Hätten bei dieser Nationalratswahl nur Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft gewählt, wäre die SPÖ mit 36,8 Prozent Wahlsiegerin. Das ist zumindest das Ergebnis der diesjährigen Pass-Egal-Wahl, die Menschen ohne Wahlberechtigung zur Wahl aufruft. Bei dieser Nationalratswahl dürften 1,5 Millionen Menschen, die in Österreich leben, nicht wählen. In Wien sind es sogar mehr als ein Drittel der BewohnerInnen, die von den Wahlen ausgeschlossen werden. Obwohl sie hier arbeiten, Steuern zahlen und sich gesellschaftlich beteiligen, werden diese Personen einfach nicht nach ihrer politischen Meinung gefragt. Was ihnen fehlt? Der österreichische Pass. Und den muss man sich erst einmal leisten können. Für den Einbürgerungsprozess muss man ein monatliches Einkommen von 1.100 Euro abzüglich Miete und Nebenkosten vorweisen. Für den zeitintensiven Einbürgerungsprozess sind dann nochmal 2.000 Euro zu zahlen. Die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft bedeutet also nicht nur eine riesige bürokratische Hürde, sondern ist auch extrem teuer. Laut dem Migrant Integration Index ist die österreichische Einbürgerungspolitik übrigens gemeinsam mit Bulgarien die restriktivste in ganz Europa. Im internationalen Vergleich gibt es nur zwei Staaten, die noch restriktiver als Österreich sind und das sind Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Mit so einer strengen Einbürgerungspolitik haben es vor allem sozial schwächere Gruppen wie junge Menschen oder ArbeiterInnen in prekären Verhältnissen es schwer, ein Wahlrecht zu erlangen. Dadurch wird die demokratische Repräsentation in unserem Land völlig verzerrt. Die Interessen von Menschen ohne Wahlrecht werden deshalb von der Politik viel öfter vernachlässigt oder ignoriert. Wie kann es sein, dass Menschen, die unser Land mittragen, keine politische Stimme haben? Sie sind genauso von politischen Entscheidungen direkt betroffen, können aber nicht über diese mitentscheiden. Für dieses Demokratiedefizit existieren aber Lösungen. Die Staatsbürgerschaft könnte beispielsweise vom Wahlrecht entkoppelt werden. So ist es zum Beispiel in Neuseeland, wo jede Person, die länger als ein Jahr hier lebt, auch wählen darf. Die zweite Lösung ist, dass die antiquierte österreichische Einbürgerungspolitik endlich gelockert wird.