Herzlich Willkommen! Ja, freut mich auch. Dass der Rund zustande gekommen ist, weil du auf der Bäume versuchst, dass wir rechts fest sind und so. Das hat nicht so gedauert, bis wir uns getroffen haben. Aber ich bin sehr froh, dass wir jetzt ein bisschen was aus deiner Schweiz entdeckt. Ja, also danke Walter, ich bin verantwortlich dafür, dass das da alles möglich ist. Und habe mir vertraut, dass das halbwegs okay ist, was da drin steht. Der Didi hat leider keine Zeit gehabt, weil der Beton kommt. Aber der ist verantwortlich dafür, dass das Buch in dieser Form existiert. Guttenberg Druckerei, also Didi, Pressenmayr und sein Team haben ja zusammengesetzt und das wirklich schön gestaltet. Weil lange Zeit ist das als Zettelhaufen mit Bleistift geschrieben gewesen. Und ich habe drei Jahre gebraucht, bis es sozusagen strukturiert war, so dass man sie auskennt mit mit diversen Kapiteln. David Gerritschlinger an der Musik. Ich würde sagen, wir fangen an und ich muss schauen, dass meine Hand um... Die werde ich wahrscheinlich vergessen, während die Lesung. Okay. Thank you. Субтитры создавал DimaTorzok Thank you. Schlafstein, meine Güte, was haben Sie angestellt? Frau Hermann sichtete ihre Unterlagen und zog überrascht die Augenbrauen hoch. Sie hatte exakt dieselbe Frisur wie Samuel Beckett, Herr Magister Peter Wenzel. Die Art, wie Sie Herr Magister betonte, sagte eigentlich schon alles. Also wenn Sie das ausgehalten haben, halten Sie alles aus. Ich kam mir schief vor, wie ich da auf dem Sessel saß in Ihrem Büro in Bad Hall. Marie saß hinter mir und passte auf, dass ich keinen Blödsinn redete. Es war in der Nähe, sagte ich und zog sie mit den Schultern. Aber Sie sind doch Lehrer. Wie um alles in der Welt sind Sie in diese Situation geraten. Fragen Sie die Bildungsdirektion. Wir haben hier Leute, die kaum über eine Schulbildung verfügen. Das alles wird Ihnen wahnsinnig basal vorkommen. Abwarten, nur mit euch. Und der Lehrermangel, es gibt doch überall einen Lehrermangel. Das verstehe ich nicht. Ich verstehe es auch nicht. Niemand versteht das. Aber wissen Sie was? Fragen Sie doch einfach Herrn Blöschberger von der Personalvertretung. Seit zwei Jahren sagt er zu mir, online bewerben und abwarten. Nichts passierte, bis mir das AMS vorschlug, in die Altenbetreuung zu gehen. Also hier bin ich nun. Frau Mag. Herrmann war selbst stolz auf ihren akademischen Titel und es war ihr anzusehen, dass es ihr leid tat. Also ging sie zu Plan B über... Ist das... gehört das zu? Also ging sie zu Plan B über der routinierten Vorstellung der Stiftungsidee, der Unterstützung der anschließenden Übernahme des Stammheims. Was machen wir mit all den Flüchtlingen, Arbeitslosen und Lehrern in der Warteschleife? Wir stecken sie in die Pflege. Gute Idee. FSBA, Fachsozialbetreuer, Altenarbeit. Das klär mir nicht schlecht. Behindertenarbeit wollte ich nicht, denn mir graute vor einer neuerlichen Perspektivlosigkeit. Ganz sicher gab es in Gallen und Kirchen mehr Behindertenbetreuer als Behinderte, sagte ich mir, und dann steckte ich in demselben Dilemma wie als Zeichenlehrer in Oberösterreich. Was ich brauche, sagte ich, um die Stimmung ein wenig zu lockern, ist ein todsicherer Job. Wachte, Frau Herrmann, da sind Sie bei mir an der richtigen Adresse. Sie hatte bereits alle möglichen Unterlagen bereitgelegt. Auf einer dieser Broschüren war eine fesche, alte Dame mit langen, weißen Haaren abgebildet, im Rollstuhl sitzend, lächelnd, geschoben von einem adretten jungen Mann im Pflegegewand. Also irgendetwas in Abstufungen zwischen Weiß und Pastell-Dibelblau. Ich hatte Marie mitgenommen, um das Ganze für einen Ausflug zu nutzen. Sie kannte Bad Hall und mir gefiel die kaiserliche Umgebung sehr. So hockte ich also eingekesselt zwischen Frau Herrmann und einer mich bevormundeten Gattin. Ich brauchte im Grunde gar nichts zu sagen. Es wurde mit Feuereifer über meinen Kopf hinweg entschieden, was ich zu tun und zu lassen hatte. Typisch, dachte ich. Und ausgerechnet batal. Das war eigentlich ein Witz, weil meine Oma dort ins Heim gezogen war und, Nachrichten zufolge, im Sterben lag. Von Sterben konnte allerdings nicht die Rede sein. In einem Aufzug, wie die Queen mit fahrtlich auf die Kleidung abgestimmtem Hut, schnappte sie sich ihren Rollator und spazierte damit die 100 Meter hinüber in den Ortskern, wo sie bereits jeder kannte. Und nun hatte eben diese Stiftung, die irgendwie mit dieser Ausbildung in Verbindung stand, dort ihren Sitz. Als wir damals mit der Oma vom Eisessen im Kaiserlichen Blumenpark ins Altersheim Bad Hall zurückkehrten, zog ich instinktiv den Kopf ein und hielt mir die Nase zu. Irgendwo am Ende des Ganges wischte jemand den Boden, vereinzelte Sonnenstrahlen spielten sich in den feuchten Schlieren. Ich kannte den Geruch nicht, aber es musste sich um Ausscheidungen handeln. Allenthalben hobte jemand im Rollstuhl in einer Ecke, erkrankt oder verwirrt oder beides. Das konnte man nicht so genau erkennen, was man allerdings schon erkennen konnte, leider mühelos. Dafür brauchte man keine besondere Ausbildung. Ausbildung war die Tatsache, dass es sich hier um keinen Terminal handelte. Keine Zwischen- oder Mittelstation, sondern um die Endstation. Es war ein Wartebereich, simpel ausgedrückt. Und worauf diese Leute warteten, war jedem klar. Diesen Eindruck festzuhalten ist wichtig, denn es war der erste und richtige. Wenn Sie bitte hier unterschreiben, Herr Magister Wenzel. Ich beugte mich nach vor. Hier? Ja, hier. Frau Herrmann drehte das Blatt einmal im Kreis. Und hier? Bitte. Okay, und hier nochmal. Ich sah hinüber zu Marie. Sie zuckte mit den Schultern. Ich unterschrieb ein drittes Mal. Das ist der Kurs. Thank you. Terima kasih telah menonton! Terima kasih telah menonton Thank you. Der Sommer ging dem Ende zu und es war an der Zeit, sich eine Praktikumsstelle zu suchen. In der Schule hatten wir zu meiner Freude Wörter wie Proximal und Distal gelernt, Superior und Inferior. Ein Wort, das mich unweigerlich an Dante erinnerte. Besonders an diese eine Illustration, in der die Figur kopfüber in die Hölle hinabfährt. Aber stimmt gar nicht. Ich habe nachgesehen, es ist Lucifer selbst. Und Vergil und Dante steigen aus der Wundwelt empor. Wie auch immer, ich muss verrückt gewesen sein, als ich in diesem Altersheim anrief und allen Ernstes meinte, ich wolle dort anfangen. Heute bin ich DSBA und Samantha Sommer ist tot. Aber schalten wir an den Anfang zurück. Es war das Heim, in dem Alex seinen Zivildienst gemacht hatte und was ihn überhaupt dazu bewogen hatte, auch diese Ausbildung zu machen. Ich vertraute darauf, dass Alex halbwegs normal denken konnte und dachte mir nichts weiter dabei. Besonders schwierig schien es auch nicht zu sein, eine Stelle zu bekommen. Ich wurde sozusagen mit offenen Armen empfangen. Corona war damals in einer Art On-Off-Modus, soweit ich mich erinnere, aber das sollte schlimmer werden. Samantha Sommer fragte ich. So heißt doch niemand. Sie hatte mich vor der Herrenumkleidekabine abgeholt, eigentlich ungewöhnlich. Denn dafür war sie sage und schreibe drei Stoppwerke mit dem Lift in den Keller gefahren und bis zum Herrenumkleideraum zurückgelaufen, um mich abzupassen. Den Namen habe ich mir selber ausgesucht. In Wirklichkeit heiße ich Mirella Popa, aber damit kommst du in Österreich nicht weit. Das klingt