Meine Damen und Herren, ich möchte Sie sehr herzlich zur heutigen Veranstaltung der Grazer Autorinnen-Autorenversammlung Regionalgruppe Oberösterreich begrüßen. Bereits zum sechsten Mal stellen Autorinnen und Autoren der Gaf Oberösterreich unter dem Titel Was wir lesen ihre Lieblingsbücher hier bei uns im Stifterhaus vor. Und wir freuen uns sehr, dass die GAF Oberösterreich unsere Einladung angenommen hat, diese Veranstaltung heute am Welttag des Buches abzuhalten. Konzipiert, organisiert und moderiert wurde die Veranstaltungsreihe Was wir lesen vom Beginn an vom Autor Erich Wimmer. Und ich begrüße ihn auch heute wieder sehr herzlich. Herzlich willkommen! Erich Wimmer wird wie immer auch selbst ein Buch, das er sehr schätzt, vorstellen oder darüber sprechen. Er hat zudem drei Autorenkolleginnen und zwei Autorenkollegen zur heutigen Veranstaltung eingeladen. Ich begrüße sehr herzlich Tamara Imlinger, Joppa Jutakin, Stefan Kutzenberger und Elisabeth Strasser. Judith Gruberit, sie kann leider aus gesundheitlichen Gründen heute nicht bei uns sein, Die anderen begrüße ich aber sehr herzlich. Herzlich willkommen! Die Veranstaltung wird wie die vorhergehenden musikalisch begleitet, und zwar von Valentina Birkelbauer und Jona Kropf. Auch Sie begrüße ich sehr herzlich. Birkelbauer und Jona Kropf. Auch Sie begrüße ich sehr herzlich. Auch heute wird jetzt die Bandbreite der Bücher, über die gesprochen wird, sehr groß. Schon was die Entstehungszeit betrifft, die reicht diesmal vom Beginn des 17. Jahrhunderts der Entstehungszeit des Buches Don Quixoteote des spanischen Schriftstellers Miguel de Cervantes, der Stefan Kutzenberger, vorstellen wird, bis ins Jahr 2023 zum Roman Der Kaninchenstall der US-amerikanischen Autorin Tess Ganti. Der Roman ist erst vergangenes Jahr erschienen und über ihn wird Erich Wimmer sprechen. Aber auch was Inhalt und literarische Form betrifft, werden wir eine große Vielfalt kennenlernen. Die Frage nach dem Lieblingsbuch bzw. nach den Lieblingsbüchern ist oft, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, gar nicht leicht zu beantworten. Mir persönlich fällt es tatsächlich sehr schwer, mich da festzulegen. Denn was macht ein Buch zu einem Lieblingsbuch? Aus welchen Gründen schätzt man ein Buch besonders? Bei Autorinnen und Autoren ist auch die Frage spannend, ob das Buch, das Lieblingsbuch, deren Schreiben beeinflusst. Ich wünsche uns in diesem Sinne einen anregenden Abend. Es ist mein letzter Abend im Rahmen dieser Reihe, was wir lesen. Ich gehe mit Ende Juni in Pension, aber ich freue mich darüber, dass ich heute noch dabei sein kann und übergebe das Wort an Erich Wimmer. Applaus Applaus Applaus Applaus 1980 im Juli habe ich mit meiner Hauptschulklasse damals eine letzte Reise nach Paris gemacht. Und dann war klar, wir sehen uns nie wieder nach acht Jahren. Und wir waren eine tolle Klassengemeinschaft. Und wie wir von dieser Reise zurückkommen, aus Paris und mit dem Zug Richtung Hauptbahnhof Linz fahren, habe ich mir gedacht, angesichts dessen, was jetzt passiert, dass wir uns für alle Zeiten quasi trennen, müsste doch irgendwas Besonderes sein. Es müsste irgendwas passieren. Jemand müsste was sagen. Ein Stern müsste aufgehen, ein Komet, irgendwas müsste sein, aber es war gar nichts. Wir sind ausgestiegen und unsere Wege gegangen und das war es dann. Und für mich war das zum ersten Mal diese Erfahrung, dass besondere Momente eigentlich, obwohl sie besonders sind, die Tendenz haben, auch umzugehen. Und warum erzähle ich die Geschichte? Weil jetzt auch so ein besonderer Moment ist, für mich zumindest und ich glaube auch für Sie und letztendlich für die ganze gaf weil eben und die regina hat das schon gesagt die frau dr pinter in pension gehen würden das wirklich das letzte mal ist dass sie uns an moderiert hat und begrüßt hat und für mich ist und für mich ist das unglaublich sozusagen stifterhaus und frau. Pinter sind eine Unio Mystica für mich, eine Einheit in sich, eine geschlossene und ich kann es noch gar nicht glauben, dass das wirklich so ist. Und damit eben dieser besondere Paris-Moment jetzt nicht ganz an uns vorbeigeht, liebe Regina, möchte ich mich in meinem Namen und im Namen aller meiner Kolleginnen und Kollegen allerherzlichst schon einmal anfangen zu bedanken. Wir werden uns noch öfter bedanken, aber anfangen zu bedanken, indem ich dir etwas mitgebracht habe. Ich komme ja aus einer Lebkuchenhochburg aus Bad Leonfelden und ich habe mir erlaubt, dir die neueste Verpackung, da ist Lebkuchen drin, ne? Da ist Lebkuchen drin. Vielen Dank. Dann sind wir schon in medias res nach diesem Moment und das erste Buch, das wir heute besprechen und vorstellen, ist von Luna Al-Musli, Um mich herum Geschichten. Und vorstellen wird es meine liebe Kollegin Tamara Immlinger und ich freue mich schon sehr drauf, weil das auch, wie die Regina schon angedeutet hat, ein sehr spannendes, stilistisch interessantes, aber vor allem inhaltlich vielfältiges, aus einer ungewöhnlichen Perspektive erzähltes Buch ist. Bitte. Vielen Dank, guten Abend. Ich habe die Um-ich-herum-Geschichten von Luna Almusli mitgebracht. Luna Almusli lebt als Autorin und Grafikerin in Wien. Das Buch ist ihr viertes Buch. Man sieht, es ist außen von ihr selbst illustriert, innen ist es sehr textbasiert, im Gegensatz zum Beispiel zu ihrem ersten Buch, das innen auch sehr viele Illustrationen hat. Ihr erstes Buch basiert auf ihrer, Lunal Musli ist in Melk in Niederösterreich geboren, aber hat ihre Kindheit und die Anfangsphase der Jugend in Damaskus verbracht und darauf basiert das erste Buch, das eben noch viel stärker grafisch gestaltet ist. Was sie in dem Buch macht und warum ich es mitgenommen habe, ist, dass sie fünf Geschichten darin vereint, die jeweils aus unterschiedlichen Perspektiven geschrieben sind. Und diese Perspektiven sind nicht irgendwie klassische Erzähler in den Perspektiven, sondern sind Gegenstände, wie zum Beispiel ein Schlüssel oder ein Hemd, die erzählen. Und ich werde jetzt einfach in die erste Geschichte mal kurz reinlesen. Seit meiner Ankunft beobachtete ich, wie sie umherlief, irgendein Notizheft oder einen Kalender aufschlug und hineinschrieb. Manchmal tat sie das während eines Gesprächs, eines Telefonats oder wenn sie fernschaute und Musik hörte. Wenn sie ihr Notizheft nicht fand, schrieb sie kurzerhand auf Zeitungen, Werbebroschüren oder Magazine. Sie nahm sich alle Weißräume vor und breitete dort ihre Gedanken aus. Auf die Ränder, zwischen die Zeilen und über die Fotos kritzelte sie. Überall, wo Platz war. Niemand durfte die Papierstapel auf und unter dem Wohnzimmertisch entsorgen. Auch nicht die Rechnungen, die in das Leben dieser Figur tritt und diese fünf Geschichten sind alle so aufgebaut, dass dieser erzählende Gegenstand immer Figur eigentlich charakterisiert und das mit einer sehr präzisen, prosaischen Sprache macht, sie auf die Figur bezieht, auch die Räume, in denen sie die Figur und das Objekt bewegen, was jetzt nicht so klassisch auf Gegenstände zutrifft, ist, dass diese Gegenstände Erinnerungen haben, so wie da Sachen irgendwie summieren, zusammenfassen können, Emotionen haben, Gedanken ausdrücken. Drauf steht vorn auf dem Buch Roman. Das läutet ein bisschen ein, dass man noch Zusammenhänge zwischen die Geschichten sucht die sind, wie ich finde, nicht immer ganz eindeutig es bewegt sich immer in Familienkonstellationen und man kann jetzt vermuten, dass die Großmutter und Mutter aus der einen Geschichte die Partnerin von dem Großvater und Vater aus der anderen Geschichte ist oder zum Beispiel gibt es eine Geschichte, die bezieht sich auf einen Musiker, der Ud spielt und da dreht sich die ganze Geschichte um dieses Instrument und diesen Musiker. Und in der nächsten Geschichte kommt ganz am Schluss ein Konzert vor mit einer Person, die Ud spielt. Oder bei den Objekten gibt es so Durchgängigkeiten, zum Beispiel eine Szene, dass eine Person einen Jasminzweig in einem Hemd versteckt. Die Szene wird einmal aus der Perspektive des Hemdes erzählt und einmal aus der Perspektive von dem Schlüssel, der sie in der Tasche befindet. Und eine Klammer rund um diese fünf Geschichten ist das Inhaltliche, sie spielen alle zwischen Damaskus und Wien, drehen sich alle um den Krieg in Syrien, um Personen, die flüchten. Eine Geschichte spielt ausschließlich in Damaskus, in Beirut und wieder in Damaskus, die anderen haben mehr und weniger Bezüge zum deutschsprachigen Raum und zeigen, ich würde sagen, recht viele kleine Sequenzen. Diese Lage zwischen Krieg und Frieden, zum Beispiel geht es darum, wie über den arabischen Frühling berichtet wird. Es wird erzählt, wie Personen Medikamente in Menstruationsbinden schmuggeln. Es wird überlegt, wo