Vor 76 Jahren wurde das Konzentrationslager Mauthausen von der 11. Division der US-Armee befreit. Herr Merni, die Gedenk- und Befreiungsfeier hier in Mauthausen im Jahr 2021 unter ganz besonderen Vorzeichen, nämlich im zweiten Jahr der Pandemie. Was haben denn die Umstände heuer auch in der Vorbereitung verändert? Naja, die Befreiungsfeier ist viel, viel kleiner geworden aufgrund der behördlichen Maßnahmen. Und was uns wirklich schmerzt, sie ist fast ohne internationale Beteiligung, weil ja keine Überlebenden aus dem Ausland nach Österreich kommen können. Und wir hoffen, dass es im nächsten Jahr wieder eine große, eine bunte und eine internationale Befreiungsfeier wird. Sie haben heuer den Titel gewählt, das Thema vernichtete Vielfalt. Was waren denn da Ihre Beweggründe? Die Nazis haben nicht die Vielfalt abgelehnt, sie haben die Vielfalt vernichtet. Jeder, der anders war aufgrund seiner politischen Einstellung, seiner sexuellen Orientierung, weil er Jude war oder Jüdin war oder weil er das falsche Buch, die falsche Musik gelesen hat. All die wurden von den Nazis vernichtet. Das einzig Vielfältige der Nazis war, diese Menschen auf vielfältige Art zu vernichten. Und das wollen wir aufzeigen. Die Nazis waren gegen Vielfalt und das war der Ort, wo sie dieser Vielfalt ein Ende bereiten wollten. Und das war der Ort, wo sie dieser Vielfalt ein Ende bereiten wollten. Von denjenigen, die den NS-Terror hier an diesem Ort überlebt haben, gibt es nicht mehr so viele. Sie sterben mit der Zeit. Was bedeutet das jetzt schon kurzfristig, mittelfristig auch für das Gedenken? Vor allem auch für die Vermittlung dessen, was dieser Ort hier eigentlich aussagt? Wir haben schon vor vielen Jahren im Wissen dessen, was Sie jetzt gerade beschrieben haben, ganz, ganz offen mit den Zeitzeugen über das gesprochen und haben alles getan, dass wir gute Videoaufnahmen, Gespräche mit ihnen machen. Das heißt, früher sind hier durch die Gedenkstätte Gruppen von jungen Menschen gegangen mit einem Zeitzeugen. Heute gehen unsere Mauthausen-Komitee-Guides mit einem iPad und fragen die Jugendlichen, was sind eure Zugänge, was ist das Thema und suchen sie dann den Clip raus und zeigen den den Jugendlichen. Das ist nicht dasselbe, aber es ist auf jeden Fall besser als irgendwelche Texte und Schautafeln. Also wir versuchen die Überlebenden in unsere Begleitungen hier einzubauen, auch wenn sie persönlich nicht hier sein können. Aber ihr meint, ihre Ideen, ihre Geschichten, die erzählen wir weiter. Das ist unser Auftrag. Die Gedenkstätte hier in Mauthausen ist ja seit Jahrzehnten unermüdlich dran, auch im Sinne von politischer Bildung, das Wissen weiterzugeben, auch über die Verbrechen des NS-Regimes. weiterzugeben, auch über die Verbrechen des NS-Regimes. Was hat sich denn Ihrer Meinung nach im Hinblick auf die Demokratieerziehung in Österreich tatsächlich gebessert oder verändert? Wo stehen wir eigentlich im Hinblick auf politische Bildung und Demokratieerziehung heute? Da hat sich in den letzten Jahrzehnten einiges getan. Aus der Republik des Schweigens, des Verschweigens und des Zudeckens hat sich mit dem Besuch des damaligen Bundeskanzlers Franz Warnitzki und der Eingeständnis der Schuld ab dem Moment etwas getan. Das, was wir jetzt aufpassen müssen, ist, dass wir nicht eine Geschichte erzählen und sagen, das war der schreckliche Ort, Mauthausen, da ist Schreckliches passiert, das war dann alles vorbei, keiner war dabei, keiner hat was gewusst. Das heißt, wir