Herzlich willkommen bei Couchkultur. Mit diesem Projekt will die Stadt Linz dafür sorgen, dass Sie, wir alle, auch in Zeiten des Lockdowns live Kunst konsumieren können und gleichzeitig ein klares Bekenntnis ablegen zu unseren Linzer Künstlerinnen und Künstlern, die eben auf diese Art Auftrittsmöglichkeiten erhalten. Das ist wichtig, um die Strukturen zu erhalten, um Beschäftigung zu haben und Kunst und Kultur konsumieren zu können. Alles Gute! Sehr geehrte Damen und Herren, mit dem Format Couchkultur möchten wir jungen Kunst- und Kulturschaffenden eine Auftrittsmöglichkeit anbieten, ihnen eine Bühne geben, sie vor den Vorhang holen, auch in schwierigen Zeiten und gleichzeitig ein Kulturangebot schaffen, dass Menschen auch Kultur konsumieren können in diesen Zeiten. Wir möchten Menschen eine Chance geben, an sich und an ihre Ideen zu glauben und diese Zuversicht und diesen Mut und Optimismus möchten wir auch vermitteln, unterstützen und weitergeben. Sonnen in Gläsern gefangen, gehen ebenfalls unter. Alphabete beten. Wenn einer dir den Himmel zeigt, dann fällt er selbst hinein. Das hatte ihre Großmutter einmal gesagt. Wenn einer dir den Himmel zeigt, dann fällt er selbst hinein. Maria schaute auf und überlegte, aus welcher Richtung das vergessen kam. Maria hatte die Farbe der Stille gesehen und manchmal auch gehört. Am Grab ihrer Schwester war die Stille besonders laut. Sonntags, denn sonntags gingen die Uhrzeiger gegen ihren Sinn. Sonntags hielt sich auch der Frühling an einem nassen Grashalm fest, rutschte ab und fiel in den ersten Ameisenhügel von diesem Jahr. Vielleicht begann erst am Grashalm der Lauf der Zeit. Sonntags, wenn die Ameisen schliefen, aber wann schlafen Ameisen heutzutage? In ihrem ersten Gedanken von heute war sie ein Apfelkern. Drei weitere Gedanken folgten, drei weitere Apfelkerne. Warum hatte Maria die ganze Zeit schon das Gefühl, aus allen Wolken gefallen und noch immer nicht gelandet zu sein? Begonnen hatte jedoch alles mit Licht. Selbst das Licht hatte noch Platz für Licht. Dann das Lied. Happy Birthday dir, Maria. Warum lächelst du nicht? Draußen im Baum vor ihrem Fenster nistete ein Pfau. Draußen im Baum vor ihrem Fenster nistete ein Pfau. Wenn sie aus ihrem Bett lange genug hinschaute, konnte ihn Maria sogar schreien hören. Manchmal schlug er auch ein Rad. Dann schauten seine Pfau-Federaugen direkt in ihre grünen Augen. Wenn sie jedoch wegblickte, war der Pfau immer noch da. Als sie daraufhin eines Tages einer Pflegeschwester von dem Pfau im Baum erzählte, schaute diese sie nur an, als sei sie nicht ganz bei Trost. Gesagt hatte sie aber nichts, nur geschaut. Hinterher wurde Marias Medikamentendosis erhöht. Ab diesem Zeitpunkt war auch der Pfau im Baum verschwunden und kehrte nicht mehr zurück. In wie viele Gesichter kann der Mond eigentlich gleichzeitig scheinen? Und wie weit ist es noch bis morgen? Wenn sich die Zähne am Speichel verbeißen, musst du beginnen, Wenn sich die Zähne am Speichel verbeißen, musst du beginnen, aufwärts zu schlucken. Nacht, singende du, die du dich müde legst mit einem Flüstern auf den Lippen. Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm. Schweig, lieber Gott, mach mich fromm, lieber Gott, dass ich in den Himmel komme, lieber Gott, komm. Immer morgens, wenn in ihrer Vorstellung die Schreibschrift auf dem Papier die Sprache wechselte, wurden die Buchstaben in Marias Kopf lauter. Auf der Rückseite des Alphabets hing dann die Wortlosigkeit Kopf über, die sich am Ende jedoch zerschrieb und die Tageszeit beinahe tonlos wechselte. jedoch zerschrieb und die Tageszeit beinahe tonlos wechselte. Gestern hatten sie Ambrosia geholt, geholt und dann entlassen, wahrscheinlich zurück ins Frauenhaus entlassen, wo sie sich vor einem halben Jahr mit Schlaftabletten und einer Flasche Schnaps das Leben nehmen wollte, aber auch an diesem Versuch, sich umzubringen, wie schon die beiden Male zuvor, kläglich scheiterte, was sie wiederum sehr verletzlich machte und Maria so vertraut. Das war im Herbst gewesen. Im