Yeah. So, liebe Damen und Herren, bitte meine verzwickten Augen nicht falsch verstehen. Sie sehen es, glaube ich, nur wir stehen im prallen Sonnenschein. Weil es ist heute ungewohnt schön. Weil es ist heute ungewohnt schön. Vom Spirit her passt es gar nicht zu dieser Stadt, in der man eigentlich sehr gut zu Hause sitzen gerne anschließen, den heutigen Abend der Karin, der Frau Professor, die glaube ich, sie sehr wünschen daran, dass wir es heute einfach voll schön haben. In diesem Sinne schauen wir, dass wir es heute sehr schön miteinander haben und ein Hoch auf die Karin lieb. So, und es kann wahnsinnig wenig passieren in Sachen, dass es heute schier wird, weil ich wieder einmal gemäß meinem persönlichen Motto, ich rede, es merkt sich, ich habe jetzt noch ein bisschen, es ist ein wenig eine Überleitung, dass die zu Hause in Linz vor den Geräten schon mit Content befüllt werden, aber es muss ja noch mein Hund daherkommen mit dem Garten. Und bevor es dann wirklich richtig ernst wird, es könnte so wenig Backstage quasi in Schatten gehen. Also das ist halt wirklich, kann ich mal schauen, extra Applaus haben für dieses sich der Sonne aussetzen. Das ist einfach, ich stelle mich so hin, dass ich zumindest die Margot vor der Hautalterung fünf Minuten lang bewahren kann. Bevor ich die Gästinnen vorstelle, möchte ich noch auf den Büchertisch verweisen, der gerade verwaist ist. verwaist ist, aber Aber Tina ist da und sie hat ein liebevolles Auge auf den Büchertisch. Es sind eigentlich, also ich glaube bis auf Gramding lieber Stefan, ist auch von der sagen wir mal wirklich die ganz relevante Literatur der beiden ist heute zu kaufen, nämlich Palmherzen und Triceratops. Das sind quasi die, na Erstlinge, das stimmt ja gar nicht. Also die ersten richtig, richtig einschlagenden Großpublikationen und Palmherzen. Und hier haben wir das Geheimnis meines Erfolges und lauter. Ich habe das angenehme Gefühl, dass ich das jetzt gar nicht extra sagen muss, weil ich werde es ja wohl gelesen haben. Oder kommt ihr unkritisch zu allem, was ich mache? Danke, das wollte ich jetzt hören. Das ist wieder nicht leid, aber wegen der Meindl. Nein, eigentlich möchte ich, dass es umgekehrt ist. So, und das war jetzt die eigentlich extrem unprofessionelle, viel zu stoviale Einleitung. Es ist heute ein schöner Abend. Ich habe DJing bei Meindl vorbereitet. Man kann aber selbst auch, glaube ich, irgendwas einfunken, wenn man das technisch bemeistert, dass man meinen Computer hackt und stattdessen dann ABA oder so einen Schmoren auflegt. Oder wenn man sagt, ich will nur Äffchen und Craigs, Mulmkasser 4 oder Fang den Berg auflegen. Eines von diesen abartigen Sachen, die ihr Wöser so gerne mögt, ihr Chesser. So, lasst uns jetzt bitte kurz professionell werden. Dazu seht ihr mich her. Professionell schaut bei mir eh nur ganz bedingt gut aus, weil nämlich es gab Kommunikationsprobleme zwischen dem Drucker im Wöser-Haushalt und meinem Laptop. Ich möchte jetzt dazu sagen, nicht dass ihr glaubt, dass ich da jetzt E-Mails schreibe oder ins Facebook reinschaue, während ich mit den Gästinnen spreche. Die Wahrheit ist, dass ich da meine Moderation drinnen habe. So wie es eine Tipptopp ist, ist sie drinnen. Ihre Technik, oder? Ist auch so wahr, nicht? Weil es so blend. Also es wird halt unglaublich spannend. Heute wird es wirklich experimentell. Ihr seht eure Texte nicht, weil es so blend. Das wird heute einfach super. Da kann nichts mehr schief gehen. Also, Stefan Reuss, Margit Mössmer sind heute zu Gast. Ich möchte einige Worte noch zu ihren Gemeinsamkeiten verlieren, bevor ich sie vorstelle und dann endlich die Lesung beginnt. ich mir vorstelle und dann endlich die Lesung beginnt. Ich bin jetzt schon in der Mitte meines Lebens, aber nur wenn alles gut geht und eigentlich darf ich da rein rechnerisch Bücher nicht mehr ein zweites Mal lesen. Das ist eigentlich ausgeschlossen. Und ich habe beide, ich habe den Triceratop, die Palmherzen, Geheimnis meines Erfolges, lauter habe ich mir extra aufgehoben, eigentlich alle schon gelesen und jetzt bin ich schon wieder hängengeblieben. Ich habe das, obwohl ich es letztes Jahr erst gelesen habe, Geheimnis meines Erfolges, jetzt das zweite Mal gelesen und die Palmherzen bin ich noch mittendrin und an alles muss ich schon wieder lesen. Also recht viel mehr kann man lobend schon nicht sagen. Ich möchte dieses Lob aber nur ein wenig auf bessere Füße stellen. Es macht sich dann eh noch selbst einen Eindruck nach den wunderbaren Lesungen. Was die beiden verbindet, ist vielleicht beim Triceratops und beim Geheimnis meines Erfolges stark auf der Hand liegend. Es wird erzählt, ganz und gar ungewöhnlich aus der Perspektive eines Kindes. Es hat man so wirklich noch nicht gelesen. Wenn wir Zeit haben, möchte ich darüber mit euch sprechen. Beide schreiben eine wirklich stilistisch vollendete Prosa ohne Schnickschnack. Also das ist künstlerisch höchst wertvoll, aber nicht so, dass man das Gefühl hat, man ist zu blöd. Das ist für mich leider ganz wichtig. Ich bin stöhn, weil ich total blöd bin bei experimenteller Literatur und kuratiere Experimentliteratur. Beide Texten famos im ursprünglichen Wortsinn, also Texten im Sinne von Weben, in dem sie Stränge und Ebenen, wirklich kunstvoll und unterhaltsam, ist ein ganz verfängliches Wort, aber so, dass man wirklich beide AutorInnen erzeugen mit ihren Büchern einen Sog. Ich darf zitieren an Herrn Stephan Haslinger, der da sehr relaxed herumliegt und schaut, was ich so mache, der mich angerufen hat, ich habe mir zuerst gedacht, nur um mir zu sagen, hast du in euren Rolls schon gelesen? Großartig! Und er hat dann scheinbar in einer kurzen Zugfahrt hergelesen und mir ist dann wirklich genauso gegangen, auch das Geheimnis meines Erfolges. Also es wird ein Sog erzeugt, nehmt sich, wenn ihr die Bücher anfangt, bitte dann einmal mindestens einen Tag nichts anderes vor, oder zwei Stunden, je nachdem wie schnell ihr seid. Was ich bei beiden Büchern auch fantastisch gefunden habe, dass sie die große Regel des Show, Don't Tell, befolgen, also nicht irgendwie so lang und blöd auserklären, dass jeder schon checkt, sondern indirekt über kleine Details Großes erzählen. Und worüber wir dann sprechen können, wenn ihr wollt und wann noch Zeit bleibt, oder wir kriegen schon Sonnenstich, darum soll ich es hier dann eigentlich gleich mal lesen. Es dreht sich bei beiden Büchern um das Ich, aber in keiner Weise in egozentrischer Form, sondern wie finde ich mein Ich, wie beschütze ich mein Ich und wie überwinde ich es. Also es geht um Ekstase bei dir oder Meditation und Ekstase. Auf diesem Grad werden wir uns beim Lauter befinden und bei das Geheimnis meines Erfolgs entdeckt sich ein starkes Ich, das von der Welt übelst angegriffen wird. Das ist jetzt eine ganz kurze Zusammenfassung. Ich darf kurz vorstellen, Stefan Reuss, Jahrgang 1983, ein Ottensheimer, der was? Gibt es da jetzt schon Widerspruch. Das ist ja auch schon gar nicht mehr jung. Mag ich das aber wirklich jung, das ist 1982. Also wir haben jetzt, ich möchte es auch immer so jahrgangsmäßig zusammenfassen, dass das Experiment gut geordnet ist. Stefan Reuss ist in Wels schon lange nicht nur bekannt, sondern er ist schon auch geliebt musikalisch. Ich habe schon die vier Bands erwähnt, die mir aktuell einfallen. Heute erst hat er eine neue erfunden, das ist für mich jetzt eigentlich schon gar nichts mehr Ungewohntes. Kassa 4, da können wir auch noch reden. Ich glaube in Wales bist du auch Marienkäfer. Entert mich sehr gut. In Wales zuletzt mit Äffchen und Craigs eine Weltband. Du gibst das nicht zu, aber die ist richtig gut. Als Musiker eine Rampenerscheinung. Als Autor komplett anders. Auch das wird ein Thema sein. Dieses Hin- und her schalten zwischen deiner Bühnenfigur bei der Musik und du als Autor. Ich glaube für dich ist es etwas ungewohnt, eine wirklich reine Wasserglaslesung. Ich meine immerhin Blendzone, aber es macht sonst niemand Musik, während du liest. Aber es macht sonst nicht mehr Musik, während du liest. Sehr gut, das trifft sich gut. Ich schaue noch gerade, was ich zu dir noch... Jetzt hat sich wieder alles verdammt. Warte mal geschwind. Das sind halt Umstände. Ja, ich habe das anempfohlen, aber wenn ich die aufsitze, dann wirkt es zu cool. Das passt mir nicht. Ich sage noch ganz kurz, laer ist ein dritter Roman, die erste Publikation als solches Kramding in der Edition Neue Dexe Linz. Edition Linz, aber ist ein neuer Text gewesen. Ich habe das schon wirklich sehr schön gefunden. Brit Seratups war nominiert für den Deutschen Buchpreis und heuer erschienen quasi jetzt gerade frisch, das ist noch ganz trugfrisch, lauter den ersten Lesungsteil übernimmt aber Margit Mössmer. Gebürtig 1982 in Hollerbrunn, wie das Internet behauptet. Ich glaube, ich habe eben falsch gesagt, nicht, dass meine Überschrift da war, bei der Rezension von Palmherzen ist gestanden, auch Hollerbrunnerinnen können magischen Realismus. Autorin, Kulturvermittlerin, Theaterfilm- und Medienwissenschaftlerin, also studiert und Hispanistik. Palmherzen ist 2019 erschienen. Es ist ein, also wenn Sie nicht daran denken, dass Margit Mössmeier eine gebürtige Hollerbrunnerin und lebhafte Wienerin ist, mir hätte man einreden können, das hätte eine gelernte Ecuadorianerin geschrieben. Fantastisches Buch, wirklich super, sehr gelungen. Aber wir sprechen heute über das Geheimnis meines Erfolges. Soll ich dir noch etwas sagen zum Buch oder möchtest du eines starten? Ich kann gerne starten. Start einfach einmal eine, weil jetzt, Tobi, ist es schon so lange gesprochen. Bist du von der Sonne her? Ja, also ich habe das jetzt modisch nicht mit mir selbst abgesprochen, diesen Hut, aber ich hoffe... Wir können tauschen, ich habe nur ein bisschen mehr Grenzen. Das passt schon. Schaut super aus. Gut. Ja, vielen Dank, Dominika, für diese sehr netten, einleitenden Worte und für die Einladung überhaupt hier nach Wels zu kommen. Das ist wirklich fantastisch. Und du warst noch nie in Wels. Und ich war noch nie in Wales, ja genau. Und ich bin recht beeindruckt, muss ich sagen. Also es kann hier, glaube ich, sehr lustig sein. Genau, das Buch, wie schon gesagt, ist