genauso merkwürdig, sagte ich. Aber echt, man kann sich einen Namen aussuchen. Willst du hier Wurzeln schlagen? Nein. Wieso? Diesen Moment einzuführen ist ebenso wichtig, denn es war der letzte einer unverzerrten Wahrnehmung, bevor sie sagen konnte, hör zu, du kleines Stück Scheiße, ich reiß dir ein Loch in den Arsch von der Größe eines Fußballfeldes, wenn du nicht auf das Stell. Hier, genau hier hat es begonnen. Nun stelle ich mir natürlich die Frage, was begonnen hat. Es wäre zu einfach, es als Satire auf die Pflege zu sehen. Es musste schon ein besonders übles Gleichnis von biblischem Ausmaß sein, eine Parabel auf die menschliche Existenz zumindest oder auf die Absurdität der menschlichen Existenz. Denn das wirklich Schlimme ist ja, dass sich im Grunde nichts darüber erzählen lässt. Fragen Sie doch mal darum. Jeder glaubt zu wissen, wie das geht, das mit der alten Arbeit. So ungefähr wenigstens nahe am Menschen und so weiter. Am Ende war es ein regelrechter Wettbewerb, wer die Leute schneller niederlegt oder aus den Betten zerrt oder unter die Dusche schiebt, damit wir uns Prosecco, Schokokeksen und Tüll und Tränen widmen konnten. Es war das Kabarett des Kabarits und wie gesagt, irgendein Aspekt daran musste eine Bedeutung haben oder zumindest lehrreich sein, aber ich fürchte, selbst das war es nicht. Ich sah Samantha von der Seite her an. Sie hatte ihr Handy dabei und tippte irgendwas hinein. Den blitzblauen Lidstrich hielt ich herkunftsbedingt. Ist irgendwas? Nein, nein, ich versuche mich nur zu orientieren. Aus irgendeinem Grund musste ich daran denken, als ich mit elf Jahren im Fahrstuhl des World Trade Center in New York stand und auf dieser Digitalanzeige über mir sah, wie die Zahlen in die Höhe rasten. 35, 36, 37, 38. 36, 37, 38. Samantha packte Augenblick, ich ihr Handy weg. Wir sind da. Zur rechten Seite ging irgendwie wie von selbst eine Tür eines Zimmers zu. Ich sah gerade noch die Rückseite eines Rollstuhls. Es handelte sich um einen typischen Bau der 90er Jahre. Sowas wie Pflegeinseln waren damals noch unvorstellbar. Die linke Seite ist deine Seite. Offenbar glaubte sie, ich sei mit einem derartigen Szenario vertraut. Jetzt bist du hier, dachte ich und sah mich ängstlich um. Ich war noch nie im Inneren eines alten Heims gewesen. Nicht als Besucher, sondern tatsächlich drinnen. Das kriegte sie natürlich sofort mit und habe ich so an wie jamie fox tom cruise in collateral an sie nur waren die rollen vertauscht wir hatten hier weil wir nach den ersten fünf stunden während davon gelaufen bist du so eine ganz genau dass ich beantworte die Frage. Keine Ahnung, sagte ich, andere Leute haben das auch schon geschafft, also wird es zu schaffen sein, oder? Nach diesem Satz rauschte sie unvermittelt ab. Habe ich was Falsches gesagt, dachte ich weiter und bemerkte eine andere Person auf mich zukommen. Romina, zu ihr fällt mir eigentlich kein Vergleich ein, auch kein falsches Bild. Zu ihr fällt mir eigentlich kein Vergleich ein, auch kein falsches Bild. Sie war eine Altenpflegerin der Alten Schule, effizient, hart, schnell, unsentimental. Zwischen ihr und mir lagen Welten, das war mir klar, aber das Cementa, mich am ersten Tag ausgerechnet Romina auslieferte, ist im Nachhinein gesehen ein übler Scherz der Extraklasse. Es gab nämlich schon zu diesem Zeitpunkt massive interne Differenzen, die hauptsächlich mit Zementer und Romina zusammenhingen, aber davon konnte ich nichts wissen. Nun, machen wir es kurz und bündig, gewissermaßen schmerzlos. Und abermals diese ersten Eindrücke so festzuhalten, wie sie waren, nämlich grauslich und brutal, ist von entscheidender Wichtigkeit. Denn irgendwann, vielleicht nach drei oder vier Jahren, bei mir waren es nur zwei, bist du so abgestumpft, dass du nur noch tust, was du tun musst und alles, woran du denkst, sind die nächsten Schokokekse und ein größerer Fernseher. Und ganz im Ernst, Frau Kästner tut mir jetzt noch leid, als wir sie wachrüttelten mit den Worten, Tagwache, Schatzi. Sie wusste weder, wo sie war, noch wer sie war, noch was das Ganze sollte. Außerdem hatte sie panische Angst, aus dem Bett zu fallen, was niemand berücksichtigte. Nach dem dritten Tagwache, Schatzi, schwor ich mir, dass die Menschlichkeit siegen musste und dass ich alles dafür tun würde, diesen verlorenen Menschen ein bisschen Geborgenheit zu vermitteln, auch wenn mich Samantha und Romina an den Eiern aufhängen sollten, was sie ohne ihn machten. Jetzt fällt es mir ein. Romina erinnerte mich an die Giftmischerin aus Wonder Woman. Man konnte erkennen, dass sie vor langer Zeit vielleicht sogar hübsch gewesen sein musste, bevor ihre Motive, ihre Ziele, ihr Handeln und schließlich sie selbst in die Dunkelheit abglitten und hässlich geworden waren. Hässlich im Sinne von die Eiskönigin oder so. Also eigentlich gestand hier noch so etwas wie Coolness zu. So etwas wie Härte, Grausamkeit, Stolz. Ratsch war die Hose oben und das Hemd hineingestopft. Eine kurze Drehung und die oder derjenige landete im Rollstuhl und wurde an den Esstisch geschoben. Nicht eingedrängt, denn das war verboten. Zu allem Überdruss gibt es dann auch noch die Arschlöcher, die das kontrollieren, wo sie eher den Rest des Tages verbringen würde, vollgetrönt mit Tabletten und dem in Überlaufstärke aufgetreten Melodie-TV-Sender. Was sollst du so betreten? Das hier ist nicht so wie das, was ihr in der Schule lernt. das hier ist die Wirklichkeit. Ich zog die Augenbrauen hoch. Ach ja, gut zu wissen, dass das die Wirklichkeit ist. Am Ende des Tages hatte ich alle Hände voll zu tun, Frau Bronner und Frau Herminchen niederzulegen. Das war gar nicht so einfach, wie es sich anhört, musste man doch an viele Dinge gleichzeitig denken. Fuck, wo war doch gleich die Einlage? War es die grüne oder die violette? Und welche Seite gehörte vorne, welche hinten? Das klingt eigentlich banal und wahrscheinlich war es das auch. Aber ich war wie gelehnt von Ekel und Selbsthass, dass ich kaum klar denken konnte. Als ich zurückkam, war ich stolz auf mich, weil ich etwas geschafft hatte, was meiner Vorstellung nach nicht zu schaffen war. Ich zog die Handschuhe aus, warf sie ab, nahm vorerst die FFP2-Maske ab und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Das sollte so weit erledigt sein, sagte ich und stand ein bisschen unbewohlfen im Raum herum. Samantha und Romina hockten süffisant auf der Couch. Gerti, neben ihnen, hatte schon ziemliche Schlagseite, aber irgendwer hatte ihr eine dieser bescheuerten Demenzpuppen in die Hand gedrückt, mit der sie im Grunde nichts anzufangen wusste. Samantha tat unterdessen so, als wäre ich aus dem Nichts aufgetaucht. Sie taxierte mich, als wäre ich ein Witz. Was ist denn mit Gerti, fragte ich. Sie sieht schon ziemlich fertig aus. Samantha ließ einen übertriebenen Seufzer haben. Peter, sagte sie, du warst jetzt so lange weg, dass ich vergessen habe, dass du überhaupt da bist. Jetzt krieg dich mal wieder ein, Samantha, sagte ich. Für meine Verhältnisse bin ich eigentlich ziemlich effizient gewesen. Außerdem gab es da ein Problem. Und, fragte sich ihr langweilig, hast du es hingekriegt? Frau Schatzlberger hat gefragt, wann zum Geier sie in diesem Laden einmal etwas zu essen kriegt, obwohl wir sie vor einer Dreiviertelstunde mit Wurstsalat vollgestopft haben. Außerdem ist, als ich sie im Bad ausgezogen