müssen uns schon überlegen, was waren die Mechanismen, die dazu geführt haben. Und in der Gegenwart aufpassen, dass wir auch heute nicht wegschauen. Wir alle wissen, der Faschismus ist nicht übernacht gekommen. Das war ein stetiger Prozess. Und dann haben wir auch die Leute gesagt, was hätten wir tun sollen. Aber heute ist es unsere Aufgabe, dass wir etwas tun und dass wir aufpassen, dass so etwas nie wieder geschehen kann. was tun und dass wir aufpassen, dass sowas nie wieder geschehen kann. Die letzten beiden Gedenktage im Jahr 2018 und 2019 standen natürlich unter dem Eindruck der Regierungsbeteiligung der rechtsextremen FPÖ. Das hat sich mittlerweile geändert. Jetzt sind die Grünen in einer Koalition mit der ÖVP. Was hat sich denn da auch paradigmatisch etwa verändert? Wir als Mauthausen-Komitee sind streng überparteilich. Es war für uns nur nicht möglich, auch in Rücksprache mit den Überlebenden, dass wir zu Gedenkfeiern rechtsextreme Politiker einladen, die das ganze Jahr hetzen und hier dann gedenken. Und dieses Problem, dass die FPÖ nicht mehr in der Regierung ist, dieses Problem der Nicht-Einladung einer Regierungspartei, haben wir jetzt zum Glück nicht. Jeder, der als Privatperson kommen will, auch ein FPÖ-Politiker, ist herzlich willkommen. Aber man kann von uns nicht sagen, wir laden Sie als Ehrengäste ein. Da hat sich etwas verändert. Und ich denke, das war auch eine ziemlich unnötige Diskussion, wen wir einladen oder nicht. Die wichtige Diskussion ist, wie viele Menschen können hier gedenken ihrer Opfer und wie schaut das niemals wieder aus. Abschließend noch, die heurige Gedenkfeier fällt deutlich kleiner aus, weil natürlich auch das internationale Publikum hier nicht zugegen sein kann. Wo sind denn Ihre Erwartungen? Was wäre für Sie wünschenswert, das am Ende des Tages erreicht ist, um zufrieden zu sein? Normalerweise ist es so bei so einer Veranstaltung, je mehr, desto besser. Aber dieses Jahr, aufgrund, wie Sie richtig sagen, der nicht möglichen internationalen Teilnahme, haben wir auch die österreichischen Delegationen kontingentiert. Das heißt, wir haben es so ausgerichtet, dass zwischen 1000 und 1500 Leute hier heute sind. Eine kleine, symbolträchtige Gedenkveranstaltung, wo wir am Ende des Tages sagen können, es war würdig und niemand hat sich angesteckt. Herr Keneder, Sie sind vor wenigen Augenblicken im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen die Treppen hochgekommen, um heuer in diesem schwierigen Jahr 2021 an der Gedenk- und Befreiungsfeier in Mauthausen teilzunehmen. Welche Gedanken sind Ihnen dabei durch den Kopf gegangen? Ich spüre da erstens eine große Verantwortung, wenn man ins Mauthausen Memorial kommt, aber auch eine große Dankbarkeit, dass wir jetzt 76 Jahre später, 76 Jahre nach der Befreiung in einem Land leben dürfen, das bunt ist und vielschichtig. Und für diesen Luxus müssen wir uns jeden Tag neu bemühen, jeden Tag neu anstrengen und jeden Tag um Respekt und Toleranz sozusagen kämpfen. Jetzt wird in diesem Jahr 2021 in Oberösterreich gewählt. Das ist immer eine Zeit auch der politischen Auseinandersetzung. Ich denke, hier an diesem Ort kann man das ausblenden, auch das demokratisch Gemeinsame zu suchen. Was ist denn da in diesem Zusammenhang von vorrangiger Bedeutung? Also ich glaube, dass es tatsächlich wichtig ist, dass wir mehr Brücken bauen, als wir das Trennende suchen. Das ist eine Verantwortung, die wir alle haben, alle Bürgerinnen und Bürger, aber vor allem