Vielen Dank für die Einladung. Mein Name ist Corinna Antelmann. Ich bin Autorin und auch Mitglied der GAF Oberösterreich, wohne seit 15 Jahren in Oberösterreich und komme ursprünglich aus Deutschland. Das wird man vermutlich auch hören und zwar aus dem Norden, aus Bremen. Und habe einen Roman mitgebracht, der 2014 erschienen in Wien, also schon ein älteres Exemplar. Aber ich nehme den Anlass gerne, um daraus zu lesen, da ich lange nicht daraus gelesen habe. daraus zu lesen, da ich lange nicht daraus gelesen habe. Und zwar heißt das Buch 4, man sieht es hier auch auf dem Tisch stehen, und handelt von der Klavierlehrerin Maria, die sich in einem Dilemma befindet und in vier Kapiteln, deswegen auch der Name 4, dieses Dilemma im Kopf durchspielt, also sozusagen in einem Vierspalt steckt und das Kreuz der Entscheidung trägt. Ich fange an mit 1. Die Tür öffnet sich und Licht fällt ans Ende der Welt. Es ist Bengt, der fragt, ob ich etwas brauche. Nein, alles okay, danke, sage ich, nur, dass ich gerade ersticke, aber das verschweige ich. Kommst du, fragt er und ich sage, gleich, noch einen Augenblick. Ich liege auf dem Rücken und kann mich nicht rühren, denn meine Lungenflügel schmerzen, die Luft ist zu dünn, die Decke in meinem Zimmer zu weit. Gibt es das? Eine gezerrte Lunge? Oder ist es die von Träumen beschwerte Brust, die mich daran hindert, das Bett zu verlassen? Aber sie hält absichtlich die Luft an meine Lunge, verstehst du? Sie hat genug vom Atmen müssen. Es ist ihr zuwider dieses Weitermachen. Und sie gibt dem Drang nach dem Weiter und dem Mehr die Schuld. An was? Warum? Ich widerspreche nicht, womöglich hat sie recht und dann wieder weiß ich, nein, hat sie nicht. Denn auch wenn sie den Atem in uns hinein und hinaus lässt, was versteht eine Lunge vom Leben? Wenig, vermute ich, so wenig wie ein Fuß von den Richtungen, die das Leben nimmt. Er kennt nur das, wohin der Körper oder der Geist oder das Herz ihn dirigiert. Mal hierhin, mal dorthin, in deine Arme hinein und wieder hinaus. ich in die Küche trete, steht der Kaffee bereits auf dem Tisch. Ich liebe dich, Bengt, das weißt du und nicht nur für den Kaffee, den du mir seit zehn Jahren aufbrühst, wann immer du dienstfrei hast im Krankenhaus. Und gleichzeitig ist es noch immer wahr, was ich nur zu träumen gemeint hatte. Der Körper von André unter meinen Händen, seine Hüften, sein Bauch, seine Brust, die weiche Kuhle seines Nackens zwischen Wirbel und Haaransatz. Seit einigen Wochen hat der Klang sich in die Wirklichkeit verirrt, eine Wirklichkeit, die sich im Verborgenen hält. Stolz bin ich darauf nicht, nein. Ich gebe Bengt einen abwesenden Kuss, er tut mir leid, dieser Kuss, also wiederhole ich den Vorgang und schließe dabei die Augen, um zu spüren, wie sich die Lippen tatsächlich anfühlen, die mir vertraut sind, seit Jahren so vertraut, dass ich sie zu spüren vergessen habe. Nachdem ich meinen Mund wieder gelöst habe, setze ich mich bengt gegenüber, gieße den Kaffee aus der Thermoskanne in meine Tasse und gebe ein wenig Milch hinzu, aber nur so viel, dass der Kaffee noch heiß bleibt. Ich nehme einen Schluck, Bengt beobachtet mich dabei und ich denke, glaub nicht, dass ich feige bin, mein Lieber. Ich würde reden, wenn ich nur wüsste, ob es gescheit ist, jemandem diese Wahrheit ins Gesicht zu blasen, der meine Freude nicht zu teilen vermögen wird, die relativ ist, sprich, sich beschränkt auf das Setting des Doppelzimmers im Hotel Meier und auf nur zwei Protagonisten. Für dich ist keine Rolle vorgesehen, Bengt, ja, du hast richtig gehört, Hotel Meier. Eine heilige Stunde im Hotel Meier, einmal in der Woche oder auch dreimal. Obwohl wir jetzt