habe, alles losgegangen, was losgehen kann. Und ganz ehrlich, Frau Bronner, wie viel wiegt die? 120 Kilo? Ich habe sie im Bett bei Gott nicht nach oben gebracht. Als ich auf die Idee kam, sie an den Beinen, unterm Arsch, gewaltsam nach oben zu drücken, hat sie geschrien. Sementa verdrehte bloß die Augen. Nein, das ist ja nun wirklich nichts Neues. Dann ließ sie ein paar Sekunden verstreichen und ich konnte erkennen, dass sie irgendetwas ausweckte. Du bist es nicht, sagte sie schließlich unvermittelt. Sie hatte mehr Recht, als irgendjemand zuvor Recht gehabt hatte. Dafür hatte Samantha keines Fünfsekunden gebraucht. Ich wusste es und sie wusste es, dass es allerdings so deutlich war, hatte ich nicht erwartet. Trotzdem, ich mochte es, dass sie mich mit harten Bandagen in den Seilen hatte. Hier war alles so extrem, dass es nach extremen Worten verlangte. Ich sehe dich, sagte sie, wie du hier stehst, wie du da reinschaust, was du hier machst, wie du versuchst, das zu machen, was man hier machen muss. Und ich sage dir, du bist es nicht. Ich kann mich erinnern, dass ich in dem Augenblick, in dem ich schon längst die Notbremse hätte ziehen müssen, eine Art Opfer-Abu-Gz entwickelte, so in der Art, hör mal zu, du kleines rumänisches Juder, ich kann nichts dafür, dass deine Söhne deinen Alpha in der Nacht geklaut haben und dein Stecher eine andere Vögel und du deine beschissenen Riesenpalmen auf Wilhaben verkaufen und infolge in diesem protesten Todestempel hier Gott spielen musst. Und als hätte ich laut gesprochen, als hätte ich gesagt, was glaubst du eigentlich, wer du bist, so mit mir reden zu können? Ich bin Magister der Künste, Professor der Ästhetik. Verdammt! Ich habe eine Diplomarbeit über Jean-Luc Godard geschrieben, meinte sie prompt darauf. Du kannst denken, was du willst, aber ich sehe dich und du bist es nicht. Kannst du mal was anderes sagen? Ja. Ich versuche lediglich, ihr mitzuhelfen. Romina und Samantha befielen sich in ihrer Überlegenheit, einer relativen Überlegenheit. Ich hatte schon viele Praktikanten, sagte Samantha darauf, aber du bist der Schlechteste. Eine endlose Reihe von unfähigen Versagern und in dieser Reihe stehst du ganz hinten. Danke, Samantha, wirklich schnächelhaft. Nein, hör zu, diese Scheiße hier kann jeder. Du kannst mehr? Also warum bist du hier? Ich, ich, weißt es nicht. Du weißt es nicht. Ihr den ganzen Lehrer-Bildungs-Direktions-Schlamassel zu erörtern, Weißt es nicht. Du weißt es nicht. Ihr den ganzen Lehrer-Bildungs-Direktions-Schlamassel zu erörtern, hielt ich in dem Moment für nicht gerade zweckdienlich. Um nicht zu sagen, überflüssig, sie würde es mit irgendeinem Ausreden geserre halten, das wusste ich, ich konnte es beinahe hören. Du wählst den ganzen Tag nur Scherze, weißt du das? Und jetzt bist du hier und heulst wie eine Pussy. Du brauchst mir nichts erzählen, ich verstehe den Quatsch, dies und das geht nicht und die Mächte der Finsternis von sonst wo, es klingt trotzdem wie Scheiße. Samantha, ich hab dir doch erklärt, dass ich... Dass du was? Was? Dass ich keine Perspektive mehr hatte. Perspektive? Ja, du weißt schon, eine Art Aussicht. Sie sah mich an, als wollte sie mich umbringen. Du, du hast nicht den glattesten Schimmer davon, wie es ist, keine Perspektive zu haben. Aber egal, egal. Du hast mich verstanden. Ähm, ja, naja, und? Was machen wir jetzt? Sie vertrete die Augen. Nächstes Mal bist du zehn Minuten schneller. Und ich sage dir, du bringst es nicht, wenn du nicht zehn Minuten schneller bist. Thank you. Thank you. Am nächsten Tag haupten wir nach dem Mittagessen im Schwesternstützpunkt. Zeig mir ein Foto von deiner Frau. Ähm, ich muss nachschauen. Ich weiß nicht, ob ich eins finde. Dann schau nach. Okay, das hier ist gar nicht so schlecht. Zeig her. Hier. Das ist sie? Ja. Sie zögerte. Was ist? Warum ist deine Frau hübsch? Ja, keine Ahnung. Soll sie vielleicht hässlich auch noch sein? Sie zögerte. Ich konnte regelrecht zusehen, wie der Zorn in ihr hochstieg. Weißt du was, du Glutscheißer? Heute machst du Gerti alleine. Gerti allein? Ja, der Herr mit der hübschen Lady. Gerti ist ziemlich eigensinnig momentan. Dann wirst du einen Weg finden müssen, wie du sie vom Rollstuhl ins Bett kriegst. Ins Bett kriegen, wiederholte ich, klingt irgendwie schräg. Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast doch Kinder, oder? Du hast dochirst du doch von deiner Frau kennen, oder? Was kennen? Samantha kratzte sich im Kopf. Du hast doch Kinder, oder? Ja, aber ich wüsste nicht, was das mit irgendwas zu tun hat. Und du weißt, wie Kinder entstehen, oder? Du wirst doch nicht glauben. Samantha klackerte mit den Nails direkt neben dem Dispenser auf dem Tisch herum. Ich habe Sekt und Erdbeersaft eingegült. Dann könnten wir ein bisschen kuschen. Sekt und Erdbeersaft. Ja, mit ein bisschen Sekt und Erdbeersaft geht alles wie von selbst. Samantha, ich habe jetzt genug von deinem Spott. Außerdem würde ich lieber mit einem Höhentroll kuscheln, oder? Sekt und Erdbeersaft? Nein. Danke. Du Pussy, hier ist es nach 17 Uhr richtig langweilig. Und ich sage es auch deiner Frau nicht. Na, ich saß ja.Weißt du was? Passt.« »Ehe.« Ich deutete den druckigen Gang entlang. »Da drüben ist die Herntoilette. Da lege ich dich über den Spülkasten und los geht's, dass die Wände wackeln.« Ihre Augen leuchteten auf. »Ha, ha, ha. Du Angeber.« »Nein, wirklich. Pas passt, muss ja nicht jeder wissen. Sie überlegte kurz, was kriege ich dafür? Wie, was kriegst du dafür? Das ist die Aktion. Wenn alles glatt läuft, haben beide etwas davon. Eine Palme. Was? Ich sage es nicht deiner Frau und kriege alle Palme dafür. Weißt du, ich sammle Palmen, das ist ein bisschen peinlich, aber ich habe diese Palmen von meinem Ex-Mann. Aber wenn ich den sehe, bekomme ich Augentkrebs. Palmen sind sau teuer, sagte ich. Außerdem weiß ich nicht, wie ich das mit meinem Auto hinbringen soll. Sie klackerte mit den Nails. Das muss es dir wert sein. Ich überlegte, ist das dann nicht ein belastetes Dienstverhältnis? Sie pfefferte eine Schachtel Tabletten in die Ecke des Tisches und tippte irgendwas in den Computer. Darauf sah sie mich an und brach ein schallendes Gelächter aus. Ha ha ha, dich zu verarschen, macht nicht mal Spaß, weil du so eine Pussy bist. Tut mir leid, aber ich kenne mich nicht mehr aus. Halt die Klappe und schau her. Was denn? Das ist ein Foto von meinem Schlafzimmer. Bitte nicht wieder. Sie schüttelte nur gelangweil den Kopf. Das ist alles hellblau und pink, sagte sie. Hab nichts anderes erwartet, sagte ich. Du kannst doch zeichnen, oder? Ja, kann ich. Sie öffnete eine andere Seite, Dekomotive der Marke Kuschenrock. Zwei Formen, die ein Herz ergeben. Ein Herz? Ja, es sind Linien, aber wenn du genauer hinsiehst, ist es ein Herz. Das sehe ich. Sie verdrehte die Augen. Kannst du das zeichneniehst, ist es ein Herz. Das sehe ich. Sie verdrehte die Augen. Kannst du das zeichnen oder kannst du es nicht? Ich zuckte mit den Schultern. Klar kann ich das zeichnen. Ich kann sogar die Delphische Sibylle zeichnen. Du Quatsch zu viel. Das Telefon ging los. Das Telefon ging in der Regel alle fünf Minuten los, aber nicht nach 17 Uhr oder gar kurz vor der Dienstübergabe an den Nachtdienst. Es war Heinz vom ersten Stock. Aus irgendeinem Grund hörte ich ihn, als säße er neben mir, dabei kann ich mich nicht erinnern, dass