eine Kindheitsgeschichte, deswegen gefällt mir das ganz gut, dass ich hier im Rücken Kinderstimmen höre, die am Spielplatz toben, weil das passt ganz gut zu meiner Figur Alex. Und bevor ich zu lesen beginne, braucht ihr vielleicht nur zwei Infos. Alex, wie gesagt, ist das Ich, das hier spricht. Und die Mama von Alex wird von Alex Nina genannt, also beim Vornamen. Bereit? Die Mama von Alex wird von Alex Nina genannt, also beim Vornamen. Bereit? Langsam gingen Nina die Ideen aus. Die Hebamme, die Ambulanzärztin, der Primarius, der Dr. Birnbacher, Frau Hamidi, der Bachblütenapotheker und der guatemaltekische Schabane, der seine Patienten in einem extra aufgebauten Zelt am Messegelände in unserer Stadt empfing. Sie alle halfen nichts. Patrick war verschwunden und wir waren wieder allein in unserem Zuhause. Wir lagen auf unserer blauen Couch. Ich schrie und Nina weinte. Das Gummiringerl schnürte ihr Handgelenk ein. Die Zimmertüren wurden vom Luftzug aufgedrückt oder zugeschlagen. Der Regen prasselte an die Fensterscheibe. Aus dem Wasserkocher mit dem leuchtenden Kontrolllämpchen strömte der Dampf. Ninas knapp über dem Boden schleifende Schritte, das Fläschchen mit den drei Luftballons darauf, die Babywaage, die Fenster, die Vorhänge, das Gummiringerl an Ninas Handgelenk. Ninas Weinen. Türen, Regen, Wasserkocher, der Schatten der Babywaage, Schritte, Zähne, das Fläschchen, Fenster, Vorhänge, veränderter Lichteinfall, Gummiringerl an Ninas Handgelenk. Türen, Sonnenschein, Fenster, Vorhänge, laute Gasflammen, Gummiringerl an Ninas Handgelenk. Türen, Sonnenschein, Fenster, Vorhänge, laute Gasflammen. Gummiringerl an Ninas Handgelenk. Windeln, Windeln, Wind und Windeln. Türen, Gewitterwolken, Wasserkocher, Schritte, der weiße Fleck auf der blauen Couch. Fenster, Vorhänge, veränderter Lichteinfall. Gekipptes Fenster, nasser Body, Vorhänge, veränderter Lichteinfall. gekipptes Fenster, nasser Body, Vorhänge, veränderter Lichteinfall, Gummiringerl an Ninas Handgelenk, Türen, Regen, durchs gekippte Fenster, Wasserkocher, Vorhänge. Und dann, als einmal das Licht richtig war, erkannte ich Ninas Gesicht und bemerkte, dass sie aufgehört hatte zu weinen. In ihren Augen waren alte Tränen zu Gletschern vereist. Rundherum lag eine weiße, erschöpfte Schneehaut. Manchen Menschen steht so eine abgefrühstückte Traurigkeit unheimlich gut. Und Nina war einer von ihnen. Aber es gab außer mir ja niemanden, dem das hätte auffallen können. Niemand sah Nina. mir ja niemanden, dem das hätte auffallen können. Niemand sah Nina. Eine Plage, wie man in der Bibel lesen kann, geht vielen Menschen etwas an. Ich aber ging nur Nina etwas an. Es fand sich niemand, der sich zuständig fühlte. In der Ausweglosigkeit gibt es für Menschen und Tiere ein paar Möglichkeiten zu reagieren. Man kann sich verstecken, davonrennen, sich totstellen oder kämpfen. Ihre Kampfbereitschaft hatte Nina schon bewiesen. Sie hatte wie eine Löwin für mich gekämpft, wobei dieses Bild etwas Heroisches, fast Freudiges hat. Eine Löwin kämpft mit guten Chancen zu gewinnen. Um Ninas Kämpfen zu beschreiben, sollte man ein anderes Tier hernehmen. Eine Stockente zum Beispiel. Nina kämpfte wie eine Stockente für mich. Das heißt, ihr Baby war ihr ebenso wichtig wie der Löwenmutter Iris, doch sie fand das Kämpfen gar nicht lustig und niemand bezeichnete es als heldenhaft oder sonst wie außergewöhnlich. Es war, was es war. Ein Kampf. Sie kämpfte so lange, bis sie nicht mehr kämpfen konnte und es blieb ihr am Ende nichts anderes übrig, als eine andere Taktik zu versuchen. Sie stellte sich tot. Tatenlos blieben wir in unserem Zuhause hocken und in dieser tatenlosen Stimmung schritt Nina in Zeitlupe durch die Küche, das Schlafzimmer, das Bad. Sie schaute mich mit ihren Gletscheraugen an. In Nina war etwas vereist und ihre Kälte ließ auch mich erstarren. Mein Schreien veränderte sich. Immer öfter blieb es einfach in mir drin und ich schaute nur. Ich schaute den ganzen Tag und begriff. Das Leben bestand aus Dingen. Also lernte ich ihren Namen, ich sortierte sie der Größe nach, ohne sie zu berühren. Während Nina jeden Abend vom Schlaf aufgepickt und verschluckt wurde, als wäre sie ein Wurm und der Schlaf ein Vogel, pickte mich überhaupt nichts auf. Hellwach schaute ich ins Dunkel und ordnete auch nachts die Dinge von groß nach klein und wieder retour, von Verlässlichkeit zu Fadenschein. Ich erkannte, viele von ihnen waren zerbrechlich, die wenigsten verlässlich, die meisten sterbenslangweilig. Die Dinge und damit das Leben langweilten mich zu Tode. Da läutete an einem verregneten Samstagvormittag Ninas Telefon. Es war Conny. Als Nina die Gittertür öffnete, die den Gehsteig vom Garten trennte, erschien nach den heftigen Regengüssen der vorangegangenen Stunden die Sonne am Himmel und wir wurden vom Leben vor uns überwältigt. Die Blumen, die Sträucher, die Wiese, der Pool, der gepflasterte Weg und jedes Steinchen, das auf ihm lag, waren von einem freundlichen Licht beschienen, so freundlich, dass Nina ihre Sonnenbrille nicht aufsetzen wollte, sondern dem über den üppig blühenden Hortensien tanzenden Rotkehlchen lieber in Echtfarbe nachschaute. Es flog in den wilderen Teil des Gartens, wo das Gras kinzhoch stand und Himberstauden kreuz und quer wuchsen, ließ sich nieder, putzte sein Gefieder und schüttelte die letzten Regentropfen ab. Neben der Garage stand ein mächtiger Nussbaum, sein Stamm war über die Jahre vom Wind bearbeitet worden, so dass es aussah, als würde er sich vor uns verneigen. Über der Wasserlacke vor dem Haus schwebte eine Königslibelle, ein Windhauch trug sie hinauf bis zum Dach, wo ein Salamander, der Schutz unter der Regenrinne gesucht hatte, mit neugierigen Füßen erste Schritte aus seinem Versteck wagte. in die Hand. Sorry, bin gleich bei dir. Sie trug ihr Kind ins Haus und tat das in der lässigen Art, wie sie Eltern manchmal haben, mit einem Arm um die Körpermitte, so als wäre es nichts weiter als ein Handtuch und sie auf dem Weg zum Strand. Ich blieb an der Stelle sitzen, an der mich Nina zu Boden ließ, auf einer Matte, die neben dem Pool in der Wiese lag. Darüber war ein grün-weiß gestreifter Sonnensturm gespannt. Nina wollte mir die Spielsachen schmackhaft machen, die auf der Matte herumlagen, die Findet-Nemo-Plüsch-Rassel, den Ball oder die bunten Ringe, die man auf einen Stab auffädeln konnte. Ich beachtete die Dinge mit keiner Faser meines Körpers. Hätte Nina mich angesehen, hätte sie die gefährliche Langeweile in meinen Augen gesehen. Eine Langeweile, die mich bis zu den Rändern meines Seins auffüllen konnte. Die Langeweile stieg Stunde für Stunde in mir hoch und irgendwann war es nur noch eine Frage von Minuten, bis sie sich ihren Weg nach draußen bahnen und sich kreischend und tobend über uns ergießen würde. Nina kannte den Ablauf bereits. Sie musste mir nicht in die Augen schauen, um zu wissen, was dort war Stattdessen schaute sie durch die offene Schiebetür zu Conny Sie hatte den Kleinen auf den Esstisch gelegt, wischte an seinem Po herum und zupfte seinen Body zurecht Er machte keine Anstalten, sich zu wehren, hielt einen Bauklotz in der Hand und schüttelte ihn mit eher unkontrollierten Bewegungen. Die Art, wie sie über ihr Kind gebeugt stand, sah natürlich aus. Die Art, wie das Kind sich über sich beugen ließ, sah natürlich aus. Es war, als täten die beiden etwas, worauf sie sich bereits vor ihrem gemeinsamen Leben vorbereitet hatten. Im Kindergarten hatten Conny und Nina zusammen mit Puppen gespielt, wie alle Mädchen in ihrer Gruppe. Sie gingen auch gemeinsam ins Ballett und in die Musikschule, wie viele Mädchen. In der Volksschule saßen die beiden nebeneinander. Es gibt ein Foto aus dieser Zeit, auf dem sie die gleichen Pullover in verschiedenen Farben tragen. Conny kam mit einem Lachen im Gesicht, einem Bier in der Hand und ihrem Kind an der Hüfte zum Pool. Cremig und senfgelb, super gemacht, sagte sie zufrieden und setzte sich mit Gregor zu uns auf die Matte. Meins, rief Gregor und griff nach der Nemo-Rassel. Prost. Nina schaute auf meinen Hintern, der keine Windel mehr nötig hatte. Sie nahm einen Schluck und schob die Sonnenbrille von der Stirn hinunter auf ihren Nasenrücken, als hätte es geholfen, einen Filter zwischen uns zu legen. Sie fasste sich mit einer Hand ins Haar. Hatte sie vergessen zu duschen? Hatte sie gerade gesprochen? Ich hatte sie lange nicht mehr richtig sprechen gehört. Für mich wirkte sie nur lauter der Sorge und Verzweiflung die Kehle hinauf, wie eine Vogelmutter die Nahrung für ihre Babys. Mein Gott, endlich sehen wir uns. Conny berührte Nina am Oberschenkel, damit fiel eine Eisschicht von ihr ab und sie sagte ihren ersten Satz. Ja, es war wirklich höchste Zeit. Wir kommen ja zunächst. Der Stefan immer mit seiner Arbeit. Wo ist er denn? Auf einer Begehung. Gregor hatte nach einem der Holzringe gegriffen. Zuerst nach dem roten, dann nach dem grünen, richtete sich auf und sagte, meins. Er ist schon so groß und die vielen Haare. Er schaut ganz anders aus, als auf dem Foto, das du mir geschickt hast. Ist er schon wieder ewig her? Conny schaute mitleidig oder enttäuscht oder unsicher in meine Richtung. Ich saß da mit gestrecktem Nacken und beobachtete, wie der Wind mit dem Sonnenschirm spielte. Sie ließ es instinktiv sein, mich zu berühren. Süße Maus, wie groß du schon bist. Aber ich war doch gar nicht groß geworden. Die Rippen zeichneten sich durch meinen Body ab. Sie küsste mich schließlich doch auf die Stirn. Ich ließ es zu, weil ich alle Konzentration darauf verwendete, dass mir Gregor nicht zu nahe kam. Nahe war uns allen das Wasser. Wir saßen nur etwa zwei Meter vom Beckenrand entfernt. Was ist mit dem Zaun-ums-Pool-Projekt? fragte Nina. Ja bitte, sagt es dem Stefan. Schulprojekt, fragte Nina. Ja, bitte sag das dem Stefan. Gregor war ein Stück in die Wiese gelaufen und quietschte zufrieden dabei. Alex bewegt sich gar nicht. Ist dir zu heiß, mein Schatz? Nina zuckte mit den Schultern. Ein Sonnenschirm, sagte ich. Ein Sonnenschirm, rief Conny begeistert aus. Wie gut du sprechen kannst. Ja, das konnte ich. Und sonst halt ganz die Mama, die war ja auch immer schüchtern. Conny zwinkerte Nina