schon so lange hier wohnen, beinahe sieben Jahre, schätze ich, kannte auch ich das Hotel bisher nicht. Schön grün ist es dort, weil es an den Friedhof grenzt und praktisch liegt es außerdem. Nicht weit vom Gemeindehaus entfernt. Und nachdem wir uns beinahe zu Tode gesungen hatten, André und ich, an diesem einen Freitag vor 84 Tagen und 84 Nächtenten konnten wir den Kodex nicht länger aufrechterhalten, der mir doch immer heilig gewesen war. Wir konnten es nicht länger über die Lippen bringen, dieses Salut, Salut Maria, Salut André, mach es gut, au revoir, bis bald. Konnten nicht länger unserer Wege gehen, wie wir sie immer gegangen waren und sie verliefen getrennt. Wir standen voreinander, gezögert habe ich erst, aber bald schon nicht mehr, dann sind wir wortlos durch die Straßen gelaufen, bis vor den leicht versteckten Eingang zu eben dem Hotel Meier, das Schild sahen André und ich gleichzeitig. Der Körper dirigiert die Füße dorthin, wo er sie haben will. Unsere Stimmen waren tonlos. Unsere Körper haben es so gewollt, das und nichts anderes. Auch an der Rezeption haben wir nicht miteinander gesprochen, nicht im Fahrstuhl und nicht als André den Schlüssel in das Schloss steckte, die Tür öffnete und wieder nach uns zuzog. Da war ohnehin alles zu spät. Nur kurz fragte ich mich, warum ich richtig finde, was ich tue, dann dachte ich an nichts mehr, höchstens, dass ich am Morgen wieder denken könnte. Bengt lächelt. Ich bin aus dem Spalt hinausgeklettert an die Sonne, die sich durch den trüben Novembertag kämpft, aber der Abgrund zeigt sich noch immer als Abgrund, in den hinein ich erneut zu stürzen wünsche, damit ich nichts überdenken muss. Noch hangle ich mich einen schmalen Grat entlang. Ich nippe abermals an meinem Kaffee, auch ohne Milch ist er bereits kalt gewesen. Ohnehin würde mir ein Martini besser schmecken, aber wenn ich schon zugrunde gehen werde, dann nicht an einem Klischee, wobei der Alkohol durchaus helfen könnte, sich der Wirklichkeit zu entziehen. Schreien, leiden, weinen, sich betrinken und Schluss. Ich schütte den Kaffee in den Ausguss. Als ich mich zur Tür drehe, sieht Bengt, wie ich mir an die Brust fasse. mich zur Tür drehe, sieht Bengt, wie ich mir an die Brust fasse. Er fragt, ob ich Schmerzen habe und als ich nicke, schlägt er vor, es doch lieber sein zu lassen, das Proben heute Abend, um mich zu schonen. Auf keinen Fall, sage ich. Meine Stimme klingt belegt, das darf nicht sein. Ich räuspere mich. Muss los, füge ich hinzu. Schüler quälen. Dann durchschreite ich den Flur und ziehe dabei die Lungenflügel zusammen. Sie sind mir untreu geworden. Aber wie kann ich von Untreue reden? Wie könnte ich? Er steht mir nicht zu. Dir nicht, André. Uns nicht. Ich greife mit den Händen in die Luft. Nur Luft. Mir fehlt sie. Deine Hand. Dein Nacken auch. Wenn ich klein wäre und du hieltest mich im Arm und wögest mich ganz leis, aber singen kann ich dich hören. Denn du bist da in meinem Kopf, nur meine Hände sind leer. Immerzu suchen sie nach der Berührung, doch sie darf nicht sein und das habe ich bereits gewusst, als wir einander das erste Mal wie zufällig berührten. Beinahe zwei Jahre ist das jetzt her. Auf dem Biertisch im Asyl, das gleich um die Ecke zum Gemeindehaus liegt, schräg gegenüber vom Dom. Weißt du noch? Erinnerst du dich, Geliebter? Schubert ist es gewesen, der mich in eure Reihen aufgenommen hat, das. Ave Maria von Schubert. Die Textzeilen sind längst Bestandteil meiner Zungenspitze geworden, über die sie in die Außenwelt gelangen, wenn sie die Stimmbänder passieren und das Denken überwinden. Ave Maria, reine Magd, der Erde und der Luft Dämonen, von deines Auges holt, verjagt, sie