Einbildung. Also ich habe meine Welt, meine reale Welt und träume mir immer eine andere Welt zurecht, in die ich vielleicht gar nicht so richtig will. Oder vielleicht dann auch wieder schon. Also das ist ja so ein Wechsel- und Vexierspiel. Hat das damit auch zu tun? Ja, auf jeden Fall. Also ich glaube, wir stellen uns vor, es wäre schön, ich weiß aber genau, es ist nicht und es wird nicht sein. Und genau weil ich das weiß, kann ich es mir so schön vorstellen. Also sozusagen der Journalist träumt davon, er wäre Lyriker eigentlich. Und eigentlich hat er ein ungeahntes Werk von sprachlicher Zartheit noch vor sich oder eh schon in der Schublade. Und andererseits weiß er aber genau, nur mit der Idee kann er seine kompromittierte Journalistenexistenz weiterführen. Und diese elende Zeilenkämpferei, wo man um den Platz ringt und so weiter. Und das ist fast in jedem Beruf so, dass man sich irgendwie vorstellt, eigentlich wäre ich was anderes. Oder man stellt sich vor, eigentlich würde ich lieber dort leben und nicht hier. Leben und nicht hier. Aber man weiß natürlich immer ganz genau, insofern ist das ähnlich, dass das eine Fiktion ist, dass wir uns hier selber Kunst sozusagen machen, um mit dem Leben, das wir tatsächlich haben, gut zurechtzukommen. Um da zufrieden zu sein, träumen wir sowas. Wir fallen aber auf uns selber herein, wenn wir uns einbilden, das müssen wir jetzt unbedingt machen. Also wenn ich immer mehr denke, eigentlich würde ich lieber in England leben als in Österreich zum Beispiel, dann missverstehe ich vielleicht meinen eigenen Wunsch, wenn ich sage, na gut, jetzt ziehe ich da wirklich hin und dann bin ich total glücklich. Um wirklich hinzuziehen, muss man aufhören zu träumen und muss sich sagen, okay, hier habe ich die Probleme, dort werde ich wahrscheinlich die haben, naja, okay, aus den und den Gründen gehe ich trotzdem hin und meinte, es ist dort besser und das brauche ich jetzt und deswegen gehe ich hin. Aber wenn ich mir vorstelle, ich gehe dort hin, weil dort bin ich alle Probleme los, die ich hier habe und habe keine neuen, dann ist das nur ein Traum, der dazu dient, mich hier zu trösten. Aber es ist kein Plan für wirkliches Leben. Und ich glaube, wir leben in einer Zeit, in der die Leute das oft verwechseln oder in der sie auch angeleitet werden, das zu verwechseln, wo ständig irgendwer sagt, jetzt lebe deinen Traum und mach endlich das, was du wirklich willst. Ich wollte ein bisschen darauf hinweisen, dass das ein Missverständnis darstellt und dass man die Leute nur ins Unglück stürzt. Weil wenn sie das glauben, wenn sie glauben, du wolltest doch immer nach England, jetzt geh endlich hin, dann werden sie dort maßlos enttäuscht sein, weil dann sitzen sie in Englandgern und träumen davon, in Frankreich zu sein oder sonst irgendwo und glauben dann wieder, dass sie nicht glücklich sind. Wenn sie verstehen, dass sie nur träumen, damit sie hier glücklich sind, dann sind sie auch glücklich. Auch ein Gedanke, der mir gekommen ist, in unserer Zeit jetzt zumindest kommt es mir vor, hat es einen hohen Wert, wirklich sehr kognitiv, rational, pragmatisch zu sein. Daten, Fakten, die Wissenschaft, die Wahrheit zählt. Ist es nicht so, dass wir Menschen eben genau diese Einbildung, diese Geschichten, diese Illusionen brauchen, dass wir Menschen gar nicht ohne das sein können. Ja, völlig richtig. Damit ich fröhlich bin, damit ich glücklich bin, damit ich spielen kann. Ja, genau, absolut. Das brauchen wir für all das. Genau, absolut. Das brauchen