zu. Alex ist nicht schüchtern, sagte Nina, vorsichtig oder verzweifelt oder müde. Alex ist eher überheblich. Conny wartete ein paar Sekunden, bevor sie darauf reagierte. Offenbar überlegte sie, wie zuverlässig diese Information war. Im Leben muss man ständig überlegen, wie zuverlässig Informationen sind. Überheblich? Ein Baby? Jetzt, wo Conny es aussprach, klang es wirklich lächerlich. Okay, vielleicht nicht überheblich, aber … besonders? Komm Nina, sei bitte nicht so eine Mutter. Ich kann keine Eltern mehr hören, die sagen, dass ihre Kinder was Besonderes sind. Sie sprang auf, lief Gregor hinterher, schnappte ihn und brachte ihn auf die Matte zurück. Er protestierte nicht. Sie deutete mit dem Kind zum Grundstück der Nachbarn. Der Schöffling-Puppe ist langsam im Kopf, flüsterte sie, aber nur, weil er motorisch so weit vorne ist und sicher mal ein Spitzensportler wird. Und die kleine Brandstätter da drüben, sie deutete in die andere Richtung über den Zaun. Ich sage ja gar nicht, unterbrach Nina, dass mein Kind was Besonderes ist. Ich sage nur, dass Alex besonders arg ist. Alle Kinder sind arg. Connys Ton war plötzlich hart. Erst jetzt fiel Nina die blauen Schatten unter ihren Augen auf. Weißt du, ich würde auch gern mehr schlafen oder mal wieder laufen gehen oder einfach mal fernsehen. Fuck fernsehen. Mir wäre völlig wurscht was. Oder mit einem Glas Wein in der Badewanne liegen, ohne dass mir irgendein deppertes Spielzeug in den Rücken sticht. Der Stefan sagt, na dann geh halt baden, ich schau auf ihn. Dann gehe ich ins Badezimmer, ziehe mich aus und merke schon durch die Türen durch, dass das nichts wird. Außerdem arbeitet er die ganze Zeit. Seit die Mama tot ist, fühle ich mich so alleingelassen. Nina nahm die Sonnenbrille ab und legte eine Hand auf Connys Rücken. Es war seltsam zu sehen, dass auch andere weinten. Tut mir leid, Nina, du bist nicht gerade die, bei der ich das abladen muss. Sie wischte sich die Tränen von den Wangen und schluckte laut. Telefoniert ihr manchmal? Geh bitte, wann hätte meine Mutter Zeit zum Telefonieren? Sie muss ja die Botschaft der Engel des Lichts verbreiten. Gregor nahm den Ball und rief, meins. Ich ignorierte ihn, so gut es ging. Conny sah mich an und ließ sich nicht anmerken, wie sonderbar ich in ihren Augen aussah. Sie sagte deshalb etwas, wofür ich nichts konnte und zeigte mit dem Finger auf mich. Schau mal, da ist ein Fleck auf der Hose. Mit dieser Beobachtung konnte ich etwas anfangen. Fleck auf Hose, sagte ich deswegen. Fleck auf Hose, ganz genau. Stimmt, muss ich waschen, sagte Nina pflichtbewusst oder genervt oder gleichgültig. Muss ich waschen, oder gleichgültig. Muss ich waschen, wiederholte ich wie ein Idiot. Richtig, Conny war ehrlich beeindruckt. Nina wusste, dass der Fleck nicht mehr rausging, man konnte die Hose ja deswegen nicht wegwerfen. Der Fleck, die Hose, das Bein darunter, ich. Zum ersten Mal an diesem Nachmittag sah sie mich an und sah nur mich. Was eben noch ein Zaubergarten gewesen war, verwandelte sich in dieselbe dumpfe Umgebung wie unser Zuhause. Was ich wäsche, wasche. Der Stefan mit seinem Baustellengewand. Manchmal glaube ich, ich wasche für die ganze Siedlung und dann wächst Gregor so schnell aus allem heraus. Ich muss schon wieder neue Sachen kaufen. Conny bemerkte meine dünnen Arme. Was ist mit dem Markus, Michael? Schickt er dir noch was? Jeden Monat. Aber er kommt nie vorbei? Nina schüttelte den Kopf. Telefoniert ihr wenigstens mal? Er telefoniert nicht. Verstehe. Aber verstand Conny das wirklich? Was sollte das heißen, er telefoniert nicht? Und der Patrick? Mal da, mal nicht, da kennst ihn ja. Freundin? Gibt's nicht mehr. Conny lächelte komisch, genauso wie sie auf dem Foto bei uns zu Hause, auf dem sie mit Zahnspange und angezogenen Knien im lila Satinachthemd an unserem Küchentisch sitzt, während sich Patrick neben ihr die linke Hand vors Gesicht hält. Schau uns an, wir sitzen da und reden die ganze Zeit über die Männer. Schau uns an, wir sitzen da und reden die ganze Zeit über die Männer. Sie zog Gregor an sich heran und setzte ihn auf ihren Schoß. Sie drückte ihre Nase sanft an seine. Mein kleines Baby, das heißt, mein kleines Kind, du bist ja gar kein Baby mehr. Ich tue mir so schwer, mich daran zu gewöhnen. Bei Nina war das anders. Sie hatte sich nie schwer getan, mich jemals Baby zu nennen. Ich brauche das Geld von Michael sowieso nicht mehr lange, sobald Alex in den Kindergarten kommt, gehe ich ganz ins Geschäft. Ja, beim Spar muss ich nur zum Obstnett sein. Die Strobl hat gesagt, ich kann jederzeit Teilzeit anfangen und es wäre auch nicht für immer. Conny strich ihrem Kind die Haare glatt. Bist du nicht ein kleiner Rabenbraten? Das war ein makabres Wort für das Bild, das Gregor abgab. Seine Bäckchen wölbten sich ganz eins mit der Welt weit nach außen, seine Stirn, seine Nase, sein Kinn, auch seine Zehen. Alles an ihm lachte. Ringe in den Mund und rief, meins. Speichel tropfte auf seinen strammen Oberkörper. Der Postler hat neulich gemeint, er schielt. Findest du, dass er schielt? Der Postler? Nina schaute Gregor in die Augen. Blau. Sie konnte nichts darin sehen. Keine gefährliche Langeweile. Nur die phlegmatische Niedlichkeit eines Familienhundes. Sie zuckte wieder mit den Schultern und versuchte dabei, ein höfliches Gesicht zu zeigen, indem sie die Augen ein bisschen kleiner machte und die Wangen nach oben zog. Ich bin ja froh, dass wir die Muki-Versicherung haben, wenn irgendwas wäre, also es ist eh nichts, aber wenn. Ja, sagte Nina. Aber wir wussten nicht, was mit Muki gemeint war, obwohl es auf der Hand lag, dass es sich um eine Abkürzung für Mutter und Kind handelte. Auch davon hätte uns der Dr. Birnbacher erzählen können. Schau mal, Gregory! Conny nahm die Nemo-Plüschrassel in die Hand und schüttelte sie vor seinen Augen hin und her. Schau da hin! Schau hin! Zum Fisch, Gregor! Gregor streckte seine Hand aus und rief, Isch! Ich schaute zu Nina und sah, wie ihr Blick die Rassel fixiert hatte, als ginge es darum, ihr Sehvermögen zu testen. Sie sah Nemos orange-weiße Zeichnung, seine Rücken, Brust, Bauch und Schwanzflosse, seine großen Kulleraugen, von denen eines etwas schief saß. Etwas an diesem Ding störte mich gewaltig. Dabei wusste ich damals noch nicht einmal, dass Pixar beim Zeichnen von Nemo absichtlich einen Fehler eingebaut hatte. Ninas Gehirn trickste den Liedschlussreflex aus und sie hörte auf zu blinzeln. Sie starrte so lange ohne zu blinzeln, bis das Wasser in ihren Augen aufstieg. Durch derart wassergefüllte Augen musste sie Nemo nur noch verschwommen gesehen haben. Doch diese Tränen waren keine Tränen der Verzweiflung. Es waren Tränen der Erkenntnis, die an die Oberfläche schwappte wie ein Eiswürfel im Wasserglas. Conny hatte, ohne es zu ahnen, mit ihrer unbedachten Geste, nämlich dem Schütteln von Nemo, ganz unabsichtlich ausgelöst, dass Nina und ich eine neue Wahrheit entdeckten, die wir bislang einfach nicht gesehen hatten. Alle Ozeane der Welt hängen irgendwo zusammen. In allen gibt es Schönes und Grauenvolles. Trotzdem gelten im Pazifik andere Spielregeln als im Atlantik. Das, was Conny erzählte, was sie und ihr Kind erlebten, welche Dinge ihr Sorgen bereiteten, die Windeln, die Mucki, das Herauswachsen, das Wäsche waschen, das Schielen, das alles hatte nichts mit unserer Welt gemein. Dort, wo sie sich mit Gregor aufhielt, dort waren Nina und ich überhaupt nie gewesen. Wir schwammen in einem anderen Meer. Wir schwammen in einem anderen Meer. Als hätte es jemand anderer getan, wenn sie nicht schnell genug gewesen wäre, schnappte mich Nina mit beiden Armen, drückte mich fest an sich, ihre Finger zwischen meine Rippen gebettet und küsste mich. Es tut mir leid, du kannst nichts dafür, ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich, flüsterte oder dachte sie. Alex ist also ein Kind, das, das klingt jetzt nicht so korrekt, wie es unbegründet ist, aber es ist quasi wie ein Alien in diese Welt hineingeschmissen wird, sich wirklich quasi an die eigene Geburt erinnert. Also insofern eigentlich eine total glaubwürdige Erzählerin ihrer ersten eigenen zehn Lebensjahre. Natürlich eine wunderbare Figur für eine Erzählerin, für die nichts normal ist, oder? Also gerade deswegen muss sie das alles unter großen Schmerzen lernen. Und was ich mir jetzt nämlich gerade beim Zuhören gedacht habe, es ist ja, also wahrscheinlich ist es deine Absicht gewesen oder auch nicht, aber gerade deswegen erkennt man dann beim Lesen oder wenn man mit Alex diese Welt sieht, dass sie wird, die halt vieles schnell lernen als normal zu sehen, die größten Ungeheuerlichkeiten als normal akzeptieren. Zum Beispiel diese Einsamkeit der Mütter 2023. Die Mütter, die ist übrigens eine Parallele zu dir, Stefan, wo der Vater dann auch an die Esoterik verloren geht, die dann Engel retten müssen oder Aura-Chirurgie betreiben, also die dann flachfallen, wo dann die Mütter irgendwo alleine sitzen und entweder verblöden oder sie bis zur Erschöpfung plagen und du schilderst ja auch eine Normalität, die für uns eine Normalität ist, Nina, die sie eben dann auch beruflich abstrampeln muss, dass sie irgendwie ausgeht und von der Zeit und sie hat dann maximal den Bruder, der dann doch immer wieder einmal kommt und eh ein guter Freund für Alex ist. Ich hoffe, es war deine Absicht. Erzähl vielleicht einfach einmal über Alex als Figur für dich als Schreibende, beziehungsweise wie du auch zu diesem Stoff gekommen bist. Das ist eine ein wenig banale Frage, aber es ist halt wirklich interessant. Ja, sicher. Also zum einen, was du angesprochen hast mit der Normalität, finde ich sehr schön, dass du das gesagt hast, dass das eigentlich ein bisschen das Ziel war, dann natürlich auch das, was halt normal ist, beim Lesen vielleicht ein bisschen in Frage zu stellen, warum das eigentlich schon so normal ist und ob man das nicht auch nochmal ein bisschen überdenken könnte. Deswegen auch diese Szene, was bedeutet ein normales Kind, wie schaut das aus? Das fängt beim physischen an und beim motorischen und so weiter. Und ich habe das eben erlebt bei meinem Neffen, der jetzt heute Anfang 20 ist, wo das wirklich von Tag 1, also mit der