Reiner Nöbauers Ausstellung Darwins Polyethylen befasst sich vor allem mit, das ist der sichtbare Moment, mit dem Faktor der Zeit, des Vergehens. Es ist eine Ausstellung, die zwei Zustände oder zwei Prozesse zeigt parallel. Der eine Prozess ist der des Vergehens einer natürlichen Orchidee. Der andere ist praktisch das Vergleichsmoment einer aus Polyethylen hergestellten synthetischen Orchidee. Diese werden in einer Langzeitbeobachtung 533 Tage lang fotografisch dokumentiert, nebeneinandergestellt. Und die natürliche Orchidee, praktisch das Lebewesen oder stellvertretend für das Leben, wird in keinster Weise versorgt oder gepflegt. Das heißt, am Ende dieses Prozesses, nach 533 Tagen, ist diese Orchidee mehr oder weniger komplett verschwunden, während sich die synthetische Orchidee natürlich, so wie wir es erwartet haben, einer fast ungehemmten frische erfreut. In erster Linie um die Frage des Vergehens von Zeit. Und es geht vor allen Dingen um die Erfahrbarkeit von Zeit im Verhältnis zu dem, was ein von mir sehr geschätzter Autor als die Kura, also die Pflege, das sich kümmern, bezeichnet hat. Und wenn dieses sich kümmern ausfällt, dann kommt es natürlich dazu, dass eben der natürliche Prozess seinen Lauf nimmt und die natürliche Orchidee abstirbt. Spannend ist dabei zu sehen, dass die synthetische Orchidee natürlich diesen Verfallsprozess nicht mitmacht. Und sie repräsentiert dadurch etwas, das man vielleicht so eine Art paradiesischen Zustand, auf synthetischer Basis einen paradiesischen Zustand nennen könnte. Ein Zustand, der praktisch eine immerwährende, frische, optisch reizvolle Anmutung darstellt. Diese Anmutung ist allerdings natürlich eine synthetische, eine gefakte. Diese Anmutung ist allerdings natürlich eine synthetische, eine gefakte und sie ist natürlich geprägt ganz, ganz stark durch einen Moment, der im ersten Moment natürlich so aussieht, als wäre er vielleicht sogar wünschenswert. Die Form bleibt erhalten, aber es fehlt natürlich all das, was für uns eigentlich sehr, sehr reizvoll ist. Es fehlt das Leben, es fehlt der Moment des Prozesses. Es gibt eigentlich keine wirklichen emotionalen Anker, es gibt eigentlich nicht das, was wir mit einem Lebensprozess als Menschen grundlegend verbinden. Wir sind eben der Zeit ausgesetzt, wir sind auf einmal dem Prozess des Vergehens ausgesetzt und wir müssen letztendlich versuchen, durch eigene Leistung, das ist eben die Leistung der Kura, diesen Prozess für uns handhabbar zu machen. Und letztendlich, und das ist die grundlegende These von Harrison, ist das eigentlich nichts anderes als der Prozess der Kultur. ist das eigentlich nichts anderes als der Prozess der Kultur. Das heißt in einem übertragenen Sinne, wenn wir uns diese so einfach daherkommenden Bilder von Rainer Nöbauer anschauen, beziehungsweise auch den Kontext der ganzen Ausstellung beachten, dann geht es ganz, ganz stark eben genau um diese Frage, was sagt der Verfall, was sagt der zeitliche Prozess über unser Verhältnis zu Kultur und unser Verhältnis zum Pflegen, zum Hegen, zum Eingreifen in Kultur und auch in Natur aus. Das ist natürlich immer wieder in Utopien, auch in politischen Richtungen das Bedürfnis gibt, diese komplexen Prozesse, die ja im Vergehen und im Zeitablauf drinstecken, diese zu vereinfachen, gleichförmig zu machen, zu uniformieren oder wie auch immer. Und man könnte die künstliche, die synthetische Orisches, ein visuelles Bild von Gleichförmigkeit, von Sicherheit, von Uniformität beizubehalten, dies zu sichern. Und das schafft ja die künstliche Orchidee. Sie schafft es aber zum Preis, und das zeigt eben die verfallende Orchidee, dass nichts, was uns tatsächlich emotional, menschlich oder wie