können hier bei uns nicht wohnen. Wir wollen uns still dem Schicksal beugen, da uns dein heiliger Trost anweht. Immer zugesungen haben wir, so lange und so oft, bis meine Stimme wusste, wie du auf sie reagierst. Beim Singen erst einmal nur da und später ja, später dann. Die Sehnsucht trieb die Töne aus mir heraus, seither ist sie ein Teil meiner selbst. Sie komponiert ihre eigene Melodie und musiziert sich durch meinen Körper vom kleinen Zeh bis zum Scheitel und wieder zurück. Sehnsucht, wonach Hast du einmal gefragt? Nach was sehnst du dich, Maria? Wonach ich mich sehne? Ach, wenn ich das wüsste, wenn ich das nur wüsste, André, aber das habe ich natürlich nicht gesagt, denn damals habe ich deinen Namen noch nicht gekannt und die Sehnsucht nicht wahrhaben wollen. Stattdessen nahm ich meinen Platz ein, rechts außen beim Sopran. Augenblicklich wanderte meine Stimme zu dir, in deinen Bass hinein, um bei dir zu sein und wir wurden zu dem einen Klang, wie es manchmal geschieht beim gemeinsamen Singen, wenngleich nicht immer. Die Töne drehten sich ineinander und nahmen die Form einer Kugel an, die durch den Himmel rollt, statt als Hälfte von einem Ganzen, das einmal zerschnitten wurde, über steinigem Grund wanken zu müssen. Seither habe ich dich kaum mehr losgelassen, wann immer ich die Gelegenheit dazu hatte, dich mit Tönen zu umklammern. Im Gemeindehaus, in unserer Kirche, außerdem im Asyl, wo einige von uns anschließend Bier trinken oder auch eine Kleinigkeit essen. Singen macht hungrig nach mehr. Stets saßen wir dort nebeneinander. Wie festgewachsen klebten wir in unserer Bank, obwohl du anfangs nicht mit ins Asyl kommen wolltest und erst gegangen bist, als du wusstest, dass auch ich da sein würde. Marbelle Chanteuse, sagtest du in reinstem Pariser Französisch. Wenn du noch ins Asyl gehst, muss ich auch kommen. Seit du hier aufgekreuzt bist, besteht der Chor aus 80% Maria. Findest du das schlimm? Und ich habe gelacht und gesagt, warum sollte das schlimm sein? Du weißt, ich bin verheiratet, somit ist doch alles klar. Nein, er fühlt sich einfach gut an, unser Gesang. Und zu fürchten gibt es nichts. Was sollte es zu fürchten geben? Was denn? Bis später, Bengt. Ich wünsche dir einen schönen Tag, rufe ich von der Haustür aus. Das Atmen fällt mir schwer. Dann ziehe ich die Tür hinter mir zu und taumle hinaus. Der Himmel trägt einen grauen Vorhang und was dahinter liegt, habe ich vergessen. Ein Spalt hat sich aufgetan und mich verschluckt, mich irgendwo hin katapultiert ans Ende der Welt. Aber wer sagt, dass es sich hier unten nicht herrlich aushalten ließe? Es lässt sich gut leben in der Dunkelheit. Oder was meinst du, André Bengt, wenn nur die Lunge nicht so weh täte? Weißt du noch, wie wir auf dem Rückweg von unserem ergaunerten Ausflug am Jahrmarkt vorbeigekommen sind, André? Kurz entschlossen habe ich vorgeschlagen, in eines der Höllengeräte zu steigen. Spinnenfrau hieß es oder so ähnlich, glaube ich. Nur eine Runde Karussell fahren, aus Gründen der Lust und aus nichts anderem und du hast sofort zugestimmt, so ist es immer schon zwischen uns gewesen. Und die Entschlossenheit, mit der du meinen Vorschlägen folgst, untergräbt den Zweifel, der sich bei mir nach jeder Entscheidung gewöhnlich einschleicht und sie rückgängig zu machen sucht. Sollten wir ein Kind zeugen, Bengt? Ja, Maria. Oder lieber doch nicht? Vielleicht hast du recht, Maria, lieber nicht. Wollen wir uns durch die Luft schleudern lassen, André? Ja, Maria. oder lieber doch nicht. Vielleicht hast du recht, Maria, lieber nicht. Wollen wir uns durch die Luft schleudern lassen, André? Ja, Maria, oder lieber doch nicht. Aber da bist du