die, die in politischer Verantwortung sind. Ich möchte daran arbeiten, dass Oberösterreich ein weltoffenes Land bleibt, ein buntes, ein vielschichtiges Land, in dem sich alle Menschen entfalten können, egal wo sie herkommen, egal welche Muttersprache sie sprechen, egal welche Hautfarbe sie haben oder welche Religionsgemeinschaft sie sich zugehörig fühlen. Sie sind hier nicht nur willkommen, sondern sie sollen sich hier entfalten können. Unsere Zeit steht vor vielen Problemen, Stichworte Klimakrise, soziale, gesellschaftliche Verwerfungen, die Pandemie, die uns noch lange beschäftigen wird. Wie kann da eigentlich das Gedenken, das wichtige Gedenken und auch die Vermittlung an die Verbrechenszeit des Nationalsozialismus überhaupt am Leben erhalten werden? Ich glaube, dass das eine tägliche Arbeit ist, die wir tun müssen. Ich glaube, dass Dankbarkeit die richtige Haltung ist für das Leben, das wir in einem liberalen Staat führen dürfen. Aber auch die Verantwortung jeden Tag ernst nehmen, dass wir jedem Menschen auf Augenhöhe begegnen müssen. Und Vielfalt ist eine Bereicherung und eigentlich ein Geschenk. Ich erlebe das in meiner Familie. Ich habe zwei Schwager. Der eine kommt aus Frankreich, der andere aus Syrien. Und meine Nichten und Neffen wachsen völlig selbstverständlich zweisprachig auf und das als Bereicherung zu begreifen, dem mit Respekt zu begegnen und sich selbst auch ein Stück weiterentwickeln zu lassen von anderen Kulturen und anderen Sprachen, das ist die Übung, die wir eigentlich täglich machen müssen. Das Thema der diesjährigen Gedenk- und Befreiungswehr ist ja die vernichtete Vielfalt, um an die Verbrechen des NS-Regimes zu erinnern. Vielfalt heute ist ein umstrittenes Thema, so wie es aus Ihrem Munde kommt, ist nicht allgemein geläufig. Was sind denn überzeugende Argumente, Menschen auch dafür begeistern zu können, sich eigentlich positiv zur Vielfalt zu bekennen? Also ich glaube, man muss die Menschen einfach kennenlernen. Wir haben in unseren Schulen in Oberösterreich Kinder mit verschiedenen Muttersprachen. Es ist eine Riesenbereicherung, nicht nur für unsere Gesellschaft, sondern auch für die Wirtschaft, wenn unsere Kinder zweisprachig aufwachsen, wenn sie selbstverständlich sich in verschiedenen Kulturkreisen bewegen können. Und das zu sehen, das wertzuschätzen und diese Übung jeden Tag zu machen, das ist, glaube ich, das Wichtigste. Weil wenn sie die Menschen kennenlernen, dann werden sie sich schätzen lernen lernen und für diese Art von Begegnung müssen wir eigentlich jeden Tag sorgen. Frau Schindler, wir befinden uns hier in der Gedenkstätte Mauthausen, 76 Jahre nach der Befreiung, bedeutet aber auch 76 Jahre unermüdliches Bemühen um die Vermittlung der Geschichte. Wo stehen wir heute in Österreich? um die Vermittlung der Geschichte. Wo stehen wir heute in Österreich? Wo wir heute stehen, ist ein sehr, sehr schwieriger Punkt, wenn man sich, Willi Merni hat es auch in seiner Rede angesprochen, aktuelle Entwicklungen in der Pandemie betrachtet und jetzt ganz fast tagesaktuell wieder das Aufbrechen des Nahostkonflikts. Wir stehen dort, wo der Mauthausenspur wichtiger denn je ist. Genau dieser letzte Satz, es lebe die Solidarität, es lebe die Freiheit. Und was immer noch dazu gesagt werden muss, ist auch die Mahnung und das Vermächtnis, das wir von den Überlebenden, von den Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern mitbekommen haben, dass wir das nur gemeinsam schaffen können. Und darum ist