Herzlich willkommen an diesem spätherbstlich verregneten Montagnachmittag bei einer weiteren Ausgabe der Sendereihe Wassermeyer sucht den Notausgang aus dem Studio von Dorf TV in der Kunstuniversität Linz. Ja, das Wahljahr 2024 ist ja noch gar nicht zu Ende. Dennoch können wir schon bilanzieren, dass auf alle Fälle Demokratie, Meinungsvielfalt, Informations- und Pressefreiheit, vor allem aber auch die Menschenrechte zu den Verlierern zählen. Illiberale Parteien finden immer mehr Zuspruch. Wir sehen es auch hier in Österreich, aber auch darüber hinaus. Gerade auch zuletzt natürlich wiederum mit dem Wahlerfolg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl. Und das Ganze, dieser Erfolgslauf manifestiert sich natürlich auch in einer sich immer dramatischer abzeichnenden Radikalisierung der politischen Sprache, aber auch in vielen anderen gesellschaftlichen Seiten, die wir auch beobachten im Sinne von einer zunehmenden Verrohung des Miteinanders. Es geht häufiger gegeneinander, als dass gemeinsame Lösungen für große Fragen unserer Zeit gefunden werden. Umso wichtiger erscheint es wahrscheinlich nicht nur mir alleine, dass es doch noch starke Stimmen der Vernunft gibt. Und eine solche starke Stimme darf ich heute hier bei uns im Studio willkommen heißen, vielen sicherlich bekannt, Marion Wiesinger. Herzlich willkommen, schön, dass Sie heute hier sind. Ich darf Sie kurz vorstellen, bevor wir dann beginnen mit unserem Gespräch im Rahmen meiner Gespräche zu Politik und Kultur in Krisenzeiten, so nennt sich ja auch diese Sendung. Marion Wiesinger, Sie sind Historikerin und Autorin seit diesem Jahr, seit 2024 Präsidentin des österreichischen PEN-Clubs. An dieser Stelle auch gleich mal Gratulation dazu. Als Trainerin der politischen Bildung und auch als Vorsitzende des Wiener Forums für Demokratie und Menschenrechte beschäftigen Sie sich naturgemäß mit den aktuellen Gefahren für die liberale Demokratie und die Menschenrechte. Und was ich auch noch erwähne, folgerichtig sind Sie ja fast dann auch Chefredakteurin des Liga-Magazins der österreichischen Liga für Menschenrechte. Also sehr viel Menschenrechte, sehr viel Demokratie in ihrem Engagement. Frau Wiesinger, ich habe es schon kurz angesprochen, ich möchte auch damit heute mit Ihnen beginnen. ein zweites Mal zum US-Präsidenten gewählt wurde, doch ein deutliches Votum in den Vereinigten Staaten. Wenn ich mich so in meinem Bekanntenkreis, Freundschaftskreis umsehe, umhöre, dann vernehme ich eigentlich schon mehr Resignation als vorher. Sehr, sehr viele Menschen sind sehr niedergeschlagen, sind sehr zerknirscht, überaus ratlos, manche auch depressiver noch als zuvor. Daher auch meine Frage an Sie. Wie nehmen denn Sie die Welt oder Ihre Welt seither wahr? Was hat sich denn jetzt mit einem zweiten Mal Donald Trump für Sie verändert? Ja, also zunächst hallo, danke für die Einladung. Es hat sich sehr viel verändert. Wir haben ein Phänomen, das wir mit Erschrecken zur Kenntnis nehmen, das sich aber natürlich in seinen Ausläufern und auch Vorläufern in Europa abzeichnet, ganz klar. Donald Trumps Kabinett ist so wie Best of Böse, fast schon eine Farce, wo man sich überlegt, wie gibt es denn das überhaupt? Das ist eine Schamlosigkeit, eine Skrupellosigkeit, aber es ist auch so etwas wie die Masken eigentlich fallen lassen. Es ist ganz egal, ob jemand ein Vergewaltiger ist, ob jemand Frauen belästigt, ob jemand korrupt ist oder geheimdienstliche Informationen an Russland weitergibt. Es ist möglich. Und das erinnert mich an den Präsidentschaftswahlkampf in Österreich, als Norbert Hofer sagte, sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist. Und er ist ja nicht gerade bekannt für Aussagen, die einem dann wirklich auch in Erinnerung bleiben, aber das blieb mir und auch glaube ich vielen anderen in Erinnerung. Das hat direkt alles miteinander zu tun. Das ist eine internationale, globale Bewegung gegen Vernunft, gegen Aufklärung, gegen Menschenrechte letztlich, die ökonomisch angetrieben ist. Also man sieht ja auch jetzt, wer in Amerika das Sagen hat. Und das macht uns mutlos. Zumal ja Bewegungen wie linke Bewegungen, Sozialdemokratie, Bewegungen, die sich für Solidarität einsetzen, Gewerkschaften und all das ja geschwächt werden oder aber auch immer weniger zu sagen haben, weil sie entweder selbst im politischen Getriebe schwächer geworden sind oder weil ihnen schlicht und einfach das Personal fehlt. Aber trotzdem bleibt eine so zentrale Frage offen und ist tatsächlich mit einem ganz, ganz großen Fragezeichen versehen. Sie sind selber tätig an verschiedenen Schnittstellen der politischen Bildung, vor allem auch der aufklärerischen Arbeit im Sinne einer Organisiertheit auch der Literatinnen und Literaten, immer und das über Jahrhunderte, immer mit dem Ziel, die Menschen zu mündigen Menschen zu machen, damit sie sich ihres Verstandes bedienen, sozusagen die Welt zu einer besseren machen wollen. Irgendwie sind wir an einem Punkt, wo wir zur Kenntnis nehmen müssen, das hat so nicht funktioniert. Menschen haben offensichtlich, verspüren eine große Attraktivität bei Populisten, Populistinnen, die ihnen ganz einfache Antworten anbieten für mitunter sehr komplexe Themen und Fragestellungen, die tatsächlich Rattenfängern reinfallen und denen auch sozusagen noch zujubeln, wenn die, bleiben wir beim Thema Donald Trump, ein Gerichtsgebäude verlassen, wo sie gerade strafrechtlich verurteilt wurden. Wie erklären Sie sich das eigentlich? Fangen wir vielleicht bei den Rattenfängern an. Die Rattenfänger haben ja in manchen gar nicht Unrecht. Das sind ganz gute Analysen, dass es Menschen zunehmend ökonomisch schlechter geht, dass sie ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können, dass das Gesundheitssystem nicht funktioniert, dass wir es auch mit einer Zuwanderung zu tun haben, die an manchen Stellen keine Integration mit sich bringt. Das heißt, sie sprechen durchaus Zeitthemen an. Aber sie sprechen diese Zeitthemen an mit zwei Konnotationen. Mit denen