es so etwas wie eine Freisprechanlage gegeben hätte. Ja, ich bin's, Heinz. Samantha sah mich an. Willst du mich verarschen? Ich sehe auf der Anzeige, dass du das bist, Heinz. Naja, stammelte Heinz. Ist dir auch egal. Aber jedenfalls haben wir hier ein Problem. Ich musste an Julie Foster in Illusion denken, als sie in einer ähnlichen Lage war. Ihre kapitale Antwort war, abschießen. Sag es, Samantha, sag es, sag, abschießen, bitte. Was für ein Problem. Ich bin hier fast fertig. Es ist kurz vor 18 Uhr, 11, ich komme in 5 Minuten. Was zum Kehrwerkst du von mir? Es geht um Frau Hofbauer. Sie hat ihre fünfte Hüfte gekriegt und ehrlich gesagt haben wir dieses Mal den Ärzten Quindlings vertraut. Kein Mensch hat sich das angeschaut, sie kam ordnungsgemäß aus dem Krankenhaus zurück ins Heim. Ich glaube, das war so etwas wie ein Alginat-Rundverband, also Standard. Wie gesagt, es gibt hier gröbere Fälle. Wozu hätte irgendjemand... Samantha zerlegte nebenbei einen Kugelschreiber und tippte mit den Fußballen in immer kürzer währenden Intervallen auf den Fußboden. Was ist das Problem, Heinz? Ich habe keine tausend Jahre Zeit. Na also, mir kam das Spannisch vor, meinte Heinz. Außerdem hat Frau Hofbauer über diffuse Schmerzen geklagt. Ich hatte ein bisschen Zeit, also habe ich das aufgemacht und nachgeschaut. Und ehrlich gesagt, die Naht ist vollständig aufgegangen und man sieht rein bis ins Gestänge, um es mal so auszudrücken. An den Rändern ist das eitrig, wenn es nicht schon nekrotisch geworden ist. Samantha legte sofort auf. Mitkommen, sagte sie zu mir. Jetzt schauen wir mal, wie viel du raushältst. Samantha konnte nicht wissen, dass ich selbst ein künstliches Hüftgelenk hatte und leidlich vertraut war mit derartigem, aber ich ließ ihr ihren Spaß. Gehen wir, sagte ich, als sie sichtlich ärgerte. Was wird zu sehen sein? Die hatte, das fing nur der trochante Meier, du Quatsch zu viel. Die Fahrspultür öffnete sich hier entlang. Zugegeben, Heinz war ein bisschen nervös und witzelte hilflos herum. Also das ist jetzt so in der Art kein Pflegefehler gewesen. Das muss ich hier schon einmal festhalten, sagt sie mir einfach, entgegnete Samantha. Wir gingen den Gang entlang, der bereits Abendbeleuchtung hatte, also umso bedrohlicher aussah, und bogen ein in das Zimmer. Frau Hofbauer lag auf der Seite am Stülpe, sie war zugedeckt, immerhin. stöhnte. Sie war zugedeckt, immerhin. Also da sind wir, sagte Heinz pürflüssigerweise. Runter mit der Decke, sagte Samantha. Heinz schlug die Decke zur Seite. Frau Hofbauer machte irgendein undefinierbares Geräusch. Heinz zog die Stoffwindel weg, die er aus Mangel an einer besseren Idee darauf ausgebreitet hatte. Alle wachten sich sofort insintiv ab. Tja, bin ich. darauf ausgebreitet hatte, alle wagten sich sofort insintiv ab. Ah, ich bin krank. Samantha sah mich prüfend an. Wieso fliegst du nicht in Ommacht? Ähm, ich habe sowas schon mal gesehen. Das machte sie wahnsinnig wütend. Ach so, ich habe sowas schon tausendmal gesehen. Gut, dass wir sie im Hinterhaben, sagte Heinz. Sie ist die Einzige, die sich in diesem Laden hier auskennt. Sieht so aus, als ob die Naht einfach aufgegangen wäre. Das ist ungewöhnlich. Alter, da sieht man ja rein bis ins Gestänge. Was ist das? Das ist der Knochen. Was haben Sie bloß in diesem Krankenhaus mit ihr gemacht? Das ist so kein Trägefehler gewesen, rief Heinz. Halt die Klappe, Heinz. Gib mir eine Schere. Bitte, sollte ich jemals unzurechnungsfähig werden, bringt mich einfach woanders hin. Thank you. I am the light of the world. Thank you. Amin. Lama I'm a little lady, you're going to yourself. You're the better trader, but she didn't do it to herself. Here's the annihilator, but she didn't do it to herself. Here's the violator, but she didn't do it to herself. The The The The The The The The The The The The The The The Thank you. 320 Stunden sind eine Ewigkeit. Aber irgendwann war auch das vorbei. Und ich kann mich erinnern, dass an diesem Tag die Sonne schien. Samantha wirkte besonders gelangweilt und füllte mit formvoll endeter Verachtung den Beurteilungsbogen aus. Sie gab mir in allen Punkten die Bestnote. aus. Sie gab mir in allen Punkten die Bestnote. Diese Scheiße hier, Peter, sagte sie, ist bedeutungslos. Das ist Papier. Was allerdings nicht bedeutungslos ist, ist, dass du das nicht bist. Was soll ich sagen? Ich bekomme morgen einen neuen Praktikanten und am Ende des ersten Tages werde ich mich vor ihn hinpflanzen und sagen, dass er von allen Praktikanten, die ich jemals hatte, der schlechteste ist. Verstehst du? So läuft das Spiel. Aber du, du bist hier falsch. Nichts war jemals so deutlich in diesem Laden. Ich habe dein Herz gezeichnet. Was? Dieses Herz, du weißt schon, dass es eigentlich eine Negativform ist. Was sagst du da? Das Herz. Hast du es da? Ja. Zeig ihr! Ich hatte eine Mappe mit, in der auch noch ein paar andere Zeichnungen waren. Sie flederte das ganze Zeug auseinander, bis sie es gefunden hatte. Es ist wunderschön. Es war nicht besonders schwer gewesen, trotzdem war ich irgendwie stolz darauf. Samantha versuchte, ihre Begeisterung zu verbergen und wirkte irgendwie verlegen, was überhaupt nicht zu ihr passte, aber eigentlich passte es ziemlich gut. Was kriegst du dafür? Ich sah mich noch einmal um, so wie man sich auf einem Kriegsschauplatz noch einmal umsieht. Nichts, sagte ich, es gehört dir. nichts, sagte ich, es gehört dir. Viertes Kapitel, Schloss Stein. Es war klar, dass ich irgendwann Rosamunde anrufen müsste. Ich musste ihr sagen, dass ich fertig war und quasi verfügbar. Das gefiel mir eigentlich nicht, denn das hieß, ich musste nach Schloss Stein zurück. Ja, Peter! Hallo, Rosamunde. Wir dachten, du wärst tot. Nein, so schlimm ist es auch nicht. Du hast dich fünf Monate lang nicht gemeldet, das finde ich nicht so geil. Wie geht's den Leuten? Ist jemand gestorben? Ja, Frau L. Aber nicht an Corona. Wir anders haben wir einmal eine klassische Palliativ-Situation. Ach du Scheiße. Und du, im Heim? Da soll es ja ziemlich zugegangen sein. Ja, ist es auch. Da ist jeden dritten Tag wer gestorben, und zwar an Corona. Was sagen die über uns? Du meinst über Schloss Stein? Ja, das würde mich interessieren. Naja, also, wir hatten da einen, der hat seine Frau im Vollrausch vom Balkon geschmissen. Dann hat er ihm heim alles aus dem Fenster geworfen und das Mobiliar zerlegt. Über den haben sie gesagt, der gehört eigentlich nach Schloss Stein. Na toll. Er ist dann ziemlich schnell hinüber gewesen, weil sie ihm ein Substitut verabreicht haben. Muss relativ stark gewesen sein. Okay, Peter. Ich sitze gerade beim Dienstplan. Also wann hast du Zeit? Ich kannte Rosa Munder, wenn sie beim Dienstplan hockte. Das war ihr wichtiger als alles andere. Morgen, sagte ich. Löbliche Einstellung. Na dann bis morgen, ja, bis morgen. Und so ging der Irrsinn weiter. Schorstein war ja im Grunde kein Praktikum, wie alle anderen Praktiker, sondern mein Stammheim, also verbrachte ich dort mehr als zwei Jahre. In der Zwischenzeit schrieb ich die Leute von der Wiener Straße und bei der Lesung verwies ich auf das Autorenfoto unter dem Stand »Arbeitet als Pfleger in der Psychiatrie«. Dafür, sagte ich, dafür habe ich das gemacht. Verstanden hat das niemand. Zumindest kam es mir so vor. Keiner der Anwesenden hatte auch nur die geringste Vorstellung von