es so wichtig, jedes Jahr hierher zu kommen, jedes Jahr diesen Schwur quasi wieder in Erinnerung zu rufen, nicht nur heute, sondern auch an allen anderen Tagen und auf unsere Demokratie sehr gut aufzupassen, die im Moment vielleicht ein bisschen lasch gehandelt wird. Was kann der KZ-Verband konkret dazu beitragen? Ich kann jetzt nur für den Wiener Verband sprechen, was wir konkret dazu beitragen. Wir stehen dort, wo der Faschismus sichtbar wird. Wir beobachten, wir unterstützen Organisationen, wir gehen auf Demonstrationen, wir organisieren Demonstrationen. Und den Gedenken an die Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer holen wir auch die Gesichter und die Biografien dieser Menschen hervor, um die Beispiele am Leben zu erhalten. Vor allem im Hinblick auf die jüngeren Generationen, die jetzt nachwachsen, wird die Vermittlung auch des NS-Terrorregimes immer schwieriger sein. Es wird einfach nur eine historische Anmerkung auch in den Geschichtsbüchern vielleicht eines Tages sein. Was können wir alle dazu beitragen, gerade auch im Hinblick auf diese jungen Gruppen auch zu überzeugen, sie auch zu begeistern, das antifaschistische Gedenken hochzuhalten? Da stehen junge Menschen, die Mitglieder bei uns sind, die Organisationen, mit denen wir eng zusammenarbeiten, wie zum Beispiel der neu gegründeten Hochschülerschaft der Roma und Sinti. Und es funktioniert von ganz alleine. Die Jugendlichen kommen teilweise durch unsere antifaschistische Arbeit auf den Demonstrationen, wo wir uns auch natürlich nicht zu schade sind, diese Demonstrationen zu organisieren, zu begleiten, anzumelden, quasi unter dem Schutzschirm des KZ-Verbands, zum Beispiel die Akademikerball-Demonstration im Bündnis der Offensive gegen Recht seit Jahren zu organisieren und anzumelden via andere antifaschistische Gedenkkundgebungen und auf diesem Weg auch die Erinnerung aufrecht zu erhalten und eben ganz wichtig auch die Biografien der Widerstandskämpferinnen anzuhalten. In Wien ist ein gutes Beispiel dafür die Gruppe rund um Heine Klein, die KJ44, die es quasi geschafft hat, den Westen von Wien bis zum Gürtel ohne einen einzigen Schuss zu befreien, also den Nazis die Waffen abzunehmen und somit konnte die Rote Armee bis zum Gürtel ohne einen einzigen Schuss durchmarschieren. Und das ist schon etwas, was bei den Jugendlichen ankommt und was sie sich als Vorbild nehmen, auch wenn man natürlich die antifaschistische Arbeit jetzt im 21. Jahrhundert nicht mit dem vergleichen kann, was Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer geleistet haben. Abschließend noch, sehr, sehr viele junge Menschen, auch ich höre das immer wieder, stellen sich die Frage, wie können sie denn tatsächlich im Alltag wachsam sein? Wie können sie etwa ungehorsam sein und auch widerständig? Was können Sie tun? Sich trauen und schon sich die Vorbilder holen und schon mitmachen. Also es ist nicht so, dass wir dann irgendjemanden im Regen stehen lassen, sollte die Polizei wieder mal unverhältnismäßig eingreifen. Aber sich schon auf die Beine zu stellen und sagen, so geht das nicht und das geht eben am besten, wenn man eine Organisation, welche auch immer man hinter sich hat, man muss nur genau hinschauen, wo. hinter sich hat. Man muss nur genau hinschauen, wo. Frau Gerstdorfer, wir sind hier in der Gedenkstätte Mauthausen, 76 Jahre nach der Befreiung. Was geht Ihnen da heute durch den Kopf? Ja, es ist jedes Jahr ein sehr berührendes Ereignis, auch heuer wieder. Es ist auch