wir für all das. Und es ist bezeichnend, dass vielleicht sogar so eine rationale Praxis wie der Sport, wo ja nach biometrischen Daten gearbeitet wird, wo die Ernährung umgestellt wird, wo es Trainingspläne gibt, wo alles gemessen wird, wie viele Schritte ein Fußballer gelaufen ist und so weiter. Selbst im Sport spielt das eine ganz entscheidende Rolle. Also wenn Sie in den letzten Jahren ein bisschen Fußballkommentare gehört haben und von Trainersprechen gehört haben, die reden dauernd von Körpersprache. Die sagen, die Mannschaft ist jetzt auf dem Platz, die hat eine gute Körpersprache. Also denen ist sozusagen vielleicht ohne Theorie, aber denen ist ganz klar, wie entscheidend das ist, dass eine Mannschaft in ihrem Habitus etwas zum Ausdruck bringt, was sie zum Siegen zwingt. Auch die verstehen, dass da eine Einbildung zur Darstellung gebracht werden muss. Wenn die mit breiter Brust aus der Kabine kommen und sagen, wir sind jetzt hier die Herren am Platz, dann werden die auch so spielen, dass sie es sind. Und dort wird das anerkannt, wie wichtig dieses Einbildungsmoment ist. Vielleicht noch ein Satz dazu über die Rationalität, weil Sie das vorher auch schon einmal kurz angesprochen haben. Mein letztes Buch, die blitzenden Waffen, ist ein Versuch eigentlich, diesen Kern von Einbildung auch in der Vernunft selbst nachzuweisen. Also genau dort, wo wir glauben, wir sind jetzt ganz rational in den Wissenschaften oder so, brauchen wir auch so einen Einbildungsmoment. Jeder Wissenschaftler, der einen Aufsatz schreibt, braucht zum Beispiel einen guten Titel. Und ein guter Titel in den Wissenschaften hat meistens zwei Zeilen. Und diese zwei Zeilen funktionieren genauso wie die zwei Zeiler in der Filmkomödie, da gibt es immer eine Straight Line, also eine Zeile, die eine Information liefert und dann gibt es eine Punchline, die einen Witz macht und der Titel eines wissenschaftlichen Aufsatzes ist immer zuerst kommt die Punchline, zuerst muss irgendetwas Blumiges, Poetisches, was neugierig gemacht, dastehen. Und dann gibt es einen Untertitel, der als Straightline erklärt, worum es da geht. Und also ein bisschen Künstler muss jeder Wissenschaftler, jede Wissenschaftlerin sein. Und das betrifft jetzt nicht nur die Titelfindung, sondern das betrifft auch die Begriffsbildung, das betrifft die Beispiele, die Vergleiche, die Erzählung selbst. Jeder Aufsatz, jedes Buch ist ja auch eine Art Kriminalgeschichte, die mit einem offenen Problem beginnt und mit verschiedenen Lösungen weitergeht. Also das hat ja auch was Narratives. Das hat ja auch was Narratives. Darum, in allem Denken, in allem Vernünftigsein spielen diese Einbildungsmomente eine ganz entscheidende Rolle und machen uns neugierig und helfen uns vielleicht auch, die Dinge wirklich zu erkennen. Also die besten Texte der Wissenschaften und die, die meistens die Gründungstexte einer Wissenschaft sind, sind von außerordentlicher literarischer Schönheit. Freud's Traumdeutung oder Ferdinand de Saussure, Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft, Gründungstext sozusagen des Strukturalismus. Das ist ein wunderschöner poetischer Text. Und ich glaube eben, man kann daran sehen, dass dieses poetische Element, dieses Einbildungskraftmoment auch hilft, bestimmte Denkgewohnheiten abzuschütteln. Ohne dieses spielerische unseres Intellekts würden wir nie dazu kommen, in anderen Bahnen zu denken, als in denen, in denen wir bisher gedacht haben. in dem Sinn, die ja sehr, sehr zahlen- und faktenorientiert