man begroben werden will. Es geht viel um Sprachen, also einerseits um Arabisch und Deutsch und dann aber auch diese Musikerperson bewegt sich in Wien in so einem KünstlerInnen-Milieu, wo in der Wohnung von der Person werden Partys veranstaltet, wo es dann recht international zugeht. Das finde ich recht schön gemacht eigentlich. das finde ich recht schön gemacht eigentlich. Die Bezüge sind zum Teil recht konkret auf diese Syrien-Krieg- und Geflüchtetengeschichte und zum anderen aber auch sehr breit auf das menschliche Leben und Verhalten im 21. Jahrhundert, wie er diese Anfangsszene zeigt, mit der Charakterisierung von der Figur, die ständig seine Notizen macht. Das ist, glaube ich, eher so eine Altersgenerationen- oder vielleicht einfach eine Typsache. Es geht viel um Süchte, Alkohol, Internet, um Liebe, Familie. Man findet sie recht schnell drinnen oder stöhnweise drinnen. Ich kann es zum Beispiel für mich sagen, ich bin insofern privilegiert, dass ich keine Fluchterfahrung habe, aber trotzdem sehr viele Bezüge zu den Personen herstellen habe. Das finde ich eigentlich auch sehr schlau gemacht. Danke. Herzlichen Dank, Ernst Wellen. Du hast das ganz wunderbar zusammengefasst, was vielleicht ein bisschen untergegangen ist, dass tatsächlich die Geschichten, die du so schön kurz nacherzählt hast, tatsächlich von Gegenständen erzählt werden. Und ich habe immer eine Weile gebraucht, um zu verstehen, nachvollziehen, zu verstehen, welcher Gegenstand jetzt wirklich spricht. Aber es ist unglaublich, wie einfühlsam die Autorin aus der Perspektive zum Beispiel eines Laptops erzählt. Und du hast das Stichwort schon gebracht, der Laptop spricht von Weißräumen, also von diesem Horror-Vakui, von diesem leeren Blatt Papier, das für uns Schriftsteller und Schriftstellerinnen manchmal ein Problem sein kann, aber er nimmt das auch wahr, aber in seiner Sprache, weil ich habe das noch nie gehört, das Wort, das war für mich wirklich neu und ich reagiere immer wieder auf interessante neue Worte. Ich meine, vielleicht kennen Sie das Wort Weißräume, aber ich habe es wirklich noch nie gehört und ich habe das Gefühl, es gelingt eben der Autorin, für die Gegenstände, die sprechen, eine adäquate Sprache zu finden. Und das ist ein Beispiel dafür. Das Bild zum Beispiel, das in der zweiten Geschichte eine Rolle spielt oder der Erzähler ist, das sagt, es ist unglücklich, wenn die Tür geschlossen wird, weil dann sieht es nicht die Menschen in den Raum hinein zum Beispiel, es beschwert sich richtig. Und bei der dritten Geschichte, wo das Ut erzählt, dieses interessante und wunderbare Seiteninstrument, das war für mich natürlich besonders interessant als Geigenspieler, diese Ut sagt Folgendes, also die Uth selber spricht, und das ist so toll. Sie sagt, bald bildete sich eine Hornhaut auf seinen Fingerspitzen, also auf dem Spieler. Auch ich, also die Uth, bekam Gebrauchsspuren, einen Kratzer und noch einen. Waren diese Kratzer Ausdruck seiner Wut oder seiner Liebe zu mir? Diese Frage stelle ich mir bis heute. Und das finde ich großartig, wenn ein Instrument diese Frage stellt. Und ich kann sie nur als Geigenspieler so beantworten, ja und ja, es ist beides. Natürlich, jede Emotion, die man selber hat als Spieler, überträgt sich auf das Instrument und man kann das nie abschließend beantworten. Aber in Summe ist es natürlich unglaublich interessant und spannend. Zum Beispiel meine Geige ist aus 1769 und die hat so viel Kratzer und Gebrauchsspuren drauf und es wäre einen eigenen Roman wert, diese Spuren nachzuverfolgen und zumindest zu versuchen, zu eruieren, woher diese Gebrauchsspuren kommen. Aber dass das eben ein Instrument einfordert, das habe ich ganz toll gefunden, wie ich überhaupt für mich das Beste an diesem Buch, diese Perspektive von den Dingen aus ist. Und das ist dann zugleich auch noch für mich auch das Problematische, Tamara, nämlich, weil ich mir gedacht habe, die Dinge erzählen so eloquent von sich und sind so beschäftigt damit, ihren speziellen Blickwinkel darzulegen, dass man ein bisschen, finde ich, auf das Schicksal der sie benutzenden Menschen fast vergisst. Und jetzt wollte ich dich fragen, findest du diese Konkurrenz zwischen den Dingen und den Menschen und die Aufmerksamkeit von uns, nämlich der Leserschaft, ausgewogen? Oder wie ist das für dich? Du hast mir die Frage schon letzte Woche geschickt, ich habe schon ein bisschen drüber nachdenken können. Ich glaube, man kann das so sagen, wie du das siehst. Mir war es nicht so gegangen, ehrlich gesagt. Also zum Beispiel, ich glaube, es hängt vielleicht ein bisschen damit zusammen, welche Erwartungen man an ein Buch hat. Natürlich sind Auslassungen immer drinnen, genau was dir, glaube ich vielleicht ein bisschen damit zusammen, welche Erwartungen man an ein Buch hat. Natürlich sind Auslassungen immer drinnen, genau was dir, glaube ich, ein bisschen gefällt hat. Habe ich auch gefunden in diese Objekte, nämlich tatsächlich drinnen, weil zum Beispiel die Ute, die du angesprochen hast, das Instrument, das hadert an irgendeiner Stelle damit, ob es nicht lieber eigentlich eine rockige E-Gitarre sein sollte oder so, damit sie, weil er zeitlang spielt, die Figur, die dem Instrument zugeordnet ist, spielt die Ute zeitlang nicht und da fragt sie sich solche Sachen. Also ich glaube, diese fremde Sachen sind vielleicht nicht so ganz deutlich, aber auf anderer Ebene drinnen kann man aber sicher kritisieren. Wie war das von selber? Das ist eine konstruktiv kritische Anmerkung, aber wie du gesagt hast, die Erzählhaltung oder die Erwartung, die wird schon sehr modifiziert im Laufe des Lesens, weil man sich ja doch immer wieder in einen neuen Gegenstand hineinversetzen muss. Und das ist ja ohnehin nicht normal, dass man von einem Gegenstand aus eine Erzählung erlebt und dann sind es immer wieder neue Gegenstände. Ich muss ehrlich sagen, ich habe bis jetzt nicht ganz herausgefunden, was das wirklich für fünf Gegenstände sind und vor allem, was ist denn dieses Kleidungsstück? Ist das ein Mantel oder ist das ein Pullover oder was ist das? Kannst du das sagen? Das letzte ist, glaube ich, ein Gewand, aber was für eines habe ich nicht herausgefunden. Das spielt vielleicht eh keine Rolle. Ich finde es spannend, dass du das so sagst, weil ich wollte fast sagen, dass man recht schnell immer wahrnimmt, an welches Objekt das ist. Das sieht man mit Generationenunterschied. Ich bin einfach länger vom Begriff. Nein, ich finde es voll spannend, dass das nämlich auch nicht so ist. Man liest Texte halt einfach so unterschiedlich. Das ist total super. Ich glaube, das ist entweder ein Anzug. Es könnte auch ein Hemd sein. Aber die Person kauft es, glaube ich, für ein Kind, den Sohn, der irgendeinen Abschluss feiert. Und zu dem sollte er es eigentlich tragen. Ich glaube, es ist entweder ein Anzug, ein Zweiteiler oder das Oberteil. Okay. Und ich finde es insofern spannend, ich habe heute ein Interview mit Luna Almusli noch nachgeschaut zu diesem Buch, wo sie gefragt wird, wie sie darauf kommt, das zu machen und sie sagt da, wenn sie ehrlich ist, muss sie sagen, dass sie eigentlich an das nächste Buch gedacht hat, wo sie aus der Perspektive von sieben unterschiedlichen Personen erzählen will und das ist eine gute Übung, um von der Ich-Perspektive wegzukommen. Auf jeden Fall. Das war ein Grund oder war der Grund, wieso das da so geschrieben ist. Vielleicht zwei ganz kleine Anmerkungen noch, weil ich immer wieder über besondere Worte stolpere, die ich nicht gekannt habe oder die mir in dem Gebrauch frisch und neu erscheinen. Ich finde es ganz toll, dass eine Autorin wie Sie quasi ein österreichisches Deutsch auch manchmal einbringt, indem sie zum Beispiel sagt Sackerl, Gspusi und Zuckerl. Das habe ich echt nett gefunden, weil auf solche Worte stößt man normalerweise eher selten, gerade in Gegenwartstexten, finde ich. Das hat mich überrascht. Und was mich noch überrascht hat, ich weiß nicht... Ja, füg doch kurz rüber, was macht man mit einer Autorin wie Sie? Also einfach als Gegenwartsautorin? Sie ist ja nicht aus Österreich, also sie ist sind kein geborener Österreicher, oder? Also Sie sind in Melk geboren. Ach so, okay. Genau darum frage ich nach. Ich glaube, Sie ist emigriert, oder? Sie hat die Kindheit, also bis 14 war sie dann in Damaskus, aber ich glaube Autorin wie sie ist eine schwierige Zuschreibung und würde sie so nicht verwenden. Autorin wie sie habe ich gemeint, dass sie jetzt keine Österreicherin ist, die mit dem österreichischen Sprachduktus aufgewachsen ist. Also weil sie ja in Damaskus war, das habe ich gemeint. Und das ist ja legitim. Also dass ein Autor, und darum finde ich es ja besonders interessant und klass eigentlich, dass