Herbst waren die Märchen zu Eisblumen geschrumpft und über das ganze Fensterglas bis ins Zimmer hineingewachsen. Marias Bett war schon ganz kalt davon gewesen und sie hatte sehr gefroren und nur der Abendstern hatte sich an das Dunkel im Himmel gewöhnt, denn die Sonnen, in Kürbisse geschnitten oder in Gläsern gefangen, gingen im Herbst ebenfalls unter. Maria hörte, wie sie schrien draußen, die Kranken. Sie schrien um Hilfe, schrien sich zu, sie schrien sich an, schrien um ihr Leben, sie schrien immer. Jeden Tag schrie irgendwer. Auch Maria hatte schon geschrien, aber Ambrosia war nicht so eine. Ambrosia schrie nie. Statt zu schreien, liefen Tränen und Rotz über ihr blasses Gesicht und Speichel ran ihr aus den Mundwinkeln. Das waren Ambrosias Schreie. Ein schüchternes Innehalten, ein banges Versinken in sich selbst und Gebete sprechend, die Hände gefaltet, der Blick wie von einer Ertrinkenden, ein Untergang. Die Scham, die Ambrosia empfand, wenn sie jemand dabei sah, versteckte sie wie alles, das sie versteckte, und niemand hatte Zugang zu ihr. Niemand kam an sie heran, auch Maria nicht. Manchmal saß Maria, wenn sie an Ambrosia dachte, stundenlang am Bettrand vor ihrem Fenster. Sie dachte an die Märchen ihrer Kindheit, an den Blaubart und die bösen Feen. Schlief Rapunzel noch in ihrem Bett und war Dornröschen bereits tot? Wie sollte sie jetzt noch an Märchen glauben können? Am schönsten in ihrem Leben fand Maria die Sonntage. Sonntage waren grün und rochen nach Frieden. Der Frieden roch nach Minze und Zwieback. Manchmal mischten sich auch noch andere Farben und Gerüche unter, ab und zu sogar Lieder. Sonntage haben Maria noch nie enttäuscht, Montage schon, denn die folgten auf Sonntage und brachten Unruhe mit. Montage waren schwarz und rochen nach Kot und Urin, so wie Donnerstage, Latrinentage. An diesen Tagen hing der Kriegsgeruch in der Luft, totenbleich und feindselig blickte er Maria an, der Donnerstag, und der Mittwoch war sein heimtückischer Verbündeter. Teilnahmsvoll und herzlich schlossen sie an Freitage an. Diese wiederum waren die Nachkriegstage. Sie waren braun und hatten manchmal Hautunebenheiten. Einzig Dienstage waren Ruhetage. Dienstage waren immer schon Ruhetage gewesen. stand die Zeit still und hätte es Maria nicht besser gewusst, hätte sie gedacht, es wären Tage aus Glas. Durchsichtig, zerbrechlich und dünn. Manchmal versuchte Maria, den Klang einer Sekunde zu malen, bis der Ton wieder anging. Wie laut schlug dann wohl die Zeit ein Rad im Kopf. Maria malte, weil sie kaum Besuch bekam. Freunde hatte sie schon längst keine mehr. Manchmal kam noch ihr Vater, brachte ihr Zeitschriften und Schokolade, einmal sogar ein Radiogerät, damit sie wie ein Kleinkind so lange an den Knöpfen drücken und drehen konnte, bis Musik und all die fremden Stimmen und Geräusche in ihre Ohren drangen, was Maria jedes Mal machte, bis ihr Vater wieder ging, ohne sich umzudrehen, ohne ihr zu winken. Dann saß Maria mit dem Radiogerät auf dem Bett oder auf dem Stuhl, hob ihre Hand und flüsterte. Vater, die Zeit, in der Maria malte, war stumm und schwarz wie ein Vogelschwarz. Schwarz war Marias schöne Farbe. Am liebsten hätte sie jeden Tag schwarz angemalt. Schwarz war ihre Mitte. Aber wie sollte sie in diesem Bilderbuch aus Schwarz die Großbuchstaben kleiner schreiben? Maria wünschte sich, wie ein Kind mit diesem Kinderblick im Auge am Ende des Alphabets die Sprache wechseln zu dürfen, denn es waren noch Träume zu schlafen hinter der Nacht. Der Mond ist ein Tier. Bis zu dem Zeitpunkt, als ihre kleine Schwester, keine drei Monate alt, am 23. Februar 1985 in ihrem rostroten Kinderwagen inmitten der beiden warmen Schafwolldecken liegend und die rosarote Pevimütze über die Ohren gezogen, am plötzlichen Kindstod gestorben war, nachdem die Mutter mit den beiden Mädchen spazieren gehen wollte, hatte Maria nicht gewusst, dass auch Kinder sterben können. Maria war damals sieben Jahre alt gewesen und hatte stets gemeint, dass nur alte Menschen starben. An dem Tag, als ihre Schwester