einer psychiatrischen Pflegeanstalt. Ich mit eingeschlossen, das allerdings sollte sich ändern. Auf unserer Station, klassische Psychiatrie, so Rosamunde war es hauptsächlich Fridolin, der uns auf Trab hielt. Fridolin Seemeier Junior, um genau zu sein, ja. Fridolin, die Rampensau. Fridolin mit Weglauftendenzen, wie es in seinem Akt stand. Eine schöne Formulierung für den Wahnsinn, der sich dort jeden Tag abspielte. Fridolin, der Goldmedaillengewinner. Zumindest glaubte er das selbst. Fridolin, der Goldmedaillengewinner, zumindest glaubte er das selbst. Im Grunde musste man nur den Speicheltropfen auf dem Fliesenboden folgen, um ihn zu finden. Meistens versteckte er sich irgendwo in der Nähe, manchmal aber auch nicht, und dann mussten wir schnell sein. Die Sache mit der Unterwäsche im Winter war vor meiner Zeit gewesen. Er hatte es bis runter zum Haupteingang geschafft, der damals noch nicht versperrt war und weg war er. Sie suchten ihn stundenlang, bis ihn jemand stark unterkühlt auf einem Bank am nächsten Bahnhof fand. Vermutlich wollte er nach Schindelbach, typisch. Dort hatte er nämlich drei Millionen auf der Bank, die er abzuheben gedachte. Bist du mein Fahrer? fragte er mich anfänglich. Mein Taxi nach Schindelbach? Das ging mir irgendwann so auf den Nerven, dass ich sagte, passt, morgen, 8.30 Uhr treffen wir uns vor dem Haupteingang und fahren nach Schindelbach. Aber das ging nach hinten los. Er vergaß es zwar immer wieder, allerdings blieb irgendeine Resthoffnung bestehen, sodass er immer zuträglicher wurde. Das erzählte ich eines Tages Jelena, die meinte, das wäre ein Fehler gewesen. Sie sage seit Jahren nur noch, ihr Auto sei kaputt. Das funktioniere am besten. Also sagte ich beim nächsten Mal, mein Auto sei kaputt. Und er ließ augenblicklich von mir ab. Ich war unbrauchbar geworden. Eines Morgens kam ich in den Dienst. Wie üblich war es brütend heiß. Der Fahrstuhl öffnete sich mit dem typischen Klingelton. Ich trat auf den Gang, ging nach vor und sah Fredolin schon vom hintersten Zimmer den Gang nach vortrocknen. Wie üblich hatte er nur eine Unterhose an, weiß gerippt, nie verunreinigt, das muss man ihm lassen. Ich dachte, das hier ist echt abartig. Das dachte ich im Übrigen jeden Tag. Ich hörte nicht auf, das zu denken, was beispielsweise Rosamunde und Jelena längst aufgegeben hatten. Aber was machte ich mir auch nach einem Gedanken, dass hier war eine Amstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, wenn etwas abartig war, dann das. Ja, Fredolin, sagte ich, um ihn ein bisschen runterzubringen, denn er hatte schon wieder seinen Blick drauf. Als er näher kam, traute ich meinen Augen nicht. Erst jetzt, unter der mittig gelegenen Deckenleuchte, bemerkte ich, dass er vom Kopf bis Fuß zerkratzt war. Darüber hinaus sah es so aus, als sei er von hunderten von Stechmücken überfallen worden. Wie siehst du denn aus? Fridolin redete wie üblich wirres Zeug. Ernst Jantl hätte seine Freude gehabt und fragte mich, ob das Taxi nach Schindenbach bereitstehe. Dieser Rückfall ärgerte mich besonders. Da kam Sarah aus dem Dienstzimmer wie immer unangemessen unaufgeregt und zog an ihrem Schlüsselbund Gummiband, was mir auf die Nerven ging. Was zum Geier ist denn mit dem los? fragte ich und hielt Frigolin bereits an der Schulter fest, um zu verhindern, dass er blitzschnell um die Ecke bog und erstaunlich schnell in den ersten Stock hinunterrannte, ganz zu schweigen davon, wenn er sich in der Wachkoma-Station versteckte. Er ist vor zwei Tagen in der Nacht verschwunden. Da hast du gerade noch Dienst gehabt, weißt du noch? Julia von der 3. ist zu uns rüber, um den Nachtdienst zu übernehmen. Das war ihr erstes Mal, also hier bei uns und Fridolin wusste das natürlich. Und kaum hat sie angefangen, Tabletten auszuteilen, war er weg. Du weißt, der Sensor schlägt immer erst zwei bis drei Sekunden später an, wenn er über die Schranke ist. Außerdem hatte Julia 40 andere Leute, die Randale machten und sie war allein. Selbstverständlich rief sie die Polizei und dann war innerhalb kürzester Zeit die Hölle los. Suchmannschaft, Hunde, Hubstau war das volle Programm. Keine Chance, er war weg. War er unterwegs nach Schindelbach? Fridolin konnte keine Straße von der anderen unterscheiden. Es war nicht anzunehmen, dass er irgendwo hinfinden würde. Dennoch war er hier vom Erdboden verschluckt. Julia hat sich natürlich wahnsinnige Vorwürfe gemacht. Ja, sagte ich, aber er steht hier neben mir. Er sieht zwar übel aus, aber er ist hier. Ja. Um vier Uhr dreißig in der Früh gaben sich die Sucher schließlich auf, aber Charlie kam das Spanisch vor, also suchte er um 6.30 Uhr ein bisschen das umliegende Gelände ab. Charlie wusste, dass Fridolin auf eigene Faust nicht weit kam und... Was glaubst du? Er ist auf dem Klo eingeschlafen. Keine 100 Meter von hier geriet er in ein paar Brombeersträucher mitten in der Nacht und verhedderte sich dermaßen, dass er beschloss, die Nacht dort zu überbringen. Außerdem hatte er anscheinend vollends die Orientierung verloren und dachte wahrscheinlich, dass er kurz vor Schindelbach sein musste. Gell, Fridolin? Hm? So wie es aussah, hatte Fridolin den Vorfall bereits vergessen und heckte neue Pläne aus, um abzuhauen. Das erklärt dann anscheinend die Katze, aber was ist das andere Zeug? Zecken. Zecken? Er hatte 104 Zecken am ganzen Körper. So hat ihn Charlie gefunden. 104, wer hat denn das gezählt? Die Leute im KH, die waren total gepisst. Irgendein Praktikant musste sie ihm schließlich mühsam entfernen, was angeblich anderthalb Stunden gedauert hat. Wie du dir vorstellen kannst, waren die Zecken an den unmöglichsten Stellen. Das ist doch bitte ein Irrsinn. Naja, unser Friedrich ihn halt. Irgendwann fand das sogenannte Zwischengespräch statt. Ich meine, ich dachte schon, dass ein Dankeschön genügen würde für meine Dienste, das wäre ja wohl das Mindeste. Aber nein. Was um alles in der Welt hast du Frau Sacher eingeredet? fuhr mich Rosamunde an. Sie redet nur noch von irgendeinem Kunstprojekt. Ich habe Frau Sacher überhaupt nichts eingeredet. Ich habe lediglich die Möglichkeit erwähnt. Diese Möglichkeit gibt es aber nicht, aufgrund ihres psychiatrischen Hinterkommens. Die geringste Abweichung von ihrer gewohnten Tagesstruktur bringt sie total durcheinander. Das habe ich gemerkt. Aber schließlich ist sie an mich herangetreten. Was meinst du, sie ist an dich herangetreten? Naja, sie will den Doktor in Kunstgeschichte machen. Und hat mich gefragt, wie das geht. Was hast du gesagt? Ich habe gesagt, dass das nicht so einfach ist. Frau Sacher weiß nicht einmal, wo sie sich befindet. Sie hält diesen Gang hier für den Kohlenmarkt im 1. Wiener Gemeindebezirk. Stimmt, dort hat sie ein Designstudio betrieben, hat sie zumindest erzählt. Frau Sacher hat überhaupt nichts betrieben. Sie ist total verwahrlost aufgefunden. Nur ihre Haare waren... Nein, das sage ich jetzt nicht. Sie hochzupöppeln hat uns viel Zeit und Mühe gekostet. Und dann kommst du daher und setzt dir irgendwelche Flausen in den Kopf. Einmal hatte sie mir erzählt, sie hätte ein Buch geschrieben, nebenbei erwähnt. Ein Buch fragte ich nach. Ja, sagte sie. Wie interessant, sagte ich. Welchen Titel hat es denn? Der Weg in die Hölle. Der Weg in die Hölle. Ich war in Jugoslawien, Kriegreporterin. Ich dachte, sie hätten ein Designstudio am Wiener