sehr gut, dass wir heute wieder da sind, weil natürlich das Vor-Ort-Sein diese Erinnerungskultur deutlich stärker ausprägt, als das nur über die Bildschirme zu machen. Und man sieht, es sind sehr viele Menschen trotz der Corona-Regeln da. Viele Nationen, viele unterschiedliche, vielfältige Menschen. Das ist ja auch das Motto des heurigen Jahres, dieses Gedenkens. Und wir werden auch die nächsten Jahre noch da sein, weil ich glaube, das ist einfach angebracht und dringend notwendig. Die österreichische Sozialdemokratie, das darf ich mal so sagen, steht in diesen Tagen vor einer ganzen Menge Herausforderungen. Welche Rolle spielt denn das Gedenken an die eigenen Opfer der Sozialdemokratie auch im NS-Terrorregime in der heutigen Parteipolitik? Ja, das spielt natürlich eine sehr große Rolle, weil namhafte Persönlichkeiten auch hier ermordet wurden und wir haben ja üblicherweise auch vor dem Mahnmal von Bernaschek eine kleine Gedenkfeier im Vorfeld der Feier. Das ist, glaube ich, auch sehr, sehr wichtig, daran zu denken und auch in den Viren des 12. Februars daran zu denken, was hier an Widerstand passiert ist und wie widerständlerische Personen, die Widerstand geleistet haben, auch verfolgt wurden während des Naziregimes. Sie sind ja auch Sozialpolitikerin in unserer Zeit, beklagen viele soziale Segmentierung, vielfältige gesellschaftliche Verwerfungen. Was können wir denn an diesem Ort des Gedenkens auch in dieser Hinsicht lernen? Ja, da kann man sehr viel lernen, dass nämlich Ausgrenzung und Unterdrückung, fehlende Gleichheit sehr schnell zu Ausprägungen führt, die auch in einen Krieg münden können oder in einen Bürgerkrieg münden können und deswegen wird sich die Sozialdemokratie immer für die Gleichheit und für die Vielfalt aussprechen, für die soziale Unterstützung der Schwächeren und das wird in Zukunft so sein und das war auch in der Vergangenheit so. Wir müssen allmählich sehr, sehr gründlich darüber nachdenken, wie wir das erinnern an diese Zeit, auch im Zusammenhang mit der Vermittlung in dieser Gedenkstätte an die Jungen, an die nachrückenden Generationen weitergeben. Was fällt Ihnen dazu ein? Ja, Aufklärung, Bildung ist das Wichtigste, selbstverständlich auch hierher zu kommen und zu sehen, was tatsächlich hier passiert ist. Hier gibt es die Erinnerungskultur direkt vor Ort und die Frage, was hier alles passiert ist, wird lebhaft und erlebbar für die jungen Menschen. Das müssen wir natürlich entsprechend fördern. Sie sind heute nicht nur als Wiener Vizebürgermeister nach Mauthausen gekommen, sondern auch als Bildungsstadtrat. Damit bin ich auch bei der Bildungsfrage im Zusammenhang mit dem Gedenken an die Verbrechen des NS-Regimes. Was können Sie denn als Bildungspolitiker da konkret beitragen? Ich halte das Gedenken für ganz essentiell, vor allem schon im Schulumfeld, dass man sich damit auseinandergesetzt, was die österreichische Geschichte und Vergangenheit und vor allem dieses dunkle Kapitel bedeutet. Und diesen Raum, den muss es und soll es auch in den Schulen geben. Und dahingehend finde ich es sehr, sehr gut, wenn auch Schulen sich mit dieser Zeit auseinandersetzen. Zum Beispiel auch Reisen organisieren nach Mauthausen, eine der wenigen Zeitzeuginnen, die es noch gibt, einladen. Das ist ganz, ganz wichtig, um diese Erinnerungskultur auch ständig wiederzubeleben. Sie sind zugegeben sehr jung, daher auch natürlich interessant, Ihre jugendliche Perspektive zu erfragen. Wie haben denn Sie eigentlich vom