ist. Also es geht um Marktanteile, es geht um Gewinn, es geht um EBIT und wie sie alle heißen. Und das auch alles noch per Kopf und wie auch immer. Und genau dort passiert es aber jetzt sehr stark, um Menschen zu motivieren, zu begeistern, da jetzt wirklich mitzuarbeiten im Unternehmen, das über Geschichten, über eine Narrative zu machen. Also da ist ja momentan sehr stark zum Beispiel die Purpose-Diskussion, also der Sinn und Zweck und wofür gibt es uns und unsere Geschichte und, und, und. Ist das auch dieser Hintergrund, weil man mit Zahlen und Fakten und Gewinnen höchstens merkt, okay, wir sind dann der Beste am Markt. Das ist aber wieder eine Geschichte und da geht es nicht um die Zahlen. Ist das das Gleiche? Ja, absolut. Ich glaube, der Schlüssel zu all dem ist eine kurze Bemerkung des antiken stoischen Philosophen Epiktet, der geschrieben hat, alles, was die Menschen in Aufruhr versetzt, rührt nicht von den Tatsachen her, sondern von ihren Einbildungen über die Tatsachen. Also wenn man Menschen in Leidenschaften versetzen will, dann kann man ihnen nicht einfach nur Zahlen nennen, sondern muss man sagen, das sind die Zahlen und das bedeutet das. Wenn ich weiß, was das bedeutet, dann kann ich mich in Zorn, in Freude, in Begeisterung oder was auch immer begeben. Und nur das, nur diese großen Affekte, diese Leidenschaften bringen Menschen zum engagierten Handel. Wenn ich die Zahlen weiß, sage ich, okay, da muss ich das und das machen und das ist es dann. Aber wenn ich weiß, da geht es jetzt um etwas ganz Wichtiges und da habe ich eine Heldenrolle bei dem Unternehmen, dann kann ich wirklich aktiv werden und sozusagen aus meinem eigenen Engagement heraus handeln. Und das ist ja eines der komplexesten Probleme der Machttechniken. Wie bringt man Menschen dazu, dass sie gehorchen, aber so, dass sie glauben, das ist ihr freiwilliges Engagement. Und hier werden, glaube ich, die Unternehmenstechniken immer schlauer und raffinierter. Wir haben da eine Frage von Wolfgang. Ist Denken Probehandeln? Also wenn Denken Probehandeln ist, ist Spielen Probe Denken? Sehr gut, ja. Ja, das könnte man durchaus so sagen. Nur mit dem interessanten Aspekt, dass dieses Probedenken eben zwingend ist. Also das, was sie spielen, das ist eigentümlich verbindlich für diejenigen, die da spielen. Es gibt so Experimente zum Beispiel mit Schulklassen. Da hat man einem Lehrer gesagt, also die, die da in der letzten Reihe sind, die sind leider ganz dumm und mit denen müssen sie besonders langsam sprechen, also die, die da in der letzten Reihe sind, die sind leider ganz dumm und mit denen müssen sie besonders langsam sprechen, damit die überhaupt irgendwas verstehen. Wenn die Lehrer in die Klasse kommen mit der Erwartung, spüren das die Kinder und nach kürzester Zeit liefern die in der letzten Sitzreihe die schlechtesten schulischen Leistungen ab. Wenn man einen anderen Lehrer umgekehrt instruiert und sagt, pass uns auf, die da hinten, das sind die Hochbegabten, die sind wahnsinnig schlau, die sagen vielleicht wenig, aber die denken sich einblicken und wenn sie anderen vorspielen, dann spüren sie sozusagen die Erwartung dieser vorgestellten Betrachter. Und diese Erwartung wird immer verbindlich für die, die da spielen. Und das ist sozusagen der Motor dieses Mechanismus, wo wir unsere Gefühle gestalten können. Also wenn wir das eine Zeit lang spielen, wird das ungeheuer verbindlich für uns selbst. Und wir kommen sehr schlecht aus dieser Einbildung des vorgestellten Anderen da heraus. Aber