sie sich diese Worte angeeignet hat. Weil ich glaube, als Mensch, der in Damaskus quasi sehr viel gelebt hat, nicht unmittelbar mit solche Worte in Berührung kommen, sondern mit einem quasi Deutsch, das man lernt, mit einem klassischen sozusagen, also nicht mit einem speziellen, spezifisch österreichischen. Darum, das habe ich gemeint. Ja, danke fürs Ausformulieren, klingt viel zugänglicher schon. Und ich glaube, wenn wir mit 14 nach Wien kommen, da ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß, dass man Dialektausdrücke mitkriegt. Aber dessen ungeachtet habe ich noch selten Sackerl und Spusi und Zuckerl eben gelesen und ich habe das ganz toll gefunden. Das sind einfach so Stollwerke oder Süßigkeiten oder Bonbons in der Sprache nur einmal, die es sehr authentisch und lebendig und originell finde ich machen. Und ein Wort, ein letztes noch, was ich nicht gekannt habe. Sie schreibt von einer Ululation und ich habe nicht gewusst, was eine Ululation ist. Jetzt weiß ich es dank Fremdwörterduden. Das ist eine besondere Art des Heulens, ein hoher Ton, Ausruf der Freude, vielfach im Chor von Frauen praktiziert, besonders bei Hochzeiten in Afrika, Indien und der islamischen Welt. Und das hat mich sehr gefreut, dass es eben eine Ululation gibt und dass die davor kommt und dass dieses als neuer und frischer Ausdruck der Freude sozusagen zelebriert wird. Das wollte ich noch sagen, weil ich bis jetzt für so eine Art der Freude eben kein Wort gehabt habe. Und ich springe sehr darauf an, auf Worte, die ich nicht kenne und über die ich stolpere und die möchte ich dann einfach mitteilen und meine Freude teilen gewissermaßen. Also ich noch einmal, ich teile meine Freude über Sackerl, Spusi, Zuckerl und Illulation. Ich glaube, dabei können wir es belassen. Danke auch für die gute kritische Auseinandersetzung. Sehr gerne, sehr gerne. Gut, Dankeschön. Jan, jetzt freue ich mich sehr auf den ersten musikalischen Beitrag. Thank you. © transcript Emily Beynon O I am the king of the world. © transcript Emily Beynon Als Nächsten im Team darf ich den Joppa Jotakin zu mir bitten. Der hat mir die härteste Nuss zu knacken gegeben. Nämlich dieses Buch hier. Brigitta Falkner, Fabula Rasa oder die methodische Schraube aus dem Ritter Literaturverlag. Und das ist für mich der Inbegriff, dieses Textbildwerk ist für mich der Inbegriff experimenteller Literatur. Und ich freue mich schon darauf, was der Jopa uns alles in dieser gebotenen Kürze dazu sagen wird. Bitte. Ja, ich stelle das Buch Fabula Rasa oder die methodische Schraube vor von Brigitta Falkner. Brigitta Falkner ist eine Autorin aus Wien und es gibt gar nicht so viel, was sie von sich preisgibt, weil sie auch sagt, dass das Werk wichtiger ist als sie als Autorin. Ich glaube trotzdem, dass ihr Werk sehr in ihr Leben hineinspielt, weil sie woh in der Brigitte Nau in Wien, also das kann kein Zufall sein. Aber sie gibt keine Interviews, sie tritt auch selbst auf Lesungen, liest ihre Texte nicht vor, sondern sie präsentiert sie meistens als Film oder als multimediale Darstellung. Und ja, das Buch arbeitet mit verschiedenen Methoden, die man aus Ulipo kennt. Wenn man es nicht kennt, Ulipo ist eigentlich immer noch eine Gruppe, also Werkstatt der potenziellen Literatur heißt das, die sich mit Möglichkeiten beschäftigt, Texte zu erstellen, indem man Regeln anwendet. Da ist sehr bekannt von Georges Peres das Buch La Disparation, auf Deutsch Anton Foyls Fortgang. Das ist ein Roman, der sich dadurch auszeichnet, dass der Buchstabe eh nie vorkommt. Oder man kennt vielleicht von der Ilse Kilic, Oscars Moral, da kommen immer nur die Vokale vor, die in den Namen der Protagonistinnen enthalten sind, also O und A. Und das ist auch in dem ersten Text von Brigitta Falkners Buch, der Text heißt Au. Und es ist ein Lipogramm, das heißt, es kommen an Vokalen nur die Vokale A und U vor. Und es ist eine Liebesgeschichte, also eine Dreiecksbeziehung zwischen Karl, Ruth und Paul. Und es ist ziemlich dramatisch. Und sie arbeitet auch mit verschiedenen Ebenen. Also die Bücher sind auch alle grafisch sehr schön. Es ist quasi ein Comic ohne Bilder. Also man sieht hier diesen Comic-Plot. Da gibt es dann oben steht zum Beispiel am Tag X, wobei X, also es ist halt ein X. Also das I ist jetzt quasi, naja, wurscht. Und dann hier steht der Text, und in den Fußnoten dürfen andere Vokale vorkommen. Und in dieser Geschichte, die Personen nehmen auch Bezug darauf, dass nur, also auf diese Besonderheit. Also da ist kurz die Entstehung. Als Karl akkurat zu Ruth trat, Ruths Hand nahm, darf man, schnurkrat zum Punkt kam und kund hat, was alsbald, nach Karls Handkuss, als Abmachung und Lautaussparungsgrundsatz galt, als dann nach und nach als Anfangs das A, dann auf Ruths Wunsch das U und darum summa summarum auch das Au zur Auswahl stand. Also die Personen, also der Karl in dem Fall hat das so bestimmt in diesem Buch. Und ich möchte einfach, ich lese einfach ein paar Ausschnitte hier vor. Nämlich jetzt kommt dann diese Paul ins Spiel. Als Ruth am Schaltpult stand, Ruth holt bald Paul, bald Karl galt, Karl nachts patschnass aufschrag, durchs Hafer und Flux Karls Zukunft sah, als da war Haarausfall, Bauchansatz, Schlachtbank. Abspann, Bang, Wach, Lag und Sang, warum Akarat Paul, das Schandmaul, Landauf, Landab, als Arzt und Mann, Facharsch und Pfundsbursch, Stammgast und Saufkumpan, Applaus und Zuspruch, kurzum das Gefrasst rund um Anklang fand. Pauls Fanclub wuchs und Karls Anhang schwand. Das Karlflug zum Kassalstrang band. Man wird hier noch Karl aus Schlappschwanz, Saftsack und Pappkumpan Lackaff tituliert. und dann habe ich hier noch etwas es ist mir nämlich ein Zettel rausgefallen, aber es macht nichts und es wird nämlich dann sehr dramatisch da könnte ich hier auch noch ganz kurz, damit man es sich einfach vorstellen kann im Hören, also es kommen dann auch noch Urs und Dagmar und Harald dazu. Butz, das ist der Hund von Arthur, das ist in dem Fall Arthur Schopenhauer, der aber natürlich nur mit Vornamen angesprochen werden kann. Als Urs nun zur Bar trat, um Pauls Part darzutun, schwand Urs, macht rasant. Passant? Frug der Stand, Maul, harsch, halten Rand, du Arsch. Paul war Stuntman. Urs darauf Barmann, Ralf bat. Dann mach's halt du. Ralf flugs aushalt und brav tat, dass Dramaturg Urs anschuf. Pauls Prachtband nahm, Urs Wunsch nachkam und kurz darauf an Paul statt, als Passant auf Abruf am Rand stand. Das Buch aller Wachtturm, Klamm umschlang, stürzt umgrad außer und stumm, Ralfs Qual als zweite Wahl, also die Zahl zwei ist natürlich erlaubt. Katz sprach, Urs aus Paulgrad, Rantenplan, Autos, Putz und Hund, Blattdraht, Urs Schmutz und Schund, glatt Fahrtfahnd zum Rundumschlag Anhub. Und pass auf, was du sagst, vor Urs Versaltschaft, das schaut man mal an an. Kawumm, Pauls Nachbar Harald traf. Hast du einen Knall? Rasch Babs Zuspruch fand. Na klar, Paul abrupt abbrach. Babs scharf ansah. Haralds Fall als Klacksabtat ad acta warf und schnurstracks zur Kause Babs kam. Haralds Knall nahm man Babs Wahn als Maßstab, als Knacksabtat. Und es nimmt dann für Kahl ein Assust. Nein, das möchte ich vielleicht nicht voraus. Es endet dann. Der zweite Teil nennt sich Autorevers. Das sind Palindrome. Palindrome sind Wörter oder in dem Fall auch Sätze, die man von hinten und von vorne lesen kann, die einen Sinn ergeben, hier auch mit Zeichnungen versehen, zum Beispiel hier, No, it is Opposition. Das kann man dann überprüfen. Manchmal schummelt sie vielleicht ein bisschen Nonar, Kanon, also da teilt sich die halt das K, oder hier das A und O, A, Silan, Omo, Mona Lisa, O, Mona Lisa, Silan, Omo. Man kann die Inhalte nicht so gut erzählen, deshalb muss ich so viel hier lesen. Dann vielleicht für euch natürlich besonders interessant ist der Filmplot, der hier noch erzählt wird. Prinzip I, weil er nämlich in Linz anfängt. Und das werde ich kurz den Anfang vorlesen. Prinzip I ist so aufgebaut, da darf nur der Vokal I vorkommen. Klinik in Linz. Birgit blinkt ein Schild im Klimmlicht. Dazu muss man auch sagen, es ist ein Storyboard. Das sind so Filmstreifen, die hier auch immer noch zusätzliches erzählen. Zum Beispiel hier Inri ist natürlich erlaubt, weil I. Birgit tritt ins Bild. Birgit blickt ins Skript. Birgit strickt. Schnitt. Ingrid schwitzt. Ihr Liedstrich rinnt. Hilf mir, spricht Ingrids Blick. Birgits Strickding sinkt. Hilft nichts. Pflicht ist Pflicht. Birgit nickt. Prinzip I. I schrillt Ingrid spitz. Birgits Griff in Ingrids Schlitz. Milchig spritzt Willis Firnis Schicht ins Bild. Shit, spricht Birgits Skript widrig. Also eigentlich der Geburtsvorgang sehr schön dargestellt, wie ich finde. Ja, die Geschichte ist, Willi wird halt dann älter, geht dann oft zur