Wie in den Jahren zuvor fand im März 2020, also wenige Tage vor Beginn des Coronavirus-Ausnahmezustands im niederösterreichischen Dürnstein wieder ein Symposium statt, das sich dem Thema Erbschaften im Spannungsfeld von Kultur, Natur und Identität widmete. Dazu gibt es eine Menge wichtiger Fragestellungen, vor allem auch zu den Voraussetzungen der menschlichen Existenz. Worauf haben wir alle im Hinblick auf unsere Hinterlassenschaften für die gesellschaftliche Zukunft zu achten? Warum sollten Politik und demokratische Institutionen schon heute den Lebensbedingungen von morgen deutlich mehr Beachtung schenken? Damit darf ich Sie auch schon sehr herzlich begrüßen bei dieser aktuellen Ausgabe der redaktionell gestalteten Sendereihe mit BIS Politik und Zeitgeschehen auf DorfTV. In einem der folgenden Interviews sieht der deutsche Schriftsteller Florian Werner im alttestamentarischen Bild der Apokalypse die zeitgemäße Übersetzung in der notwendigen Erkenntnis, den mannigfaltigen Krisenerscheinungen ins Auge zu blicken und zu einem radikalen Umdenken zu finden. Professor für Soziologie an der TU Darmstadt zu Wort. Er beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, warum auch in der österreichischen Wohlstandsgesellschaft 1,2 Millionen Menschen in Armut leben. Diese Armut wird schließlich vererbt und stößt trotzdem gemeinhin auf große Teilnahmslosigkeit. und Michael Hartmann regen jedenfalls zum Nachdenken an und bilden den zweiten Teil der dreiteiligen Serie zum Symposium 2020 in Dürrenstein. Herr Werner, Sie haben heute im Rahmen des Symposiums Dürrenstein von den Kindern der Apokalypse gesprochen. Die Angst vor der alttestamentarischen Idee der Apokalypse sitzt ja bei uns Menschen sehr, sehr tief. Wie lässt sich denn dieses Bild jetzt im Hinblick auf aktuelle Krisen auf die Gegenwart übertragen? Ja, ich glaube, das ist im Moment relativ naheliegend. Wir haben zumindest in Deutschland zwei extrem heiße, trockene Sommer erlebt. zumindest in Deutschland, zwei extrem heiße, trockene Sommer erlebt. Wir haben jetzt gerade einen Winter hinter uns, der in Berlin, wo ich lebe, kein Winter war. Wir haben das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 2019 hinter uns gebracht. Ich denke schon, dass das apokalyptische Szenario, was im Moment die meisten Menschen unserer Generation und auch der nächsten Generation beschäftigt, das ist wirklich die ökologische Apokalypse, wenn man eben diesen alttestamentarischen Begriff gebrauchen möchte. Wobei es sich, glaube ich, nochmal qualitativ unterscheidet von früheren Apokalypsen. Also Apokalypse heißt ja erstmal eine Offenbarung, das heißt, das ist das letzte Buch der Bibel, das ist ein Offenbarungsschreiben, das heißt, da steckt noch so eine Art Sinn dahinter, wenn man so möchte. Also eine Offenbarung ist erstmal nichts Schlechtes. Da wird der göttliche Wille dem Menschen kundgetan. In der Bibel ist es dann Johannes von Patmos und durch ihn dann der ganzen Welt. Nämlich, dass die Welt zugrunde gehen muss, weil sie eben grundlegend verderbt ist. Und deswegen muss sie sozusagen gereinigt werden von bösen Menschen, von schuldhaften Personen. Und dann am Schluss bleiben ja aber, wie wir wissen, eine gewisse Anzahl übrig und für die kommt dann das neue Jerusalem, also eine große utopische Hoffnung, die eigentlich am Ende der Apokalypse steht. Und ich glaube, was wirklich die derzeitige Klimakatastrophe unterscheidet von solchen Apokalypsevorstellungen, ist doch, dass wir eigentlich überhaupt nicht sehen, wie ein neues Jerusalem oder wie man es auch mal nennen möchte, kommen könnte, sondern stattdessen die Fieberkurve der Erde geht einfach immer steiler bergauf. Und es gibt auch im Moment keinen Grund anzunehmen, dass sich das ändern wird. Das heißt, das Licht am Ende des Tunnels, wenn es überhaupt eines gibt, das ist in so einer tiefen Zeit, in so einer fernen Zukunft, dass