Wie machen wir jetzt weiter? Gespräche mit Menschen, die Zukunft denken. Ein gemeinsames Projekt von movement21 und der Zeitschrift Welt der Frauen. Heute bin ich im Gespräch mit Dr. Matthias Strolz. Hallo, Herr Strolz. Hallo, servus. Wir sprechen ja über die Zukunft und von Winston Churchill soll der Satz stammen, Never waste a serious crisis. Können Sie dem etwas abgewinnen, diesem Satz? Ja, ja, total viel. Ich glaube, dass Krisen zu unserem Leben dazugehören. Die sind geradezu wesenskonstituierend für Menschen und für das Werden insgesamt. Menschen und für das Werden insgesamt. Ohne zwicken wird nichts. Und deswegen, eine große Krise ist so wie ein großer Geburtsakt. Wenn es groß zwickt, dann kommt Großes. Insofern glaube ich, dass große Chancen aufgehen in den nächsten Monaten und Jahren. Zwickt es wirklich schon groß? Da gehen die Einschätzungen ja sehr auseinander. Das ist alles relativ. Im Vergleich zu den letzten Jahren und Jahrzehnten zwickt es ganz mächtig. Ich glaube, wir sind ja auch eine sehr verwöhnte Generation, also wir und die Generation unserer Eltern. Ich glaube, dass die Krise und die Verwerfung zum menschlichen Leben eben ganz normal dazugehört. Ich bin froh, dass wir das anbracht haben, aber es gab kaum Generationen ohne Kriege eigentlich über die letzten Jahrhunderte. Wir hatten wenig Krisen, zum Glück. Ich halte es auch für einen Fortschritt der Menschheit, dass wir zum Beispiel die Kriege auslassen haben, in Europa zumindest, oder sagen wir in den größten Teilen Europas. Es war ja rundherum leider viel kriegerisch los auch. Aber deswegen haben wir irgendwie geglaubt, die Krise hat sich verflüchtigt aus dem menschlichen Leben. Nein, sie gehört dazu. Und wahrscheinlich müssen wir uns auch darauf einstellen, dass halt über die Jahre und Jahrzehnte auch immer wieder uns was einfängt. So wie halt 2008 und 2015 und jetzt 2020. Das ist eher das Normal als die Ausnahme, glaube ich. Wie schätzen Sie das ein? Wir sind jetzt sehr auf diese Corona-Krise, auf diese große Pandemie konzentriert. Konzentrieren wir uns eigentlich auf die richtige Krise? konzentriert. Konzentrieren wir uns eigentlich auf die richtige Krise? Corona ist sehr, es ist sehr schräg finde ich, wie es unsere gesamte Aufmerksamkeitsmaschinerie gefangen hat. Es gibt ja, allein wenn ich die Hauptabendnachrichten mir anschaue, gibt es seit fast einem halben Jahr kein anderes Thema. Es war nur ganz kurz mal durchbrochen, vor ein paar Wochen, dass es nicht die Hauptmeldung des Abends war und jetzt ist es wieder die Hauptmeldung, weil halt das irgendwie seltsame Öffnen und Schließen unserer Nachbarländer begonnen hat, ein kalter Revanchismus, den ich für nicht gut halte, weil es eine Zerrüttung des Miteinanders ist. Ich glaube schon, dass das überdimensioniert ist, dass Corona zu viel Aufmerksamkeit bekommt und damit anderes, Corona zu viel Aufmerksamkeit bekommt und damit anderes, sei es das Thema Klima, sei es aber auch das Thema unseres gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Miteinanders, bekommt zu wenig Aufmerksamkeit. Also wenn man so will, wir sind in einer Art von Schockstarre thematischer Hypnose, aber eigentlich gleichzeitig in einem Akt des Verdrängens nach. Also wir kennen aus der Psychologie, die man auch auf die Soziologie anwenden kann, Modelle der Verlustbewältigung. Und natürlich hat uns Corona viel aus der Hand geschlagen, nämlich unseren normalen Alltag, auch wirtschaftlich unsere normalen Strukturen. Die sind mit der großen Stopp-Taste angehalten oder halt irgendwie auf Pause gesetzt. Aber es ist zum Beispiel die Frage, wie wollen wir diese Milliardenlöcher, die wir in die Budgets reißen, in jedem einzelnen Land, wie wollen wir das eigentlich finanzieren? Das ist eine riesige gesellschaftliche Aushandlungsdebatte. Also wo wollen wir mehr besteuern, wo wollen wir in Zukunft weniger ausgeben? Bei der Bildung, bei den Alten, bei den Jungen, wir so weiter, wie es war. Das wird einfach nicht möglich sein. Das heißt, es steht eine riesige Verteilungsdebatte, ich würde sagen, ein Verteilungskampf bevor. Aber wen zum Beispiel verdrängen wir? Und wir verdrängen auch, also wir sind noch nicht in der Tiefe