Kohlmarkt betrieben. Das kam danach. Ah. Nun, ich setzte ihr also keine Flausen mehr in den Kopf. Und bei unserem allabendlichen Antithrombosen-Strumpf-Ritual fragte sie mich immer, wann kommen Sie wieder, Herr Peter? Und ich antwortete, morgen, Frau Sachar. Morgen. Gut, sagte sie. Dann bis morgen. Bis morgen, Frau Sachar. Gute Nacht. Gute Nacht, Herr Peter. Unique techniques...... Thank you. Thank you. Thank you. Wir machen jetzt keine Pause. Das ist übrigens Bravo bei den Gehörlosen. Applaus steht in Verbindung mit seinem metierfremden Titel DI, Diplom-Ingenieur Clemens Kosnowski. Allem anscheinend nach eine Legende, oder zumindest etwas in der Art, denn wann immer auch jemand auf einen zu sprechen kam, veränderte sich der Tonfall, kaum merkbar, aber doch, als würde man von etwas Unaussprechlichem reden, einem düsteren Vorfall ohne jedwede Erklärung. Wieso interessiert dich das? fragte Rosamunde leicht gereizt, gleichzeitig verdrehte sie die Augen. Du hast doch nicht vor, ein Buch zu schreiben über all das hier. Er hat also ein Buch geschrieben. Ich gab mich vorsichtshalber ahnungslos. Ja, aber wenn du mich fragst, sind bei Herrn D.I. Kusnowski alle Sicherungen durchgebrannt. Allein der Titel, es war ein Skandal. Ich hatte bereits etwas von dem Titel gehört, hielt es jedoch für ein Gerücht. Nicht, dass ich ihn mir nicht gemerkt hätte. Im Pflegekreisen war so etwas allerdings ungewöhnlich und nicht zu sagen verpölt. Die Verrückten und die Toten? Wer hat dir das erzählt? Melanie? Nein. Dann Clara. Weißt du, ich will dir nicht alles glauben, was Clara so daherredet. Vieles davon ist die reinste Verschwörungstheorie, komplett unreflektiert. Es war auch nicht Clara. Verflucht, wer dann der Hauswart dieser Tracht stande? Der auch nicht klarer. Verflucht, wer dann der Hauswart diese Tag stande? Der auch nicht. Egal, legte sie ab. Wir sind froh, dass wir diesen Spinner los sind. Du meinst D.I. Kuznowski? Außerdem ist es jetzt eine Weile her zum Glück. Und ich würde es wirklich begrüßen, wenn sich dieser hartnäckige Mythos endlich aus diesen Mauern verflüchtigt. Das Buch war, weiß Gott, keine Meisterleistung. Total verzerrt, wenn du mich fragst. Und der Rest glatt gelogen. Allerdings hat er sich rechtlich gut abgesichert, diese Irre. Also mussten wir mehr oder weniger damit leben. Ich kann dir nur eins sagen. Seitdem sind wir vorsichtiger geworden bei Leuten, die in die Pflege gehen, weil sie sonst wo gestrandet sind und das als den letzten Ausweg in Betracht ziehen. Das geht meistens nicht gut aus. Aber was rede ich da? Du bist ja auch so ein Fall. Dabei bekam Rosamunde so einen merkwürdigen Blick. Viel später nannte ich es den Gandolfini-Blick. Als würde ein Auge durch einen hindurchschauen oder als sei man komplett austauschbar. Oder als würde sie einen überhaupt nicht kennen. Dass ich tatsächlich Bücher schrieb, wusste sie nicht. Und ich tat auch gut daran, das weiter geheim zu halten. Keine Angst, sagte ich, ich habe nicht vor, ein Buch zu schreiben. Außerdem hat es ja allem Anschein nach schon jemand getan. Ja, aber wie? Von vorne bis hinten falsch, die Schmiererei. Wenn sich Rosamunde aufregte, begann sie mehr Raum einzunehmen. Ich hatte dann nur noch das Gefühl, ihr ausweichen zu müssen, wie Gandalf, als er zu Bilbo sagt, versuche mich nicht. Hör gut zu, schnaubte sie. Ich erzähle jetzt mal was, Peter. Niemand ist davor gefeilt, in einem Buch falsch oder verzerrt dargestellt zu werden, in einem Sumpf voller Löwen. Im Grunde ist es sogar relativ einfach, ein Zerbe zu erschaffen. Du musst nur die falschen Filter verwenden. Was um alles in der Welt hatte denn geschrieben der Herr Diplom-Ingenieur Clemens Kusinowski? Sie fuhr zusammen bei der bloßen Nennung des Namens und dem Titel, obwohl ich es absichtlich ironisch überhöht hatte. Diesen Namen hier. Und plötzlich hatte ich die Vision, sie würde die Arme ausbreiten, die den gesamten Raum einnahmen und mit donnernder Stimme verkünden. In diesen Hallen aus Stein. Aber das musste ich mir eingebildet haben. Ist der Ehre schon zu viel? Dem Ars. Jede Sekunde, die wir uns über das Schandmaul D.I. Kuznowski unterhalten, ist eine Sekunde zu viel. Das kann schon in dem Buch drinstehen, sagte ich schulterzuckend. Hat er die Verschwiegenheitsklausel unterwandert, gegen den hippokratischen Eid verstoßen? Sie fingerte in der x-E-N-A-Handschuhbox herum und schüttelte den Kopf. Koloss von Rodos, sagte sie augenverdreht, vielleicht sogar ein wenig belustigt. Koloss von Rodos, wiederholte ich leicht enttäuscht, bezugnehmend. Auf was? Sie fuhr jetzt ganz um die Handschuhe, die sich alarmierend abstoßend spannten und knallte eine Lade neben mir zu. Dreimal darfst du raten. Aber das ist doch... ist was? Nun ja, es ist nicht gerade spezifisch, würde ich sagen. Nicht einmal gut, es ist sogar eher etwas enttäuschend, ja fast schlecht. Sag ich doch. Das Buch ist scheiße, nichts anderes habe ich jemals behauptet. Aber wieso regte ich das Ganze dann so auf? Es geht die ganze Zeit so weiter. Pflege, Trampeltier, Annie Wilkes, Sancho Panzer, James Gandolfini mit Parchenkopf. Als ginge es darum, sich Synonyme auszudecken. Im Ernst, das hat er geschrieben? James Campbell Finney mit Parchenkopf? Ich gehe mal davon aus, dass das nicht besonders schmeichelhaft ist, auch wenn ich mir nicht die Mühe gemacht habe, zu recherchieren, wer das sein soll. Allein, dass er mich mit einem Mann vergleicht, ist schon mehr als ein Frechheit. Nein, bestätigte ich. Es ist nicht schmeichelhaft. Es sei denn, du möchtest besonders brutal wirken. Brutal? Nun, meines Wissens steht, James Scandolfini nicht erst seit True Romance für einen gewissen Typ. Sie musste ja nicht wissen, dass ich mich bereits mit Photoshop ein bisschen gespielt habe, aus reiner Neugier, und die Ergebnisse waren verblüffend. Ich kenne ihn nicht, und es ist mir auch egal. Dazu gehört aber schon eine gehörige Portion mediale Ignoranz, sagte ich, und merkte im selben Augenblick, dass ich zu weit gegangen war. Weißt du was, sagte sie, du schnappst dir jetzt einen Fetzen und einen Kübel und gehst nach hinten zu Herrn K. Den Geruch, der dort vorherrscht, kann ich selbst nicht mehr einordnen. Und was du in den Tiefen der Kästen finden wirst, lieber Peter, das ist dein Problem. Und wenn er mit drei Hauben, drei Jacken, einer Sonnenbrille und einem stumpfen Küchenmesser in einem abgedunkelten Bad hinter dir von einem Fuß auf den anderen blickt, dann ist das ebenfalls dein Problem. Ja, klar. los geht's. Nein, meinte die Dame im Verlag, das Buch ist mittlerweile vergriffen. Adresse könne sie auch keine angeben, das verstoße gegen die Datenschutzbestimmungen. Aber es hat es gegeben, sagte ich, das Handy ans Ohr gepresst. Die Verrückten und die Toten von Clemens Kosnowski. Natürlich hat es das, äußerte sie sich. Aber wie Sie sich vorstellen können, sind wir nicht sonderlich stolz darauf. Immerhin hat es bereits vor der zweiten Auflage einen Skandal gegeben. Einen Skandal, wiederholte ich. Tatsächlich? Worum ging's? Wenn ich fragen darf. Sie sind aber schon sehr neugierig, muss ich sagen. Hören Sie, ich arbeite dort, wo Kosnowski gearbeitet hat und ein paar Informationen über das Buch oder seine genauen Einsichten könnten durchaus hilfreich für mich sein. Sie arbeiten in Schloss Stein, meine Güte. Sie arbeiten in Schloss Stein? Meine