warum spielen wir mit? Warum erfüllen wir die Erwartungen? Man könnte jetzt auch hergehen und sagen, dem zeige ich es aber. Genau. Das ist aber genau der Weg, in der Erwartung zu bleiben. Das passiert, wenn der andere eine böse oder uns unangenehme Erwartung hegt. Also das ist, zum Beispiel konnte ich das ganz gut beobachten beim sogenannten Reality-TV. Da gibt es so bei den Privatsendern sowas wie Freitagnachtfieber oder Friday-Night-Fieber. Da fahren sie irgendwie in die Provinz und suchen sich irgendwelche seltsamen Diskotheken aus, wo sie glauben, da geht es wahnsinnig tief zu dort. Jetzt muss man sich das so vorstellen, da kommt das Fernsehteam aus der Stadt, ein bisschen schicker angezogen, ein bisschen wohlhabender als die Leute, die da in der Landdiskus gerade sitzen und die fragen noch sowas, wir haben gehört, bei euch geht es immer ganz tief zu, stimmt das? Und jetzt sind die natürlich schon erbost, weil sie da von den depperten Fernsehfuzzes da aus der Stadt quasi deklarisiert werden und zu Zoo-Fischern degradiert werden und dann haben die sofort vielleicht unbewusst das Gefühl, na, euch zeigen wir es aber und dann packen die eine provinzielle Tiefe aus, die man nie vermutet hätte und das liefert dann das Reality-TV und sagt, also unglaublich, was das da für Fischer sind, was die da abliefern. Der Kulturwissenschaftler Stephen Greenblatt hat einen sehr schönen Aufsatz darüber geschrieben. Der heißt Schmutzige Riten und geht aus von der Beobachtung eines amerikanischen Kavallerieoffiziers um 1850, der als Hobby-Anthropologe die Riten der aussterbenden Indianerstämme erforscht hat. Und der wurde einmal zu seinem Ritus eingeladen. Da kamen die Indianer und haben gesagt, sie möchten ihm ein Ritual vorführen von einer geheimen Bruderschaft und das hat noch kein Weißer gesehen und das möchten sie ihm gerne zeigen. Und dann ist er mit einem Kollegen da hingegangen und diese Indianer haben dort eine unglaubliche Schweinerei aufgeführt, wo sie ihre Exkremente gefressen haben und ihren Wein getrunken haben. Zugleich aber, hat er gesagt, hat er es in unheimlicher Weise irgendwie so einer christlichen Messe ähnlich gesehen. Und schon dieser Kavallerieoffizier, dieser Amateur-Anthropologe, hat festgestellt, dass das in der Kulturgeschichte öfter vorkommt, dass eine inferiore Gruppe einer anderen irgendeine ganz schweinische Geschichte vorspielt, wo sie mit Exkrementen hantieren, so wie im Wiener Aktionismus auch. Und das bezeichnet Greenblatt als skatologische Riten, also alles, was mit Exkrementen zu tun hat, Skatologie. Und ich glaube, da passiert genau das, was Sie gesagt haben. Man spürt, der denkt von mir jetzt blöd und dem Arschloch, dem zeige ich es jetzt richtig. Und Greenblatt sagt, da passiert etwas, wo man einerseits die eigene Inferiorität anerkennt und andererseits aber auf inferiore Weise auch dagegen protestiert. Und dieser Widerspruch, der gelangt in so einer Zwangshandlung zu seinem perfekten Ausdruck, wo man sozusagen die Scheiße frisst und damit sagt, du bist scheiße, ich bin scheiße. Also beide Botschaften sind da drinnen sozusagen versteckt. da drinnen sozusagen versteckt. Ja, nochmal meine Einladung, Fragen zu stellen, entweder direkt in den Chat oder per Mail an kepler-salon.jku.at. Bei den Erzählungen jetzt dieses Reality-TVs, da sind mir auch andere Sendungen in den Sinn gekommen, wo sie auch auf andere Weise gespielt wird mit der Illusion, indem da jetzt vorgespielt wird, es ist echt. Ich denke da an diese ganzen