wir womöglich als Gattung das gar nicht mehr erleben werden. Sie haben zuvor in Ihren Ausführungen davon gesprochen, dass die Menschheitsgeschichte eine Abfolge sei unzähliger kleiner Welterschaffungen. Gleichzeitig hat man gegenwärtig das Gefühl, so viel Ende war noch nie. Wie geht denn das aktuell überhaupt noch alles zusammen? Das geht eben leider eigentlich überhaupt nicht zusammen. Also dieser Gedanke, dass sozusagen die Geburt eines Menschen eine Welterschaffung sei, das geht zurück auf die Philosophin Hannah Arendt, die eben vor ziemlich genau 60 Jahren in ihrem Buch Vita Activa vom tätigen Leben diese Denkfigur ausphilosophiert hat, ausbuchstabiert hat, dass sozusagen eben die göttliche Schöpfung, dass sie sich täglich neu ereignet. Immer wenn ein Mensch zur Welt kommt, wird sozusagen so eine kreative Anfänglichkeit gemacht. Und deswegen kann die Menschheit eigentlich nicht zu Ende gehen, weil sie sozusagen diese Genesis, diesen Schöpfungsakt in sich trägt als Möglichkeit. Und das ist auch erstmal ein sehr, sehr schöner Gedanke und ich glaube, alle von uns, die Kinder haben, ich selber habe zwei, die kennen auch eben dieses unglaublich euphorisierende Gefühl, wenn man ein Kind in den Armen hält oder später vor sich stehen hat oder es von einem wegläuft, dieses Glücksgefühl, dass da eben ein komplett undenkbarer Schöpfungsakt eigentlich stattgefunden hat im Kreißsaal. Und das ist aber eben dieses Genesis-Gefühl, nenne ich es mal, ist ja doch sehr stark in den letzten Jahren so einem apokalyptischen Gefühl gewichen, eben aufgrund der Tatsache, dass die Weltbevölkerung sowieso schon viel zu groß ist. Sie beträgt, glaube ich, im Moment über sieben Milliarden. Sie könnte zum Mitte des Jahrhunderts neun Milliarden oder vielleicht auch zehn Milliarden betragen, je nachdem, welche Statistik man sich da anschaut. Und man geht eigentlich davon aus, so anderthalb Milliarden, wie es sie, glaube ich, im 19. Jahrhundert noch waren, das wäre so der Idealwert. die glaube ich im 19. Jahrhundert noch waren, das wäre so der Idealwert. Und den werden wir wahrscheinlich so schnell ohne eine globale Epidemie oder ein radikalstes Umdenken einfach nicht erreichen können. Das ist eigentlich unmöglich. Und das heißt, es gibt ja immer mehr diese Denkfigur, dass eigentlich ein Kind, das ist eigentlich ein Klimasünder. Also jedes Kind, das man auf die Welt wirft, da könnte man sich genauso gut 30 SUVs kaufen und damit noch Fahrer bezahlen, die damit durch die Stadt heizen. Und das wäre immer noch klimagesünder, als ein Kind zu zeugen. Das ist so eine Denkfigur, die gerade aufkommt. Der Wunsch des Menschen, sich selber zu reproduzieren, sich fortzupflanzen, ist ja so alt wie die Menschheit selbst. ist ja so alt wie die Menschheit selbst. Gleichzeitig, Sie haben es jetzt schon kurz angedeutet, ist der Kinderwunsch in die Defensive geraten, beziehungsweise auch in einen gewissen Rechtfertigungsnotstand. Inwieweit müssen sich denn allfällige oder mögliche Eltern der Zukunft sich schuldig fühlen, sich an dieser Katastrophe zu beteiligen? Ich glaube tatsächlich, dass, obwohl ich durch meine eigenen zwei Kinder beigetragen habe zum Bevölkerungswachstum oder damit, dass es zumindest stabil bleibt, zwei Eltern, zwei Kinder, könnte man sagen, mathematisch geht sich das irgendwie aus, habe ich nicht unbedingt nagende Schuldgefühle. weil doch natürlich der Alltag mit seinen Glücksmomenten und auch seinen krisenhaften Momenten dem gegenübersteht. Das wäre ja schrecklich, wenn man sozusagen Regretting-Fatherhood-mäßig ständig reuen würde, dass man diese Kinder in die Welt gesetzt hat. Aber natürlich, wenn ich abends beim Einschlafen meinem Sohn etwas vorlese oder erzähle, der Gedanke eigentlich, dass ich denke so, dass ich denke, es war wieder ein sehr heißer Wintertag oder Sommertag oder es war jetzt sehr lange sehr trocken. Der ist eigentlich