Geburt, ein Kampf war für seine Eltern, also meine Schwester und ihn, weil einfach überhaupt nichts scheinbar nach Standard funktioniert hat. Also das mit dem Trinken begonnen und hat mit dem heutigen Tag, also geht es eigentlich immer noch weiter, weil er auch nicht im Regelschulbetrieb ist und so weiter. Und irgendwie wollte ich so eine kleine Hommage schreiben an die beiden, wie die das damals hingekriegt haben. Da gab es einen Vater, in meinem Buch gibt es auch ein eigenes Kapitel über die Väter, aber der Vater ist jetzt nicht im Leben eingebunden. Ich glaube, bei den Väter steht dann irgendwie, die Väter spielen die Hauptrolle, darum haben sie so wenig Text, sie müssen ja nichts. Genau, genau. Also Väter haben wenig Text, ich glaube, das können viele unterschreiben, also ich kenne das schon, von der eigenen Familie oder auch von befreundeten Familien. Das ändert sich natürlich auch heute in unserer Zeit, aber oft ist es schon noch so, dass die Mutter mehr Kommunikation hat mit den Kindern oder es war halt lange so. Jedenfalls hat mich eben diese Geschichte, die keine Geschichte war, sondern das war unser Leben, also das Leben meiner Schwester und ihres Kindes, nie losgelassen. Was waren eigentlich die Schwierigkeiten und wie hat Sebastian, mein Neffe, das eigentlich damals empfunden? Und ich bin mit ihm gemeinsam ein bisschen auf Spurensuche gegangen. Wie war das damals im Kindergarten, als du das nicht ausgehalten hast, mit den anderen Kindern in der Gruppe zu sein, also so ein bisschen in der eigenen Kindheit zu graben und dann in diesen Gefühlen zu graben. Ich würde die Passage kurz vorlesen, die hat mir nämlich wirklich besonders gut gefallen, weil es ja, wie gesagt, das sind so Fragen, die wir uns jetzt wahrscheinlich nicht so dringlich stellen, aber die ja trotzdem ganz wesentlich sind. Wenn der Raum, sagt Alex, wenn der Raum zwischen meinem Körper und dem Weltall genauso unendlich ist wie der zwischen meiner Körpergrenze und meinem Inneren, wo genau stehen die anderen? Ich habe das fantastisch gefunden. Es ist eben, Alex ist ja eigentlich eine geborene Schriftstellerin. Ja, oder zumindest Philosophin, würde ich sagen. Das habe ich bei meinem realen Vorbild auch gemerkt. Ich habe mit meinem Neffen mit sieben Jahren Ausstellungen besucht in der Albertina und er hat mir philosophische Erklärungen gemacht zu irgendwelchen Max-Ernst-Gemälden. Das war schon beeindruckend. Und gleichzeitig musste man sofort darauf achten, dass sobald die Batterie leer war, er so schnell wie möglich nach Hause kommt, weil sonst eine Schmelze quasi, sagt man da so, so eine Meltdown-Gefahr bestanden hat, wo dann nichts mehr gegangen wäre. Also es sind einfach so, man muss sich vorstellen, ein Kind, das halt wahnsinnig durchlässig ist und wahnsinnig hypersensibel für alle Dinge, die um ihn herum passieren. Und ein Kind, das vielleicht nicht so gut filtern kann, okay, was sind jetzt die wichtigen Dinge und was die weniger wichtigen Dinge. Und diese Kategorien brauchen wir ja, um durchs Leben zu kommen. Wenn wir alles immer gleich wichtig sehen, würden wir irgendwie stehen bleiben. Gleichzeitig hat es etwas unglaublich Schönes und Befreiendes, sich zu überlegen, stehen bleiben. Gleichzeitig hat es was unglaublich Schönes und Befreiendes, sich zu überlegen, hm, könnte vielleicht das Unwichtige wichtiger sein als das augenscheinlich Wichtige und ist natürlich ein Text dann auch vielleicht über Kunst, wenn man so möchte, auf einer anderen Ebene. Genau, weil ich das einfach sehr inspirierend finde, diese Denkweise. Es wurde dann öfter schon gesagt, dass in dem Buch um ein autistisches Kind geht. Die Diagnose oder das Wort fällt aber nicht in dem Text. Und das habe ich auch bewusst so gemacht. Bei meinem Neffen wurde es dann im Alter von zehn Jahren diagnostiziert, dass er Autist ist. Aber mir ging es eben vor allem um diesen Blindflug, also um dieses eben nicht zu wissen, was los ist. Und über die Wirkung in der Gesellschaft, die dann halt sehr stark auf die Mutter zurückfällt, die offensichtlich irgendwas nicht richtig macht in der Erziehung. Sie müssen ihrem Kind Grenzen setzen und stell dich nicht so an. Und dann gibt es auch so ein Kapitel, es ist nur ganz kurz. Ach ja, ich bin ein Mädchen. Und das ist auf Seite 106. Also man hat dann vorher schon eine Ahnung, aber auch das ist überhaupt nicht, also es steht nicht da, ich bin ein autistisches Kind und ich bin ein Mädchen, sondern es ist wirklich eine ganz eine, so gesehen, reine Erzählfigur, also wirklich reine Wahrnehmung, bis sich das dann verdichtet und über die Erfahrungen und das ist dann, wir müssen, weil wir heute einen Ornithologen im Blick haben, wir müssen über die Nachtigall sprechen. Oder ist das schon Spoiler, wenn ich sage, das Geheimnis des Erfolgs ist eine Nachtigall. Die Nachtigall ist ein Spötter. Hase bitte sofort wieder sprechen. Die, ich hab mir das aufgeschrieben, aber der Computer ist wieder runtergefahren. Also die lernt durch Beobachtung anderer Vögel und ihrer Tonlagen, also Alex lernt auch, wie geht das mit Smalltalk. Diese Stöhnen wäre es dann auch richtig lustig, wie stark daneben sie ist. Sie spricht über Super-Vulkane oder eine Freundin kriegt einen Hund geschenkt und Alex referiert über die sehr kurze Lebenserwartung von Hunden und wundert sie dann kurz. Also sie wundert sich eigentlich nicht, das passiert ihr eh permanent, dass sie denkt, okay, das war ja wieder nicht. Und sie beobachtet dann wie die Nachtigall, wie das Gesangsrepertoire des Menschen. Und sie ahmt das noch total gut. Genau, also die Nachtigall als quasi Super-Imitator ist sozusagen das Vorbild, weil sie muss auch zum Super-Imitator, zur Super-Imitatorin werden, um durchzukommen in der Gesellschaft. Also sie muss sich alles abschauen aus Filmen oder auch aus Begegnungen zwischen anderen Menschen, das gut beobachten, um das dann gut nachmachen zu können und akzeptiert zu werden. Und dieser Vogel, je nachdem wie eins zu eins man ihn dann lesen möchte, das überlasse ich halt den Leserinnen und Lesern, aber für Alex ist er da. Für mich beim Schreiben war er auch da. für Alex ist er da. Für mich beim Schreiben war er auch da. Genau, und dieser Vogel hilft dir halt dabei, dann auch wirklich zum Erfolg zu gelangen. Allerdings, wie es so ist im Leben, nicht ohne, wie sagt man, nicht ohne Nachteile. Also es wird dann auch zur Last. Übrigens, während des Lesens, Entschuldigung, wenn ich da kurz die Situation der Kuratorin bei der Arbeit hereinreiße, aber während des Lesens bin ich im Garten gesessen und tatsächlich hat dann meine Vogel-App mir gesagt, dieser sehr prominent da reinschreiende Vogel sei eine Nachtigall. Leider musste ich heute beim Vorgespräch erfahren, dass das wahrscheinlich keine Nachtigall war. Aber es wäre unglaublich stimmig gewesen. Aber so schafft es Alex zumindest, sie an dieses extreme Oberflächliche anzupassen und nicht immer überall rauszufallen. Genau, also es geht eigentlich um Social Skills. Also viel mehr ist es nicht, sondern halt einfach die Umgangsformen schnell zu lernen. Und das fängt halt schon im Kindesalter ziemlich schnell an. Oder auch einfach die Regeln in der Schule zu zu lernen und das fängt halt schon im Kindesalter ziemlich schnell an oder auch einfach die Regeln in der Schule zu befolgen. Genau und der Vogel ist halt da eine gute Stütze. Also ich habe das eh aus der Passage hoffentlich herausgehört, das Buch ist schon hart, also man leidet auch so stark mit, vor allem am Anfang natürlich muss man sagen mit Nina, der Mutter, die wirklich nur mehr kraftlos und trotzdem, das ist eine unglaublich starke Figur. Und gleichzeitig ist sie aber immer wieder so großartig mit diesen Beobachtungen und Sätzen. Und, das ist ein bisschen ein Spoiler, aber nur ganz vage, es gibt ein ziemlich cooles Happy End. Ist es für dich ein Happy End? Nein, es ist ein Happy End, aber es bricht ja zu gut auf. Das ist interessant, weil das sagt mir jeder anders. Aber das bricht ja zu gut auf. Das ist interessant, weil das sagt mir jeder anders. Also ich habe wirklich, Leute, man hätte das nicht gut ausgehen können. Und dann Leute, danke fürs Happy End. Das kommt wahrscheinlich davon, dass man, je nachdem wie eins zu eins man eben ist. Das wäre doch irgendwie total blöd, wenn man sagt, du bist jetzt nicht neuronormal. Wie soll jetzt dein Leben nur gut ausgehen? Es kann kein Happy End geben, weil du wirst nie normal sein. Oder? dein Leben nur gut ausgeht, es kann kein Happy End geben, weil du wirst nie normal sein. Oder? Liebe Margit, ich schlage vor, dass wir zwei jetzt nochmal aufhören. Darf ich nur etwas fragen? Vielleicht habe ich es auch überhört. Aber die Perspektive ist ja total interessant, weil dieses Ich weiß ja wahnsinnig viel und kann sich ganz genau erinnern an die Kleinkindzeit. Wieso ist das so? Was war die Idee dahinter? Also ich wollte eigentlich auch eine Hommage machen an diese unglaubliche emotionale Intelligenz, die Menschen wie Alex, also wie diese Figur, oder auch Menschen wie mein Neffe an den Tag legen. Also eine irrsinnig große Erinnerungsfähigkeit. Das ist jetzt natürlich ein wenig ins Extrem gesteigert, wenn man von der Geburt weg erzählt, aber es ist ein bewusster Schritt, um zu zeigen, das, was als Problem oft auftaucht in der zwischenmenschlichen Situation, zum Beispiel, dass ein Kind dann zehn Monate später immer noch an derselben Stelle, wo sie einmal erschrocken ist von einem großen Hund, immer noch einen riesigen Schreianfall kriegt, obwohl weit und breit kein... Also, dass diese Art von Erinnerungsvermögen, die das Emotionale betrifft, auch etwas sehr Spezielles ist. Also es führt zu sehr vielen Problemen, aber es ist auch etwas sehr Schönes. Und das wollte ich damit quasi huldigen. Apropos Huldigung, die nächste Huldigung meinerseits steht an, aber ich kann mich als total kritische Literaturkritikerin verkleiden und da müsste ich aber schon halluzinieren, weil lauter von Stefan Reuss, der zweite Roman, Jung und Jung, ist wieder total großartig geworden. Also es war schon, wir haben heute erst darüber gesprochen, was hätte noch Triceratops wieder anschließen. Wahrscheinlich ist auch das wäre