Wirtin. Also das Buch spielt in Linz, in Grinzing, in Ilmitz und in Rimini. Und eins meiner Lieblingsszenen aus dem Film, spielt in Grinzing natürlich, wo nämlich die Wörter und ihre Gegenteile möglich sind, immer mit I, was ich sehr schön finde, ich kann es noch nicht so gut erklären, dass ich blöd ist. Grinzing. Sinn wird Irrsinn, nichtig wird wichtig, wille spricht, sisse trinkt, schlicht wird diffizil. Witz wird Irrwitz, himmlisch wird irdisch, sisse wird schwindlig. In sich stimmig, hinsichtlich nichts, ist nicht nichts wirklich. Spricht sichtlich nicht wirklich, wirklich mit hin sinnwidig, richtig, irrsinnig, diffizil im Hinblick, wille spricht, wille trinkt. Hirnrissig wird richtig, schlimm wird schicklich, fiktiv wird wirklich. Und was bei dem Buch einfach auch auffällt, bei all der Strenge in der Form, ist einfach der Witz, der immer hier mitschwingt. Wie viel Zeit haben wir noch? Witz schwingt mit. Dann gehe ich noch ganz kurz auf den letzten Text ein, der heißt Schmutzige Tricks. Das sind so Szenen wie aus einem Detektivfilm und da hat sie einfach die Sprache schiffriert nach einem halbkomplexen Schiffrierungsverfahren. Ich schusche um meinem Schieftisch komplexen Schiffierungsverfahren. die Stimme. Es ist eine sehr schlechte Stimme. Ich kauf viel Schil. Du stellst Telefonklick. Du füllst die Lettung tot. Und in Schmutzige Tricks 2, wenn es ein etwas leicht anderes Verfahren ist, ich schaue an meinem Schreibtisch, am Traste, den Bären im Scharren, das Abschach. Und so geht das weiter. Ich glaube, ich ende damit. Herzlichen Dank. Vielen Dank. Also ich glaube, Sie haben jetzt schon einen schönen Eindruck davon bekommen, dass das für mich das am schwierigsten vorzubereitende Buch war. Noch viel schwieriger wie der Don Quixote. Ich musste nämlich in der ersten Sekunde, habe ich noch gelacht, habe mir gedacht, das ist ja wie Ottos Mops. Das geht in einer Methode sozusagen dahin. Aber Ottos Mops dann und wieder und wieder und wieder zum tausendfachen sozusagen erhoben, zur tausendfachen Potenz erhoben. Das hat was unheimlich innervierendes und anstrengendes in der Rezeption. Und ich lese meistens am Abend. Und das zu lesen, sozusagen aufmerksam zu lesen, das war wirklich keine geringe Herausforderung. Und ich habe es bis zu einem neue Leseerfahrung, auch dahingehend, dass eigentlich grundsätzlich, und damit muss meiner einer sozusagen erst einmal klarkommen, dass es nicht um einen Inhalt geht, es wird kein Inhalt transportiert, zumindest ad hoc einmal, sondern es geht um eine Methode, es geht um eine Methode, und die hat etwas so derartig Penetrantes, dass man sich wirklich daran gewöhnen muss, und ich muss nämlich, wie gesagtes, dass man sich wirklich daran gewöhnen muss und ich musste mich, wie gesagt, als Vorbereitung daran gewöhnen. Aber irgendwann ist es zu einem dialektischen Durchbruch gekommen und ich habe mir gedacht, das ist doch total interessant, wenn man wirklich so eine enge Methode wählt und stringent dran bleibt, dann entsteht im Durchgang durch diese Anstrengung plötzlich tatsächlich ein neuer Inhalt. Und das ist das eigentlich Spannende, dass der Inhalt durch die Methode entsteht und dass er nicht vorgegeben ist sozusagen, ich schreibe mich an einem bestimmten Inhalt, einem sozialen ab, bilde das ab, was ich sehe, sondern nein, ich verwende eine sprachliche Methode und schaue dann, was als Inhalt rauskommt. Und diese Umkehr war unglaublich anstrengend, aber sie war auch unglaublich spannend, weil im Laufe der Zeit bin ich draufgekommen, dass es nicht nur sehr spannende, interessante Worte gibt, die zu ihrer Methode passen, sondern dass tatsächlich ein Inhalt entsteht. Kreator gewissermaßen und insofern habe ich das Buch dann in einer weiteren Folge, wie gesagt, schon im dialektischen Durchgang durch das Yamatal, habe ich es gelesen als ein Handbuch für eine Schöpfung, quasi als Anleitung für eine Eigenschöpfung gewissermaßen und das hat mich dann schon sehr beeindruckt, dass man wirklich an einer scheinbar banalen Form, ich nehme nur zwei Vokale und Worte, die nur zu diesen zwei Vokalen passen, dass man im Durchgang banalen Form, ich nehme nur zwei Vokale und Worte, die nur zu diesen zwei Vokalen passen, dass man im Durchgang durch diese Form, wenn man so konsequent ist, dann wirklich belohnt wird mit dem Horizont eines durchaus interessanten Inhalts, der aber keine Adäquatio, keine Entsprechung quasi in der Wirklichkeit hat, sondern der tatsächlich aus dem inneren Kosmos geschöpft ist und aus dem Kosmos der Sprache. Und da sieht man, was die Sprache auch für ein Potenzial hat. Und für mich waren natürlich ganz fantastische Worte dabei. Du hast schon ein paar erwähnt, aber ich möchte noch ein paar A- und U-Worte dazu erwähnen, die noch ergänzen. Zum Beispiel Suada, Dardat, Abundant, Fangfrug als Verb zur Fangfrage oder Anankasmus als Zwangsvorstellung, das wusste ich gar nicht, dass es das gibt. Achtmal Klug statt Siebenmal Klug, ganz toll. Astralflaum, Prachtmuskulatur, Klugschwarz. Und mein Lieblingswort ist, kommt jetzt, Lurchfunk. Das finde ich total großartig. kommt jetzt Lurchfunk. Das finde ich total großartig. Duftkumulus und ein unschlagbares Kompositum Surkamp Buch Umschlag Farbskala. Also das war fantastisch. Und ich glaube, und dann sind noch zwei ganz besonders tolle Sätze, die ich noch unbedingt erwähnen möchte. Und die lauten, Ruts Klupschaug durchdrang Karls Talamus. Und der letzte, Ruts Dutt wuchs mutual zur Schnapsanzahl. Der reimt sich noch dazu und das finde ich ganz toll. Ja, es hat auch so, Entschuldigung, wenn ich so unterbreche, es hat oft so eben auch so Reime oder auch in dem A und U kommen manchmal auch Anagramme vor, zum Beispiel, was war das, Santa und Satan und dann wird auch von den Personen festgestellt, aha, das war ein Anagrammsort, ja, also, naja, das baut Rahmen von Was wir lesen jemals hatten. Danke auch für die beschwingte Vorstellung und wie gesagt, ich kann das Buch nur empfehlen. Wenn man einmal sehr viel Energie hat. Danke. Danke. Danke schön. Thank you. © transcript Emily Beynon so © transcript Emily Beynon ¦ © transcript Emily Beynon... Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus der leuchtendsten Fixsterne im Firmament der Weltliteratur und das schon seit Jahrhunderten, nämlich zum legendären Don Quixote. Also ich glaube, Stefan Kurzenberger. Achso, sehr bescheidener Auftritt, ja. Also zum Don Quixote von Miguel de Cervantes und es gibt niemanden beruflicheren als Stefan Kurzenberger, uns den in der gebotenen Kürze vorzustellen. Es ist natürlich keine leichte Aufgabe, beziehungsweise eine unmögliche Aufgabe, einen solchen Roman, ein solches Werk, ein so gigantisches Werk in ein paar Minuten vorzustellen. Aber wir haben beschlossen, wir beschränken uns auf die emphatischen Momente sozusagen und nicht so sehr auf die dokumentarischen und faktischen. Und ich bin schon sehr gespannt auf deine Ausführungen. Ja, danke einmal für die Einladung. Auch danke für die Aufnahme in der GAF. Das ist ja auch meine Antrittsvorlesung, falls man so sagen kann. Sechs Minuten für tausend Seiten und 420 Jahre Rezeptionsgeschichte. Aber ganz kurz und außerhalb vielleicht, weil wir ja schließlich unseren 23. April hier treffen, Welttag des Buches. Und 23. April ist der Todestag von Miguel de Cervantes und auch der Todestag von William Shakespeare und auch der Geburtstag von William Shakespeare. Also viele Gründe, warum das der Welttag des Buches ist und warum wir uns eben hier treffen und es zu befeiern und darum lag es für mich auf der Hand, dass ich Don Quixote auswähle als Lieblingsbuch. Erstens einmal, obwohl an Todestag feiert man eigentlich nicht, oder? Das ist dem Todestag zu gedenken, kann man vielleicht sagen. Aber den Don Quixote kann man jeden Tag feiern, weil er ist, glaube ich, schon unser Grundlagenbuch im Westlichen kann, schlechthin, was die Romanform betrifft. Miguel de Cervantes hat 1605, er war schon 50 Jahre alt, den Don Quixote vorgelegt und damit den realistischen Roman in Europa begründet und auch gleichzeitig schon wieder zu Ende geführt. Also im Don Quixote ist alles drinnen, was bis in die Postmoderne, bis in die Gegenwart in der Romanform jeweils ausprobiert worden ist und die Grenzen versucht waren zu strecken, zu dehnen. Don Quixote hat alles vorweggenommen. Also es ist wirklich so unglaublich ein Grundlagenbuch. Er kommt hier, gründet den Roman und beendet ihn auch schon wieder. Der amerikanische Literaturkritiker Trilling hat gesagt, eigentlich sind alle Romane nur Variationen des Themas von Don Quixote. Und das klingt jetzt etwas hochgestochen, aber wenn man es sich genau überlegt, eigentlich hat er recht. Weil was ist das Thema des Don Quixote? Wir kennen