fast immer da. Und es ist ein Gedanke, mit dem man schwer umgehen kann. Ich glaube, es ist ein Gedanke, in dem Fall, wenn man schon Kinder hat, man kann es ja nicht ungeschehen machen. Es ist ja ein irreversibler Akt. Man ist nun mal Vater und Mutter und muss mit der Situation umgehen. Deswegen, ich glaube, so ein Reuedenken hilft einem da nicht weiter, sondern man muss natürlich überlegen, wie man ja erstens politisch wirksam werden kann durch Wahlentscheidungen oder durch eigenes politisches Handeln. Zweitens, wie man persönlich sein Leben einschränken und verändern kann. Ich glaube, ohne einen sehr, sehr radikalen Verzicht wird es nicht gehen. Und natürlich, dass man die eigenen Kinder auch zu möglichst ökologischem Handeln und Denken erzieht. Wobei es natürlich inzwischen eher so ist, dass die Kinder uns zu ökologischem Handeln und Denken erziehen, muss ich sagen. Also unsere Generation, zumindest weil die Kinder mal zehn oder elf, zwölf Jahre alt sind, wie meine Tochter jetzt, die sind ja fast weiter als wir und sensibler für bestimmte Themen. Jetzt ist ja die Menschheit schon öfter vor dem Abgrund gestanden. Wenn ich alleine an die Geschichte des 20. Jahrhunderts denke, jetzt stehen wir wieder vor einer großen Krise, deren Tragweite wir vielleicht noch gar nicht tatsächlich erfassen können. Aber dennoch, inwieweit sehen Sie denn jetzt schon Konfliktpotenziale sozusagen sich vor uns auftürmen, die dann letztendlich auch zu einem unglaublichen Konflikt, der in Zukunft zu einem unglaublichen Konflikt zwischen den Generationen führen wird? Sie sprechen einen heiklen Punkt an, weil natürlich die Denkfigur der Apokalypse, wir wissen das alle, die ist fast 2000 Jahre alt, wahrscheinlich sogar noch älter, wenn man zurückgeht nach Mesopotamien oder so. Der Mensch denkt, seitdem er eigentlich glaubt, dass es einen Moment der Welterschaffung gab, einen Ursprung, dann denkt er automatisch eigentlich auch an ein Ende. Obwohl es ja logisch nicht zwingend ist, aber dieser Gedanke ist, es gab mal etwas vor der Welt, also wird es auch etwas danach geben, der ist schon sehr, sehr alt. Und natürlich haben sich die Menschen immer wieder, zum letzten Mal wahrscheinlich sehr prominent, in den 80er Jahren aufgrund der Atomanbedrohung immer wieder gewähnt am Rande einer nuklearen Apokalypse, irgendeiner Art von Auslöschung der Menschheit. Und dann natürlich jetzt sozusagen mit dem Glück der Nachgeborenen oder der Überlebenden kann man ja sagen, ach, war ja alles nicht so schlimm, der Atomkrieg kam ja gar nicht, wir leben ja alle noch. Das heißt, die Menschheit, die tickt offensichtlich apokalyptisch, aber sie irrt sich immer wieder. Aber das ist ja auch wiederum nicht logisch. Also nur, weil sich vorhergehende Generationen geirrt haben mit ihren apokalyptischen Prophezeiungen, heißt es ja nicht, dass sie nicht auch mal recht haben. Es ist so ein bisschen wie in diesem Märchen vom Wolf, wo der Junge immer wieder schreit, der Wolf ist da, der Wolf ist da und irgendwann nimmt man ihn nicht mehr ernst, aber irgendwann kommt eben der Wolf, Klammer auf, die Apokalypse, Klammer zu, dann vielleicht tatsächlich. Das heißt, ich glaube, man muss da auffassen, dass man aus diesem historischen Wissen, ach ja, die Menschen haben das ja schon immer so geglaubt, auch schon unsere Eltern hatten diese Ängste, dass man es sich damit nicht zu leicht macht und sagt, das ist halt menschlich, apokalyptisch ist menschlich. einen, tja, da Zusammenstöße geben, wird es einen Generationenkonflikt geben. Sagen wir mal so, ich hoffe sehr viel stärker, dass der Generationenkonflikt kommt, bevor der globale Konflikt auf andere Weise kommt. Also ich glaube, dass es zu Konflikten kommen wird, ich glaube, da muss man jetzt kein Pessimist sein, ist, glaube ich, tatsächlich extremst wahrscheinlich. Also die kommende Generation, also das ist die zeitliche Achse, ist