Gerichtshows, die es mal gab, Barbara Salisch und Co. Wahrscheinlich ist es auch bei so Dingen wie German is Next Topmodel so, dass die ja ganz und gar inszeniert sind, aber echt das Leben vorspielen. Und die meisten Zuschauer wissen es ja zumindest irgendwie. Und trotzdem gibt es da so eine Sehnsucht, das anzusehen und mitzufiebern und das irgendwie für echt zu nehmen oder auch wieder nicht. Ja, also ich würde sagen, wenn es ganz echtes Leben wäre oder dafür gehalten würde, dann würden wir uns auch wieder nicht dafür interessieren. Also die gesteigerte Begeisterung hat immer, das ist immer das sichere Kennzeichen für, dass eine Illusion präsent ist und zweitens, dass sie durchschaut wird als Illusion. dass eine Illusion präsent ist und zweitens, dass sie durchschaut wird als Illusion. Und ich glaube, auch da könnte man sagen, ergeht sich eine ganze Gruppe darin, sich darin zu gefallen, dass sie jetzt gemeinsam irgendwen täuschen, dem sie vorspielen, sie halten das für wirkliches Leben. Mir ist auch dieser Film eingefallen, wo mir einfach der Name nicht einfällt, den wir jedes Jahr zu Silvester sehen, wo der Diener der alten Dame die Gäste vorspielt. Dinner for one, same procedures every year. Genau. Das ist ein uralt Film, ganz einfach gemacht und irgendwie lieben wir ihn. Und er spielt genau mit dieser Illusion im Spiel selbst, also im Film selbst und für uns wahrscheinlich auch irgendwie. Stimmt, ja. Der thematisiert das auch schon auf raffinierte Weise. So tun als ob und so weiter. Und er dürfte uns so ansprechen, dass wir ihn, obwohl er wirklich alt ist, uns sehr einfach gerne ansehen. Ja, stimmt. Und wahrscheinlich auch das Ritual zu Silvester. Ja, genau. Wir sehen ihn auch eigentlich immer nur zu Silvester an. Das ist ein bisschen wie mit dem Champagner, den wir nur zum Geburtstag trinken. Genau. Ich habe jetzt noch eine Frage, ein bisschen in eine andere Richtung. Also was Sie erzählt haben von, wenn ich mich in eine Situation begebe, wo ich anderen die Illusion verschaffe, ich bin glücklich, verschaffe ich es auch mir und das verstärkt dann meine Empfinden zum Glücklichsein. Mich erinnert das sehr stark an die positive Psychologie, die ja auch aber natürlich wieder stark in der Kritik ist, weil dann liegt es ja nur an mir. Es liegt nur an mir, ob ich glücklich bin oder unglücklich bin und die ganzen Rahmenbedingungen sind völlig unerheblich. Es gibt Rahmenbedingungen, glaube ich, also meiner Meinung nach schon, die beeinflussen mein Glück oder Unglück schon mit. Also wenn ich ewig arbeitslos bin, dann wird, also meine Meinung schon, die beeinflussen mein Glück oder Unglück schon mit. Also wenn ich ewig arbeitslos bin, dann wird es schon ein bisschen schwierig, dass ich mir mein Glücklichsein vorspiele, indem ich es anderen vorspiele und mit der VIA vorspiele. Wie stehen Sie so zu dieser positiven Psychologie? Was hat das für einen Bezug? Also das ist natürlich eine infame Ideologie, die sozusagen die Zuständig schön redet und die die Leute verantwortlich macht für etwas, wofür sie verantwortlich sind. Also das kann man auch der antiken Philosophie ganz gut entnehmen. Epikur hat gesagt, ein Mindeststandard, eine Bedürfnisabdeckung ist absolut notwendig, sonst braucht man gar nicht über Philosophie reden und was man da für Glückstechniken entwickeln kann durch eigene Einbildung. Also das ist absolut entscheidend, sonst geht es nicht. Wo das eine Rolle spielt, aber diese Lehren der antiken Philosophen oder von Alain und diese Einbildungstechniken ist