vielleicht so ungefähr, um was es geht. ungefähr, um was es geht. Don Quixote ist ein verarmter spanischer Landedelsmann, der so viele Ritterromane liest, bis er selbst glaubt, auch ein fahrender Ritter zu sein. Also verkleidet er sich als Ritter, nennt sich Don Quixote und zieht hinaus. Das passiert im Jahr 1605, nur gab es im frühen 17. Jahrhundert in Spanien genauso wenig fahrende Ritter, wie es heutzutage fahrende Ritter gibt. Die sind im 14. Jahrhundert spätestens ausgestorben. Also Don Quixote sah dementsprechend lächerlich aus, als Ritter verkleidet mit der Lanze auf seinem klapprigen Ross. Er hat sich dann noch einen Schildknappen mit Sancho Panza mitgenommen und so durch die Welt gezogen. Und jetzt passiert dieses Faszinierende. Don Quixote ist eben fix der Meinung, die Welt ist so, wie es in den Ritterromanen oder den Ritterbüchern ausschaut. Und er interpretiert jetzt die reale Welt dorthin, dass sie in sein Weltbild hineinpasst. Es gibt eben zwei Möglichkeiten. Wenn ich irgendwo hinkomme und alles ist anders, wie ich es erwarte, kann ich entweder sagen, ups, ich habe einen Fehler gemacht, die Welt ist irgendwie anders, ich muss mir das neu überlegen. Oder ich sage, nein, es bleibt so, wie ich will und ich biege mir halt die Realität in mein Weltbild hinein. und ich biege mir halt die Realität in mein Weltbild hinein. Und mir kommt vor, dass gerade in der Politik, im ideologischen Denken oft zweiteres der Fall ist. Auch wenn man draufkommt, die Welt ist eigentlich ganz anders wie mein Weltbild, verbiege ich halt die Welt so, dass sie in mein Weltbild hineinpasst. Auch wenn wir in unserer pluralistischen Welt, in der wir leben, einfach mit einer Weltanschauung nicht mehr auskommen. Wir brauchen einfach verschiedenste Erklärungsversuche, um die Realität irgendwie erklären zu können, ihr habhaft zu werden. Mit einer Erklärung ist es schwierig. Don Quixote beharrt aber drauf. Seine Erklärung ist, er ist fahrernder Ritter und da draußen gibt es Burgherren und Burgfräulein und er muss für das Gute kämpfen. gibt es Burgherren und Burgfräulein und er muss für das Gute kämpfen. Das ist ähnlich lächerlich, wie es Christoph Kolumbus gegangen ist. Auch er hat dieses textuelle Verhalten, so nennt man das, über die Realität gestellt. Sein textuelles Verhalten war, er war sich sicher, er entdeckt Indien und wie wir wissen, ist er nicht auf Indien gestoßen, sondern auf irgendeine Karibikinsel und alles hat darauf hingedeutet, das ist nicht Indien. Da kannst du tun, was du willst, es war so offensichtlich, dass es nicht Indien, aber er ist seinem Textbuch und das waren in seinem Fall die Tagebücher von Marco Polo, das war seinem Reiseführer treu geblieben und ist also mit einem China-Reiseführer durch die Karibik gereist und ist nicht runtergestiegen. Also die Realität dermaßen verbogen, bis sie in sein Weltbild gepasst hat. Und das können wir lernen von Don Quixote. Die Frage, wann muss man nachgeben, wann muss man sein Weltbild verändern oder aber die Realität verändern. Und bei Don Quixote geht es dann so weiter, im ersten Teil, 400 Seiten lang, kriegt er ständig Prügel. Das ist die berühmte Szene mit den Windmühlen zum Beispiel. In seinen Ritterromanen gibt es Riesen, also muss auch er in seinem Abenteuer auf Riesen treffen. Nachdem es keine Riesen gibt, erfindet er die Riesen. Er sieht eine Windmühle und sagt, er muss es den Riesen bekämpfen und läuft darauf zu. Also er bekommt ständig eine auf den Deckel, er kriegt Schläge und er muss ständig einstecken. Aber im zweiten Teil dann, und das ist eigentlich der absolut grandiose Teil, den ich in der sechsten Minute jetzt beginne. Der zweite Teil ist dermaßen genial, weil Cervantes mit dem Don Quixote relativ viel Erfolg gehabt hat, sogar großen Erfolg, nur hat es noch keinen Urheberschutz gegeben und das Buch ist sofort in Raubkopien verteilt worden und gelesen worden, also er hat wenig Geld damit verdient, aber Don Quixote ist sofort zum Allgemeingut geworden. Und ein anonymer Schriftsteller namens Alonso Abiyaneda, man weiß nicht, wer das war, es muss aber ein routinierter Schriftsteller gewesen sein, hat einen zweiten Teil verfasst. Und im zweiten Teil von Abiyaneda geht es einfach so weiter. Don Quixote zieht durch die Lande, kriegt ständig einen auf den Deckel und ist eine lächerliche Figur. Und das hat Miguel de Cervantes so erzürnt, dass er sich hingesetzt hat und selbst einen zweiten Teil geschrieben, der jetzt viel weiser ist als noch der erste und vor allem viel weiser als der falsche Abiyaneda-Teil. Weil Don Quixote nun im zweiten Teil weiß, dass er eine literarische Figur geworden ist. Er weiß, dass Miguel de Cervantes ein Buch über ihn geschrieben hat. Und er weiß, dass es einen falschen zweiten Teil zu ihm gibt. Und er wird es auch erkannt. Und die Leute erkennen ihn auf der Straße und wissen, das ist der verrückte Ritter und sie spielen ihm Streiche. Und es kippt jetzt die Situation etwas. Plötzlich werden die Leute, die im Streiche spielen, fast wahnsinniger wie er. Sie gaukeln ihm nämlich vor, dass er ein fahrender Ritter ist und sie gaukeln ihm vor, dass er Abenteuer bestehen muss, wie sie die fahrenden Ritter in den Ritterbüchern bestehen müssen. Und es gibt plötzlich feuerspeiende Drachen und fliegende Pferde, die sie ihm mit einem irrsinnigen Aufwand fast wie in Disney World hier zudichten und aufbauen. Und er ist es der Einzige, der sagt, na, aber irgendwas stimmt da nicht, seien wir uns einmal ehrlich, es gibt doch keine feuerspeienden Drachen. Also er ist plötzlich die Stimme der Vernunft. Und Don Quixote zeigt hier einen unglaublichen Humanismus. Und er, der ganz rein nach dem Guten strebt, wird damit plötzlich sozusagen ein humanistisches Vorbild. Und Dostoevsky schreibt in seinem Roman Idiot, der Idiot ist eben die reine Seele, er hat den Idioten nach Don Quixote und nach Jesus gebastelt. Weil Jesus und Don Quixote sind die reinstenastelt, weil Jesus und Don Quixote sind die reinsten Seelen, die so rein sind, dass sie wie Idioten wirken, weil man in unserer bösartigen Welt mit einer reinen Seele nicht weit kommt. Wunderbar, herzlichen Dank. Herzlichen Dank. Ich möchte ganz kurz anmerken, vor einem halben Jahr war das Letzte, was wir lesen und ich habe alle Autorinnen und Autoren gebeten, sie mögen, weil das eben eine kurze Zeit ist, nur kurze Romane mir zum Lesen geben und der Stefan Kurzenberger hat das ja wunderbar umgesetzt, aber er hat mich gefragt. Und es ist mir doch gelungen, den Roman noch ein zweites Mal zu lesen. Aber du hast gesagt, du hast ihn eh schon gekannt. Genau. Ich habe ihn schon einmal gelesen und ich habe ihn für den heutigen Abend noch einmal gelesen. Und ich muss sagen, bei dieser mittlerweile zweiten Lektüre haben sich für mich wieder ganz neue Perspektiven ergeben. Und es ist für mich eine Perspektive aufgetaucht, aus der Cervantes schreibt. Und es gibt da sicher einen germanistisch hieb- und stichfesten Terminus dafür, aber den kenne ich nicht. Ich habe einen eigenen Namen dafür gefunden. Und diese Perspektive, dieser Standpunkt lautet für mich der arme Würstchen-Standpunkt. Wir sind alle arme Würstchen, weil wir als Menschen immer mit einem rätselhaften Körper, in einer rätselhaften Zeit, in einer rätselhaften Welt geworfen sind. Und wir können das akzeptieren und die Rätsel einfach nicht in Frage stellen. Oder wir können dagegen ankämpfen, indem wir uns eine Bedeutung suggerieren und uns heldenhafte, pragmatische Antworten geben, die über dieses Würstchensein hinausweisen. Und genau das, finde ich, tut Cervantes, nämlich ausgehend von dieser Kontingenzerfahrung, und zwar tut er es doppelt, lässt er nämlich beide Protagonisten, sowohl den Don als auch Sancho Panza, das vergisst man vielleicht immer ein bisschen, aber auch Sancho Panza, beide wachsen über sich hinaus. Und das steht im krassen Widerspruch zum Ausgangspunkt, dem Würstchensein. Denn der Don Quixote will letztendlich die ganze Welt retten, indem er sie von Verbrechern und Riesen befreit. Und Sancho Panza will vom anonymen spanischen Grenzbauern aufsteigen zum Besitzer, zum König einer ganzen Insel sozusagen. Also beide sind ähnlich in ihren Intentionen und machen das mit einer Vehemenz, die ihnen meiner Meinung nach genau diese Würde gibt, weil natürlich ganz klar ist, dass das eigentlich unerfüllbare Träume sind, die die beiden träumen, aber mit der Vehemenz, mit der sie das angehen, scheitern sie grandios und glorios und bewahren sich gerade durch dieses bombastische Misslingen ihrer Würde, finde ich, und unsere letztendlich, weil sie sind ja auch unsere Stellvertreter gewissermaßen. Und was mich auch sehr berührt hat, sind diese sehr alten Begriffe, wie zum Beispiel Guteißung