teilweise sehr, sehr schlecht gelaunt, zu Recht, aufgrund dieser schweren Erbschaft, dieser schweren Hypothek, die wir ihnen hinterlassen und werden vermutlich auch radikalere Aktionen machen. Also könnte ich mir gut vorstellen, dass es dazu kommt, ohne den Teufel an die Wand zu malen. Das andere ist natürlich, dass in sehr, sehr absehbarer Zukunft oder teilweise auch natürlich schon in der Gegenwart bestimmte Weltregionen, wahrscheinlich selbst in Südeuropa, nicht mehr bewohnbar oder zumindest nicht mehr als Ackerland brauchbar sein werden. Und es, denke ich, ziemlich sicher dazu, Populationsverschiebungen zu Wanderungsbewegungen, zu Fluchtbewegungen kommen wird, Not gedrungen. Und man sich darauf einstellen muss und eigentlich überlegen, eigentlich jetzt, eigentlich eher vorgestern, wie man damit umgeht. Denn ich glaube, so eine konsequente weitere Abschottung, wie sie aktuell Europa vornimmt an seinen südöstlichen Grenzen, die ist einerseits zunehmend schwer vereinbar eigentlich mit den Idealen der Aufklärung und der Menschenwürde, des Menschenrechtsdenkens. Und sie wird auch nicht bis in alle Ewigkeit so praktizierbar sein. Also wenn es tatsächlich so Bewegungen gibt, wo wir wahrscheinlich eher von hunderten Millionen Menschen sprechen, die heimatlos werden, dann muss man irgendeine Wohnstätte für die finden, die nicht auf der Insel Lesbos ist oder in irgendeinem provisorischen Lager, sondern da muss die Politik in einem riesigen Maßstab darauf reagieren. Und wie sie das schaffen wird, oder ob sie das schaffen wird, weiß ich freilich auch nicht. Aber das sind die Fragen und das sind eben sehr, sehr viele Fragen, die jetzt gerade so gebündelt auf uns zukommen. Ich glaube aus dem Grund, auch weil wir bestimmte apokalyptische Warnungen der Vergangenheit dann doch nicht ernst genug genommen haben. Also vielleicht wächst ja daraus, dass man sieht, die Menschen haben immer wieder apokalyptisch gedacht, auch so eine gewisse Bequemlichkeit. Und wenn man sich anguckt, der erste Bericht des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums, Anfang 1972 erschienen, da war ich gerade drei, vier Monate alt. Das ist jetzt schon eine lange Zeit her. Der hat ja offensichtlich sehr, sehr wenig bewirkt. Eigentlich könnte man sagen, gar nichts. Das heißt, die Fakten sind da, die apokalyptischen Warnungen, die ja vom Club of Rome eigentlich noch vergleichsweise wissenschaftlich fundiert und nüchtern formuliert wurden, die werden bequem weggeschoben und ignoriert. Und das kann man sich eigentlich schon lange nicht mehr leisten. Abschließend noch eine ebenfalls sehr große Frage. Sie haben in Ihren Ausführungen zuvor, wenn ich Sie richtig verstanden habe, darauf hingewiesen, dass wahrscheinlich Utopien oder auch Dystopien, so wie wir es aus der Geschichte kennen, wahrscheinlich nicht mehr diese großen Orientierungspunkte bieten werden. Deshalb haben Sie plädiert für ein neues Denken, das Sie bezeichnet haben als die Infantopie, also ein Plädoyer für infantopisches Denken. Das bewegt natürlich jede Menge Neugierde. Was genau verstehen Sie denn darunter? Ja, ich habe das tatsächlich heute Nachmittag hier in Dürnstein zum ersten Mal versucht, so provisorisch zu formulieren, was ich darunter verstehe. Ich habe tatsächlich in Vorbereitung auf den heutigen Tag überlegt, was könnte es eigentlich für eine Lösung geben? Also wenn ich einen wirklichen Lösungsvorschlag hätte, dann wären wir alle gerettet, dann wären wir nicht hier. Dann wären wir alle gerettet, dann wären wir nicht hier. Aber wir merken ja alle, was der Philosoph Lyotard einmal als die wirklich brauchbar erwiesen. Auch die Dystopien, gut, die kann man immer malen, also sozusagen Apokalypse-Vorstellungen und das wird alles in Wach untergehen. Da braucht man eigentlich auch keine große Vorstellungskraft davor, dass das wahrscheinlich eh passieren. Und deswegen habe