Nationalsozialismus erfahren und beziehungsweise was hat das auch in Ihrer Jugend, auf Ihrem Bildungsweg für eine Rolle gespielt? Ich habe mich in der Schule damit auseinandergesetzt, aber leider viel zu wenig im Unterricht. Ich habe heute mit einigen auch darüber gesprochen. An meiner Schule gab es leider keine Exkursion oder Reise nach Mauthausen oder einem anderen KZ-Gedenkstätte. Wir haben es im Geschichteunterricht etwas abgehandelt, aber meines Erachtens nach zu wenig. Ich habe dann aber selber sehr früh mich mit dieser Zeit auch auseinandergesetzt, weil ich sehr früh auch schon geschichtlich interessiert war und es für ganz, ganz wesentlich erachte, dass wir uns dieser Zeit in der österreichischen Geschichte auch bewusst sind und dass so etwas auch nie wieder passieren darf. Im Gegensatz zu ÖVP und SPÖ haben die Neos ja keine jahrhundertealte Tradition, sind noch immer als sehr jung zu betrachten. Sehen Sie darin einen Vorteil auch etwa im Gedenken oder auch in der Erinnerungspolitik da neue Wege zu versuchen? Wir sind eine liberale, humanistische Partei und darum ist dieses Gedenken, auch das Bewusstsein über die Vergangenheit ganz, ganz wichtig, weil man muss die Vergangenheit kennen, um auch in die Zukunft planen zu können und ambitionierte Politik machen zu können. Und da sind wir ja natürlich unbefangen als NEOS, als rechte junge Partei. Im Zentrum steht das Menschenbild, ein liberales von Menschenrechten, von den individuellen Rechten jedes einzelnen und da gehört die Gedenkkultur ganz essentiell zu unserem Menschenbild mit dazu. Nun ist das ganze Land, ist Österreich, aber natürlich auch Wien seit jetzt mehr als einem Jahr von der Corona-Pandemie sehr geplagt. Wir wissen gerade aus dem Bereich der Schulen, dass sehr, sehr viele junge Menschen dort teilweise nicht zur Schule gehen können oder konnten, vielfach auch verloren haben, sicherlich auch zu den Leidtragenden der ganzen Pandemie zu zählen sind. Welche Möglichkeiten haben Sie denn, diese Menschen aufzufangen? Das ist ja auch eine demokratiepolitische Frage. Das stimmt. Die Herausforderungen an der Pandemie sind gewaltig, vor allem für Kinder und Jugendliche. Da gibt es große Defizite, aber nicht primär Lerndefizite, sondern psychosoziale Herausforderungen. Wir haben viel mehr psychische Erkrankungen und das muss uns alle aufrütteln. Und darum setzen wir da in Wien sehr intensive Maßnahmen. Einerseits Förderstunden an den Schulen, andererseits um die psychosoziale Gesundheit der Kinder und Jugendlichen zu unterstützen. Hier haben wir ein enges Sicherheitsnetz gespannt, weil es geht jetzt darum, die Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt zu stellen, weil die haben besonders gelitten in der Pandemie. Jetzt ist ja Wien oder gerade Wien ein wunderbares Anschauungsbeispiel für unsere vielfältig postmigrantische Gesellschaft. Wir haben sehr viel Zuwanderung auch in Ihrer Stadt, der Bundeshauptstadt. Wie können denn Sie gerade auch die vielen Jugendlichen einwirken, die nicht hier in Österreich geboren sind, die zugewandert sind, denen jetzt mal auch aus der eigenen Familiengeschichte auch der Nationalsozialismus oder auch die Verbrechens- und Opfergeschichte, die damit verbunden ist, gar nicht so geläufig ist? Die beste Integrationspolitik ist immer die Bildungspolitik. Gute Kindergärten und gute Schulen sind das wichtigste Mittel, um auch Integration erfahrbar und erlebbar zu machen. Und hier auch die Erinnerungskultur ganz wichtig an den Schulen schon