oder Fürbass oder anmutvollste Edelfrauen. Und was mich auch sehr erheitert hat, ist auch dieser unglaubliche Selbstwert von Don Quixote, zumindest den er im ersten Teil hat, wenn er zum Beispiel auf Seite 123 den legendären Satz sagt, weil es darum geht, eine sehr schwierige Aufgabe zu erfüllen und ein ganz großes Abenteuer zu bestehen und alle sind skeptisch und in dem Moment sagt Don Quixote zu allen Anwesenden, ich zähle für 100, entgegnete Don Quixote und griff zum Schwert. Und das ist ein Selbstwert, der beachtlich ist, den du übrigens auch jetzt am Anfang dieser Begegnung gehabt hast, zu sagen, ihr seid wie das dann im Original war, aber er ist, sondern zum Beispiel ein Wortspiel wie jenes zu bringen. Auf Seite 167 steht nämlich, und indem ich euch begegnet bin, der ihr auf Abenteuer zieht, kommt mir dieser Abend teuer zu stehen. Und das finde ich großartig. Ich frage mich natürlich nur, wie das im Original im Spanischen war. Das sind natürlich Spezialfragen an dich, die du jetzt natürlich beantworten könntest, aber ich würde dich eigentlich nur, das führt natürlich alles zu weit, aber ich würde dich trotzdem gerne eben genau zu diesem Kasus noch etwas fragen, weil bei der zweiten Lektüre hat mich nämlich ein bisschen irritiert, dieser Stil und besonders der Stil der direkten Rede. Das war beim ersten Mal nicht so, da war es ein Rausch des Lesens, aber diesmal habe ich mir gedacht, sowohl die einfachen Wirtsleute als auch die Gäste in der Schankstube, die höher gestellten Personen, der Pfarrer, also mit einem Wort alle Figuren, alle Figuren, aber aus sehr unterschiedlichen sozialen, miliösen Schichten, sprechen meiner Empfindung nach oder zumindest in dieser Übersetzung den gleichen blumigen, gliedsatzweiten Stil. Auch in der direkten Rede gibt es kaum kurze Sätze, wie das ja im zwischenmenschlichen Disput generell tendenziell üblich ist. Jetzt meine Frage, findest du das auch so, oder war es in der Rezeption einmal Thema, dass letztendlich, um es ganz platt und grob zu sagen, aber doch, so wie ich es empfunden habe, dass alle Figuren im Don Quixote letztendlich die Sprache von Cervantes sprechen? Ja, gut beobachtet. Ich nehme an, dass die Braunfels-Übertragung von 1800, genau, dass die Braunfels-Übertragung dieses Jahr 1842, die war erst eineinhalb Jahrhunderte lang die maßgebliche deutsche Übersetzung, ist aber seit 2008 gibt es eine neue Übersetzung von Susanne Lange, aus dem Grund, weil die einfach nicht mehr zeitgemäß war und sehr schön beobachtet von dir, weil sie diese verschiedenen Register nicht trifft. Weil das war auch schon das ganz Große und das war auch der Grund, warum es damals nur aus Unterhaltungsliteratur abgetan worden ist. Man hat es nicht als große Literatur, sondern nur als Trivial- Literatur gesehen iman worden ist. Man hat das nicht als große Literatur, sondern nur als Trivial-Literatur gesehen im Jahr 1605, weil Cervantes hier nämlich sehr auch dem Volk aufs Maul schaut und mit vielen Sprichwörtern daherkommt. Sancho Panza ist eben ein Analphabet und der spricht auch wie ein einfacher Bauer. Don Quixote ist belesen, der spricht wie ein belesener Landadeliger. Also genau das ist, was Don Quixote ausmacht, ist verschiedene Register der direkten Reden und die sind jetzt in der Neuübersetzung zumindest versucht worden mitzuübertragen. Und was du sehr schön gesagt hast, das Buch heißt Don Quixote, aber es ist eigentlich Don Quixote und Sancho Panza, die beiden sind gleichwertige Protagonisten und sie nähern sich an und das ist das Schöne. Es ist wie Asterix und Obelix und Dick und Doof und Captain Kirk und Spock oder so, die großen Männerfreundschaften der Literatur, Winnetou und Olceta Hand. Sie nähern sich aber an, sie lernen voneinander und am Schluss sind sie fast gleich. Der plumpe Analphabet und dieser feine Humanist Don Quixote nähern sich an, nähern sich auch sprachlich an. Don Quixote beginnt dann plötzlich auch beuliche Sprichwörter zu sagen und Sancho Panza wird in seiner Idee, irgendwann einmal König einer Insel zu werden, immer versponnender und feinsinniger. Und am Schluss sind sie ganz nah, sind sie einander nah. Und dieser Kompromiss ist ja auch das, was uns Hoffnung gibt, dass wir uns annähern können. Gerade in unserer heutzutage so polarisierten Welt ist das das Ziel, dass wir uns annähern und verstehen. Und wenn man das dann genau analysiert, ist das Interessante, es gibt 49 Kämpfe in Don Quixote, 20 Gewinner, 20 Verlierer und 9 gehen unentschieden aus. Also hier auch ein Unentschieden. Und jemand hat sich die Mühe gemacht, die Namen Don Quixote und Sancho Panza zu zählen und es kommt 2495 Mal jeder Name vor, also auch da unentschieden. Und das ist unglaublich, das kann Cervantes nicht bewusst gemacht haben, das ist seinem unglaublichen schriftstellerischen Instinkt zu verdanken, dass er hier wirklich ein Werk des Ausgleichs geschaffen hat. Vielen herzlichen Dank und wir können nur die Neuübersetzung in dem Fall überfinden. Ja, Susanne Lange. Gut, herzlichen Dank. Dankeschön. Ich sage normalerweise nichts zur Musik, ich lasse mich nur berauschen, aber in dem Fall kommt jetzt ein Stück, dazu möchte ich ganz kurz etwas sagen. Dieses Stück ist ein Geigenduo und es heißt Funny Round. Und das Stück ist deswegen so besonders und lustig, weil es eigentlich eine in Musik gesetzte Don Quixote-Tirade ist, gewissermaßen, und Sancho Panza. Nämlich, es gibt eine Stimme, die schreitet voran und die andere schreitet eine Achtel dahinter auch voran. Und zwar in denselben großen Sprüngen nach oben wie nach unten sozusagen. Und diese Interferenz zwischen den beiden Stimmen löst sich eigentlich bis zum Schluss nie auf und nur ganz zum Schluss sozusagen entsteht eine Harmonie. Und das ist eine musikalische Kleinzusammenfassung jetzt dessen, was der Stefan so wunderbar entwickelt hat. Und darauf wollte ich Sie nur aufmerksam machen. Also wir hören jetzt praktisch noch einmal Don Quixote, aber diesmal für zwei Geigen. © transcript Emily Beynon Thank you. Liebe Elisabeth, und jetzt kommen wir zum Leo Perutz und seinem wunderbaren Buch »Nachts unter der steinernen Brücke« und vorstellen wir das meiner liebe Kollegin Elisabeth Strasser. Bitte Elisabeth. Ja, im Jänner diesen Jahres habe ich in der Reihe Hommagen einen Vortrag über unheimliche Literatur gestaltet. Und dabei kam ein Buch vor, das eines der faszinierendsten ist, die ich kenne und ich hier vorstellen darf. Das ist Nachts unter der steinernen Brücke von Leo Perutz. Leo Perutz habe ich bei der Hommage genauer vorgestellt. Hier nur das aus seiner Biografie, was für das vorgestellte Buch von Belang ist, nämlich, dass er in Prag in einer jüdischen Familie geboren wurde, 1882, und dort seine Jugend verbrachte, bis die Familie nach Wien übersiedelt ist. Dass er Versicherungsmathematiker war, sei nebenbei erwähnt, vor allem aber, dass er seinerzeit ein sehr viel gelesener und heute leider eher vergessener Autor ist. Das hier vorgestellte Buch begann er 1924, beendet hat er es 1951. Davor lag die Zeit des Exils in Tel Aviv und nach dem Krieg kehrte er nach Österreich zurück und starb 1957 in Bad Ischl. Jetzt zum Buch. Auf dem Cover steht Roman, was durchaus hinterfragenswert ist. Es ist nämlich eine Sammlung von Novellen, könnte man sagen. Aber, und das ist eins vom Faszinierendsten daran, sie verbinden sich in einer Weise, sodass man letztlich doch von einem Roman sprechen kann, allerdings einem, den man sich als Leser selber zusammenbauen muss. Die Novellen lassen sich als Romankapitel sehen, die jedoch weder chronologisch noch sonst irgendwie nachvollziehbar angeordnet sind. Für einen Roman spricht weiters, es gibt Hauptfiguren. Da ist einmal Kaiser Rudolf II., der schon einmal zur literarischen Figur geworden ist, nämlich in Grillbratzers Bruder Zwist in Habsburg. Damit ist klar, es ist ein historischer Roman. Wir befinden uns in der Zeit um 1600 herum in Prag. In Prag gab es zu der Zeit ein ausgeprägtes jüdisches Leben und ein Judenviertel. Daraus stammen zwei weitere Protagonisten, der reiche Kaufmann Mordechai Meisel und der weise und sogar zauberkundige Rabbi Löw. Im Zentrum steht, wie oft bei Romanen, eine Liebesgeschichte. Jene zwischen dem Kaiser und Esther, der Frau des Mordecher Meißel. Allerdings ist das eine sehr besondere Liebesgeschichte, denn die beiden begegnen sich in der Realität nur ein einziges Mal und verlieben sich dabei sofort ineinander. Gleich darauf gerät Esther dem Kaiser aus dem Blick, er weiß nur, dass sie aus dem Judenviertel stammt und setzt alles daran, sie wiederzufinden. Weil der Kaiser bei den jüdischen Geldverleihern verschuldet ist, hat er Kontakte ins Judenviertel, über die er seine Geliebte finden will. Geholfen, sie