ich versucht, eben zwischen diesen Polen Utopie und Dystopie, also dem positiven und dem negativen Zukunftsszenario, diese Infantopie, wie ich sie genannt habe, zu etablieren, die sich natürlich an dem lateinischen Wort Infanz, das Kind, orientiert und die eben so eine Art wildes, irrationales, irres, auch wütendes, ungeduldiges Denken umreißt, wie man es sicherlich auch findet, eben heute von den Protagonistinnen, das ist ja vor allem der Fridays for Future-Bewegung, eben Frauen wie Greta Thunberg, die eben auch mal wirklich sauer sind und sagen, how dare you, das entgegenschleudern den Erwachsenen vor den Vereinten Nationen, also eine Sache, die glaube ich vor 20 Jahren noch undenkbar gewesen wäre und wo unsere Großeltern noch mal mit dem Schuh auf den Tisch gehauen hätten oder mit Schlimmeres. Diese Ungehaltenheit, die ja sehr schnell belächelt wird oder abgetan als das Verhalten eines eben irgendwie schon rhetorisch begabten, aber autistischen Mädchens. Ich glaube schon, dass da eben so ein infantopisches Potenzial drin steckt, dass man eben sagt, dass rationale Denken, so sehr es auch seine Berechtigung hat, also ich will jetzt ja nicht für komplette Irrationalität plädieren, aber das hat ja offensichtlich seine Grenzen. Also sozusagen die Scientists for Future, Tausende, Zehntausende von Wissenschaftlern können sich noch so oft zusammentun und Berichte vorlegen und sagen, okay, das sind die Fakten, wir müssen jetzt handeln. Und man merkt, dann steigen die USA aus dem Klimaabkommen aus. Das passiert auch in Deutschland viel zu wenig. Die Bundesregierung weiß jetzt schon, sie werden ihre Ziele für 2030 nicht erreichen. Also die Ratio, an die wir Menschen ja so gerne glauben, vor allem in Mitteleuropa, die hat sich ja nicht so richtig erfolgsversprechend erwiesen. Und ich glaube dann tatsächlich, so ein wildes, ungehaltenes, idealistisches, irrationales Denken, wie ich es versuche, mit diesem Begriff der Infantopie zu fassen, das kann auch sehr, sehr heilsam und wichtig sein, dass man sagt, gut, es gibt immer sehr viele Sachzwänge und politische Zwänge, natürlich, es gibt ökonomische Zwänge, das kann man schaut in einen Tunnel, der sehr, sehr finster ist und wo eben überhaupt wenig Perspektive da ist. auch wir Erwachsene uns mal anstecken lassen müssten und die wir ernst nehmen müssen, die wir nicht nur abtun können als, das ist jetzt eben so ein infantiles, kindliches Gebrabbel, aber geht erst mal zur Schule, macht euer Abi, studiert zwölf Semester und redet dann vielleicht mit, sondern dass wir uns zu eigen machen müssten und das wäre nach meinem Dafürhalten die Infantopie. Herr Hartmann, Österreich zählt zu den reichsten Ländern der Welt. Dennoch haben wir hier im Lande 1,2 Millionen Menschen, die in Armut leben und an der Armutsgrenze davon ungefähr 450.000 Kinder. Warum ist Ihrer Meinung nach Armut noch immer so ein dringendes Thema, auch in reichen Staaten in Europa? Weil wir in den letzten Jahrzehnten in praktisch allen entwickelnden Industrieländern eine Politik verfolgt haben, seitens der Parteien wie auch der wirtschaftlich einflussreichen Kreise, die zur Verschärfung der Situation geführt haben. Also das, was man unter dem Stichwort neoliberal zusammenfassen kann, hat ja dazu geführt, dass wir eine Zunahme an sehr schlecht bezahlten Tätigkeiten haben. Also der berühmte Niedriglohnsektor, der in Österreich nicht so groß ist wie in Deutschland. In Deutschland ist es inzwischen fast ein Viertel, aber auch in Österreich gewachsen ist. in Deutschland ist es inzwischen fast ein Viertel, aber auch in Österreich gewachsen ist. Wir haben eine erhebliche Spreizung bei den Einkommen erlebt. Wir haben eine Ausdünnung öffentlicher Infrastruktur und man kann immer sagen, öffentliche Infrastruktur ist immer wichtig für die ärmeren Teile der Bevölkerung. Die Reichen können das auch privat bezahlen. Und wenn man