anzusetzen, hier mit den Jugendlichen, wo auch immer sie her sind, zu arbeiten und darzustellen, dass es ein ganz wesentlicher Bestandteil auch ist der österreichischen Geschichte. Abschließend noch eine allgemeine Frage, aber es ist doch wahrscheinlich auch die wichtigste. Wie gelingt Ihrer Meinung nach Demokratieerziehung? Es ist eine stetige Herausforderung, weil viele Menschen auch nicht wählen dürfen, die zum Beispiel in Wien leben, weil sie Staatsbürgerschaft nicht haben. Mein Ziel ist es, frühestmöglich anzusetzen, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, ihnen Demokratie auch schon erlebbar zu machen, Mitbestimmungsmöglichkeiten zu geben in der Schule, aber nicht nur in der Schule, sondern auch in der Gesellschaft. Wir stärken deshalb zum Beispiel Kinder- und Jugendparlamente massiv, damit Kinder und Jugendliche schon früh lernen, sich an einer demokratischen Gesellschaft auch zu beteiligen. Mit welchen Gedanken sind Sie heute hierher gekommen? Ja, ich bin mit den Gedanken hergekommen, dass es sehr wichtig ist, dass die Veranstaltung stattfindet, auch wenn es durch die Pandemie ein bisschen eingeschränkter ist. Aber man sieht dann durch die verschiedenen Leute, also von allen möglichen Ländern und Delegationen, dass das gut angenommen wird und das ist ganz ein wichtiges Zeichen eben gegen diesen Rassismus und eben dem Gedenken an die Zeit, die war, diese schreckliche Zeit. Sie sind Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde in Linz, sind natürlich damit auch an vorderer Stelle beschäftigt und befasst mit der Frage des Gedenkens der jüdischen Opfer. Wo stehen wir da eigentlich in unserer Gesellschaft? Naja, das offizielle Gedenken ist ja eigentlich eh ganz gut. Nur das Problem ist, im Alltagsleben sieht man das nicht so gut. Da ist ein bisschen ein Unterschied zwischen den offiziellen Veranstaltungen und Gedenken, die es gibt und der Bevölkerung im Durchschnitt. Da sehe ich einen großen Mangel und für die Veranstaltungen wäre es wichtig, auch die Leute zu erreichen, die nicht immer zu Veranstaltungen kommen. In Veranstaltungen wäre es halt wichtig, auch die Leute zu erreichen, die nicht immer zu Veranstaltungen kommen. Weil die, die kommen, die sind sowieso in dieselbe Richtung gegen diesen Rassismus und gegen diesen Rassismus. Die antisemitischen Übergriffe werden nicht weniger. Wir haben auch zunehmend zu beobachten, so etwas wie eine antisemitische Stimmung in vielen Teilen der Gesellschaft. Die jüdische Gemeinde in Linz ist ja sehr klein, aber dennoch, wie sehr muss diese Gemeinde in Angst leben? Wie geht es Ihnen im Alltag? Naja, prinzipiell haben wir Gott sei Dank bis jetzt noch keine Vorfälle gehabt. Aber wir sind schon sehr wachsam und wir sind froh, dass das Land Oberösterreich uns wirklich Polizeischutz auch gibt, der leider wieder notwendig ist. Und das ist sehr traurig, weil man hat jetzt gesehen, es gibt immer wieder Übergriffe, auch auf jüdische Einrichtungen, Synagogen und dergleichen weltweit, aber eben auch in Europa. Und es ist schon sehr beängstigend. Also ganz ignorieren tun wir das sicher nicht. Und wie gesagt, wir sind froh, dass wir da ein bisschen Unterstützung haben. Aber es ist sehr traurig, dass man den Schutz überhaupt braucht. Die Zeit des Nationalsozialismus rückt für viele Menschen, ich denke da vor allem auch an die jüngeren Generationen, ja immer in weitere Ferne. Inwieweit spielt das Gedenken an die Shoah auch bei jüdischen Jugendlichen so etwas wie eine