der Wut und mit denen der Angst. Und das macht natürlich im Endeffekt anfällig für einfache Lösungen. Das ist etwas sehr Verlockendes. Auch gewisse faschistoide Haltungen, dass man sich dann doch dem Stärkeren anvertraut, nicht dem Subtilen, dem Differenzierten, sondern demjenigen, der sagt, ich bin stark, ich habe auch entsprechende Wirtschaftsmacht hinter mir stehen oder politische Macht und ich richte das für euch. Und ich richte das für euch. Denn gehen wir von den Rattenfängern zu denen, die hier offensichtlich geschwächt werden. Wir haben ja auch in Deutschland die Wahlen vor der Tür. Dass diejenigen aber auch in vielerlei Hinsicht keine Lösungskompetenzen haben oder Lösungsmöglichkeiten. Die haben sie auch deshalb nicht, weil ja die Rattenfänger auch sehr gut sind, gute, konstruktive, politische Fragen zu blockieren. Das war ja in Amerika der Fall, das Beispiel Obama oder auch Biden, die vieles nicht durchgebracht haben, weil sie einfach blockiert worden sind. Und das kennen wir auch aus unseren Parlamenten oder auch Stadtregierungen. Dann aber mit dem Hinweis, schaut her, die bringen nichts weiter. Und Politik, denken wir an die Klimakatastrophe, das sind ganz komplexe Zusammenhänge. Und wenn man die so vereinfacht, gleichzeitig mit Wut und Angst versieht, dann hat man natürlich durchaus auch Mehrheiten, die eigentlich gar nicht mehr so darauf achten, was ist jetzt wirklich demokratisch oder was sind Menschenrechte, sondern die für ihren unmittelbaren Lebensalltag eine Verbesserung verspüren wollen. Sie sind ja Historikerin und ich freue mich, dass ich jetzt ein Buch, ein aktuelles Buch in die Hand nehmen kann, das Sie geschrieben haben, erschienen im Verlag Gremeyer und Scherriau, ich glaube im Frühjahr dieses Jahres, Gäusern, eine Ortsgeschichte. Gäusern deshalb, weil Sie auch Familie haben, familiäre Wurzeln in Gäusern. Und das ist erstaunlich und das Buch hat ja auch viel Beachtung gefunden. Sie schreiben hier eine etwas andere Art der Ortsgeschichte, nämlich indem Sie sich sehr reflektiert auseinandersetzen, auch mit einer Zeitspanne etwa zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis Mitte der 50er Jahre, wo sie sehr viele politische Veränderungen dieser Zeit sehr deutlich herausarbeiten, anhand auch sozusagen sehr enger Verbindungen mit persönlicher Biografien und dann auch ableitenden Schlussfolgerungen für die Gegenwart. Jetzt ist das Spannende, vielleicht können Sie das uns, den Zuseherinnen und Zusehern, ein bisschen in einer verkürzten Form darstellen, zu welchen Schlüssen Sie da gekommen sind. Wie stellt sich Ihnen diese Geschichte durchaus jetzt am Beispiel Bad Goiserns dar, beziehungsweise von welchen Konflikten sprechen Sie da? Es gibt ja hier tatsächlich erstaunliche Parallelen zur Gegenwart. Und was sollten wir eigentlich daraus lernen? Oder vielleicht nochmal anders gefragt, was haben wir eigentlich daraus offensichtlich noch immer nicht gelernt? Ja, das sind viele, viele gescheite Fragen auf einmal. Ich werde versuchen, sie zu beantworten. Nun, als ich begonnen habe, die Geschichte zu schreiben, war klar, ich muss da bei 1900 beginnen, wenn nicht auch ein bisschen zuvor, um auch, ich möchte jetzt fast lyrisch sagen, auch diese Schicksalsgeschichte der Gäuserinnen und Gäuser zu erzählen. Was sie mitgemacht haben, einerseits in der Monarchie, aber auch im alten Salzkammergut, das Eingesperrtsein, gleichzeitig auch die Härte des Lebens, dann die Zwischenkriegszeit nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs, als auch meine eigene Familie eigentlich weg wollte aus diesem Tal, dann wiedergekommen ist. Und das, was man auch gesehen hat, dann die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs, die schweren Jahre danach. Und das prägt eine Bevölkerung. Und in diesem Buch habe ich versucht, es so zu beschreiben, dass man sich auch zurückerinnern kann an die eigene Familie, weil das ist für mich immer so eine Basis auch vom Verständnis von Zeitgeschichte. Wer sind wir? Wer waren wir? Ohne diese moralische Belastung zu haben, da muss ich jetzt genau hinschauen, und was hat wer in der Nazizeit gemacht? Ich habe versucht, diese Ära auch so zu beschreiben, dass es wirklich verständlich wird, warum der Großvater oder auch der Urgroßvater sich dem angeschlossen hat, aber auch dann der Frage, was war denn danach, was lernen wir aus der Geschichte? Und da komme ich jetzt zu Ihren zahlreichen Fragen. Was sich wie ein roter Faden durchzieht bis heute, sind einerseits Geschichtsklischees, die ja auch nicht zuletzt auch jetzt auch in Ischl und die ganze Kaisergeschichte immer wieder perpetuiert werden. Dann dieses Beharren auf Tradition, wo wir ja wieder einen starken Backlash haben, wo Leute sagen, wer sind wir eigentlich? Auch das erinnert zum Teil an die 20er, 30er Jahre, als man sich orientiert hat in der ganz schweren Zeit und aber dann auch den Rattenfängern auf den Leim gegangen ist. Und aktuell aber auch wieder eine Rückbesinnung möglicherweise auf eine Art von Politik-Bashing, die da oben machen, was sie wollen. Ein mangelndes Vertrauen, dass es eine Lösung gibt. Das hat mich sehr auch erinnert zum Teil an die 30er Jahre, dass man sagt, es geht uns eigentlich nicht besser, obwohl es einem natürlich objektiv besser geht, aber doch Verlustängste und auch eine Krise der Moderne, dass man eigentlich angesichts der Klimakatastrophe und dem, was ja in den Medien auch zu entnehmen ist, eigentlich Hoffnung verliert. was ja in den Medien auch zu entnehmen ist, eigentlich Hoffnung verliert. Für mich ist ja das Salzkammergut auch aus zeitgeschichtlicher Betrachtung schon immer auch deshalb interessant, weil es als Anschauungsort auch sehr interessant und auch brauchbar ist im Hinblick auf die Geschichte des Antisemitismus in unserem Lande. Ich greife jetzt ein Beispiel heraus, Arnold Schönberg beispielsweise war immer im Salzkammergut zur Sommerfrische im Sommer und wurde dort sehr früh mit einem sehr aggressiven Antisemitismus konfrontiert und er hat für