schon losgezogen und kommst mit zwei Fahrkarten zurück. Ich lache und nehme dich bei der Hand, um gemeinsam die Planke hinaufzurennen. Dann schiebe ich mich neben dich, ziehe den Bügel über den Kopf und wir lassen uns durch die Luft schleudern, Kopf über und unter und zur Seite. Keine Ahnung, wie oft und was noch, aber es ist berauschend und erschreckend und aufregend auf eine todesmutige Art. Hat es dir gefallen, Maria, hast du gefragt, kaum, dass wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten. Und ich nickte. Knapp dem Tod entronnen, meintest du, und wurdest ungewöhnlich stumm. Und ich lachte und sagte, das wäre ja das eigentlich Schöne an diesen Fahrgeschäften. Im Falle, dass jemand Todessehnsucht verspürt, magst du recht haben, Maria, hast du geflüstert und mich auf eine Weise an dich gedrückt, als wärest du heilfroh, dass es mich noch gab. Damals und nur in diesem einen Augenblick hast du dich für die Länge der glücklichen Umarmung ausnahmsweise einmal nicht darum gekümmert, ob uns jemand sehen könnte? Ansonsten sind wir stets so vorsichtig, wie es nur zwei Menschen sein können, die über das Ausmaß des Verbotenen Klarheit erlangt haben. Die Angst, das Leben von einem einzigen Bügel abhängig zu machen, ist unvergleichbar aufregender als die Angst vor einem falschen Ton. die Angst vor einem falschen Ton. Genug für heute, sage ich zu Joscha, meinem Klavierschüler, denn der Drang, den Kopf unter Wasser zu tauchen, um von der Stille umfangen zu werden, wird mit jedem Takt, dem ich meinen taktlosen Gedanken widme, zwingender. In der nächsten Stunde gehen wir noch einmal den Schluss durch, setze ich hinzu, dann werde ich von einem Hustenkrampf geschüttelt, der Joscha veranlasst, erschrocken stehen zu bleiben. Schüchtern legt er mir eine Hand auf den Rücken. Das tut gut, auch wenn ich über meine Wirbel spüren kann, wie er zittert. Offenbar mache ich ihm Angst. Mein Husten mir. Ich muss mich auf einen Stuhl setzen, aber der Husten lässt sich nicht kontrollieren. Joscha wird immer nervöser und ich kann nichts tun, als beschwichtigend die Hände zu heben. Eine Geste, die Gebet und Abwehr gleichzeitig bedeuten könnte, aber vielleicht entspringt ohnehin beides dem gleichen Impuls, das Übel abwehren zu wollen. Bitte, so hören Sie doch auf, flüstert Joscha. Oh Jungfrau, hör ein Bittenkind. O Jungfrau, hör ein Bittenkind. Kaum umgezogen streiche ich die Dauer des Duschens auf ein Minimum zusammen, dann klettere ich die Treppe hinunter, lande im kalten Wasser und wasche mich rein. Während ich meine tausend Meter kraule, schwirrt mir das Ave Maria im Kopf herum, auch wenn ich ihn ganz unterducke. Was ich erhofft hatte, die Stille auf dem Grunde des Meeres, verweigert sich mir, der Raum im Kopf bleibt trocken und laut. O Jungfrau, sieh der Jungfrau Sorgen, o Mutter, hör ein Bittenkind, Ave Maria. Es war an dem Abend, an dem ich mit dir ging, André, und du mit mir, als Regina mich das erste Mal bat, den Solopart zu singen, in der von ihr gesetzten Variation des Ave Maria. Ich stand da und sang die ersten Takte und vor lauter Licht konnte ich kaum die Töne sehen, die vor meinem inneren Auge auf und ab wanderten, obwohl ich sie doch zigmal auf dem Notenpapier studiert hatte und sie bereits fest in mir verankert schienen. Jetzt hüpften sie mir davon, wie alles, was mir stabil erschien, seither davon gehüpft ist. Regina saß am Klavier, sie spielte mäßig, aber ich habe mich nie dazu geäußert. Erst später ist zufällig herausgekommen, dass ich Klavier unterrichte und da gab es ein Ach und ein Oh und ein Warum hast du das nicht gleich gesagt, Maria. Das ist mir jetzt peinlich. Aber schon bald dachte Regina