natürlich und das hat auch in der Antike schon eine ganz entscheidende Rolle gespielt, dass man sein Unglück, das man erlebt, oft durch Einbildung noch viel größer macht. Und diese Zutat an eigener Einbildung, die kann man unter Umständen ersparen, wenn man das weiß. Also wenn man weiß, ich habe jetzt Zahnweh und eigener Einbildung, die kann man unter Umständen ersparen, wenn man das weiß. Wenn man weiß, ich habe jetzt Zahnweh und das tut weh, ist das was anderes, als wenn ich mir vorstelle, ich habe Zahnweh und ich bin der ärmste Mensch auf der Welt und das wird nie besser und mein Kopf explodiert usw. Und das machen wir oft automatisch. Es gibt natürlich Sachen, die uns treffen und uns beschweren. Aber wir haben noch zusätzlich meistens einen Eigenanteil an Einbildung, mit dem wir das noch gewaltig aufblasen. Oder genauso bei Zorn. Es ist in unserer Hand, wie sehr wir uns über etwas aufregen. Wir können schon ein bisschen ärgern, aber ob das jetzt ein Wahnsinnsskandal wird oder ein kleines Ärgernis, das ist in hohem Maß von uns selber abhängig. David Foster Wallace, der Schriftsteller, hat ein ganz schönes Beispiel geliefert in seiner Lecture This is Water, wo er sagt, also ein guter Schüler von Epictet und Epikur, alles, was uns aufregt, hängt mit unseren Einbildungen zusammen. Also ein guter Schüler von Epiktet und Epikur. Alles, was uns aufregt, hängt mit unseren Einbildungen zusammen. Oder damit, wie wir bestimmte Situationen und Erlebnisse vorinterpretieren. Und in diesen Vorannahmen schwimmen wir wie die Fische im Wasser, ohne es zu merken. Die können wir aber ändern, wenn wir wissen, dass sie existieren. Wenn wir glauben, das kommt alles von den Fakten, dann fallen wir darauf herein. Und so ein Beispiel ist so, er fährt mit dem Auto und da kommt so ein blöder SUV, über den man sich schon immer ärgert, diese riesenblöden Benzinfräser, die kein Schwein braucht, aber doch viele haben. Und der brecht einen vor und schneidet dann in die eigene Spur rein und man muss fürchterlich bremsen und dann ist der davor einen. Jetzt sagt Foster Wallace, natürlich hat man sofort das Gefühl, ist doch ganz klar, dass ich mich da jetzt aufregen muss über diesen rücksichtslosen Fahrer. Er sagt, das hängt aber mit den Einbildungen zusammen, nicht so sehr mit dem, was wirklich passiert ist. Wirklich passiert ist, da ist einer reingefahren, ich habe bremsen müssen, jetzt steht der vor mir im Stau, hat keinen nennenswerten Vorteil oder ein bisschen einen, aber es ist mir nicht wirklich viel passiert. Aber ich reg mich natürlich wahnsinnig auf, weil ich mir so vorstelle, der hält sich an überhaupt keine Regeln, ich muss mich an Regeln halten und so weiter. Das ist empörend. Wenn ich mir aber jetzt vorstelle, sagt David Foster Wallace, das ist ein verzweifelter Vater, der hat vielleicht ein schwer verletztes Kind auf dem Rücksitz, das ich nicht sehen kann und der muss nur deswegen so rasen, damit er schnell ins Spital kommt, dann sind die Fakten genau dieselben. Ich musste bremsen, der hat mich geschnitten und so weiter. Aber ich denke mir, okay, das ist eigentlich gut, ich habe dem jetzt Platz gemacht. Das ist ja klar, dass der da jetzt schnell weiterkommen muss. Also so bei vielen Dingen, die ein bisschen schlimm sind, aber nicht ganz so schlimm, sind es oft unsere Einbildungen, die eine Riesenkatastrophe, einen Riesenzorn Anlass machen. Und wenn man da den Stoikern folgt oder Epikuren sagt, okay, alles, was daran so wirklich aufregend ist, kommt aber aus der