sich selber die Strategie gewählt, dass er quasi sich immer so gekleidet hat wie die ortsansässige Bevölkerung, also immer in Lederhose und in Trachtenform und mit Hut und Garmspat und so weiter und war dann selber so irritiert, dass ihn das eigentlich vom Judensein nicht befreit hat. Es hat ihn nicht befreit, also dieses Assimilationsangebot, ich möchte eh so sein wie ihr, ihr Antisemiten, das hat nicht geholfen und interessanterweise erleben wir auch gerade jetzt wieder ein enormes Ansteigen des Antisemitismus, der für viele Jüdinnen und Juden im Alltag sehr bedrohlich geworden ist und noch weiter wird. Sind Sie da auch auf ähnliche Schlüsse gekommen, was auch für unsere Zeit heute da rauszulesen ist? Das sind diese roten Linien oder roten subkutanen Fäben, die da gespannt werden. Natürlich, der alte Antisemitismus kommt in anderem Kleide wieder zutage. Das sind die üblichen Stereotype. Das ist natürlich der Nahostkonflikt, der hier, der Nahostkrieg muss man ja sagen, der hier wieder befeuert. Und in Gäusern gibt es natürlich auch die alten Familien, die sich eigentlich von der Ära des Nationalsozialismus nicht so wirklich befreit haben. Das muss man auch sagen. Das kann man wahrscheinlich in ganz Österreich beobachten. In Gäusern in dem Fall kenne ich es. Mein Vater hat ja immer gesagt, ich kann da von jedem Haus genau sagen, wie die Gesinnung ist. Und das überschneidet sich natürlich auch heute mit FPÖ-Anhängern oder aber mit Leuten, das kann sein, Turnverein. Also das sind so alte familiäre Verbundenheiten noch mit damals, die natürlich jetzt zum Beispiel auch zutage treten mit einer vehementen Ablehnung der Kulturhauptstadt, also gegen Globalismus. Und das sind diese ganzen Versatzstücke, die Alpen, die sich wie so in einer Kommode versteckt, bis heute erhalten haben. Was sich aber gezeigt hat in Gäusern, dass man den flüchtenden Menschen ja des Jahres 2015 sehr geholfen hat. Also die Gäuser, wenn ich jetzt so über meine Gäuser und Gäuserinnen sprechen darf, haben auch eine sehr starke Verbundenheit, eine Hilfsbereitschaft auch untereinander. Also dieses Dorfgefüge hält. Aber das führt wieder zu Ihrer Frage. Die Frage ist, wie lange? von demokratischen Instanzen. Und was halt immer in der Gegend sehr verbreitet ist, ist das Bashing auf Wiener, Wienerinnen, das, was von außen kommt. Und da gibt es natürlich jetzt auch in der Kulturhauptstadt, was wollen die da? Und wir haben unsere eigene Kultur. Das ist vielleicht ein bisschen die provinzielle Note, die ist. Jetzt ist die Frage, wie handelt Politik? Und welche Kräfte sind hier jetzt konstruktiv? Das führt wieder zurück zur amerikanischen Wahl natürlich. Wie konstruktiv können auch politische Gegner miteinander umgehen? Es ist auch eine große Unzufriedenheit und eine weiter wachsende Unzufriedenheit gegenüber dem, was viele Menschen als Globalisierung verstehen. Deshalb artikuliert sich ja gerade auch im Salzkammergut in Hallstatt beispielsweise auch neuerdings sehr viel Protest, skurriler Protest auch gegen Tourismus, wie wir es jetzt mittlerweile auch in Barcelona und anderen europäischen Städten erleben. Auch das ist ja eine sehr interessante Bewegung, wenn man sagt, okay, wir wollen eigentlich wieder eher zurück zu den Wurzeln, wir wollen nicht das Internationale, das uns hier überhäuft. Und vielleicht auch zum einfachen Leben. Das kann ja durchaus positiv sein. Und natürlich Hallstatt, das ist eine schreckliche Geschichte, was hier abläuft. Das Spannende ist, dass sich natürlich hier auch verschiedene politische Kräfte wieder einen Vorteil sehen, indem sie das befeuern. Das haben wir bei Covid gesehen oder auch bei anderen Themen. Das kann auch beim Hochwasser sein. Das wird sofort alles instrumentalisiert, verwendet, gegen, und das ist das Abstruse, gegen das politische System. Also es gab ja jetzt auch in Österreich Stimmen zur amerikanischen Wahl, die gesagt haben, na das haben die Eliten jetzt davon. Und mit Elite ist gemeint, die moderne, wenn man so will, Transgender-Bewegung, urbane Verhältnisse, Feminismus, diese ganzen, das wird als die Eliten bezeichnet, wobei natürlich, was ist mehr Elite als die Republikaner? Ja, das wird natürlich auch bewusst sehr vielfach mit Angst verbunden, das ist das Erfolgsrezept der Politik der Angst, aber kommen wir auf ein anderes Thema zu sprechen, mit dem Sie ja sehr unmittelbar zu tun haben, als Präsidentin des PEN-Clubs. Wenn wir uns den historischen Nationalsozialismus vor Augen führen, haben wir viele erschreckende, sehr starke Bilder, unter anderem auch jenes der Bücherverbrennung, die uns ja eine große Mahnung sein soll oder als Mahnung erhalten bleiben soll. Jetzt sind wir natürlich aktuell von Bücherverbrennungen weit entfernt, aber was mich sehr wohl interessiert, weil ich es zum Teil gar nicht so genau weiß, wie steht es denn um Literatinnen und Literaten heute? Man weiß natürlich, dass beispielsweise in tatsächlichen totalitären Systemen Schriftstellerinnen und Schriftsteller schnell einmal auch als Dissidenz verfolgt werden, vertrieben werden, inhaftiert werden, misshandelt und so weiter. Was können Sie da als Painglub tun? Wie schaut die Gefahrensituation im Augenblick tatsächlich aus? Und erschwert auch aktuelle Medienentwicklung die Lebenssituation, die Arbeitssituation für Literatinnen und Literaten? Wenn ich daran denke, dass ja heute gerade auch viele junge Menschen sehr viel auf Social Media konsumieren und eher weniger zu Büchern greifen. Wie wirkt das alles ineinander Ihrer Meinung nach? Also es gibt ja nichts Politischeres als ein Gedicht über Natur. Da kann so viel drinnen sein. Und genau das, was zwischen den Zeilen steht, wie Begriffe verwendet werden, wie Bilder verwendet werden, das macht natürlich autoritären Charakteren, wenn man diesen alten Begriff verwenden will, besonders viel Angst. Das ist nicht gut zu kontrollieren. Der PEN-Club ist ja eine Organisation, die in 140 Ländern vertreten ist. Es wurde 1921 in London gegründet und hat eigentlich von Anfang an