das alles zusammennimmt, diese verschiedenen Entwicklungen, so bedeutet es, es verfestigt sich am unteren Ende ein Sockel von, in Deutschland sind das ungefähr 16, in Österreich wird die Größenordnung etwas kleiner sein, ein Prozent der Bevölkerung, der dauerhaft in Armut verharrt. Und die geben diese Armut weiter. Das ist ein Prozess von Generation zu Generation, weil weitergegeben wird, nicht nur materielle Armut, sondern auch eine Ferne zu den Bildungsinstitutionen, eine Hoffnungslosigkeit und ein Habitus, also der Art, wie man denkt, wie man lebt, wie man sich verhält, der konzentriert ist, darauf zu überleben in dieser Gesellschaft und keine Perspektive darüber hinaus mehr sieht. Das ist das Schlimmste aus meiner Sicht, dass die Hoffnung, dass es besser wird, also ich bin nun ein älterer Jahrgang und in den 60er und 70er Jahren gab es nicht nur objektiv, sondern auch in den Köpfen der Menschen das Gefühl, es wird immer besser und für unsere Kinder wird es sowieso besser als für uns. Und das Gefühl und die Hoffnung ist verloren gegangen. Jetzt sollte ja eigentlich Armut ein alarmierendes Thema sein. Dennoch hat man den Eindruck, dass Mehrheiten sich sehr ruhig dazu verhalten. Es ist nicht das Thema, das eigentlich diese große Aufmerksamkeit verdient. Wie ist es Ihrer Meinung nach zu erklären, dass wir uns in der Gesellschaft doch weitgehend sehr teilnahmslos dazu verhalten? Also was mir auffällt, es wird überall beklagt, vor allem, dass es arme Kinder gibt. Also wenn ich in Wirtschaftskreisen Vorträge halte, es gibt kaum jemanden, der das nicht schrecklich findet. Reisen, Vorträge, alte, es gibt kaum jemanden, der das nicht schrecklich findet. Aber wenn es um die Konsequenzen geht und da geht es letztendlich immer um Geld, dann hört das auf. Diejenigen, die direkt betroffen sind, die Armen, haben keine Stimme, weil sie im politischen Alltagsgeschäft praktisch nicht vorkommen. Also diejenigen, die sich wehren, es ist völlig egal, wenn ich jetzt die Landwirtschaft nehme, dann fahren die Bauern halt mit tausenden von Traktoren nach Berlin. Oder wenn ich die Kohleindustrie, oder was man auch immer nimmt, wenn jemand sich wehrt, wird er wahrgenommen. Wenn jemand versucht, politischen Druck zu machen, ist das noch deutlicher der Fall. Und wenn jemand versucht, politischen Druck zu machen, ist das noch deutlicher der Fall. Diejenigen, die in Armut fahren, beschäftigen sich im Wesentlichen damit, ihren Alltag irgendwie über die zwischen 40, 50 Prozent in den armen Vierteln und 80 bis 90 Prozent in den wohlhabenden Vierteln und in den wirklichen Brennpunkten zum Teil bei 25 Prozent. Nein, ist außerordentlich niedrig. Auch öffentliche, also wie Demonstrationen und egal, was man als politische Aktivität fasst, all das findet kaum statt, weil diese Menschen das Gefühl haben, es nützt ihnen sowieso nichts und sie haben schlicht und einfach oft auch nicht die Zeit. Und dass die politischen Parteien dann wenig reagieren, ist nachvollziehbar, weil das ist aus ihrer Sicht ein Teil der Bevölkerung, der eigentlich keine Rolle spielt. Und dann kann man das öffentlich zwar beklagen, aber wenn man dann vor der Alternative steht, eine politische Entscheidung zugunsten der Armen zu treffen, die aber ansonsten keine wirkliche Rolle spielen, man muss dabei aber gegen sehr einflussreiche Kreise vorgehen, weil letztendlich muss ja Geld umverteilt werden. Dann findet bei dieser Alternative meistens die Entscheidung so statt, dass man dann sagt, bevor wir uns mit den Reichen und Mächtigen anlegen, lassen wir lieber die Armen unberücksichtigt. Was tatsächlich sehr wohl mediale Aufmerksamkeit findet, ist die Tatsache, dass die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird. Das bleibt natürlich jetzt in diesem knappen Befund doch etwas ungenau. Wie stellt sich diese Kluft tatsächlich jetzt auch aus der Perspektive Ihrer langjährigen