Güte! Was haben Sie angestellt? Nichts, nichts, gar nichts. Wissen Sie, ich arbeite freiwillig dort. Freiwillig? Sagen Sie, sind Sie noch ganz bei Trost? Ich änderte meine Strategie und probierte es bei der Apotheke. Ich hielt mir die Nase zu und säuselte ins Handy. Äh, ja, hier der pharmakologische Liefer-Service, mein Name ist Peter Wenzel, da ist er. Peter Wenzel, ja. Widerwenzelsplatz in Prag, genau. Ist sie, dass sie eine der wenigen sind, die das so aktiv verstärkt hat? Nun ja, also ich bin hier neu und wir hätten eine Einlieferung Actra-Bit für alle gewissen. Lassen Sie mich nachsehen. Herr Diplom-Ingenieur Clemens Kostowski. Das Blöde ist nur, ich habe ihn hier offenbar aus dem Verteiler geschmissen und kann mir nirgends seine Adresse finden. Ich gehe aber davon aus, dass er die 200 Einheiten Actra-Bid relativ dringend benötigt. Ich legte eine strategische Pause ein, um die Brisanz der Angelegenheit wirken zu lassen. Sie können mir nicht zufällig weiterhelfen. In Datenschutzzeiten werden Sie wahrscheinlich nichts rausrücken, dachte ich, und wechselte das Handy aufs andere Ohr. Nichts. Stille. Kein Atmen, kein Raschen, kein Pieps. Herr Mag. Wenzel? Ja? Sind Sie noch dran? Ja, bin ich. Gewissermaßen unterwegs, wie gesagt. Wissen Sie, mit unserer Apotheke haben Sie eigentlich ins Schwarze getroffen. Denn Herrn Diplom-Ing. Kosnovskis Wohnsitz ist keine drei Straßen weiter im selben Ort. Raiffeisenstraße 13a. Tatsächlich. Ja, er ist seit 2019 insulinpflichtig und steht selbstverständlich auf unserer Liste. Von welchem Lieferservice, sagen Sie, sind Sie? Es wäre mir nämlich neu, wenn unsere Kunden zusätzlich extern geliefert werden würden. Ich bekam einen Schweißausbruch. Oh, am besten kläre ich das dann mit Herrn Kosenowski persönlich vor Ort ab. Vielleicht hat sich ja auch ein Fächer in der Zentrale eingeschlichen. Von welcher Zentrale sprechen wir hier bitte? der Zentrale eingeschlichen. Von welcher Zentrale sprechen wir hier bitte? Ich kläre es ab, keine Sorge, haben Sie vielen Dank. Die Dame schien ein wenig perplex zu sein. Ja bitte, machen Sie das. Und melden Sie sich, es geht nicht, dass es hier doppelt und dreifach Auslieferungen gibt. Schönen Tag noch, flötete ich und legte auf. Ich schienste, reichlich dämlich, sich mit dem richtigen Namen zu melden. Außerdem hatte ich in der Aufregung vergessen, mir weiter die Nase zuzuhalten. Was soll's? Ich hatte, was ich haben wollte und im Grunde handelte es sich nur um ein literarisches Problem, kein medizinisches. Also keine Aufregung. Ich konnte immer noch sagen, ich hätte mir einen kleinen Scherz erlaubt, zugunsten einer höheren Sache, etwas in der Art, Eifersenstraße, 13a, Gallenkirchen. Okay, es war klar, was als nächstes auf dem Plan stand. Ich hatte mir einen einsamen Wähler vorgestellt, ein gruseliges Gartentor, efeu-umrangte mythologische Figuren, eine sinnlos lange Auffahrt, Kameras an allen Ecken und Enden, Dobermänner im Zweierpack gegebenenfalls, ein Tor, einen schmiedeeisernen Ring, im Abendwind halblebendige Zypressen, die sich heulen von einem Ende zum anderen biegen. Nichts. Kuznowskis Adresse in Gallenkirchen war die Anti-adresse. Ein Reihenhaus in einer Reihe von Reihenhäusern. Der Vorgarten halb verwind austauschbare Requisiten aus meiner Kindheit in den 70er, 80er Jahren. Ein bisschen vor Ikea, ein bisschen nach den Nazis. Irgendwer hatte sich die Mühe gemacht, an dem angrenzenden Strompfeiler eine Art Ringelspiel anzubringen, das mäßig beleuchtet eher wie ein Geburtstagsscherz wirkte als sonst was. Die Figuren erschienen, kogelten wie von Geisterhand vorwärts, bekamen Schlagseite, gritten sich wieder ein und verstanden im Dunkeln. Rechts neben der Tür war ein Schild angebracht, auf dem D.I. Kosnovski stand, eingepackt in Plexiglas, daneben ein schneller Druckknopf. Viel zu laut. Vermutlich kaputt. Es war bereits dunkel, hauptsächlich nass. Hauptsächlich matschig. Tatsächlich erinnere ich mich nicht an die Jahreszeit. Ein halber, alter Mann mit einem Kopfverband riss die Tür auf, durch seine schmalen Augen vogelte der pure Hass. Verflucht, Normalschläger! Ich habe dieser bescheuerten Tante in der Hauptzentrale schon tausendmal erklärt, dass ich in dieser Zeit nicht gestört werden will. Offenbar fühlte er sich wohl, während er seine Schimpfkanonade abließ, denn er triftete kurz weg und sah ins Leere. Kurz darauf fokussierten mich seine Augen von neuem, diesmal fragender, Wer bist du eigentlich? Dich habe ich hier noch nie gesehen, auch in der Pflege gelandet? Mein Beileid, kann ich da nur sagen, anschied der Dreckswesen. War sie scheißfreundlich, lass mich raten. Die üblichen Sprüche. Immer mit der Ruhe, Herr Kosnowski«, sagte ich. »Mein Name ist Peter Wenzel. Magister Peter Wenzel. Ich bin hier, um Sie über Ihr Buch zu befragen. Das sind doch Sie, oder?« Seine Augenlider zuckten ein wenig, als würde er irgendeine Information abrufen wollen. »Magister?, fragte er. Was für eine Art Magister? Ich zuckte mit den Schultern. Magister der Künste, wenn Sie es genau wissen wollen. Der Künste? Ja, eine Frechheit, dass es so etwas überhaupt gibt. Er kickte eine Malmus zur Seite, die ihm urplötzlich im Weg war und verlor fast das gleiche Licht dabei. Kommen Sie erst mal herein, ich hasse es, zwischen Tür und Angel zu stehen. Ging mir immer schon so. Schuhe egal, wie Sie meinen, Herr Diplom-Ingenieur, und ficken Sie sich mit diesem Diplom-Ingenieur-Scheißdreck, Herr Magister. Ich wischte mir die Schuhe ab und tat ein paar Schritte vorwärts. Quer Magister. Ich wischte mir die Schuhe ab und tat ein paar Schritte vorwärts. Nur der Reins, sagte Kuznowski und knallte ohne Vorwarnung gegen den Tischstock. Hoppla. Alles in Ordnung. Klar behalten. Und was für eine Art von Diplom-Ingenieur sind Sie überhaupt, Kuznowski? Er drehte sich um. Tiefbau. Wie unspektakulär. Unspektakulär? Nichts existiert ohne den Tiefbau, mein Lieber. Und warum, wenn ich fragen darf, sind Sie dann arbeitslos und von allen Ästen die Pflege gesteckt worden? Er biss die Zähne aufeinander. Ich habe das Mischverhältnis falsch berechnet, wenn Sie es genau wissen wollen. Von Beton? Ja, zu meiner Güte. Wie viele Leute sind dabei umgekommen? Ich bin freigesprochen worden. Es gab da eine Komponente, die, sagen wir mal, unvorhersehbar war. So ähnlich wie in der Kunst. Kuznowski grinste blöd und fällte einen Stapel Zeitungen von einem der Sessel. Setzen Sie sich, ich muss mir erstmal einen Schuss verpassen. Kuznowski lästelte an seiner Diabetes-Tasche herum und zog an der Pen 18 Einheiten auf. Davor natürlich der Streifen und die Lanzette, das übliche Prozedere. Er zog das T-Shirt hoch und drückte die 18 Einheiten schnurrend in eine ekelhaft weiße und behaarte Bauchfalte. Seit Jahr, sag ich Ihnen, seit Jahr. Sie scheinen es ganz gut im Griff zu haben, geht nicht anders. Vor uns lag ein halbfertiges Hieronymus, Hieronymus, posch, Putzle auf auf dem Tisch schräg gestellt, umgeben von Einzelteilen. Ich habe noch nie ein Hieronymus-Putsch-Putzle gesehen. Der Garten der Lüste. Weswegen sind Sie hier, sagen Sie? Ich bin hier wegen dem Buch, das Sie geschrieben haben. Über Schloss Stein. Schloss Stein? Ja, ich arbeite dort. Meine Güte. Was haben Sie angestellt? Den Satz höre ich nicht zum ersten Mal. Krosnowski wurde unruhig. Sie sehen nicht aus wie jemand, der in Schloss