ein ergiebiges Thema für uns heute. Der schlimme zweite Roman, der in dem Fall, siehst du schon her, unabsichtlich eine tolle Parallele. Ihr seid nicht nur gleich alt, sondern habt diese zweiten Romane so großartig hingekriegt. Lauter. Ich versuche es nur ganz kurz einzuleiten. Ich kann es eigentlich auslassen, aber ich probiere es jetzt einmal auswendig. Leon ist so 30-something, 30-ish. Das muss ich jetzt lesen, die Band, bei der er schautet, heißt Graugramann, das ist der Löwe, glaube ich, von der unendlichen Geschichte. Und wird leicht ironisch bezeichnet, die Musik, ich würde das nämlich so wahnsinnig gern hören, das ist so ein Buch, wo man sehr gerne einen Soundtrack dazu hätte. Free Heavy Hardcore Noise Punk. Kettle Grit Metal. Ist dann in der nächsten Zeile. Genau, Kettle Grit Metal. Also vielleicht dann kannst du das dazu erfinden, wobei das treffe ich ja gar nicht, weil wir müssen das glaube ich echt live erleben. Da gibt es fantastische Schilderungen von einer Bandprobe, die richtig ekstatisch wird, von einem Konzert. Man lebt wirklich mit bei diesen Schilderungen, weil du eben da, ich glaube, da schöpst du schon wirklich sehr tief aus deiner Musiker-Erfahrung. Also da stimmt irgendwie auch jedes Wort, das ist tief nachempfunden. Leon ist so vom, der Dr. Fastuber hat es Leon ist so vom, der Dr. Fastuber hat beschrieben in seiner Rezension, das ist jetzt an sich vom Thema nicht neu, er hat eine Krise, seine Mutter stirbt viel zu früh, recht tragisch. Er kommt um ein Eizel zu spät von einer Kuba-Reise und macht sich dafür Vorwürfe. Er liegt stark im Clinch mit seinem Vater, den er früher bewundert hat. Er wollte eine Philosophie des renitenten Rationalismus erfinden. Das war wieder eine Sonderfrage, was ist denn der renitente Rationalismus? Aber die führt vielleicht jetzt zu weit weg oder sie führt genau zum Kern von Lauter. Leon spricht auf jeden Fall mit dem Vater nicht und er, das ist eine Mischung aus Flucht und klassische Bildungsreise sogar. Das kennt man auch aus der Literatur, die deutschsprachige Literatur vor allem, dass der junge Mann gebildet werden muss durch eine Reise in Italien. Und der Fast-Tuber schreibt dann, bei den Familienromanen wird es da gerne mal episch in Klammer fad, nicht aber bei lauter. pisch in Klammer fahrt, nicht aber bei lauter. Dieses Buch hat mich sehr begeistert, weil es so eine unglaublich coole Mischung ist aus Krach und Stille und der Rhythmus ist ein Wahnsinn. Es gibt dazwischen dann wieder Passagen des glücklichen Stillstandes, wo wirklich quasi reine Beobachtungsinnigkeit herrscht und dann geht es wieder total zur Sache. Also Leon besucht seinen Freund Anton in Venedig, der schon ganz erleuchtet und vergeistigt ist und man wird selbst schon ein bisschen misstrauisch, ob er jetzt da, klippt er jetzt einmal auf diese erlöste, erleuchtete Seite und dann macht er sich nur mal ganz frei. Es gibt dann einen Showdown auf der Insel Stromboli mit ein bisschen Vulkanausbruch, aber das ist nicht das Eigentliche. Bevor ich dir jetzt zu viel erzähle von Lauter, willst du vielleicht was lesen aus diesem Buch? Sehr gerne. Lieber Stefan Reuss. Puh, puh, puh. Deswegen teste ich gerade. Wir haben ja gesagt, wir sollen heute total oberösterreichisch lesen, mit ganz weichem B. Wenn ich so weit, da hört man mich auch noch, oder? Sehr gut, dann bleibe ich da. Zuerst herzlichen Dank, dass ich da sein darf und danke für die einleitenden Worte. Ich würde es gerne so machen, dass ich zwei kurze Passagen lese und jetzt nochmal 10 Minuten lese, dann können wir noch ein bisschen quatschen und dann lese ich nochmal 10 Minuten. Und vor der ersten Passage muss man eigentlich gar nichts wissen. Ist recht angenehm, weil es eigentlich nur Kindheitserinnerungen von Leon sind, die eigentlich enthoben sind von dem eigentlichen Ploben sind von der von dem eigentlichen plot und von der von der story sozusagen aber ich glaube es ist ganz gut es dient dazu diese figur kennenzulernen und kennenzulernen woher kommt er wie steht er im leben er ist nämlich ein nicht nur sehr musikalischer und auditiver Typ, sondern er zeichnet sich auch dadurch aus, dass er große Momente, die Lebensfülle, den Reichtum an Erfahrungen manchmal wirklich jagt, aber auf jeden Fall sammelt und das Leben liebt und aufsorgt. Das macht er auch im späteren Alter, eben so 30 herum ist er in der Erzählgegenwart. Das macht er auch im späteren Alter, eben so 30 herum ist er in der Erzählgegenwart. Aber damit man eine Ahnung bekommt, woher das rührt, jetzt folgende Stelle mit einer Fülle von Kindheitserinnerungen. Ich ahmte das Kind nach, das ich einst gewesen war. Legte mich auf den Schlagbaum, suchte Futterkrippen auf und leckte an den Salzsteinen, kostete die Sonnenblumenkerne aus den Vogelhäusern, ließ Schneebälle gegen die Rinden klatschen. Vielleicht war ich gar nicht gewachsen, vielleicht waren die Dinge geschrumpft. Vielleicht waren die Dinge geschrumpft. Als die Welt noch verzaubert war, hätte eine Sehnsucht nach großen Gefühlen nicht aufkommen können. Schlichen wir im Mondschein durch den Wald, barg jeder finstere Winkel Gefahr und jeder Schimmer verführte zu Hoffnung. Wir umrundeten von Feen heimgesuchte Fischteiche, mieden die Brennnesseln und ihr tödliches Gift. Bellte in der Ferne ein Hund, war dieser groß wie ein Stier und aus einer anderen Dimension entsandt, um uns zu jagen. Der Holzschuppen war uns ein Hexenhaus, die Wandermarkierungen Botschaften eines Verbündeten, die es dringend zu entschlüssen galt. In der Schlucht aßen wir unsere Äpfel so leise wie möglich. Flüsternd erzählten wir einander Spukgeschichten. Wer an der Reihe war, hielt sich die Taschenlampe unter das Kinn, sein Gesicht in den Lichtkegel, damit sich im Spiel der Schatten seine Erscheinung bedrohlich verfremdete. Bis heute kenne ich die Festnetznummern auswendig, unter denen die Nachbarsbuben zu erreichen waren. Noch besaß keiner von uns ein Mobiltelefon und keiner von uns führte ein zweites Leben in sozialen Netzwerken. Noch konnten wir einen Feuersalamander anschauen, ohne ihn fotografieren zu wollen. Noch konnten wir staunen, ohne uns zu schämen und verliebt sein, ohne es zu wissen. Wir waren unversehrt und ungebrochen. Wir schluckten Vasenwasser, lutschten Hagelkörner groß und hart wie Murmeln, nagten grüne Maiskolben ab. Wer sich traute, den Wurm zu schlucken oder die Milch aus dem Katzenschälchen zu schlabbern, erhielt als Belohnung eine begehrte Sammelkarte, Professor Snape oder Vereka Rurmon. Die Zukunft malten wir uns mit Filzstiften und Uferschlamm aus, träumten davon, Räuberhauptmann, Rocksänger, Multimillionär zu werden. Nur Wolken konnten den Sternenhimmel über uns trüben. Die Stadt war ein greller und aufregender Ort, an den wir selten kamen. Wir beugten uns im Schatten des Marillenbaums über eine mit Ölkreiden gezeichnete Schatzkarte. Alles Böse, so hatten wir vereinbart, scheut den Schatten des Marillenbaums. Böse, so hatten wir vereinbart, scheut den Schatten des Marillenbaums. Wir bildeten Superhelden-Teams und Detektivbanden, stritten darum, ob Cyclops oder Batman oder der blaue Power Ranger Anführer sein durfte, baten unsere Eltern um ihre Fingerabdrücke. Unsere Band löste sich nach einer Stunde auf. Der eine hämmerte mit Kochlöffeln auf eine leere Waschmitteltrommel und zwei alte Pfannen ein, der andere röhrte Grommolo und beharrte darauf, dass es Englisch sei. Ich verdarb das Spiel, denn ich wusste, was ein Takt war. Wir bastelten uns Schwert aus Karton, Nunchakus aus zwei Haselnussstecken und etwas Zwirn, fochten Turniere aus, eiferten den Ninjas nach, maßen unsere Körperkräfte. Ein Besenstiel diente uns als Handelstange. Anstelle von Eisenscheiben trug sie Mineralwasserflaschen. Liefen wir mit den Bächen um die Wette, gab es keine Sieger. Für die erste Beichte schmückten wir unsere kleinen Sünden aus und erdachten uns welche dazu, um den Erwartungen des Pfarrers zu genügen und wurden dadurch noch erfinderischer. Wir schlüpften durch das Seitenportal in die Kirche und verließen sie mit einem vor Weihwasser triefenden Tafelschwamm. Wir wollten sicher gehen, dass der Lehrer kein Untoter war. Wir spielten auf den verwahrlosten Tennisplätzen, die nur ein Mannshoher Zaun vom Bahnkörper trennte, servierten auf die vorbeifahrenden Züge und rannten vor an die Netze als wären es Festungsmauern, die es zu stürmen galt. Mehr als einmal suchte man nach uns und mehr als einmal fand man uns an verbotenen Orten, in der Waldschlucht kletternd, in Mischmaschinen versteckt. Man bestrafte uns mit Diktaten und Hausarrest, tags darauf robbten wir schon wieder durch das Kürbisfeld, krochen auf allen Vieren in Betonrohren herum oder trampelten über die Wiese, machten die Maulwurfshügel dem Erdboden gleich. Mutter flickte meine zerrissenen Hosen, nähte Stoffstücke auf fadenscheinige Stellen, trug behutsam Zinksalbe auf die juckende Wunde auf. Sang sie dabei nicht, wusste ich, sie war wütend oder traurig oder beides zugleich. Sie erklärte mir, dass auch der Maulwurf atmen möchte. Wir waren kuschelige Krieger, liebten Kakao und bügelwarme Wäsche so sehr wie das Abenteuer. Wir liebten Höhlen aller Art, Höhlen im Fels, Höhlen im Schnee, Höhlen aus Polstern und Decken oder Höhlen aus Plastikplanen So oft es uns erlaubt wurde, schlugen wir in einem Garten ein Zelt auf Wir entrollten unsere Isomatten und berieten, was anstatt zu schlafen nun zu tun sei Und kamen überein, reihum müsse jeder den anderen etwas beibringen Ich brachte meinen Freunden das Pfeifen bei Sieh mir, wie man mit den Ohren wackelt und Kaugummi-Blasen macht Niemand von uns wusste, wie sich ein Zungenkuss anfühlt, also probierten wir es miteinander. Bei jedem Ausflug in die Stadt stritten wir im Zug um die Plätze in Fahrtrichtung, wollten alles da draußen als erster sehen. Einer Sache nachblicken zu können, bedeutete uns nichts. Wir gingen über den weiten Bahnhofsplatz und wer auf die Fugen zwischen den Bodenplatten trat, war tot. Im Zirkus bangten wir mit zurückgelegten Köpfen und offenen Mündern um eine Seiltänzerin und staunten über einen Clown, der mit ein paar quietschenden Griffen einen Luftballon in einen Pudel verwandelte. Andern Tags