in seiner Charter die freie Meinung, das freie Wort hochgehalten. Und das ist ja etwas, was ja besonders gefährlich ist, zumal es ja auch Menschen auf eine Art und Weise erreicht, die man nicht kontrollieren kann. Das heißt, wir haben momentan mit einer äußerst angespannten Situation weltweit zu tun. Die Demokratien werden ja auch nicht mehr. Denken wir an Argentinien. Wir haben auch sehr viele Fälle in Peru, in Chile und oft auch in Kombination mit Aktivistinnen und Aktivisten für die Umweltbewegung. Journalisten, die schreiben, aber auch Essayisten und natürlich auch Lyriker. Also in der Türkei sitzen kurdische Lyriker im Gefängnis. Da gibt es einen Fall, Ilhan Cormac, der sitzt seit 30 Jahren und wird verdächtigt. Eine Brandlegung wurde unter Folter gezwungen, hier ein Geständnis abzulegen. Jetzt wäre er wieder freigekommen, ist wieder nichts geworden. Und da sitzen einfach tausende Autorinnen und Autoren weltweit. Was wir machen können, wenn wir rechtzeitig an dem Fall dran sind, können wir eine Urgent Action machen, das heißt sofort intervenieren. Wir arbeiten da ähnlich wie Amnesty, nur, das ist auch unser Thema, ich habe den Eindruck, es wird immer schwieriger, hier etwas zu bewirken, denn es ist eigentlich Diktaturen ziemlich egal, wie die internationale Meinung ist. Und wir haben ja auch am Fall Nawalny gesehen, und da könnte ich jetzt viele andere ähnliche aufzählen, die Menschen gehen zugrunde. Und das ist schon etwas Erschreckendes, da sind wir wieder bei dem Thema, was mutlos macht. Thema, was mutlos macht. Manchmal gelingt es allerdings, Folter zu verhindern und auch die Todesstrafe. Aber das ist ein Fall von sehr vielen. Es befinden sich ja aktuell auch viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller auf der Flucht. Das ist ja auch ein Thema, für das es immer wieder Bewusstsein braucht. Das ist ja gar nicht so leicht zu erkämpfen. Es hat sich auch gerade in unserem Lande in den letzten Jahren auch eine gewisse Abnutzung ergeben, dass kaum jemand will das noch hören. Welche Besonderheiten bringen Schriftstellerinnen auflos zu sein, sozusagen entwurzelt zu werden per Gewalt und irgendwo Zuflucht zu finden oder suchen zu müssen? Es ist eigentlich eine Katastrophe, weil es ja meistens mit dem Verlust auch der Sprache, in der geschrieben wird, zusammenhängt. Und in Österreich ist es leider so seit vielen Jahren, wir hatten einige Fälle auch in Belarus, wo ja wirklich Autoren unter Lebensgefahr schreiben und Österreich hat hier ganz die normalen Asylverfahren beziehungsweise ein Visum zu bekommen für Writers in Exile, dass jemand hier auch einmal untergebracht wird auf ein, zwei Jahre ist kaum möglich. Und das finde ich schade, weil Österreich hat sehr wohl zur Zeit des Kalten Krieges sehr, sehr viele Autorinnen und Autoren aufgenommen. Milodor, um nur einen zu nennen von vielen, die hier, Václav Havel und so weiter, die hier schreiben konnten, die hier in Sicherheit waren. Und diese Möglichkeit gibt es jetzt eigentlich kaum mehr oder sehr wenig. Ich darf kurz erwähnen, dass vor gar nicht allzu langer Zeit hier eine tschetschenische Journalistin zu Gast war hier im Studio, Maynard Kurbanova, tschetschenischen Ursprungs. Die hat erzählt, auch vor Kameras, dass der PEN-Club sie in Sicherheit gebracht hat, damals nach Deutschland, und sie heute hier ein Leben in Sicherheit führen kann und sozusagen sich etwas aufbauen konnte, was ihr so ohne die Unterstützung des PEN-Clubs in diesem Falle natürlich nicht möglich gewesen wäre. Sie haben schon gesprochen, auch im Zusammenhang mit den Literatinnen von Journalistinnen, Journalisten, die ja ähnliche Erfahrungen machen. Sie haben sich dankenswerterweise bereit erklärt, für diese Zeitschrift in diesem Sommer einen Beitrag zu schreiben. Ich halte diese Zeitschrift gerade deshalb mit großer Freude in die Kamera, weil es ist ein Produkt aus dem Hause von DorfTV in Zusammenarbeit mit den fünf freien Radios hier in unserem Bundesland und dieses Heft erscheint immer einmal in fünf Jahren, nämlich immer vor einer Nationalratswahl. Das ist sozusagen unser großes mediendemokratiepolitisches Statement. Und wir haben sie damals ersucht, einen Beitrag zu schreiben zum Thema, wie eigentlich Menschenrechte, wie der Umgang mit Menschen mit migrantischem Hintergrund oder auch mit Flüchtenden Niederschlag findet in österreichischen Medien. Und Sie haben im Grunde genommen auf zwei Seiten, das ist sehr, sehr eindrücklich zu lesen, Sie beginnen sozusagen mit Ihren Erfahrungen in der Wiener U-Bahn bis hin, dass Sie dann auf einen meines Erachtens sehr, sehr wichtigen Punkt zu sprechen kommen, denn sie sind eigentlich fast schonungslos mit ihrer Kritik an der Berichterstattung, der mehrheitlichen Berichterstattung in unserem Lande gegenüber Menschen, die mit migrantischem Hintergrund zu uns kommen oder die flüchten müssen. Sie schreiben hier regelrecht von einer Stigmatisierung, die vor allem in Schlagzeilen und im Framing und auch sehr, sehr hetzerischen Begrifflichkeiten ihren Ausdruck finden. Ich darf das kurz zitieren, dass diese Formen der Berichterstattung vor allem auch jenen politischen Kräften Aufwind verschaffen, die existierende soziale Problematiken im Grunde nicht lösen möchten, sondern als Vorwand nutzen, um Menschenrechte einzuschränken. zu Widerstand in der zweiten und dritten Generation der Migranten. Es kommt zu Schulverweigerung, Bandenmitgliedschaften, Abdriften in islamistische Milieus und der Ablehnung demokratischer Werte, was wiederum die negative Berichterstattung neuerlich befeuert. Dabei wird bei der Jagd nach den Klicks, die den Marktwert der Boulevardblätter steigern sollten, vergessen. Und das ist jetzt eigentlich der entscheidende Punkt. steigern sollten, vergessen. Und das ist jetzt eigentlich der entscheidende Punkt. Die Medien sind von den Folgen einer Politik, die Menschenrechte demontiert, als erste und direkt betroffen. Das ist eigentlich eine schallende Ohrfeige, wenn ich das richtig lese. Aber erstaunlich ist