Stein arbeitet. Ich weiß. Dann müssen Sie aber bescheuert sein. Wissen Sie, Schloss Stein ist nicht der Wohltätigkeitsverein, als dass er sich gerne selbst darstellt. Schloss Stein ist ein negativer Ort. Die Leute dort sind nicht nur arme Irre, sondern schwere Fälle. Forensiker, das sind psychisch abnorme Rechtsbrecher. Manche von denen sind richtig gehende Legenden. Schreien der Lämmer bis ein Betthupfer dagegen. Und Sie erniedrigen sich damit, diesen Freaks, das Nutella-Semmel, zu schmieren? Was ist nun mit Ihrem Buch? Rosamunde hat sich wahnsinnig darüber aufgeregt. Rosamunde, kommen Sie mir nur ja nicht mit diesem Weib. Kosnovski stand auf und ging auf ein halb gefülltes Bücherregal zu. Er nahm ein Buch heraus, das darin gelegen hatte und fetzte es auf den Tisch. Als das Ding seine Pirouette beendet hatte, las ich Clemens Kuznowski die Verrückten und die Toten. Es war ein Fehler, das Buch zu schreiben, sagte er. Man machte eine Abwehrt in der Handgeste und ein und ein noch größerer Fehler, es zu veröffentlichen. Kein Gedanke über Schloss Stein ist ein richtiger Gedanke. Und für eine Schriftstellerkarriere hat es auch nicht gereicht. Ich bin als Pornograf diffamiert worden. Ich gelte hier im Ort als Spinner. Wie lange waren Sie eigentlich dort, fragte ich. Lange genug, um es nie wieder aus dem Kopf zu kriegen. Sagen Sie, haben Sie sich die Leute dort schon einmal genauer angesehen? Ich meine, die Angestellten. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Ihnen der James-Gandolfini-Vergleich eingefallen ist. Das ist doch gar nichts, glauben Sie mir. eingefallen ist das ist doch gar nichts glaubt sie ich tippte auf das buch ich würde zu gerne ein weg da rein werfen wozu fragte kosmowski plötzlich laut geworden da ging noch mal zum bücherregal und holte ein weiteres buch wieder feste er ist auf den tisch luise borges das Jorge Luis Borges. Das Handwerk des Dichters. Ich dachte, das würde mir beim Schreiben helfen, aber es ist gewiss, ich habe kein einziges Wort verstanden. Der Buchladen hier hat es mir empfohlen, aber Sie wissen schon, die hier empfehlen alles Mögliche. Ich kenne das Buch, sagte ich. Ich besitze es sogar. Und, wollte Krosnowski wissen, was können Sie mir darüber sagen? Ich habe mich irgendwann in einen Gedankenstrom verloren, der nicht mein Gedankenstrom war. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Sehen Sie, mir ging es ähnlich, aber ich bin nicht bescheuert. Also acherte ich das Buch nochmal durch. Und wissen Sie, auf welchen Schluss ich kam? Jetzt bin ich aber gespannt. Borges sagt genau das, was ich mir schon immer gedacht habe. haben. Ach, wirklich. Er sagt, der Dichter muss so schreiben, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Das sagt Borges? Genau das sagt er, sagte Kosnowski und fügte überflüssigerweise hinzu, er habe daraufhin diesen Typ akzeptiert. Ich tippte exemplar von die verrückten und die toten ich nehme mal an dass sie genau das getan haben zu schreiben wie ihnen der schnabel gewachsen ist es ist die einzige chance glauben sie für einen dilettanten werfen sie mit ganz schön rohkarätigen Weisheiten um sich. Diese Schlauberger der Dichtkunst sagen eben auch nichts anderes als die Schlauberger auf der Tankstelle. Das bezweifle ich ernsthaft, aber vielleicht haben sie ja recht. Natürlich habe ich recht, sie sind ja selbst ratlos, zumindest wirken sie so auf mich. Was, wenn ich fragen darf, war dann der Skandal? Die Dame im Verlag hat mir nicht wirklich weiterhelfen können. Andrea? Ich glaube schon. Kosmowski kratzte sich am Bauch. Die verdreht doch schon die Augen, wenn man sich nur um einen Kopierzettel fragt. Lassen Sie mich raten. Sie hat Ihnen keine einzige brauchbare Information gegeben, also abgesehen von dem üblichen Geseife. Das kann man so sagen, ja. Er gewillt sich in der scheinbaren Bedeutung, die er im Zuge unseres Gesprächs erlangt hatte. Sie wollen wissen, was der Skandal war? Ich weiß es ja selbst nicht. Man hat mich auf die Abschussliste gesetzt. Bei Kominski hatte ich Lokalverbot, bei N-Preis-Teto. Dafür gab es sicherlich einen Grund. Nun, ich gehe mal davon aus, dass Ihnen mein sozial-darwinistisches Konzept nicht geschmeckt hat. Ich habe hier ein paar unbequeme Fragen gestellt. Sind Sie verrückt? Ich habe hier ein paar unbequeme Fragen gestellt. Sind Sie verrückt? Außerdem habe ich der gesamten Pflege Machtmissbrauch vorgeworfen. Also nicht so wie in der Hens, aber ein bisschen so. Das haben Sie. Der Vergleich mit den KZ-Aufseherinnen und Aufsehern hat das Fass dann zum Überlaufen gebracht. Dabei war das eine rein systemische Hypothese. Er zog mit dem Schultern. Ich muss mal schiffen gehen. Also da wundert mich gar nichts mehr. Wie hat das das Lektorat übersehen können? Das Lektorat, rief er vom Nebenraum herüber, hielt sich für progressiv, satirisch, was erheben, was weiß ich. Vermutlich dachten sie, es wäre ein fiktiver Teil der Handlung, so wie es ja auch Mörder in einem Buch gibt. Und das mit der Pornografie. Ja, wissen Sie, Machtmissbrauch hat viele Gesichter. Jetzt hören sie aber auf. Er kam wieder zurück und hielt es wie angebracht, weiter an seinem Gürtel herumzufingern. Sind Sie auch so jemand, der die Wahrheit nicht hören will? Welche Version? Ich frage Sie, wäre denn vertretbar gewesen, dass es da draußen immer noch Menschen für Menschen gibt? Machen Sie sich doch nichts vor, Menschen sind von Haus aus selbstsüchtig und gemein. Zählen sie eins und eins zusammen, positionieren das Ganze in einem Extremsetting wie etwa Schloss Stein, dann haben sie Blüten in den buntesten Farben, mein Lieber. Natürlich gibt nie irgendwer irgendwas zu oder ändert etwas. Das geht nicht wegen dem Personalmangel. Himmel, im Grunde bereue ich es überhaupt jemals darüber nachgedacht zu haben. Ich hätte bei meinem Beton bleiben sollen. Darf ich so nebenbei fragen, was passiert, wenn man das Mischverhältnis falsch berechnet? Er wird nicht hart, so wie ein Schwanz, der nicht hart wird. Ich bitte Sie, kurz und ausgewiesen, dreckigen Lacher, nur nicht die Wirklichkeit aus den Augen verlieren. Was passiert mit einem Schwanz, der nicht hart wird? Ich räusperte mich. Also ich weiß nicht, ob ich auf so einem Niveau beantworten Sie meine Frage. Ich weiß nicht, ob ich auf so einem Niveau... Beantworten Sie meine Frage. Ich schüttelte den Kopf. Er fällt zusammen. Das ist es. Er fällt zusammen. Münzen Sie das auf eine Tiefgarage und Sie haben den Salat. Das ist doch bitte der Worst Case. Das Desaster von Straßwalchen? Nie davon gehört? Nein. Danach habe ich jedenfalls keinen Job mehr bekommen, obwohl ich das mit dem PH-Werk nicht wissen konnte. Dann die übliche Spirale. Alkohol, Schadung, AMS, Resozialisierungsmaßnahmen, Pflege. Die Pflege kam ganz zum Schluss. Ja, die dachten, wir stecken jetzt jedes Arschloch in die Pflege, das werden Sie doch wissen. Das reichte mir, um das Gespräch abzuwürgen. Ich schnappte mir das Buch, was kriegen Sie dafür? Kusnowski grinste, nichts. Seit die in dem Buchladen um die Ecke ein Plakat entworfen haben, worauf steht, kaufen Sie dieses Buch nicht. Gibt es kaum noch ein Exemplar. Danke für die Aufmerksamkeit und danke an den Walter für die Möglichkeit. Und wir hören das letzte Musikstück. Applaus Thank you. Thank you. Thank you. Applaus Vielen Dank für die Spenden im Boot, wir werden die Beute teilen.