ratterten die Wegelchen durch die Geisterbahn, es kreischten die Kinder, die Gleise, die mechanischen Monster. Geisterbahn, es kreischten die Kinder, die Gleise, die mechanischen Monster. Laute, aufpeitschende Musik und tiefe Männerstimmen lockten uns. Wir fuhren Achterbahn und Autodrom, formten uns Bärte aus Zuckerbatte und lachten über das starre Grinsen der Karussellpferde. Am liebsten jedoch lachten wir, wenn wir es unterdrücken mussten, was die Sprengkraft der Explosion nur noch steigerte, während der Messe, während des Unterrichts, während der aufgebrachten Pausenansprache des Fußballtrainers. Es roch nach Steckerlfisch und frisch geschnittenem Gras. Der Steg war von hellen Tropfen gesprengelt, Sonnenmilch oder Vanilleeis. Wir setzten uns an den Rand und ließen die Kaulquappen an unseren Zehen knabbern. Am Grund des Sees schimmerten flache Steine. Wir wetteten, wer von uns am längsten unter Wasser bleiben konnte, führten einander Kopfsprünge vor, Bomben, Bauchflecke, Bienenstiche, Saltos, schwammen bis zur Insel und zurück. Immer wieder streifte etwas unsere Beine und wir weigerten uns, zwischen Laichkraut und einem Seeungeheuer unterscheiden zu lernen. Die Schuppen der Forellen blitzten, das Fangenspiel der Libellen war regellos. Den Mann, der im Waschbecken der Nassräume sein Glasäuge gesäubert hatte, erklärten wir zum Schwarzmagier. Und als wir den Bademeister mit steifem Glied in der Hand erwischten, erkaufte er sich unsere Verschwiegenheit mit einer großen Portion Pommes. Wir schlürften unsere Limonaden, bis nur noch Luft durch den Trinkhalm röchelte, die Eiswürfel klimperten in den leeren Gläsern. Wir brachen die Zapfen von den Dachtraufen ab und gruben in frisch verschneiten Feuerstellen nach verkohltem Holz, um damit auf der Mauer des Sägewerks zu mahlen. Wir fuhren mit dem Snowboard einer Cousine in Schuhen, die uns allen fünf Nummern zu groß waren. Wir zogen uns die Ärmel über die frierenden Fäuste. Hastig löffelten wir die Buchstabensuppen, denn wir wollten betäubte Zungen haben. Zu Weihnachten wünschten wir uns Tigerenten und Furzkissen und eine Playstation 2, Trikots von Cinedine Sidane, CDs von Linkin Park. Gemeinsam schauten wir heimlich unseren ersten Horrorfilm und ersannen tags darauf ein Gedicht. Der Schneemann, der jetzt weinen muss, wird gleich ein bisschen nass. Die Sonne gibt ihm einen Kuss, das macht ihm keinen Spaß. Damals erkannte ich in der Maserung des Holzes, in den Wolkenformationen, in der Musterung der Marmorplatten nicht bloß Gestalten, ich nahm Wesen wahr. Je drei Astlöcher bildeten die Augenpaare und Schnauzenspitzen von weisen Füchsen. Der Himmel war voller Kraken und Kaninchen und kaviolköpfiger Trolle, im Stein lebten Gespenster. Die Welt bestand noch nicht aus Tatsachen. Daheim bogen sich die Regalbretter unter dem Gewicht von gesammelten Werken und dickleibigen Märchenbänden, Schallplatten und CD-Boxen. Das Klavier hatte zwei hängende Tasten und in den meisten Büchern fanden sich Bibliothekstempel oder Notizen von Vorbesitzern. Unser Globus war ein leuchtender Planet mit Ländern, die es nicht mehr gab. Sowjetunion, Jugoslawien, Saire. Auf dem Haus lastete eine Hypothek, doch es war voller Geist. Morgens hing die süßliche Frische von Mutters Lieblingsparfum in den Zimmern, abends der Duft gelöschter Kerzen. Zwischen den gestapelten Pullovern lagen selbstgenähte Lavendelbeutel und zwischen den Seiten der Lexika alte Postkarten und getrocknete Blumen. Mutter liebte das gedämpfte Licht der Salzsteinlampen im Schlafzimmer, von dem Vater behauptete, es würde einem beim Lesen die Augen verderben. Der Spiegel hinter dem Wasserkocher lief an, die Glühbirne in der Speisekammer flackerte. Der Flickenteppich war so bunt wie die Bücherwände. Auf der Terrasse standen die Limonaden auf Korkuntersetzern. Hatten wir Besuch von Korriphäen, Spezialistinnen, Doppel-Doktoren, war der Fransensaum der Tischdecke wie gemacht für die Finger eines sich langweilenden Kindes. Der Wind fuhr in die Bettlaken auf der Wäschespinne, gab den Blick frei auf den schiefen Geräteschuppen und prächtige Hürzinden. Die Gartendusche erinnerte an eine hoch aufschießende Sonnenblume, die den Kopf hängen ließ. Mutter schlug die Stimmgabel an, ich ging hinaus und war mit den Vögeln. Da ist auch ein, ich hoffe, dass ich nicht dem zweiten Lesungsblock dir jetzt schon fladere, aber es steht gar nichts über diesen Satz zu sprechen, den zuerst Leons Mutter ihm sagt und er dann am Schluss sagt, dass das Leben sich nicht lohne, aber gut sei und schön. Das ist jetzt ein bisschen eine Poesie-Albumsfrage, aber ist das auch für dich ein Lebensmotto? Es ist ein Motto für lauter. Ich finde schon, dass das Buch unter diesem Stern steht. Da ist sehr viel Schönes drin. Viel Schlimmes. Ja, also mit dem Satz kann ich persönlich auch viel anfangen, vor allem weil dieses das eine ist halt schön und gut und das andere ist, dass sich lohnen. Und im Lohnen ist ja eine gewisse Logik eingeschrieben, der Belohnung, der Leistung, des Rubrizierenkönnens, des Abwiegenkönnens, des Bewertens. Und ich glaube, da wo das Leben wirklich spannend und voll wird, haben diese Dinge nicht viel zu tun, sondern da ist es vor allem gut und schön oder auch tragisch, aber nicht instrumentalisiert, nicht bewertet, nicht eingeordnet, nicht lohnenswert in gewisser Weise. Leon, er ist zwar wirklich, er ist total in der Krise, die Mutter stirbt und dann muss ihm auch noch ein Hoden amputiert werden, also er hat dann auch kurz einmal Todesangst, also dem geht es grundsätzlich nicht gut und in dieser Krise, sag einfach Stopp, wenn ich zu viel verrate, weil sie möchten ja das ja dann alles noch kaufen. Aber auf eine bestimmte Art mache mir ich um diesen Leon nie Sorge. Ich habe eben, wie schon gesagt, wie er dann zum Meditieren nach Venedig gefahren ist, dann hoffentlich wird er jetzt nicht ganz vergeistigt. Der hat doch eigentlich einen richtigen Kopf auf den Schultern. Aber wenn ich dich jetzt so festlegen würde, was ist für dich am wichtigsten? Die Stimmung eines Textes, seine Sprache oder die Handlung? Ich meine natürlich, ich sage, es ist so gut als drei. Alle drei Dinge sind wichtig für dich. Also am einfachsten tue ich mir mit dem, was mir am wenigsten wichtig ist, nämlich die Handlung. Weil Texte natürlich, also auch Prosa-Texte können funktionieren, wenn die Handlung zumindest mager ist oder dürftig oder nichts Besonderes. Aber sie können nicht funktionieren, wenn die Sprache schlecht oder austauschbar ist. Und ich glaube, die Stimmung, würde ich sagen, ist etwas, das danach jeweils kommt. Also die Stimmung gibt es nicht ohne die Sprache eines Textes und auch in gewisser Weise, wenn Handlung drin ist, auch nicht ohne die Handlung. Deswegen würde ich die Stimmung jetzt ein bisschen extra sehen. Aber die Sprache ist mir tatsächlich, die ist auf jeden Fall vordergründig. Ich muss mich jetzt zum ungefähr 70. Mal selber zitieren. Ich habe das schon in mehreren Interviews oder auch im Podium da erzählt. Wenn ein Text 500 Seiten lang die großartigsten Figuren, psychologisch fein gezeichnet und unglaubliche Plotwists und spannende Handlungen und großartig aktuelles Thema hat, aber die Sprache ist eben austauschbar, inadäquat, dann ist es einfach ein miserables Buch. Meines Erachtens umgekehrt, wenn ich 500 Seiten schreibe über einen Stein, der in der Sonne liegt und die Sprache ist aber absolut adäquat und großartig, dann ist das Buch hervorragend. Da muss ich kurz was sagen. Mein Traum war es immer, ein Buch zu schreiben, 500 Seiten, wo ein Mädchen ein Pferd striegelt, sonst nichts. So quasi ASMR, da gibt es ja diese Videos, wo man die Schönheit dieses Ereignisses nur beiwohnt. können. Ja, ja, stimmt, wenn man da drauf tritt, ist man tot und die Bands, die nur eine Stunde halten oder so. Aber was, glaube ich, hier so, weil wir gerade über Sprache reden, was hier so gut funktioniert, ist dieser feierliche Ernst mit einer sehr, mit diesen ganz spezifischen kindlichen Erinnerungen und Beobachtungen und wenn du sagst, der fährt dann zum Meditieren, weil ich finde, das war auch bei meinem Schreibprozess, wenn man so in die Kindheit tauchen muss, dann wird das so ein bisschen meditativ. Oder wie ist es dir da gegangen? Also man muss sich sehr konzentrieren wieder auf diese Empfindungen von damals, um so etwas wieder raufzuholen. also die Stelle ist, habe ich deswegen heute ausgewählt, weil sie eben diesen feierlichen Ernst, danke für diesen Begriff, den finde ich sehr gut, weil sie ein bisschen spüren lässt vielleicht, woher oder wie früh dieser feierliche Ernst, mit dem der Leon ins Leben geht oder auf die Welt schaut, schon angelegt ist. Und der zieht sich tatsächlich durch also hinten habe ich hinten im buch steht auch lauter ist eine liebeserklärung an die welt und das ist tatsächlich wahrscheinlich also das finde ich sehr trefflich oder das war für mich auch so die prämisse wollte ich ja liebeserklärung an die welt schreiben und wollte figur haben die die welt liebt und diese liebe wird auf proben gestellt aber er lässt diese liebe nie los und behält seinen feierlichen ernst seine hingabe an die welt bei von der kindheit an bis 30 samping ich habe das aber ich bin es wäre dann eine Frage gewesen, aber das braucht man gar nicht fragen, das ist eine triftige Feststellung, dass auf jeden Fall in euren Büchern, in den neuen auch, die Kindheit einen großen Wert hat. berichtet sie uns ja live aus der Berichterstattung über sie selbst und wie sie kämpft in die Welt hinein oder die Welt auch bekämpft, dass sie nicht immer so in sie eindringt, aber so diese, ja das Wundern oder so, zum Beispiel da geht es gerade eine Reihe Enten zum Bad, ich möchte nicht ablenken vom Zauber der Literaturwürde, das ist zum Beispiel auch schon ein schönes Ereignis. Aber eben das, du schöpfst da wirklich aus diesem, das ist alles sehr ernst und gleichzeitig auch wirklich magisch, also da ist noch nicht alles so festgestellt, du hast ja dieses ganze Leben noch vor dir und aus dem kann man da wirklich, ja, das ist ein Schatz, mit dem du, ich habe wirklich lachen müssen, wir sind dann doch einige Jahre auseinander, aber diese CDs von Linkin Park. Hast