es, man kann noch davon ausgehen, dass doch sich in den Redaktionsstuben unserer Republik eine ganze Menge sehr kluge Köpfe befinden. Warum spielen die da Ihrer Meinung nach mit? Naja, es kann auch sein, dass die ökonomische Situation einer Zeitung hier eine Rolle spielt. Das kann sein Inserate, das können sein aber auch Medienunterstützungen, das ist ganz klar. Das wissen wir ja auch von den Boulevardblättern, wer hier finanziert. Es gibt natürlich Qualitätsmedien, die aber wiederum auch sehr abgewertet werden. Alsoht man ja auch, dass viele Zeitungen eingestellt worden sind und auch in ihrem Umfang drastisch reduziert. Wer heute die Presse kauft oder die Salzburger Nachrichten, hat ein dünnes Blättchen in der Hand. Also da sieht man ja auch, in welche Richtung es hier geht. Und auf der anderen Seite aber auch, dass Journalisten, Journalistinnen hineinfallen in eine sehr oberflächliche Berichterstattung und auch die Sprache komplett verändert haben in den letzten Jahren. Und das ist etwas, Messer, Migranten und solche Sachen. Die Edith Meinhardt hat ja ein wunderbares Buch geschrieben, Cop und Che, da geht es um einen tschetschenischen jungen Burschen, der nach Österreich geflüchtet ist während des Zweiten Tschetschenienkrieges und sie beschreibt auf eine minutiöse und wunderbare Art und Weise, wie er auch enttäuscht wurde in dieser Gesellschaft und wie auch die Berichterstattung über Tschetschenen, wenn man sich das anschaut, wie in den letzten 20 Jahren hier berichtet wird, hat man den Eindruck, das sind alles Leute, die gewaltbereit sind, die untereinander furchtbar sind, die Kriege führen und Frauen hassen. Und ich glaube, das ist auch so eine fulfilling prophecy zum Teil, dass die jungen Menschen sich aber auch dann wirklich im Banden oder auch als Gegenwehr zusammenfinden. Ich möchte niemanden hier exkulpieren. Natürlich, ich habe auch mal im Jugendgefängnis gearbeitet als politische Trainerin und diese ganze islamistische Sache oder wenn sie so kippen in ihren politischen Haltungen, das ist was Schlimmes und da muss man drauf schauen. Aber die Medien tragen für die Wahlergebnisse und auch für das, wie Menschen landläufig so denken, über Migranten, Migrantinnen schon einen Gutteil an Schuld. Denn wenn es eine positive Berichterstattung wäre, dass ein junger Tschetschene eine Bäckerei aufmacht oder an der Uni studiert oder es wären die Bilder immer düsterer. Und das erinnert mich dann auch an FPÖ-Sendungen, wo man sieht ein Minarett und irgendwelche Leute mit schwarzem Bart und dazu düstere Musik. Und das kann man sich dann auch in der Bilderwelt von vielen Journalisten so vorstellen. Und wir haben ja die Ausländerfeindlichkeit, um diesen Begriff zu verwenden, ja eigentlich seit Beginn der 80er Jahre, die eigentlich nie aufgehört hat. Und das wirkt sich irgendwann einmal aus. Aber wo sind die Auswege zu finden? Also dieser Druck der Ökonomisierung, dass alle Medienprodukte heute finanziert werden müssen, dass der Markt sehr schwierig ist. Wir haben diese starke Dominanz jetzt auch sozusagen der digitalen Player, der sozialen Netzwerke, die eigentlich auch sehr, sehr viel an Werbegeld absaugen. Das ist auch immer ein Argument hier in Österreich. Aber ist das alles so einfach heranzuziehen und zu sagen, okay, so viele Redakteurinnen und Redakteure legen da jetzt eigentlich ihr Rückgrat ab an der Garderobe und spielen da mit? Oder was könnte denn eine Möglichkeit sein, ein möglicher Weg sein, um da rauszukommen? Wäre das etwas, wo man tatsächlich auf breiterer Basis an Leute appelliert, auch an Zivilgesellschaft in all ihrer Diversität? Bitte konsumiert Medien, bezahlt dafür, dass hier quasi noch sowas wie der redaktionelle Journalismus, man nennt es im Fachbegriff Legacy Media, gestärkt werden oder ist das nur ein kleines Modell unter vielen, das in Österreich sowieso nur schwer funktionieren kann? Wo sehen Sie denn so Möglichkeiten, dass man wieder dieses kritische Bewusstsein, auch der eigenen Selbstreflexion, wie werden Schlagzeilen geschrieben? Muss Clickbaiting immer sein, dass das nicht auch ein bisschen ein Stück weit stärker noch gefördert werden kann? Ich fürchte, der Trend geht genau in die andere Richtung. Wir wissen ja, dass es in zehn Jahren kaum mehr Printmedien geben wird. Es wird ja alles digitalisiert im Netz und dass ja immer weniger Leute sich auch ein Foto anschauen oder ausführliche Artikel lesen, weil die Lesekompetenz weniger wird. Und da beißt sich sozusagen der Hund in den Schwanz oder wie auch immer. Das ist natürlich die ganze Bildungsproblematik, die wir haben, dass immer weniger Leute auch sinnstiftend lesen können. Und diese ganzen Entwicklungen, das ist natürlich genau in diese Richtung, dass man sich nur oberflächlich informiert. Und wenn ich heute in einer Schulklasse bin und frage, was schaut es euch an, dann ist das meistens TikTok, wo die Informationen herbezogen werden. Also da sehe ich eher düster. Was auf jeden Fall man machen kann, sind Blogs. Aber wie gesagt, das ist auch wieder nur für eine ganz bestimmte Schicht, die sich hier versucht, auch alternativ zu informieren. Dann haben wir die große Palette mit den Medien, die ja schon parteipolitisch unterstützt sind, mit dem sogenannten Parteifernsehen oder Nachrichtenformaten, die alternative Nachrichten bringen. Also ich glaube, wir sitzen da ganz schön in der Malese drin. Ich könnte Ihnen jetzt gar nicht sagen, das und jenes muss man machen, weil da kommen mehrere Zeitphänomene eben zusammen, dass man sich nur schnell informiert, durchklickt, durchscrollt, wie ich es auch in dem Artikel geschrieben habe. Also ich denke, was man auf jeden Fall von staatlicher Seite machen kann, dass man die Medienförderung verstärkt, sich da nicht beirren lässt und weiterhin versucht, Qualitätsmedien zu unterstützen. Aber die Frage ist, wer liest das dann noch? Und wenn ich die eine Generation nach uns ansehe, die lesen den Kurier auch nicht mehr. Aber interessanterweise, es gibt das Anschauungsbeispiel der USA, da