zu finden, wird ihm zwar nicht, weil sie ja verheiratet ist mit Meisel, jedoch wird dem Liebespaar geholfen, zusammenzukommen. Der Rabbi Löw nämlich, wie gesagt zauberkundig, tut Folgendes. Er pflanzt unter der titelgebenden steinernen Brücke einen Rosenstrauch und einen Rosmarinstrauch, wobei der Rosenstrauch den Kaiser gleichsam verkörpert und der Rosmarinstrauch, wobei der Rosenstrauch den Kaiser gleichsam verkörpert und der Rosmarinstrauch die Esther. Jede Nacht können damit Esther und Rudolf auf magische Weise zusammen sein, ohne dass sie sich von der Burg oder vom Haus des Kaufmanns wegbewegen. Sie machen, wie man sagen kann, eine außerkörperliche Erfahrung. Welche Probleme sich daraus aber ergeben, wird gleich anfangs geschildert, und zwar auf eine Weise, die nicht verrät, dass es mit dieser Liebesgeschichte zu tun hat, die erst viel später in der Mitte des Buches erzählt wird. Die 14 Novellen oder Romankapitel, nicht alle, aber die meisten, haben mit den genannten Hauptfiguren zu tun, die dabei manchmal bloß Nebenfiguren werden, wobei andere Personen die Hauptfiguren sind und manchmal auch selber die Hauptfiguren. So etwa in der Geschichte, wo der junge Rudolf, damals noch nicht Kaiser, dem jungen Meißel, damals noch kein reicher Kaufmann, erstmals begegnet. Das ist wie ein wundersames Märchen erzählt. Rudolf verirrt sich im Wald und trifft auf zwei Männer mit einem Haufen Goldstücken vor sich. Er hält sie zunächst für Räuber, obwohl sie ihm auch übernatürlich erscheinen und fragt, was es mit dem Gold auf sich habe. Die Antwort lautet, es sei für den Juden Mordechai Meisel bestimmt. Rudolf kann sich einen Taler nehmen, aber es heißt, er würde kein Glück haben, bis der Thaler in den Händen dessen ist, für den er bestimmt ist. Rudolf kehrt in die Prager Burg zurück und es passieren ihm tatsächlich lauter Unglücke. Wartungsteppich verbrennt. Und er weiß, das hat alles mit dem Goldthaler zu tun, den er möglichst schnell loswerden will, damit ihn jener bekommt, für den er bestimmt ist. Er fragt im Judenviertel nach Meißl, doch niemand kennt ihn. So überlässt er den Thaler seinem Schicksal und lässt ihn von einer Brücke fallen, wo er im Boot eines Fischers landet, der ihn in die Manteltasche steckt und den Mantel dann, ohne an den Taler zu denken, verkauft. Rudolf folgt dem Boot, dem Mantel, also dem Taler, um herauszubekommen, wer jener ist, für den er bestimmt ist. Der Mantel landet schließlich bei einem Altwarenhändler im Judenviertel. Und zudem kommt ein Bub, der für ihn Botengänge erledigt und sich dafür Sachen, die sich in den Taschen der alten Kleider befinden, behalten kann. Und so kommt Mordechai Meißel, das ist der Name des Buben, an seinen Taler, der für ihn bestimmt ist und der die Grundlage seines späteren Reichtums ist. Ich habe jetzt zwei der Geschichten kurz erzählt. Sie sind alle wundersam und spannend, oft witzig, manchmal auch traurig, immer mit verblüffenden Wendungen. Etwa jene, wo der ehrgeizige Wallenstein Kepler in Sachen des Himmels aufsucht, also er möchte ein Horoskop. Er bekommt auch eins, missversteht es aber, was seiner Karriere nicht weiterhilft, er dafür aber ein erotisches Abenteuer erlebt. Die Geschichten zu lesen, allmählich Querverbindungen und Zusammenhänge herzustellen, die Kleinigkeiten wieder zu entdecken, die später aufgeklärt werden und zuerst nur Andeutungen sind, das ist wirklich ein Lesegenuss. Den Novellen ist ein Epilog angeschlossen, womit eine Rahmenerzählung klar wird, die vorher bloß in ein paar Nebenbemerkungen anklingt. Ein Jugendlicher um 1900, das ist Leo Perutz alter Ego, bekommt die Geschichten von seinem Hauslehrer erzählt, der ein Nachfahre des Mordecher Meißl ist. Der Roman klingt melancholisch aus. Die Häuser im alten Prager Judenviertel werden abgerissen. Am Ende heißt es. Und wir sahen, wie Meiselsgut in Schutt und Trümmer fiel und wie es sich noch einmal vom Boden erhob und in die Höhe stieg, eine dichte Wolke von rötlich-grauem Staub. Noch immer weiß Meiselsgut, und es stand, und wir sahen es, bis es ein Windstoß forttrieb und verschwinden ließ. Herzlichen Dank. Danke schön. Ich hatte meine erste Perutz-Phase ja schon vor sicher 30 Jahren gehabt und damals habe ich alle seine Romane gelesen und ich kann sie Ihnen nur dringend ans Herz legen, egal ob das St. Petri Schnee ist, der Meister des jüngsten Tages, wohin rollst du Äpfelchen oder der schwedische Reiter, es ist einfach ein einzigartiger, unverwechselbarer Genuss, Einfach ein einzigartiger, unverwechselbarer Genuss, diese Romane zu lesen. Aber diese Romane noch einmal übersteigt und kulminiert in der Essenz dieses einen Romanes. Das ist für mich ein absoluter Gipfel, nicht nur der Literatur, sondern der Kunst überhaupt. Also wenn Sie irgendwas von dem heutigen Abend unbedingt lesen sollten, dann zuerst, zuerst nachts unter der steinernen Brücke. lesen sollten, dann zuerst, zuerst nachts unter der steinernen Brücke, weil dieses Buch, die Elisabeth hat das schon so schön angedeutet, es ist wirklich ein magisches Buch, ein im wahren Sinn des Wortes magisches Buch und zwar deshalb, weil ich, wenn ich das lese, ich habe es mittlerweile dreimal gelesen, auch beim dritten Mal, nach spätestens zwei Sätze, das Gefühl habe, dass ich unter diese Brücke tauche und von dieser Brücke aus sozusagen die ganzen Geschichten, die sich im alten Prag ergeben, in dieser romantischen Stadt, in dieser wilden Stadt, dass ich Zeuge werde, aber nicht, indem ich da bei mir zu Hause am Sofa sitze, sondern indem ich wirklich unter diese Brücke verlagert werde gewissermaßen. Und das ist jedes Mal ein Wunder, sozusagen, wie er das schafft, das frage ich mich immer wieder, eine derartige Atmosphäre herzustellen, in der nicht nur sozusagen die Realität ganz plausibel ist, sondern es ist auch total plausibel, wenn zum Beispiel Hunde anfangen zu sprechen, oder ein soeben an der Pest verstorbenes junges Mädchen, das den wunderbaren und wundersamen Namen Blümchen hat und das mit den zwei Bettlern spricht, die auf ihrer Reise zum Friedhof diesen Mädchen eben begegnen. Und das hat alles eine derartig intrinsische Plausibilität, das ist unglaublich. Man glaubt ihm einfach alles. Und ich habe immer das Gefühl, es wird dunkler, wenn ich dieses Buch lese, gerade noch nicht dunkel genug, dass ich den Text noch sehe, aber ich habe mich immer gefragt, Elisabeth, wie schafft er das, diese somnambule Atmosphäre herzustellen, die so einzigartig ist, dass man wirklich das Gefühl hat, man ist Teil dieses Zaubers. Weil ein großer Teil, den hast du auch schon erwähnt, und den möchte ich noch einmal erwähnen, ist dieser Zauber der Liebe zwischen Rudolf II. und der schönen Jüdin Esther und die beiden berühren einander nie, aber sie sehen sich ein einziges Mal und dann wird ihre Liebe transformiert und delegiert an Symbole, an Metaphern, an diesen Rosenstrauch und diesen Rosmarin. Und man scheut fast davor zurück, sozusagen diese beiden Sträucher anzusehen. So aufgeladen sind die mit der Liebe dieser zwei Menschen. Und das ist so unglaublich faszinierend, dass ihm das gelingt, sozusagen eine imaginierte Liebe darzustellen, die so berührend ist, obwohl die beiden tatsächlich einander nie körperlich gesehen haben. Aber wie sie aus den Träumen erschrecken, wenn dem jeweils anderen etwas passiert, das ist einfach ein fantastisches Kunstwerk. Und ich habe mich immer gefragt, wie das möglich ist, eine solche Atmosphäre der somnambulischen Schönheit und Innigkeit und Liebe und Transzendenz herzustellen. Und für mich ist dieses Buch eine Antwort auf die Frage, wo hinein dehnt sich das Universum aus. Das ist ja an sich eine nicht leicht zu beantwortende Frage, aber Leo Perutz beantwortet es mit diesem Buch für mich mit der Antwort, indem er sagt, in eine noch größere Geborgenheit. Und diese noch größere Geborgenheit wird für mich da sichtbar in diesem Buch. Und kannst du das noch einmal ganz kurz vielleicht zusammenfassen, wie er das schafft, diese Atmosphäre herzustellen? Ja, ich habe ja erzählt, dass er in Prag geboren ist und bis zu seinem 15. Jahr, glaube ich, hat er dort gelebt, ist dort aufgewachsen. Und da gab es ja noch dieses Judenviertel um 1900 herum, also dort lebte er noch und da hat er sicher vieles von dieser Stimmung mitbekommen und auch die ganzen alten Legenden, die es da gab, da schöpft er auf jeden Fall daraus. Und ja, die Stimmung, da liegt natürlich auch in der Sprache viel drinnen. Er macht es auch so, dass die Figuren, die sprechener Mann, der ist grün und er brennt, kein Feuer, aber viel Rauch, so in dem Sinne. Solche Vergleiche sind auch ganz lustig immer wieder. Ja, also er schöpft sich aus dieser Kultur, aus der er stand. Er war, und seine Eltern waren