du es auch gehabt? Nein, Sepultura. Die sind die fünf Jahre vor mir. Aber Kaffee ergänzt die Maschine, habe ich sehr gelacht. Das ist ein super Location-Name. Sepultura ist aber um einiges höher einzustufen als Linkin Park, finde ich. Gute Gäste, oder? Wir können nachher noch ein bisschen Musik machen, legen wir die rhythmischen Klangstücke von Sepultura auf. Vorher möchte ich aber noch ausnutzen, dass ich mit euch sprechen kann. Es ist ein großes Thema und der feierliche Ernst, das habe ich sehr interessant gefunden, weil du mit deinen Bands, da ist feierlicher Unernst. Also es sind überhaupt keine Spaßprojekte, auch das fundiert auf voller Kompetenz und gleichzeitig, ich muss immer lachen, es ist wunderbar, ich liebe diese Texte und sie sind dann zum Teil wirklich von großartiger Albernheit. Sehe ich das richtig? Also ich bin sicher, das richtig zu sehen. Als Autor nimmst du, was du schreibst, sehr ernst. Es ist ein Witz drinnen, also es gibt herrliche Passagen, die so Witz im Sinne von vom Leben gewitzigt zu sein. Sinne vom Leben gewitzigt zu sein. Du hast als Musiker so eine wirklich lustige Ironie, weil du da Dinge parodierst oder erschaffst, weil es wirklich lustig ist. Kauft diese Tonträger auch bitte. Und bei der Literatur verwandelt sich das Ganze in eine Selbstdistanz, Weltbeobachtung, Selbstdistanz und ich habe irgendwie das Gefühl, es geht bei Lauter schon sehr viel darum, es ist überhaupt kein egozentrisches Buch, darum habe ich das auch so interessant gefunden, obwohl ich jetzt schon immer wieder über mitteljunge Männer in der Krise gelesen habe, aber das ist überhaupt nicht egozentrisch. Darum funktioniert für jemand, das Meditieren gar nicht, der braucht ja das gar nicht. Der will ja sich für die Welt öffnen und dann gibt es eine ich habe es sogar umgeknickt, vielleicht kann ich es sogar sagen, das hat mir gut gefallen, quasi weil es darin er verliert sich beim Zuhören, ich glaube, er ist eine Cellistin und die auf der Straße spielt. Während ich mich den Klängen überließ, bekam ich eine Ahnung von Glück, denn in ihnen spielte ich keine Rolle. Das habe ich sehr bezeichnend gefunden für das, was Leon sucht, sich öffnen und von sich wegzukommen auch. Das ist ein narratives Interview. Ich werde nachher wieder geschimpft kriegen, das hast du wieder total verquatscht. Das ist leider dieser Enthusiasmus. Weißt du was, lies einfach was. Du hast für das zahlt wirst. Ja, die zweite Stelle, die ich jetzt lesen werde, ist ebenso eigentlich der Handlung weitestgehend entzogen. Krebserkrankung nach der ersten Heilungsphase sozusagen ergreift er die Flucht nach Italien, folgt der Einladung zu diesem Pseudobuddhisten, sage ich jetzt mal ein bisschen flapsig nach Venedig anfangs und er wird dort er erhält dort sozusagen die Einführung in die Kunst der Meditation und das ist auch sehr hilfreich für ihn, zumindest für ihn anfangs und ich will die Meditation jetzt gar nicht, weil das manchmal schon so abgewertet wurde. Die ist schon auch hilfreich für ihn, auch bis zum Schluss, aber er kann sich nicht ganz für diesen Weg entscheiden, das ist einfach nicht ganz sein Pfad. Und es kommt zu einem Bruch mit diesem Anton, mit diesem Lehrmeister sozusagen. Und dann will er eigentlich im ersten Impuls zurück nach Österreich, zu seinen Freundinnen, zu seinen Bandkolleginnen, die er ein bisschen verstört und angefressen, sage ich jetzt einmal flapsig, wieder zurückgelassen hat. Und als er aber von denen, als er denen schreibt, er kommt es wieder nach Hause, bekommt er zumindest von einer dieser Bandkolleginnen eine ziemliche Abfuhr. Und damit wird ihm irgendwie nochmal der Boden unter den Füßen weggezogen. Er fühlt sich noch mehr verloren und er greift sozusagen die Flucht in die Gegenrichtung und eine rasante Italienreise beginnt. Und genau da steige ich jetzt ein. Falls Sie nicht alles erfassen, dann liegt es nicht an Ihnen, sondern am Text. Der ist in der Phase sehr assoziativ gebaut und sehr schnell und ich werde jetzt auch noch schneller als vorher lesen. Rausch. Manchmal kam ich zu einem Bahnhof und hatte bereits ein Ziel. Manchmal nahm ich den nächstbesten Zug, egal wohin er fuhr. Ich stand an Straßenrändern und hielt Kartonschilder hoch. Ich stand in Menschenschlangen und wünschte mich fort. Ich kaufte mir in Turin einen Rucksack, überließ meinen Koffer samt einem Gutteil meiner Kleidung einer Wahrsagerin, wanderte so lange, wie mein Bein es zuließ. Ich versäumte Busse. Ich kurfte auf einer Wespe im Slalom durch eine Pinienallee. Ich ließ meine Finger durch das Seewasser gleiten, die harte Kante eines Ruderbootes in meiner Achsel. Ich streckte meinen Kopf aus dem Fenster des Taxis, schloss die Augen. Die letzten Monate sollten von mir abblättern wie sonnenverbrannte Haut und der Fahrtwind sollte sie mit sich reißen, über Wald und Flur verstreuen auf Nimmerwiedersehen. Es gab einen Tag, an dem ich auf Pappdeckeln lag und das schwache Licht eines Kondomautomaten mir die Nachttischlampe ersetzte. Es gab einen Tag, an dem ich unter einem Luste erwachte, der so breit war wie ein Wagenrad und ich über einen spiegelblank gewischten Korridor in einen Frühstückssalon schlenderte, wo kolorierte Kupferstiche an den Wänden hingen und ein Grammophon knisterte. Über dreckige Zimmer beschwerte ich mich nicht. Wozu? Morgen würde ich ohnehin wieder weg sein. Ich verschickte Fotos von beidseitig abgebrochenen Kleiderhaken, schimmelnden Duschvorhängen und fingerlangen Kakerlaken und zeichnete einen Blitz in die Staubschicht auf der Minibar. Ich folgte ersten Eingebungen und ergriff letzte Möglichkeiten, gab der Versuchung nach, berauschte mich am Tempo, an Tollheiten, silbernen Lippen, Seeluft, Chinar, nur um eine Stunde später von der Tristesse sinnloser Freiheit ins Kissen gedrückt zu werden. Selber Mond, andere Stadt. Ich wollte der bleiben, der nicht bleiben muss, und wünschte mir doch nichts mehr, als dass irgendetwas bleiben darf. Das diffuse Morgenlicht und die graublauen Gassen, das Mädchen, das die Taubenfeder in den Tautropfen tauchte und die Luft damit beschrieb. Ich wünschte mir, dass alles gewesen sein wird, auch das Vergebliche und Herz zertrümmernde. Ich dachte, alles immer schon vom Ende her, küsste einen bronzenen Dichter nach einer Nacht voll träger Träume, die sich nicht dazu hatten durchringen können, von etwas zu handeln. Setzte mich auf die Hafenmauer, sah die Sonne aus der Ungewissheit hinter dem Horizont auftauchen und hörte bald den Akkord, in dem ich das Glühen der Wolkenbänke aufbewahren wollte, den sanft zurrenden Sound, ein langsames Glissando. Das Geschrei der Möwen gab mir die Idee einer Rhythmik ein. Ich übersetzte mir das Glitzern des Wassers in ein Geriesel hoher Töne und die Adria Frachter in satte Bass-Trommelschläge. Ich notierte eine Melodie auf der Rückseite einer Fahrkarte. Jede Note war Bestandteil eines aussichtslosen Unterfangens. Der Zerfall der Wirklichkeit dauerte an. Manchmal träumte ich davon, ein Theaterstück zu unterbrechen, die Spielenden und das Publikum des Saales zu verweisen, um danach allein, ungestört, durch das Bühnenbild zu wandeln. Es gebe keine Handlung mehr, keine überraschende Wendung, kein Drama, nur eine Anordnung von weißen Steinen. Strahlig gestreifte Portellen hafteten an der Kaimauer. Im Park am Vorplatz des Bahnhofs schliefen schutzbefohlene, unter Gold glänzenden Folien. Eine Dame in Lila drehte langsam ihren Lippenstift heraus. Ein Bub zog einen Spazierstock aus dem Müll und ließ ihn über die Vergitterungen der Kellerfenster rattern. Auf meine Pizza legte sich der Staub, den die Baumaschinen aufgewirbelt hatten. Ich erkannte ionische Säulenkapitele in den dünn geschnittenen Champignons und im Brokkoli die Bäumchen, zwischen denen Vaters Modelleisenbahn hindurchgesaust war. Ich erkannte in gefleckten Bananenschalen das Fell von Geparden. Ich erfreute mich an den wilden Blumen neben dem Gleis und schlief im Zug an der Schulter eines sanftmütigen Fremden. An den Gott meiner Mutter glaubte ich schon lange nicht mehr, und die Leerstelle, die er hinterlassen hatte, ließ ich verwuchern. Berauscht von den Farben und Düften der Kräutergärten kehrte ich zurück zum Fluss, in dem in brauner Plastikglatzhose ein Fliegenfischer stand, ein Vater, die Füße seines Kindes wusch, auf einem Felsen eine Frau ihr langes rotes Haar kämpfte. Abends betrank ich mich unter einer Kiwi-Laube mit dem glücklosen Fliegenfischer, spielte auf seiner Hemmendorgel einen alten Björksong, verfolgte die Schatten der Wolken auf den gewaltigen Berghängen, bis es dunkel wurde. eisgelbe Fleisch zum Vorschein gebracht. Die Platane verstellte mir den Blick auf den Mond, ließ mich wissen, dass sie sich vor dem Mond befand und der Mond hinter ihr. Nichts war selbstverständlich, auch nicht, dass sich die Dinge zueinander ins Verhältnis setzen. Der Raum bot mir ein Zuhause, einen Platz im großen Gefüge. Die Zeit lehrte mich das Fürchten. Vio hatte mich immer dafür ausgelacht, aber ich ertrug das Ticken eines Metronoms nur, wenn sich Musik darüber legte. Hatte ich früher einen schönen Ort gefunden, nahm ich mir vor, noch einmal hierher zurückzukehren. Nun dachte ich mir, vielleicht bin ich zum letzten Mal hier. Ich wurde von der Polizei verscheucht, als ich mit erhobenem Daumen an der Autobahnauffahrt stand und von zwei alten Damen zu einer runden Skopa und einem Stück Zitronenkuchen eingeladen. Ich schlich mich in einen Campingplatz ein, übernachtete im Zelt einer tschechischen Buchhalterin, die mir mit einem Feuerzeug die Haare an meinen Oberarmen abfackelte. Marschierte am nächsten Tag durch einen vier Kilometer langen Arkadengang zu einem Heiligtum, um mitzuerleben, wie das Fell einer Kuh im Schatten die Farbe von Rost annahm. Straßenkünstlerinnen tanzten mit Spazierstock und Melonen zu französischen Chansons, als gäbe es keine Marsmissionen, keine Trollfarmen, keine Rasenmäheroboter. Jedes Mal, wenn die Tür geöffnet wurde, brach die Musik lautstark aus dem Lokal. Das Schwarzlicht trieb die Graffiti aus den Wänden heraus und ließ alles Weiße erstrahlen. Papier, Zähne, die Schuppen auf den Schultern. Die Bewegungen der Tanzenden wurden vom Stroboskop in