nicht mehr daran, ob und wie ich ihr Klavierspiel beurteilen könnte. Bald dachte Regina nicht mehr daran, ob und wie ich ihr Klavierspiel beurteilen könnte. Sie spielte drauf los an diesem Abend denselben Takt wieder und wieder, weil ich immer zu den Einsatz verweigerte. Nicht absichtlich, nur war ich damit beschäftigt, auf das Kreuz zu starren, das in unserem Probenraum hängt. Träumst du, Maria? fragte Regina und spielte den einen Takt zum so und sovielten Mal. Und als ich schließlich versuchte, die ersten Zeilen aus mir herauszupressen, traten mir Tränen in die Augen aus Rührung oder weil ich auf einmal wusste, was noch am selben Abend geschehen würde und das alles nur traurig enden konnte und ich das zwar einerseits nicht, gleichzeitig jedoch sehr wollte und mich bereits viel zu weit vorgewagt hatte, schon als ich mit meiner Stimme das erste Mal in André eingedrungen war. Wo soll das hinführen, wenn man den Tönen erlaubt, miteinander zu kopulieren? Was ist los mit dir? fragte Regina, die mitten im Spiel plötzlich innehielt. Weinst du? Sollen wir aufhören? Aber ich schüttelte den Kopf und sie setzte abermals an dem Takt an, der meinem Einsatz vorangeht. Und jetzt funktionierte meine Stimme, so wie ich immer funktioniert habe, auf meine Weise, die da heißt weitermachen. Einen Ton nach dem anderen wanderte ich weiter, obwohl ich dabei dachte, das darfst du nicht, Maria. Und dann spürte ich dich, André, mit den ersten Klängen, den ersten Silben, die durch sie in den Raum geschickt wurden, nur dich, wie du deinen Gehörgang für mich geöffnet hast, damit ich dort hineinwandern und mich in dir verkriechen konnte. Ich sang dir meine Sehnsucht ins Ohr und mit dem weichen Gewebe innerhalb deines Kopfes fand ich den Korpus, der den Klang entfalten hilft. Später dann im Hotel, als alle Töne längst von mir abgefallen waren und Stille herrschte, angenehm auf eine Weise, weil sie die Wirklichkeit, wie sie sich mir darstellte, abtrennte von dem, was ich mein Da flüsterte ich dir anderes ins Ohr, als diese Schubert-Worte. Let me step inside your body, sagte ich. Und sprach tatsächlich Englisch, auch wenn es möglicherweise lächerlich geklungen hat. Aber ich wollte unbedingt in einer anderen Sprache sprechen, vielleicht um dich von mir fernzuhalten, von der Maria, die mit ihrem Bank glücklich ist. Um mich und dich und uns miteinander irreale erscheinen zu lassen, aus dem Wunsch heraus, einer anderen Welt zu entspringen. Let me step inside your body, Geliebter. Und du öffnest deinen Brustkorb, zogst auch das Zwerchfell ein wenig nach unten, damit ich mehr Platz hätte in dir. Dann klappten die Lungenflügel wieder zusammen und empfingen mich mit einem Schurz aus Fleisch und einem Schwall aus Blut und einer Umgebung aus Körper. Und ich befand mich in einem Zustand der Auflösung jenseits dieser Welt. Ja, André. Als ich zitternd aus dem Wasser steige, treffe ich Juli, die gerade ihren Bademantel an den Haken hängt, um ebenfalls ins Becken zu steigen. Wie geht es dir, fragt sie und ich lächle und sage, ganz gut, denke ich. Wie gesagt, sie ist mir ein wenig zu belehrend, um nicht zu sagen geschwätzig, also halte ich meinen Mund über mein eigentliches Befinden, obwohl ich langsam platze. Vollgestopft mit Zwiegespaltenheit, wie ich es bin, mit Viergespaltenheit. Denn der Gefühl und Perspektiven sind viele, sie zeigen kreuzartig in vier Richtungen. Wenn ich klein wäre und du hieltest mich im Arm, würgest mich ganz leis, aber singen kann ich dich hören. Ja, Bengt, lass mich nur die Augen schließen. Denn hinter den Augen stehe ich auf der Bühne, vorn in dem Altarraum unserer Kirche und singe meine Zeilen zum Heiligen Abend, das