identitätsstiftende Rolle? Ja, die ist schon da. Also das existiert immer. Das wird, man kann sagen, wirklich irgendwie vererbt. Absichtlich oder unabsichtlich, das ist einfach präsent. Weil man weiß, auch wenn es jetzt nicht die Eltern direkt betroffen hat, aber dann hat es die Großeltern, die Urgroßeltern. Und das ist ein Teil der jüdischen Identität, definitiv. Und um dieses Gedenken wachzuhalten, welche Rolle spielt da auch in Ihren Augen der Staat Israel? Das ist eine ganz wichtige Rolle, die der Staat Israel da schon hat, als jüdischer Staat. Staat Israel da schon hat, als jüdischer Staat. Und es ist halt nur so, ja der Staat Israel, das wird dann immer mit der Politik, also da muss man schon ein bisschen differenzieren, also zwischen Politik und jüdischem Staat. Aber es ist einfach eine wichtige Rolle, dass der Staat existiert und den Juden weltweit eigentlich so eine Art Rückgrat gibt. Weil ohne den Staat Israel, glaube ich, wären die Juden weltweit schon in größerer Gefahr, als sie jetzt sind meistens. Noch ist die Gedenk- und Befreiungsfeier hier in Mauthausen im Gange. Was erwarten Sie sich von diesem doch sehr reduzierten Format, pandemiebedingt sehr reduzierten Format der heutigen Feierlichkeit? Was soll passieren, damit Sie auch am Ende des Tages damit zufrieden sein können? Naja, ich erwarte mir jetzt nicht etwas Besonderes, also so wie all die Jahre. Ich meine, dass man vielleicht ein bisschen mehr darüber nachdenkt, in sich geht und schaut vielleicht, dass man in der nächsten Zeit ein bisschen mehr gegen Rassismus ist und mehr Menschlichkeit ausübt. Aber das sind halt dann immer so punktuelle Anlässe und schnell geht man dann weg von so einer Veranstaltung. Und ja, bis zur nächsten Veranstaltung wird es leider oft sehr schnell in Vergessenheit geraten. Zwei Tage nach dem Einmarsch der deutschen Armee nach Österreich ist unser Nachbar, der in unserem Block gewohnt hat, ein sehr verdammter Nazi geworden. Und eines Tages ist er mit zwei SA-Offizieren in unsere Wohnung eingebrochen und hat mit seiner Pistole an den Kopf gedrückt und hat unser ganzes Vermögen von Gold, Geld, Schmuck und verschiedene Wertsachen geplündert. Und an diesem Tag habe ich gefühlt, dass der Himmel mir auf den Kopf fängt. Da wollte ich nur sagen, in dem Platz, wo keine Menschen sind, sei du ein Mensch. wo keine Menschen sind, sei du ein Mensch. Ich möchte jetzt erklären, dass in Auschwitz war niemand total, wir waren alle dasselbe. Jeder eine hat seine Personalität verworren und als Namen wurde jeder eine tätowiert mit einer Nummer. Und das war kein Unterschied von Wundern und Kunst. Ob du ein Jude bist oder ein Zigeuner bist oder ein Kriegsgefangener oder ein politischer Häftler. Jeder eine, der zur Arbeit geblieben ist, wurde tätowiert. Und in diesem Moment, wenn du tätowiert wurdest, dann hast du keine Namen mehr gehabt und und warst ein Untermensch und für den Nazis warst du nur eine Nummer. Wann wir sind angekommen zum Lager, war eine Selektion und wir waren eine Gruppe auf 130 Kinder. Die schwachen Kinder wurden weggenommen und zum Krematorium geschickt. Die haben schon gewusst, dass sie zum Tod gehen. Sie haben uns gegeben das Brot, das sie hatten. Die größten tragischen Fälle waren im Zeltenlager Mauthausen. Die Flugzeuge, die die Amerikaner haben bombardiert, die Postenkette, waren viele Leute hungrig. Das Fleisch hat auf den Graten gehängt und Leute Fleisch, und gekocht und gegessen. Das war das größte traumatische Geschehen.