ist ein Wahlerfolg von Donald Trump immer ein Garant dafür, dass dann die Abo-Zahlen bei New York Times oder Washington Post enorm ansteigen. Das heißt, die Leute haben ja deshalb nicht mehr Zeit. Oder diese hunderttausenden Neuabonnentinnen, die haben ja jetzt nicht alle mehr Zeit, das zu lesen, sondern die nützen das ja auch als ein politisches Statement, dass sie sagen, das ist eigentlich unsere kleine Form von Protest. Das ist richtig. Also diese Form von Widerstand, die ist dann da. Trotzdem würde ich sagen, Sie glauben ja nicht im Ernst, dass dann Trump-Wähler die New York Times abonnieren. Es wäre schön oder sagen, schauen wir mal. Aber ich denke, was Sie angesprochen haben, die Zivilgesellschaft, die hier wieder stärker wird, durchaus jetzt auch auf die Straße geht, auch sichtbar wird. Aber man hat es auch gesehen im kulturellen Bereich, also in der ersten Trump-Ära, wie viel da entstanden ist. Wir haben es halt mit immer stärker abwertenden Nachrichtenformaten zu tun, die das ja auch, wie man auch gesehen hat an der Europäischen Kulturhauptstadt, kann man einiges kritisieren. Könnten wir zwei uns lang unterhalten. einiges kritisieren, könnten wir zwei uns lang unterhalten, aber eine generelle Abwehr von etwas, was von außen kommt, was international ist, was auch andere moderne, urbane Perspektiven gibt, das ist schon sehr stark ausgeprägt. Weil ja eben auf der anderen Seite, wir es mit Angst, mit Frust zu tun haben und die Leute natürlich auch ein gewisses Bashing haben, das kenne ich nicht, das will ich nicht, das könnte mich gefährden, irritieren oder sonst irgendwie gefährlich werden. Also das ist eine wirklich schwierige Situation und vergessen wir nicht dazu die ganze Klimakatastrophe. Die macht auch was mit einem kollektiven Emotionshaushalt. Da ist eine Bedrohung und wenn ich mir Niederösterreich anschaue, wie viele Leute da betroffen waren von dieser wirklichen Katastrophe, das wird auch eine große Herausforderung an das demokratische System. Aber gerade natürlich in Niederösterreich waren bei der letzten Nationalratswahl die Zustimmungsraten relativ hoch für jene Partei oder jene politischen Stimmen, die eigentlich den vom Menschen verursachten Klimawandel infrage stellen. So ist es, ja. Das ist die Flucht. Die Flucht nach weiß nicht wohin. Aber das gehört natürlich auch dazu, dass man hier auch die wahrnehmenden Kräfte, die möglicherweise auch eine Änderung der Wirtschaft oder der Produktion oder die Wachstumsfrage stellen, dass man die beseitigen möchte und schwächen möchte. Das gehört schon dazu. Also wir haben hier ja auch so einen Wirtschaftskrieg eigentlich. Und das geht nur halt in die falsche Richtung, dass man diejenigen wählt, die eigentlich nicht sehr auf soziale Rechte oder auf Umweltschutz schauen. Das ist das Paradoxon der Zeit, ja. Das passt gut jetzt zu meiner nächsten Frage. Da machen wir jetzt eigentlich eine große Kiste auf, nämlich zum Thema politische Bildung. Politische Bildung ist ja etwas, das gemeinhung als ein Unterrichtsprinzip verstanden. Das heißt, es ist kein eigenes Fach, sondern sollte eigentlich von allen Fächern aufgegriffen werden. Das ist so ähnlich wie mit der Sexualerziehung, das auch dann sozusagen durch alle Fächer quer durch behandelt werden sollte. Und dann macht es oft mal gar niemand. Die Unzufriedenheit ist sehr groß in Österreich mit der politischen Bildung, vor allem, weil gerade in diesem Land auch sehr große Furcht herrscht. Es könnte zu stark ins Parteipolitische gehen und dass ja quasi die Jüngsten unserer Gesellschaft schon an eine oder andere Partei herangeführt werden. Dennoch, sie sind ja selber tätig in der politischen Bildung. Ich vermute mal, sie zerbrechen sich viel mehr den Kopf als ich, was denn geeignete Konzepte seien, was politische Bildung alles umfassen sollte, be schwierigen Krisenzeiten, wo eigentlich das Vertrauen in Lösungsfähigkeit auch von Politik zunehmend schwindet, wie können wir politische Bildung da überhaupt noch stärker verstehen und auch zum Einsatz bringen? und auch zum Einsatz bringen. Einmal grundsätzlich. Politische Bildung ist nicht gleich politische Bildung, was jetzt die schulische betrifft. Ich habe Klassen erlebt in Gymnasien, die sind toll drauf. Die interessieren sich für Politik, da funktioniert politische Bildung, da gibt es auch unglaublich viele Projekte, da gibt es auch gute Materialien von Zentrum Polis, das übrigens auch zum Wiener Forum für Demokratie und Menschenrechte gehört. Das sind engagierte Lehrer. Dann gibt es natürlich die neuen Mittelschulen, die NMS. Und da schaut es schon wieder ganz anders aus, weil die natürlich erstens einmal ein ganz anderes Milieu an Schülern und Schülerinnen haben und einfach vom Bildungsstand her komplett anders sind. Also das Traurige ist, das stimmt mich wirklich oft sehr trüb, wenn ich gehe aus der NMS raus und denke mir, die sind jetzt auch 14. Ich war eine Woche vorher in einem Gymnasium, die waren auch 14. Das sind Wänden dazwischen. Und diese Trennung in Österreich zwischen denen, die in NMS gehen, gibt auch gute NMS, aber ich rede jetzt mal so vom Schnitt, und denen, die in höhere oder weiter höhere Schulen gehen, das macht enorm viel aus. Und wenn man so eine Klasse sieht, wo auch 14-, 15-jährige Mädchen, die wissen nicht, was die Fristenlösung ist, die wissen nicht, wer Bundespräsident ist, also wie man halt so diese Straßenbefragungen auch ablaufen. Da ist nichts. Da ist null. Das Einzige, was vielleicht ist, ist ein bisschen das Ausländerthema, Umweltthema schon nicht, ein bisschen Tierschutz. Und das ist blank. Und das ist aber ein großer Bevölkerungsteil, abgesehen davon, dass auch in den Schulgassen ja oft die meisten gar nicht wählen können. Also machen mal politische Bildung in einer Klasse, wo 80 Prozent sagen, ja, ich kann in diesem Land gar nicht wählen. Und das sind so Problemfelder. Sie meinen, weil Sie das Alter noch nicht erreicht haben oder weil sie keine Staatsbürgerschaft haben? Weil sie keine Staatsbürgerschaft