Ave Maria von Schubert, wie Regina es mit uns einstudiert hat. mit uns einstudiert hat. Ich singe den Solo-Part, so klar und so brillant wie nie, mit Tuberkulose oder ohne, es ist gleichgültig. Denn die Stimme kennt den Weg, sie weiß, wohin sie will. Man stirbt nicht mehr an Tuberkulose, nicht in deinem Alter. Was tust du, Maria, was machst du bloß? An Tuberkulose vielleicht nicht, aber an der Erwartung des Todes, das schon. Denn die Sehnsucht ist stark, stärker als das Leben. Blätter doch weiter, wenn es dir nicht passt oder ärgere dich darüber, dass Papier keine Forward-Funktion kennt. Das Leben kennt sie auch nicht, nur manchmal dann doch. Die Welt legt sich über mich und ich stürze in den Abgrund, in die Tiefe des Verderbens, in die Tragödie, in die es keinen Weg gibt, außer dem Sterben nach allem, was vorgefallen ist. Nenn es ruhig Feige, das ist mir egal. Ich verdufte. Und ich schlafe des Nachts auf blumenem Beet. Die Fliegen sind wie verweht, ich bin sehr froh, mein Hunger ist weg. Und ich singe auf meinem Weg. Ich sterbe. Wir wollen uns still dem Schicksal beugen, da uns dein heiliger Trost anweht. Und ich denke, wie blöd kann jemand sein und warum eigentlich so und nicht anders? Ich möchte nicht sterben, nicht jetzt. Der Tod birgt nur für diejenigen einen Ausweg, die Todessehnsucht in sich tragen. Aber ich lebe zu gern und den Tod ersehne ich nur, solange ich in diesem französischen Film lebe. Aber jeder Film ist einmal zum Ende, zum Beispiel jetzt. La Fin steht auf dem Bildschirm. Und ich schalte aus. Ja, schönen Abend auch von mir noch noch bei unserer vorlesestunde grüner tröstet einen teil des buches vier gelesen warum hast du dir dieses buch ausgesucht zum heutigen lesen ja ich habe es lange nicht gelesen und jetzt beim lesen vielmehr ein warum ich es für möglicherweise ausgesucht habe. Weil es spielt natürlich mit diesem Zustand von Tod, Leben, was ist das Leben, wie will ich leben? Und vielleicht habe ich, ohne ganz darüber nachgedacht zu haben, passt es für mich vielleicht tatsächlich in diese Zeit, wo wir... Du meinst diese Corona-Schösser? Ja, mit dem Atem spielt ja auch eine Rolle, also inwieweit wir uns das Leben leicht oder schwer oder dilemma-riger machen, als es möglicherweise ist. Angeblich wird es ja jetzt alles besser, nicht? Jetzt habe ich das Mikro, das war nicht gut. Genau, jetzt wird alles besser, es wird immer zu immer alles besser, also echt Licht am Ende des Tunnels, der Türspalt ist in Sicht. Ich denke, es kommt auf uns an. In dem Teil, den du gelesen hast, waren für mich zwei Motive, die mich interessieren. Erstens das Thema Seitensprung, zweitens das Thema Musik und Singen. Zu beiden hätte ich gern was von dir gehört. Genau, es ist vielleicht mehr als ein Seitensprung. Ich denke, dass ihr Dilemma, in das sie sich begibt, also meine Hauptfigur Maria, dass es doch auch ein Teil ihres Individuationsprozesses ist oder wie auch immer, dass sie diese Entscheidung nicht zu fällen oder glaubt, sie ist nicht imstande, eine Entscheidung zu fällen. oder glaubt, sie ist nicht imstande, eine Entscheidung zu fällen. Und es gibt diese Dilemma, die wir uns selber stricken, um über uns selber mehr zu erfahren, glaube ich. Also das würde ich sagen, ist das Setting, dass sie sich diesen zweiten Mann sucht, gar nicht unbedingt umzuschauen, welcher passt jetzt besser zu mir. Und es geht nicht so sehr um die Liebesgeschichte, sondern um diese Konfrontation mit sich selber, dass sie eigentlich in diesem Vierspalt, habe ich es genannt, aber eigentlich ist es ja Zwiespalt, feststeckt und nicht weiterkommt, wenn sie sich nicht in sich bewegt. Das hat mich interessiert und vielleicht