starb, hörten die Vögel draußen plötzlich auf zu schreien. Die hysterischen Schrei der Mutter, als diese das tote Baby im Kinderwagen inmitten der beiden warmen Schafwolldecken und mit der über die Ohren gezogenen rosaroten Babymütze leblos liegend sah, brachten nahezu alles zum Schweigen. Maria hatte sie bis heute nicht vergessen. Sie verfolgten sie immer noch in manchen Nächten und manchmal sogar auch am Tag. Maria fragte sich, ob ihre Schwester auch gestorben wäre, wenn sie sich als kleines Mädchen nicht gewünscht hätte, keine Schwester, sondern einen Bruder zu haben, mit dem man mehr Umfug treiben konnte, weil man mit einem Bruder eben mehr Umfug haben konnte, als mit einer kleinen Schwester. Das Gefühl eines kleinen, schuldigen Mädchens ergriff ab diesem Zeitpunkt immer mehr und mehr Besitz von ihr. Am offenen Grab dann stehend und dem kleinen Sarg im schwarzen Loch nachschauend, gaben ihr jedoch weder die heiligen Worte aus dem Mund des Pfarrers noch die schwarzen Bänder auf dem Kranzhalt, als sie an ihr schlechtes Gewissen ihrer Schwester gegenüber denken musste. Insgeheim und insgeheim dachte sie auch an das jüngste Gericht, von dem der Pfarrer gesprochen hatte. Ein Gericht, das sie auf lebenslänglich verurteilen konnte, so wie sie es damals im Fernsehen gesehen hatte. Lebenslänglich hatte das Urteil des Gerichts gelautet. Lebenslänglich. Maria stellte sich das ungeheuerlich vor. Lebenslänglich. Ein ganzes Leben hinter Gittern. Keine Sonne, kein Spielplatz, kein Eis. Lebenslänglich. durfte nicht geschehen, nicht mit ihr, nicht lebenslänglich. Und noch am selben Abend suchte sich Maria einen Stern aus und gab ihm den Namen ihrer Schwester. Und zu diesem Stern, der einen Himmel weit entfernt von ihr die Nacht zweiteilte, sprach sie. Doch ihre Sätze fielen Wort um Wort in die Finsternis von dieser Nacht und fleckten die Luft, in der sie fielen Wort um Wort in die Finsternis von dieser Nacht und fleckten die Luft, in der sie fielen Wort um Wort, bis Maria den Stern ihrer Schwester eines Tages einfach vergessen hatte. Es waren 24 Schreie, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 und so weiter, denn sie war da. Ihre Schwester war da, sie ist am helllichten Tag gekommen und geblieben. Sie ist erst wieder verschwunden, als Maria 24 Mal laut geschrien hatte. 24 Mal, 24 Mal gegen ihre Schwester. Schwesterchen, kommt tanzt mit mir. 24 Schrei waren es und es kamen noch 9 dazu. 33 insgesamt. Für jedes Jahr, dass ihre Schwester nun tot war, ein Schrei. Ein Schrei für das erste Jahr, das war das Schlimmste. Ein Schrei für das zweite Jahr, für das dritte und vierte. Ein langer Schrei für das fünfte Jahr, ein sechstes Jahr, ein sechster Schrei und noch 27 Schreie. Maria zählte mit. Komm und mach mich fromm. Das Märchen, das Maria niemandem erzählte, weil es so nah an der Wirklichkeit war, sang jetzt Sturm in ihrem Kopf und dieses Singen war nicht der Versuch zu verstehen, was nicht zu verstehen war. Es war die Nachgeburt ihres Lebens, denn es war das Leben. Und so fing es an, nämlich wie jedes Märchen anfängt, mit Es war einmal. Es war einmal ein kleines Mädchen, ein sehr kleines Mädchen, ein sehr kleines neugeborenes Mädchen, keine zwei Minuten alt. Das lag noch nicht einmal in Windeln. So klein war es, so heilig war es. Doch dann ist es vom Himmel gefallen, aber auch wieder aufgestanden, auferstanden, auf die Welt gekommen, weggenommen, auf die Welt gekommen. Eine unheilvolle Reihenfolge für ein kleines Kind, Sterntaler Kind. unheilvolle Reihenfolge für ein kleines Kind, Sterntaler Kind. Als solches kam es, wann es wollte und es blieb, solange es wollte. Heimsuchung, eine lebenslange Hinrichtung, eine lebenslange Schuld. Flieg, kleiner schwarzer Vogel, flieg. Doch der Himmel verdunkelte sich, sodass der kleine schwarze Vogel nicht mehr fliegen konnte, und ein schwerer Sturm wütete fortan auf der Welt. Dunkel und schwer blieb er dort als Teil eines Lebens, denn wenn sie alle nicht geboren wären, dann lebten sie schon längst nicht mehr. Thank you.