der Auseinandersetzung, wie wir Gesellschaft neu schöpfen wollen, aus diesem Zerrüttungsakt heraus. Das verdrängen wir. Das ist immer der Stufe 1 dieser Verlustbewältigungsmodelle Verdrängung. Ja, Sie haben in einem Interview, habe ich gelesen, gesagt, die großen Emotionen, die erwarten Sie erst in dieser Krisensituation. Wann werden die kommen und was werden das für Emotionen sein Ihrer Einschätzung nach? Ich glaube, das wird beginnen mit dem Herbst. Also wenn ich uns beobachte und ich nehme mich da munter mit dazu, dann sind wir im Moment im Modus, den Sommer lasse ich mir nicht nehmen. Jetzt gehe ich nochmal Urlaub machen und versuche da irgendwie auch eine Art von Normalität in mein eigenes Leben zu bekommen, weil was im Herbst ist, wissen wir eh nicht. Also wir haben drei Kinder, wir wissen nicht, ob die Schulen wieder gescheit offen sind und es sind schon massive Interventionen ins Familiensystem, wenn natürlich irgendwie gefühlt die Sommerferien Mitte März beginnen. natürlich irgendwie gefühlt die Sommerferien Mitte März beginnen. Es gab irgendwie nur drei Schultage, wo alle drei zwischen März und Juli, alle drei in der Schule waren. Das heißt, du musst so viel umstellen. Hat sich gut getroffen, dass halt auch irgendwie die Aufträge flach lagen. Aber wir können dasselbe Muster nicht mehr anwenden ab September, weil das würde ja bedeuten, ein wirtschaftlicher Lockdown. Das heißt, ab September wird es tatsächlich ernst. Dann reifen auch noch mal viel mehr Unternehmen in Österreich, in Deutschland, in der Schweiz aus der Kurzarbeit raus. Also allein in Österreich nehme ich an, werden es noch mal ein paar hunderttausend angestellte Arbeiter weniger sein in Kurzarbeit. Gleichzeitig wird sich aber auch die Frage stellen, jetzt haben wir diese Überbrückungsinstrumente genutzt, können wir überleben als Unternehmen? Wellen der Masseninsolvenz einsetzen in unseren Ländern und dass die Summe der Arbeitslosen natürlich drastisch ansteigen wird. Ich denke, das wird auf 800.000, 900.000 gehen allein in Österreich. Das werden Millionen sein, die zusätzlich dazukommen in Deutschland. Und dann wird es auch ernst. Dann sind wir auch damit konfrontiert, dass wir das nicht mehr verdrängen können. Dank schönem Wetter und Dank machen wir ein bisschen Sommerurlaub und Sommerstimmung. Sondern dann bekommt die Krise einfach auch für millionenfach, für das ganz konkrete Leben ein neues Gesicht, eine neue Wahrhaftigkeit. Dann muss ich mich auch emotional damit anders konfrontieren als durch Verdrängung. Dann kommt Wut, dann kommt Ärger, dann kommt Aggression und das können wir nicht auslassen. Wir können es nur hoffen, dass wir es kollektiv, gesellschaftlich und individuell möglichst kurz halten können, möglichst kompakt, damit wir dann auch in die Trauer reifen. kurz halten können, möglichst kompakt, damit wir dann auch in die Trauer reifen. Und diese Gefühle sind dann auch die Rutsche in die Integration des Neuen. Also dann erst geht es darum, dann haben wir den Kopf auch frei und das System frei, auch die emotionale Befindlichkeit frei, uns mit einem wachsamen, aufmerksamen Blick zu wenden in unser Leben, in unser Umfeld und zu sagen, ja, aha, jetzt habe ich einiges verloren. Damit habe ich aber auch die Hand frei gewissermaßen. Einige werden unter drastischen Notlagen sein finanziell. Viele werden es aushalten, weil wir ja viel Speck im System haben, individuell wie kollektiv. Und dann kann ich mich widmen den Chancen. Also klar ist, es werden unglaublich viele Chancen geboren werden, weil das ist das Naturgesetz. Es gehen keine Türen zu, ohne dass neue aufgehen. Ab und zu zeitversetzt und eben die Irritation ist die Mutter der Innovation. Irritation heißt zwicken, heißt da ist was am Rütteln und Innovation heißt, es kommt Neues. Und ich würde sagen, die Wucht der Innovation, die Summe an Chancen wird so groß sein, dass ausnahmslos für jede und jeden von uns was dabei sein wird, wenn wir bereit sind, das auch zu sehen, diese Chancen und sie auch zu nutzen. Sie haben sich ja, Sie sind 47 und haben sich ja wie öffentlich bekannt ist schon öfter neu erfunden. Jetzt ist das individuell natürlich auch eine Herausforderung.