auch immer berührt, in dieser synthetischen Orchidee noch zu finden wäre oder zu finden ist. Und damit bekommen diese so einfach scheinenden Bilder von zwei Orchideen immer sehr schön gerahmt, immer sehr schön präsentiert, im zeitlichen Ablauf fotografisch dokumentiert, bekommen sie natürlich eine doch sehr, sehr stark gesellschaftlich-politische Konnotation, die ich für sehr zentral und sehr, sehr wichtig halte. Und damit sind wir dann eben auch bei Darwin, weil Darwin gehört, denke ich, seit dem 19. Jahrhundert, als er in Mitte des 19. Jahrhunderts seine ganz wesentlichen Schriften publiziert hat, veröffentlicht hat. Seitdem gehört er eigentlich zu den am meisten, könnte man sagen, missbrauchten Autoren dieser Zeit. Nicht umsonst spricht man ja auch ganz häufig vom Vulgär-Darwinismus und dieser Vulgär-Darwinismus reduziert eigentlich das, was Darwin möchte auf diesen Struggle for Life, der ja politisch, wir wissen das alle spätestens mit der Erfahrung der totalitären Regime des 20. Jahrhunderts, der ja massiv missbraucht worden ist. Man braucht mal zu erinnern an die Nazi-Ideologie, dass also da irgendwo ein überlebensfähiges ist und irgendwo ein von diesem Überlebensfähigen niedergedrücktes, besiegtes, wie auch immer geartetes Leben stattfindet. Und genau mit diesem Aspekt des Niederdrückens, wenn man Darwin darauf beschränkt, dann würde man auch dieser Ausstellung hier nicht gerecht werden, hier nicht gerecht werden, weil Darwin natürlich sehr, sehr genau herleitet, dass diese Prozesse extrem komplex sind, dass sie widerständig sind, dass sie zum Teil überhaupt nicht gleichförmig in eine Richtung laufen, sondern dass es ein Vor-, ein Zurück gibt, das immer wieder ganz, ganz komplexe Zusammenhänge äußerer Faktoren, innerer Faktoren zusammenspielen, die dann letztendlich diesen von ihm ja so komplex dargestellten Ablauf von Genese, Ablauf von Anpassungsleistungen in der Natur, die genau diese Dinge eben widerspiegeln. Und damit ist eben auch wieder politisch etwas ganz, ganz Entschiedenes gesagt. Es gibt ihnen einfach nicht diesen einfachen Struggle for Life mit einem klaren, klar definierten Sieger, mit einem klar definierten Verlierer. All das sind politische, fast utopische Überlegungen, die dazu führen sollen, dass wir Gesellschaft letztendlich in unzulässiger Weise vereinfachen. Und genau das ist nicht zielführend, ist es politisch nicht zielführend, ist es gesellschaftlich nicht zielführend. Und man sollte, glaube ich, an der Stelle zulassen, das, was Rainer Nöbauer in dieser Ausstellung eben auch zeigt. Die optische, die uniforme Form, der Glanz der künstlichen Orchidee ist eben überhaupt nicht vergleichbar mit der Dynamik des Lebens, auch mit den Unwägbarkeiten, vielleicht mit den Hässlichkeiten, mit dem Nichtkontrollierbaren, die eben auf Seiten der natürlichen Orchidee in dieser Ausstellung gezeigt werden. Und ich glaube, bei aller Einfachheit, die das Ganze oberflächlich zu haben scheint, steckt da ein ganz, ganz entscheidender Moment drin. Denn das Vergehen, so schmerzhaft es für uns ist, so unkontrollierbar es ist, und es ist auch nie uniform, jede Art von Vergehen und Tod ist nicht mit dem anderen vergleichbar. Es ist nie ein Faktum der Uniformität. Genau darin steckt aber letztendlich der Moment der Würde. Und dieser Moment der Würde ist dann in den letzten Bildern, wo dann wirklich nur noch die abgetrockneten Ästchen oder Stängel der natürlichen Orchidee übrig bleiben. In diesem Moment steckt halt ganz, ganz viel dieser Würde. In diesem Moment steckt halt ganz, ganz viel dieser Würde. Und diese Würde ist halt etwas, die wir uns, denke ich, bewahren müssen zum Preis, dass eben nicht alles kontrollierbar ist.