Einbildung und die kann ich aber auch ändern, dann können wir mit den Situationen besser umgehen und uns nicht über alles gleich sofort fürchterlich aufregen. Und dann, und das ist, glaube ich, der wichtige politische Punkt, dann sind wir in der Lage, uns über die wirklichen schlimmen Dinge wirklich aufzuregen. Das ist, glaube ich, das, was wir gewinnen können. Aber wenn ich Ihnen so zuhöre, dann sind ja Vorurteile auch Einbildungen. Ich habe das jetzt einmal sozusagen großzügig zusammengetan, aber so viel ist natürlich richtig dran. Mit bestimmten Vorstellungen prägen wir unsere Erfahrungen vor und deuten sie und machen die zu einer Geschichte. Ein Narrativ entsteht aus diesem kleinen Verkehrszwischenfall. Und das hängt im weitesten Sinne natürlich mit dem zusammen, was wir Einbildungen nennen. Also alles, was diese Leidenschaftlichkeit erzeugt, das sind Einbildungen, würde ich sagen. Wir haben eine Frage von Zanesch. Ich denke, es liegt in der Natur von uns Menschen, die Realität zu biegen, damit uns klar wird, wo die Grenze zwischen Realität und Fiktion verläuft, die aber nie erreicht werden kann. Sehen Sie das auch so, Herr Pfaller? Fiktion verläuft, die aber nie erreicht werden kann. Sehen Sie das auch so, Herr Pfaller? Das ist ein sehr schöner Gedanke, der gefällt mir gut. Die Realität biegen, um zu erkennen, wo die Grenze zwischen Realität und Fiktion verläuft. Also wenn wir das aus dem Grund machen, dann sind wir Erkenntnistheoretiker, dann sind wir ziemlich schlaue Biester und das könnte dann auch ziemlich Spaß machen, wenn wir es nur aus diesem Grund machen. Und dann ist es auch sehr erkenntnisleitend und macht uns wahrscheinlich klüger. Dann würden wir uns auch über andere nicht sonderlich aufregen, sondern dann würden wir sagen, aha, jetzt habe ich wieder die Realität gebogen, ich ärgere mich jetzt über den, aber das ist nur, damit ich weiß, wo die Grenze zwischen Realität und Fiktion verläuft. Also das fände ich ein sehr gutes Verfahren. Ja, aus dem Publikum gibt es keine weiteren Fragen mehr. Wir haben auch schon jede Menge gesprochen. Vielleicht noch so zum Abschluss eine Frage, die mir irgendwann mittendrin gekommen ist. Welche Illusion halten wir beide denn hier aufrecht aus Ihrer Sicht? Dass wir sehr vernünftige Menschen sind, dass uns unglaublich vernünftige, inspirierte Menschen zuschauen, der Leben davon abhängt, dass sie ja die richtigen Gedanken vermittelt bekommen. Ja, damit bedanke ich mich ganz ganz herzlich für Ihre Gedanken. Ich fand sie sehr inspirierend, da war einiges dabei zum Weiterdenken und zum Nachdenken. Also das finde ich immer ganz ganz toll, wenn das vorkommt und darum herzlichen Dank. Danke auch Ihnen allen da draußen für Ihre Fragen und Gedanken dazu. Nochmal die Einladung zum Shakespeare Theater Festival. Dieser Abend findet ja in Kooperation damit statt. Ein wunderbarer Ort der Illusionen, der in Linz geschaffen wird, alle zwei Jahre und eben auch heuer wieder. wird, alle zwei Jahre und eben auch heuer wieder. Es ist ein Jugendtheater-Festival und trotzdem finde ich auch für so viele Erwachsene so bereichernd. Darum schauen Sie sich das an. Entweder schnappen sich irgendwelche Kinder, damit sie die Legitimation haben und selber die Illusion aufrechterhalten, dass es das der Grund ist, warum sie da jetzt hingehen dürfen oder sie gehen einfach hin und schauen es sich an. Ja, damit sage ich herzlichen Dank und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend und danke Ihnen, Herr Pfaller. Vielen Dank.