haben, ja. Weil sie keine Staatsbürgerschaft haben und das macht auch etwas. Aber man muss sagen, Kinder, Jugendliche, die auch wenig Ahnung von Politik haben oder sagen, ich interessiere mich nicht dafür, sind aber auch sehr sensitiv, wie sie Politik sehr wohl betrifft. Und da kann natürlich spannende politische Bildung ansetzen, zu sagen, was geht denn euch was an, was betrifft euch denn? Was nicht so gut wirkt, ist, wenn man dann klassische politische Bildung, wo du halt so ein Blattl hast und ausfüllst, wie viele Leute sitzen im Parlament, diese wissenspolitische Bildung, aber die ist ohnehin, wird nicht gemacht. Und die Lehrer können gestärkt. Sie haben das völlig richtig angesprochen, dass ein gewisser Druck nur nicht mit Parteien in Berührung kommt. Ich habe nie verstanden, wie man politische Bildung machen kann, ohne über die Parteien zu sprechen. Das heißt aber nicht, dass man parteiisch ist, aber das gehört einfach dazu. Also auch ein Selbstbewusstsein gehört gefördert. Es ist ja widersinnig, weil wir in Österreich sehr ausgeprägt einen von Parteien getragenen, sozusagen demokratischen Zustand haben. Ein Parteienstaat und das macht das natürlich dann umso schwieriger. Gerade jetzt, wo ja Parteien auch so in Missgericht in die Kredit kommen, als Altparteien, Systemparteien, die wollen wir gar nicht und so. Umso wichtiger ist es zu erklären, was machen die eigentlich? Aber bleiben wir noch ganz kurz bei dem von Ihnen so wichtig angesprochenen Thema der Exklusion. Also es gibt Unmengen, ich glaube, bei der letzten Nationalratswahl waren es knapp 1,5 Millionen Menschen, die grundsätzlich das Wahlalter hätten, die hier in der Gesellschaft verankert sind, die Steuern zahlen, sich teilweise engagieren in Vereinen und dort und da, aber sie haben kein Wahlrecht. Wenn Sie das jetzt weiterdenken, wir haben einerseits eine stetig wachsende Bevölkerungsanzahl, gleichzeitig aber quasi immer weniger Wahlberechtigte. Es waren ja schon 2024 50.000 weniger als noch 2019. Wohin geht das? Wohin geht diese Reise? Wo sehen Sie da quasi die Gefahren, wenn wir das einfach so beibehalten, ohne in irgendeiner Form etwas zu verändern, mehr auf Partizipation zu setzen? Wo werden wir da landen? Ja, das ist eine wirklich gute Frage. Ich fürchte, dass sich viele, wie aber auch der sogenannten Mehrheitsbevölkerung, viele auch von Politik abmelden werden. Die sagen, es interessiert mich jetzt nicht, was eine Möglichkeit wäre. Und da gibt es ja auch schon spannende Projekte, ist es mit Bürgerräten, mit Partizipation im regionalen Bereich, hier Leute einzuladen, mitzugestalten. Da gibt es natürlich einige Versuche schon und ich finde das wirklich spannend. Das kann gut funktionieren, nämlich hier auch Interesse zu wecken und zu zeigen, wenn ich mich einbringe, wenn ich konstruktiv mitarbeite, dann verändert sich auch etwas. Ich glaube, dieses Modell der demokratischen Instanzen, repräsentativ, was ja ganz wesentlich ist, aber hier gehört noch etwas dazu, additiv hinzugefügt, dass Menschen das Gefühl haben, dass sie etwas mitbestimmen können. Wenn man sich den Demokratie-Monitor ansieht, sagen ja 39 Prozent, die Politik funktioniert eigentlich nicht so gut. Und wenn sie dann gefragt werden, warum, dann sagen die meistens, weil wir das Gefühl haben, es hat mit uns gar nichts mehr zu tun. Und das geht auch in diese Richtung. Und wenn man da denkt, dass da hunderttausende Menschen in Österreich gar nicht mehr wissen, wer sie regiert, dann kommen die möglicherweise auch auf blöde Ideen. Auch die, die wählen, kommen auf blöde Ideen. Aber auf blöde Ideen, vielleicht sich anderen Communities, Gruppen anzuschließen, das kann sein religiös, das kann sein was immer auch. die ganz gezielte Auseinandertriften von Gesellschaft, in dem die einen hingestellt werden als, euch wollen wir möglicherweise nicht und die anderen das Gefühl haben, es wird ihnen was weggenommen. Und solange diese Orgeln auch von den Medien bespielt werden, wird es zunehmend schwieriger werden. Wir haben jetzt gar nicht mehr so viel Zeit auf unserer Uhr. Ich möchte ganz gerne von der Gelegenheit Gebrauch machen, Sie hier zu haben, auch in Ihrer Eigenschaft als Schriftstellerin, weil Sie natürlich ein besonders kreativer Kopf sind und vieles, worüber wir jetzt gesprochen haben, ist ja auch darin begründet, dass gerade rechtspopulistische, rechtsextreme Parteien und andere Gruppierungen im Augenblick sehr erfolgreich ihre eigenen Narrative schaffen im Hinblick auf Krisenerzählungen. Es ist diese Krisenhaftigkeit, die sie auf ihre Art und Weise begründen und dann natürlich auch entsprechende Lösungsansätze den Menschen anbieten und wollen dann auch entsprechend gewählt werden. Mir fällt auf, dass es noch immer, wenn wir jetzt alleine das am österreichischen Wahlergebnis ablesen, also mehr als 70 Prozent der abgegebenen Stimmen, muss man ja dazu sagen, sind, die die rechtsextreme Partei FPÖ nicht gewählt haben, dann fällt mir aber auf, dass diese doch einer internationalen Gemeinschaft sind, warum es sich lohnt, viele Sprachen zu sprechen und so weiter und so fort. Also alles, was weggeht vom Völkischen hin zu einer übergeordneten Idee. Warum ist es so schwierig? Warum schaffen es auch Schriftstellerinnen und Schriftsteller nicht? Warum bleiben die dann letztlich doch auch in ihren Elfenbeintürmen, Journalistinnen und Journalisten teilweise auf völlig verlorenen Posten und letztlich wir wahrscheinlich auch mit unserem unablässigen Bemühen im Rahmen unserer Möglichkeiten von DorfTV? Also ich muss da ein bisschen widersprechen, weil es gibt natürlich zahlreiche Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die sich sehr wohl mit diesem Zeitthema befassen. Ich denke da auch an Robert Menasse nicht zuletzt und auch andere natürlich, die sich dieser Themen annehmen und vor allen Dingen auch migrantischer Thema, Fluchtgeschichten, Vergangenheitsgeschichten und so weiter. Was ich in dem Zusammenhang gerne erzählen möchte, wir haben vor einem halben Jahr die