die Musik noch als zusätzlicher Konflikt. Musik ist ja auch immer so eine Form oder die Kunst an sich, wir kennen das beide, glaube ich, sich von der Welt ein bisschen zu entsagen und zu entrücken oder zu verkriechen. Und ich habe jetzt gerade nochmal das Piano gesehen von der Jane Campion, ich weiß nicht, ob du den Film kennst, wo sie eigentlich sehr stark auch zwischen dem Klavier und der Welt, also der Liebesgeschichte und dem Klavier hin und her gerissen ist. Geschichte und dem Klavier hin und her gerissen ist. Da fiel mir ein, dass es damit vielleicht auch zu tun hat, mit dem Wunsch, sich mit diesen banalen Ereignissen und Entscheidungen, die ja immer Möglichkeiten auch verbauen im Leben, nicht konfrontieren zu müssen. Also in der Musik ist alles erlaubt, in der Kunst auch. Im Leben gibt es Entscheidungen und jede Entscheidung vernichtet eine andere Möglichkeit. Gibt natürlich sofort die nächste Frage, wie viel ist von dir im Buch? Alles natürlich. Also was ich gut kenne, sind die Dilemmata. Also die Mühsal-Entscheidung zu treffen, aber jetzt habe ich die 50 überschritten, jetzt wird es immer besser. Also ich lerne dazu. Ich hoffe, ich sehe Licht am Ende des Tunnels. Genau und was mich immer interessiert hat, sind Konflikte, aus denen es scheinbar keine Lösung gibt. Wo ich dann denke, dann ist eben das Dritte die Lösung, nämlich warum möchte ich keine Lösung? Genau, also es klingt sehr akademisch vielleicht. Sie ist sehr verstrickt in ihrem Kopf und ich mag diese, also natürlich mag ich meine Hauptfigur und da steckt sicher was von mir drin, nämlich die Flucht in den eigenen Kopf und sich in alle möglichen Möglichkeiten zu verstrecken, statt einfach das Leben zu leben, wie es ist. Okay. Singst du selber auch? Nein, ich singe nicht. Singst nicht. Wie kommst du in diese Person hinein als Sängerin? Wie komme ich hinein? Also ich habe schon Fable für Musik. Ich habe Schubert gehört, rauf und runter, das Ave Maria natürlich. Wenn ich das geschrieben habe, ich mochte das Chorsetting. Also ich habe schon mal kurz in einem Chor auch mitgesungen, aber es ist jetzt nicht mein... Genau, ich glaube, ich war viermal da. Es ist nicht ganz meine Berufung, glaube ich. Aber ich habe auch Musik studiert, also ich habe schon eine Affination zu Musik und ein bisschen diese Idee von vier, also ich habe es auch genannt, Variationen über ein Thema. Es ist schon musikalisch auch aufgebaut, dass halt dieses Motiv der Dreiecksbeziehung viermal durchgespielt wird in unterschiedlichen Variationen mit unterschiedlichem Ausgang. Also das ist ein musikalisches Moment. Das gibt es natürlich jetzt nicht nur beim Singen, aber mochte mochte diese diese vereinigung im ton vielleicht auch also diese ganz andere art der vereinigung die sie auch mit dem zweiten mann sucht mit dem anderen hat sie hat die ehe und das praktische und wollen wir kinder kriegen oder nicht und sie entscheiden sich dagegen also das ist alles viel gebundener und das andere ist so ein bisschen mehr die kunstwelt die freiheit er war noch fr. Also alles, was rausfliegt aus dem Normalen. Okay. Ich bedanke mich bei dir. Ich bedanke mich für die Einladung. Für die Antworten. Dankeschön. Wir sehen uns wieder in 14 Tagen, glaube ich, zur Vorlesestunde. Einen schönen Abend noch. Dankeschön. Kann ich noch eine Sache zu dem Husten sagen, weil ich, das ist mir nur aufgefallen, ich musste zwischendurch husten und ich rede da über dieses Erstecken und so. Und bei meiner allerersten Lesung hatte ich auch einen Husten, also irgendwas hat das mit diesem Buch zu tun. Das wollte ich noch dazu sagen. Besser nicht zu oft das Buch vorlesen. Dankeschön. Vielen Dank. Danke.