Einzelbilder zerhackt. Mögen wir alle Elefantentode sterben, lebenssatt die Stunde erkennen, es ist gut, dass ich hier war, es ist gut, dass ich jetzt gehe, und uns in die Wellen legen, unter einen alten Baum, einen Herz, das uns gewollt hat. An einer Raststätte kurz nach Bologna sah ich, wie Fernfahrer ihre Pornohefte tauschten und im Kuppelmosaik des arianischen Baptisteriums zu Ravenna Jesu Penis von den Fluten des Jordans umspült. Vor jeder Schiebetür machte ich eine Wischbewegung mit der Hand, als wären mir die Dinge hörig. Ich verbrachte einen Abend mit wässrigem Bier und teknoidem Blues, einer flüchtigen Bekanntschaft und dem hartnäckigen Eindruck, dass ich an diesem Abend glücklich war. Insekten verschwanden in den Falten ergrauter Bettlagen. Sie hatten mehr Beine als ich, machten jedoch nicht den Eindruck, als hätten sie mehr Gedanken. Ich stand um Mitternacht vor einem Haus und nippte Limoncello, vernahm das Schnarren der Zikaden und sah jenseits der Felder aberhunderte Lichter ferner Ortschaften flimmern. Und bald war es, als ob das Schnarren und das Flimmern zusammengehörten. Das Geräusch der Unsichtbaren und das lautlose Bild. Es schnarrten die Lichter. Als ich meine Zigarette in ein Glas fallen ließ, in dem sich Regenwasser gesammelt hatte, zischte es. Und ich fragte mich, was es war, das da zischte, dieses Es, von dem die Sprache behauptete, es existiere. Vielen Dank. liest. Das ist voll super. Das ist wunderschön. Tatsächlich manchmal, eine geschätzte Kollegin von mir, die Valerie Fritsch, die hat einmal gesagt, vielleicht ist es auch nicht von ihr, ich zitiere jetzt nur ein Zitat, sie hat mal gesagt, sie sitzt beim Schreiben an der Tastatur wie vor einem Klavier. Also sie komponiert, sie hat das Gefühl, sie komponiert und ich finde, das Gefühl habe ich auch manchmal. Also ich liebe, also ich schreibe musikalisch nicht nur, glaube ich, dass es manchmal um Musik geht, sondern ich mag dieses Gefühl. Also mir sind Rhythmus und Melodie und all diese musikalischen Begriffe, sind mir auch in der Literatur total wichtig. Und ich habe auch Ekstase beim Schreiben und beim Lesen. Wirklich, du rätst nicht beim Schreiben. Ich sitze da und rieche. Das ist schlecht, ich kann es nicht. Blödsinn. Genau, das ist vielleicht die letzte Frage, grundsätzliche Frage, worum es beim Schreiben geht. Ich warne euch vor, das ist immer ein bisschen banal und gleichzeitig sagen gescheite Leute immer was Gescheites drauf. Wie schreibt ihr? Also das mit den Tränen hoffe ich nicht, aber muss es absolut ruhig sein? Braucht ihr Musik? Dürft ihr im Umfeld von 100 Metern kein anderer Mensch sein oder umgekehrt? Mich interessiert das total, weil ich gar nicht weiß, wie es gelingen kann. Ich persönlich am liebsten zu Hause. Je früher am Tag, umso besser.use je früher am tag umso besser und je stiller umso besser ich habe also ich ich überhaupt nicht zu hause ich kann das ganz außer es muss sein daheim kann überhaupt nicht schreiben will kaffeehaus literat ich sitze wahnsinn Ich bin ein Kaffeehausliterat. Ich sitze wahnsinnig gerne in Kaffeehäusern und schreibe dort. Ich schreibe ganz viel mit der Hand und sammle Fragmente oft auch ohne, dass ich weiß, das gehört schon zu einem gewissen Projekt, die digitalisiere ich irgendwann einmal und dann ergibt sich irgendwann einmal ein Netz an Fragmenten, die so etwas wie eine Geschichte oder ein Bild zumindest ergeben. Und ich habe früher ganz viel mit Musik geschrieben und aber wenn man schon im Café aussitzt, muss man einen gewissen Lautstärkepegel aushalten. Außer bei den ganz konzentrierten letzten Textstufen darf es auch ein bisschen laut sein. Und jetzt wirklich die letzte Frage. Obwohl kein Gewitter kommt, das haben wir heute abbestellt. Worum geht es euch beim Schreiben? Entschuldigung die Banalität, aber ich finde es trotzdem immer wieder, ich höre immer wieder Interessantes. Es war auch mal interessant und du sagst mir, das ist mir wurscht, ich schreibe es einfach hin. Also bei mir ist es zuallererst einmal was ganz Narzisstisches, ein ganz eigennütziges Motiv. Es fühlt sich einfach geil an, es zu machen und es gemacht zu haben. Da kann ich prinzipiell zustimmen. Also ich kenne einfach, abgesehen von so zwischenmenschlichen Bereichen, Freundschaft, Liebe, Hashtag, Hashtag, kenne ich wahrscheinlich, oder Musik gibt es vielleicht noch, aber ansonsten gibt es kaum etwas, was mich so beglückt, wie wenn ich entweder selber einen Satz geschrieben habe, den ich zumindest in dem Augenblick für gut befinde, der irgendwie resoniert, oder einen Satz auch lese, der einfach wundervoll ist und es gibt einfach kaum was, das mit dem mithalten kann. ist natürlich so dass das die sprache natürlich nicht nur für mich da ist und das ist bei dir wahrscheinlich genauso es ist natürlich kommunikation mit mit anderen und vor allem an form der erkenntnis von welt die hat anders funktioniert wie wissenschaft und die man dann auch teilt also in der öffnet sich ein raum für. Und das Schöne ist auch das Utopische an dem Unterfangen, weil es gibt schon so viele Bücher, wieso sollte man es tun und man tut es halt trotzdem. Und das finde ich irgendwie schön, dass es ja, erst mal verrückt ist. Ich möchte noch, Marke, zu deinen Büchern, also ich habe jetzt nur die zwei Romane gelesen. Mich hat das so fasziniert, weil Palmherzen so ein komplett anderes Buch ist. Also es atmet wirklich diesen Geist, zum Teil ist es dann auch wirklich zum Schreien lustig, diese total dekadente Katheter, es geht quasi um Geschwister, lesen Sie es bitte einfach, wir können jetzt nicht nur das nächste Fass aufmachen, aber das hat mich voll fasziniert, weil wenn man die beiden Bücher lese, ohne auf den Namen zu achten, kann man nicht drauf. Also bei Laute und Triceratops ist auch ein ganz anderer Ton. Ich müsste jetzt auf das wahrscheinlich auch nur mal lesen, aber eben bei Palmherzen und Geheimnis meines Erfolgs, das sind zwar völlig verschiedene Bücher, oder? Ja, und das nächste wird wieder ganz anders und das ist eigentlich die Frage, woran arbeiten Sie gerade? Das nächste klingt wieder ganz anders, verkaufstechnisch ist das wahnsinnig schlecht, weil dadurch kann man überhaupt nie eine Marke entwickeln, kaufen Sie die müssen wir, weil das wird Ihnen gefallen, weil Sie wissen ja nie, ob Ihnen das nächste dann wieder gefallen wird. Na, gefallen wird es ja nicht, Sie sehen immer was anderes. Marketingtechnisch ganz schlecht, aber ich habe halt das Gefühl, wenn ich einen Stoff habe, den ich bearbeiten will, eine Idee, ein Bild, was auch immer es ist, dann muss ich zuerst ganz lang Zeit investieren, um den Klang zu finden, um die Perspektive zu finden, um zu finden, wie die Sätze sein müssen, damit das zu dem passt, was ich erzählen will. Und deswegen ist es für mich folgerichtig, dass jedes anders ist. Und kann man dich entreißen, woran du gerade arbeitest? Noch nicht so viel, aber es wird im Kunstbetrieb spielen. Ich werde es lesen. Stefan Petit, du hast ja gerade erst dieses Lauter herausgebracht. Sag bloß, du hast da schon wieder etwas Neues. Ja, ich arbeite auch schon, aber es steckt sehr in den Kindern schon. Ich könnte wirklich jetzt nicht viel verraten, weil da gibt es noch nicht sehr viel, was klar ist. Eigentlich wollte ich ja schon bei Lauter unbedingt nicht ein Ich schreiben, weil Triceratops ist ja zwar eine Wir-Perspektive, aber eigentlich verklausuliertes Ich. Aber es ist mir nicht gelungen. Es hat es sein müssen. Aber diesmal habe ich wirklich den fixen Vorsatz kein Ich, sondern wahrscheinlich Personal oder sogar Auktorial. Aber recht viel mehr kann ich noch nicht sagen. Zumindest einmal für die Germanistik total relevant. Liebe Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde von Experiment Literatur, liebe Hasser von Experiment Literatur, Sie sind trotzdem auch willkommen. Ich habe relativ viele Fragen nicht gestellt, weil ich mich wieder einmal verdrödelt habe bei den Einzelfragen. Entschuldigung. Ich hoffe, Sie sind trotzdem auf Ihre Kosten gekommen mit den wunderbaren Gästinnen Margit Mössmann, Stefan Reus. Das ist jetzt noch nicht genau der Schlussapplaus. Ich möchte, also wir gehen jetzt in die Sommerpause, damit wir halt wirklich arbeiten können. Aber jetzt ist einmal, meinerseits ist Schluss mit diesem Experiment Literatur. Der nächste Termin steht noch nicht genau fest. Was wir fix wissen ist, dass es die Antrittslesung, wahrscheinlich Antrittslesung des neuen Stadtschreibenden oder der neuen Stadtschreibend-Schreibsperson werden wird. Ich habe große Vorfreude, aber ich sage nichts, ich weiß ja gar nicht, wer es wird quasi. Ich kann nur zur innigsten Vorfreude anhalten, der nächste fixe Termin Experiment Literatur ist der 16. Oktober, wo Barbara Rieger und Eva Reisinger lesen werden. Kleine Vorwarnung, es wird ziemlich matriarchisch, also es ist wirklich nur für echte Feministen, die kommen und alle anderen, aber das ist eh beim Experiment Literatur immer so, nur für echte FeministInnen. Ich sage Danke an, es wird auch heute wieder auf Dorf live übertragen, Oliver Lasch und Lisi Schädelberger, danke für das unermüdliche Filmen immer. Thomas Butteweg an den technischen Geräten, vielen Dank und noch viel mehr. Die große tragende Säule des Experiments Literatur. Kulturverein Wasch-Echt für das Kassieren, für den Kulturverein Wasch-Echt, für alle, die geholfen haben. Für die Tina, die am Büchertisch jetzt schon. Nein, sie ist noch gar nicht dort. Lasst ihr Zeit? Nein, renn noch nicht gleich hin. Tina Keller, bitte alles ankaufen, sie sollte nicht so schwer tragen und bitte gehen sie an die Bar des famosen Teams des Volksgartens ATP, glaube ich ist das. Volksgarten, großer Applaus, bitte trinkt sie an die Bar leer, es gibt auch eine Schattenbombe, man muss eh nicht saufen. Und es gibt jetzt was zum Essen von unserer Sonja, wie immer essen sie recht viel, weil es, ob sie eintritt, zahlt, den könnt ihr jetzt wieder einer fressen. Also nur einmal, der große Schlussapplaus bitte nur einmal für unsere LiteratInnen Stefan, Rolls und Margit Mössmer. Danke. Danke. Danke. Danke Dominika und vor allem danke fürs Kommen. Teksting av Nicolai Winther Să vă mulțumim pentru vizionare!