Plattform der Werter Demokratie gegründet. Hat begonnen mit dem PEN-Club, mit der IG Autorinnen und Autoren, mit der Grazer Autorenversammlung und dem Schriftstellerverband. Und wir haben gesagt, wir wollen uns der Sprache annehmen. Also dieser, ob das jetzt der Volkskanzler ist, die Lügenpresse und so weiter. Und wir sind so auf circa 100 Begriffe gekommen, die in den letzten Jahren in den Sprachgebrauch eingesickert sind, die auch durchaus schon medial verwendet werden, aber von den Leuten sowieso. Und die haben wir begonnen, mit Kollegen, Kolleginnen zu analysieren. Und mittlerweile haben sich jetzt schon über 50 Autorenverbände, so viele gibt es in Österreich, aber auch der Deutsche Pen, angeschlossen. Und wir publizieren regelmäßig Aufsätze, Essays, Stellungnahmen zu diesen, ich denke da an Viktor Klemperer, der über die Sprache des Dritten Reichs so wunderbar geschrieben hat und auch tief analysiert hat, was denn Sprache in den Köpfen und letztlich dann auch bei den Wählern, Wählerinnen anrichtet und das geht gut. Zunächst haben Kollegen gesagt, na, also wir schreiben, wir wollen uns hier nicht politisch positionieren. Aber es ist uns gelungen, wir haben, glaube ich, jetzt an die 80 Beiträge und es wird auch eine Publikation geben. Wir setzen uns damit auseinander. Was bedeutet denn das, wenn Politiker sagen, die Frauen müssen ausgepeitscht werden? Und was bedeutet denn das, wenn jemand vom tiefen Staat spricht? Also ich denke, da kann ein Schriftsteller haben natürlich ein besonderes Gefühl für Sprache und das, was auch mit gemeint ist. Und ich denke, das ist eine Stärke, hier aufmerksam zu machen. Auch in der Hoffnung, dass das durchaus Aufmerksamkeit findet. Aber laufen wir nicht Gefahr, da ein bisschen Eulen nach Athen zu tragen? Ich hatte eine ähnliche Diskussion mit Nina Horacek und Robert Reichler. Beide haben vor der Wahl sehr kritische Bücher über Herbert Kickl gemacht. Aber im Grunde genommen ist das wiederum ein Beitrag zur Selbstvergewisserung all jener, die ohnehin immer schon sehr kritisch kickelig übergestanden sind. Und auch bei Ihrem Fall fällt mir ein, Sie werden viele Menschen erreichen, aber jene Menschen, die ohnehin schon ein sehr kritisches Bewusstsein für den Umgang mit Sprache haben. Also hier würde ich auch ein bisschen mehr zu Selbstbewusstsein aufrufen. Ich denke, dass wir uns ja auch sortieren müssen. Wir haben ganz am Anfang gesagt, man ist mutlos, man ist frustriert, um Gottes Willen, was kommt jetzt? Und sozusagen das wahnsinnig fette Beute. Also wenn man sich anschaut, wer hier aller im Kabinett von Trump sitzt, dann sagt man, das gibt es überhaupt nicht. Das ist kein schlechter Traum, Kabarett oder was immer. Und zum Beispiel, wenn ich die Omas gegen rechts ansehe, die bekommen jetzt den Menschenrechtspreis der österreichischen Liga für Menschenrechte. Das sind über 1000 ältere Frauen zwischen 55 und 85. Und die sagen, wir stehen dort. Na klar werden wir komisch angeschaut. Wir werden immer mehr. Aber die haben ein Narrativ. Die können auf die Geschichte verweisen, die sie selber miterlebt haben. Und können sagen, okay, wir sind eure Testimonials. Wir sind eure Zeitzeuginnen. Setzt euch um uns herum. Wir tauschen uns mit euch aus und so weiter. Das ist eine Geschichte, die sie zu erzählen haben. Aber so viele anderen fehlt diese Geschichte. Ja, aber die hören ja da die Geschichten oder wir zwei haben ja auch Geschichte. Wir haben ja auch erlebt, von der Kreisky-Ära bis in die Gegenwart. Wir haben den Jörg Haider erlebt und wir haben auch den Ibiza-Urlauber erlebt. Wir haben ja alles schon erlebt. Also wir können ja auch Erfahrungen weitergeben. Aber ich will nur sagen, das, was wirklich hilft in der politischen Bildung, aber auch in der intellektuellen Auseinandersetzung mit Zeit, sind Menschen, die eine klare Kante haben, die klar sagen, das will ich und das will ich nicht. Und da bin ich sehr positiv, also würde ich den Job nicht schon so lang machen, dass ich glaube, dass Menschenrechte, Demokratie, Solidarität, dass das etwas sehr Attraktives ist. Und ich habe noch nie einen Rassisten oder auch, wenn man will, getroffen, der Menschenrechte negiert, der nicht doch daran auch etwas Gutes finden kann. Und ich würde das jetzt nicht so aufgeben, sondern ich glaube, je besser wir für etwas einstehen, je klarer, ohne Feindbilder selbst zu bedienen, schwierig, schwierige Sache, umso eher sind wir vielleicht auch Zeitzeugen, die dem widerstehen. Also ich würde hier durchaus hoffnungsfroh sein. Und vielleicht die anderen sind ja auch schon ziemlich dämlich, auch in ihrem Verhalten. Ich glaube, das eine oder andere wird sich von selbst erledigen. Und ob sich der Herr Trump mit dem Herrn Musk wirklich so gut versteht, das werden wir ja sehen. Denn eines haben Diktatoren an sich, sie vertragen kann Zweiten. Das ist richtig. Das ist jetzt ein nahezu perfektes Schlusswort und ich nehme es als Schlusswort. Wir sind nämlich am Ende der Sendungzeit. Vielen herzlichen Dank, Marion Wiesinger, Historikerin, Autorin, Präsidentin des PEN-Clubs. Sehr gerne. Historikerin, Autorin, Präsidentin des PEN-Clubs. Ja, Sie sind ja heute am Abend noch einmal zu hören und zu sehen, zu erleben, nämlich um 19 Uhr im Wissensturm. Dann sprechen Sie über Bad Ischl und was letztendlich auch da an Gefahren für die Demokratie eventuell abzuleiten ist. Welche Lehren können wir aus unserer Gegenwart ziehen? Ja, danke schön, dass Sie da waren. Danke schön natürlich auch wieder den Zuseherinnen und Zusehern von DorfTV, Dankeschön, dass Sie da waren. Dankeschön natürlich auch wieder den Zuseherinnen und Zusehern von DorfTV, die mit großem Interesse dabei waren. Es geht allmählich dem Jahresende entgegen. Ich darf mich sozusagen für heute mal verabschieden in dieser Sendereihe aus dem Jahr 2024. Im nächsten Jahr geht es dann weiter. Dennoch darf ich Sie ersuchen. Bleiben Sie dem Sender des Vertrauens, nämlich DorfTV, auch weiterhin gewogen. In diesem Sinne noch einen schönen Tag und auf Wiedersehen.