Forschungsarbeiten dazu dar? Die Kluft zwischen Arm und Reich, das zeigen ja viele Untersuchungen für viele Länder, ist in den letzten Jahrzehnten deutlich größer geworden. Also wir haben in Österreich wie in Deutschland vor allem eine enorme Vermögenskonzentration. Also nach den USA gehören die drei deutschsprachigen Länder, Österreich, Deutschland und die Schweiz, zu den Ländern mit der höchsten Vermögenskonzentration unter den entwickelten Industrieländern. Also in Österreich sind die Schätzungen ähnlich wie in Deutschland, dass das oberste Prozent der Bevölkerung einen guten Drittel des Vermögens auf sich vereint, was sich bei den Einkommen dann auch niederschlägt. Die Armutsquoten sind vergleichbar in Österreich, eben wie ich schon gesagt habe, nicht ganz so hoch wie in Deutschland. Das ist eine Entwicklung, die sich stabilisiert, die sich verschärft hat in den letzten zwei, drei Jahrzehnten. Die wird dann medial immer mal wieder, wenn eine neue Studie auftaucht, das gibt es ja regelmäßig, dann gibt es ein paar Artikel darüber. Aber es gibt keine ernsthafte, intensive Diskussion, sondern das ist wie so ein Pflichtprogramm. Das Pflichtprogramm wird abgewickelt, klar, man sieht wieder alles schlimm und jedes fünfte Kind lebt in Armut. Ach, ist das schrecklich. Und dann geht man zur Tagesordnung über, dann kommen andere Fragen und darunter verschwindet das einfach, weil diese Bevölkerungskreise sich nicht wehren können und auch keine Lobby haben. Dieses Ausgeschlossensein, jetzt nochmals konkret, wenn wir in die demokratische Zukunft denken, wenn hier immer mehr Menschen sozusagen ferngehalten werden, sich letztlich auch rund um Wohlstand und Vermögen dann auch Machteliten bilden, in welcher Gesellschaft werden wir dann in 20, 30 Jahren leben? Der Prozess wird sich vermutlich fortsetzen. Also wenn man sich in Deutschland die Erbschaftssteuerregelung anguckt, wird die Vermögenskonzentration, weil große Vermögen praktisch erbschaftssteuerfrei erbt werden können, die Vermögenskonzentration wird zunehmen. Die Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit am unteren Ende der Bevölkerung wird auch zunehmen. Und dann gibt es zwei Szenarien. Das eine Szenario ist, ich sage mal, grob das Merkel-Szenario. Man macht einfach so weiter, so lange wie es geht. Und das zweite Szenario ist eines, was man in vielen Ländern beobachten kann, wo Rechtspopulisten Zulauf bekommen aus unterschiedlichen Kreisen. Aber der Erfolg der Rechtspopulisten, ob das Trump ist, ob das Johnson ist, ob das die AfD ist, ob das die FPÖ ist, der Durchbruch der Rechtspopulisten ist erst gelungen, als sie es geschafft haben, in die Kreise, die ärmeren Bevölkerungskreise einzubrechen, die traditionell Parteien wie die SPÖ, die SPD, die Demokraten in den USA gewählt haben. Und das ist überall in den letzten 20 Jahren gelungen. Und das ist gelungen, weil die Parteien, die traditionell noch am ehesten so etwas wie eine Lobby für die Ärmeren dargestellt haben, Hauptverantwortliche waren für eine Politik, die die Ärmeren immer weiter in die Armut gestoßen hat. Also Clinton mit der Deregulierung der Finanzmärkte in den USA, Schröder mit den Hartz-IV-Gesetzen und so weiter und so fort. Und das hat bei einem Teil dieser Menschen das Gefühl erzeugt, mit denen können wir überhaupt nicht mehr rechnen. Die Enttäuschung ist groß und die meisten sind dann einfach bei der Wahl fern geblieben, was ich schon gesagt habe. Aber ein Teil hat irgendwann dann auch gesagt, wenn die überhaupt nicht auf uns hören, dann wählen wir mal eine Partei, die bei denen unbeliebt ist. Und das waren die Rechtspopulisten. Und die haben ihren Aufschwung in all diesen Ländern dieser Tatsache zu verdanken. Vor wenigen Tagen haben wir hier in Österreich uns vor 50 Jahren erinnert an den Start, den Beginn der sozialdemokratischen Alleinregierung unter SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky, der eine Reform für dieses Land versprochen hat. Ein Teil davon war eine Bildungsreform, die unter anderem auch vorgesehen hat, die Gebühren für den Zugang zu Universitäten zu streichen, in der Hoffnung, dass damit auch ein großer Zulauf ermöglicht wird von Menschen, von Studierenden aus bildungsfernen Schichten. Jetzt, Jahrzehnte später, gibt es Untersuchungen, die nachweisen, dass dieses Ziel sich überhaupt nicht erfüllt hat. Es gibt nach wie vor diese große Lücke, dass Bildungsferne-Schichten kaum den Weg in Richtung Universitäten finden. Inwieweit überrascht Sie das? in den letzten 10, 15 Jahren. Und ich sage, man sieht natürlich schon eine Veränderung. Also wir haben inzwischen heute 50 Prozent eines Jahrgangs, die die Hochschulreife erwerben. In meinem Jahrgang waren wir 10 Prozent. Also da hat sich schon was getan. Und das waren im Wesentlichen die Bildungsreformen der 60er und 70er Jahre. Aber am unteren Ende, das untere Drittel der Bevölkerung hat davon so gut wie gar nicht profitiert. Also es hat die Facharbeiterschaft zum Beispiel, die Kinder von ehemaligen Facharbeitern haben an der Bildungsexpansion zumindest begrenzt teilgenommen, von mittleren Angestellten, aber ungelernte Arbeiter, also Familien oder wirklich arme Familien, Arbeitslose, da ist das dran vorbeigegangen. Und das ist das gravierende Problem. Heutzutage in meiner Generation war in der Bildungsdiskussion erstrangig immer, wie schaffen wir es, Arbeiterkinder an die Unis zu bringen. Heute ist aus meiner Sicht das größte Problem, wie schaffen wir es, dass am unteren Ende nicht ein Drittel komplett abgehängt wird. Das heißt, wenn man damals Volksschule hatte, das waren 80 Prozent. wie schaffen wir es, dass am unteren Ende nicht ein Drittel komplett abgehängt wird. Das heißt, wenn man damals Volksschule hatte, das waren 80 Prozent. Das ging von bis, wenn man heute Hauptschule in Großstädten hat, dann ist man ein Loser, ein Verlierer. Und dagegen vorzugehen, ist unglaublich schwer, sodass man sagen kann, Bildungsreformen haben schon Erfolg gehabt, aber der Erfolg war eben begrenzt. Und jetzt zeigt sich, wo diese Grenze ist und man muss da ansetzen. Und das ist sehr viel schwerer, weil es jetzt um einen Bevölkerungsteil geht, der anders als damals Facharbeiterfamilien, die in Gewerkschaften sehr stark oder auch in der SPD waren, oder auch mittlere Angestelltenbeamtefamilien, weil es jetzt um einen Bevölkerungsteil geht, der praktisch nicht durchsetzungsfähig ist. Damals, das waren durchsetzungsfähige Bevölkerungsteile, die das über die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie auch angestoßen haben, dass solche Bildungsreformen gekommen sind. Abschließend noch eine Frage mit einem Rückblick in das Jahr 1945, als sowohl in Deutschland als auch hier in Österreich man sich zwangsläufig entschlossen hat, auf den Trümmern von Zerstörung, Krieg, Vernichtung jetzt erneut die Demokratie wieder zu errichten. Damals hatte man das erklärte Ziel ausgegeben, dass diese Demokratie für sozialen Frieden zu sorgen hat. Wenn Sie jetzt nochmal das vor die Schablone der aktuellen sozialpolitischen Entwicklungen legen, inwieweit sorgen Sie sich um diesen sozialen Frieden? Ja, das ist überhaupt keine Frage. Also der ist massiv gefährdet und wird immer stärker gefährdet, weil natürlich eine Gesellschaft, bei der Einkommen, Vermögen und so immer weiter auseinanderfallen, wo der Armutsanteil relativ groß ist, wo es einen großen Billiglohnsektor gibt, dass so eine Gesellschaft auch in dem, was man als Gemeinschaft begreift, immer weiter auseinanderreißt und der Teil, den ich charakterisiert habe, also das untere Titel der Gesellschaft, sich im Grunde schon als nicht mehr zugehörig empfindet. Das sorgt dafür, dass so eine Gesellschaft sich nicht mehr mit dem Titel schmücken kann, das ist eine Gesellschaft des sozialen Friedens.