zwar nicht streng religiös-jüdisch, aber die Atmosphäre hat er natürlich trotzdem mitbekommen. Und ich glaube, er war auch ein sehr ganz genauer, penibler und langsamer Schreiber und hat wirklich jeden einzelnen Satz umgedreht und jedes Wort immer wieder geprüft und so, bis wirklich die Essenz heraußen war und die Wirkung, die volle Wirkung gehabt hat. Weil letztendlich sprechen die Figuren ja nicht viel miteinander, aber was sie einander sagen, ist so derartig auf den Punkt gebracht, dass man fast erschauert bei den Dialogen. Ja, es hängt von den Geschichten ab. Bei manchen wird viel gesprochen, viel Dialoge, bei anderen weniger. Das kommt immer auf die Einzelnen. Dann danke ich dir sehr herzlich, Elisabeth, für die Arbeit, die du uns vorstellst. Thank you. © B Emily Beynon oh... Thank you. Das letzte Buch des Abends stammt von Tess Ganti, einer jungen Amerikanerin. Sie ist in South Bend in Indiana geboren und aufgewachsen und lebt in Los Angeles. Und der Kaninchenstall ist ihr erster Roman. Ich habe das Buch innerhalb des letzten halben Jahres zweieinhalb Mal gelesen. Bei der ersten Lektüre war ich absolut begeistert, bei der zweiten relativ und bei der dritten halben wieder absolut. Bevor ich Ihnen und mir dieses Mysterium enträtsele, ganz kurz zum Inhalt. Irgendwo mitten in dem US-amerikanischen Bundesstaat Indiana stellt die Autorin die fiktive Kleinstadt Vaca Vale. Und in dieser Stadt befindet sich eine halbwegs neue Wohnsiedlung, deren Bewohner ihre Siedlung selbst ironisch Kaninchenstall nennen. Und die einzelnen Apartments sehen nicht nur aus wie große Käfige, sie sind auch so in- und übereinander geschachtelt, als würden hier tatsächlich große Kanickel und Hasen gezüchtet. Ein Zitat von der Seite 354 lautet, die Wände im Kaninchenstall sind so dünn, dass man dem Leben der anderen folgen kann, wie einem Fortsetzungsroman im Radio. Und im Zentrum dieses Romans stehen eben die Bewohner dieser Schachteln und allen voran die 18-jährige Blandine Watkins aus dem Apartment C4. Eigentlich heißt sie ja Tiffany, hat sich aber aus frenetischer Verehrung für eine Mystikerin nach dieser heiligen Blandine benannt. Blandine von Lyon war die Heilige der Dienstmärkte, der Folteropfer und derer, die fälschlicherweise des Kannibalismus bezeichnet wurden. Nach dieser Frau hat sich die 18-Jährige eben benannt. Und der Roman beginnt mit folgendem Absatz. In einer heißen Nacht verlässt Blandine Watkins in Apartment C4 ihren Körper. Sie ist erst 18 Jahre alt, aber sie hat sich die längste Zeit ihres Lebens gewünscht, dass dies geschehen würde. Die Qualen sind so süß, wie die Mystikerinnen versprechen. Es ist, als werde deine Seele von Licht durchbohrt, sagen die Mystikerinnen, und auch das stimmt. werde deine Seele von Licht durchbohrt, sagen die Mystikerinnen. Und auch das stimmt. Sie nennen es Transveberation des Herzens oder Angriff des Flammenengels. Aber Blandine erscheint kein Engel. Stattdessen taucht ein biolumineszierender Mann Mitte 50 auf, der wie ein Glühwürmchen leuchtet. Schreiend rennt er auf sie zu. Und der ganze Roman ist jetzt nichts anderes, also nichts anderes ist übertrieben, aber doch im großen Maßstab nichts anderes als eine Entwicklung und Erklärung, wie es zu dieser Situation gekommen ist. Nämlich einerseits die Geschichte von Blandin wird erzählt als einer Schulabbrecherin, als einer brillanten Schülerin, die aber dann ein Verhältnis zu ihrem Lehrer entwickelt und aufgrund dessen in der Schule nicht mehr erscheint. Und auf der anderen Seite dieses erschreienden Mannes, der auch eine ganz schräge Geschichte hat, Mannes, der auch eine ganz schräge Geschichte hat, wie überhaupt die ganzen Figuren in diesem Werk das Wort schräg und illustrer und bizarr verdienen und dessen ungeachtet, aber trotzdem oder gerade vielleicht auch deshalb etwas zutiefst Humanes haben und vor allem, und das ist das, was mich am meisten für den Roman eingenommen hat, es sind keine Personen, es sind keine Figuren, sondern es sind wirklich Menschen, die da agieren, Menschen. Die sind so profiliert und so liebevoll dargestellt, dass sie wirklich transparent werden und aus den Klischees heraussteigen, die manchmal eben in der Literatur eben auch erscheinen und das ist hier ganz anders und das hat mich von der ersten Moment an sozusagen mitgerissen. Und ich möchte Ihnen jetzt noch ein paar kurze Sequenzen, ein paar Sätze, ein paar Wörter, ein paar Abschnitte daraus vorlesen, damit Sie vielleicht ein bisschen nachvollziehen können meine Begeisterung. Zum Beispiel beschreibt Tess Ganti einen Holzfäller, der auch in dem Apartment wohnt, und zwar ein C12. Das ist nur eine ganz kurze Beschreibung, aber ich finde sie einfach großartig. Als Holzfäller hat er sein berufliches Verfallstatum überschritten, aber ihm fehlen die finanziellen und die psychologischen Rücklagen für den Ruhestand. Häufig spürt er das Gewicht von Phantomholz, das er auf dem Rücken trägt wie ein Kind. Häufig spürt er das Gewicht eines Phantomkindes, das er auf dem Rücken trägt wie Holz. wie Holz. Und da sieht man schon ein bisschen, in welche Richtung diese fantastisch auf den Punkt gebrachten Metaphern und Beschreibungen der Menschen gehen. Dann möchte ich Ihnen noch auf der Seite, genau, als nächstes Beispiel vorlesen. Die Beschreibung eines weiteren Mannes, der zu einer Party hereinkommt. Kommt ein weiterer Mann herein und lässt die Türglocke bimmeln. Er trägt eine dunkle Lederjacke, eine Wolke Zigarettenrauch und frische Sonnenbräune und seine Präsenz scheint ihre eigene Schwerkraft zu haben. Er wäre ein guter Kandidat für Männer-Deo-Werbung, denkt Blandine. Attraktiv genug, um als positive Selbstprojektionsfläche zu dienen, aber nicht so schön, dass er beim Kunden Unsicherheit in Bezug auf das eigene Männlichkeitsempfinden auslöst. Blandine weiß instinktiv, dass er viele Tätowierungen hat, auch wenn sie keine sieht. Er trägt sein Testosteron wie ein starkes Aftershave. Und noch eine Noch eine ganz kurze Beschreibung, wie sich eine der Figuren in einem Hotel fühlt. In diesem Modell fühlt sich Moses tatsächlich französisch, trotz der Bettdecke. Er spürt, wie der Nihilismus und die Leidenschaft wie zwei Rehböcke um die Hoheit über sein Gehirn kämpfen. Er streckt sich auf dem Bett aus, nippt an seinem Trink, der hauptsächlich nach Olivenlake schmeckt. Die Klimaanlage ist eher eine Geste als Realität. Sie verteilt zimmerwarme Luft, obwohl sie permanent auf der kältesten Stufe eingestellt ist. Und dann gibt es so wunderbare Phrasen wie zum Beispiel auf Seite 32, aber sie hatte Angst, im Strom ihrer eigenen beängstigenden Energie zu ertrinken, wenn sie zu reden aufhört. Oder auf Seite 59. Es war eine fege Feuerstunde, weder Mittag noch Abend. Eine Stunde, in der dein ganzes Leben wie ein Parkhaus aussieht. Seite 88. Sie will sich selbst transzendieren, will aus dem grotesken Gefäß ihres Körpers ausbrechen. Wie soll ihr das gelingen, wenn Fremde sie wie einen Lagerraum für ihre bleischweren Informationen behandeln? Und auf Seite 108 steht ein Satz, der auch mir sehr zu denken gegeben hat. Wie viele Musiklehrer wollte James nie Musiklehrer werden. Auf Seite 110 steht dann, eines Abends erzählt Blandine einen Witz, über den er, also der Lehrer, lacht, bis er nach Luft schnappt und das ist ihre erste gemeinsame Dosis Serotonin. Oder wie sie die Natur beschreibt, ganz kurz, auf Seite 170, Vögel zwitschern rebellisch in ihrem industriellen Lebensraum. Es ist noch zu früh für den Geruch nach Auto, also dankt Blandine der Luft für ihre unverschmutzte Pracht, inhaliert den Duft von Sommergras und frischem Regen. Und Blandine nimmt die Nachricht durch die Haut auf wie ein Gedicht, das auf seiner Wahrheit beharrt, bevor es seine Bedeutung preisgibt. Die Sonne strahlt wie eine medizinische Leuchtstofflampe, die Schimmelbilze sichtbar machen soll. Er versucht, seine Mutter von der Windschutzscheibe seiner Psyche zu wischen. Ihre Einsamkeit hatte den Gefrierpunkt erreicht. Er steckte gerade in einer Scheidung und sein Hobby war Sauerteig. in einer Scheidung und sein Hobby war Sauerteig. Seite 300. Welches Maß an Aufmerksamkeit würde Blandine als angenehm empfinden? Wer würde sich jemals die Mühe machen, sie ihr zu verabreichen? Seite 309 Seite 315 in einem Wal landet. Seite 315. Über ihr dröhnt ein Flugzeug, ein Cellotee durch die Wolken. Blandine würde gerne einen Becher Himmel schöpfen und ausschlüpfen. Blandine liebt den Geruch von brennender Holzkohle, auch wenn sie weiß, dass Grillen Sterbehilfe für den Planeten ist. Und die letzte Metapher, die ich Ihnen noch ans Herz legen möchte, auf Seite 361, die mir sehr gefallen hat. Brennender Schweiß brach aus ihm aus wie eine Armee von Zahnstochern. Jetzt möchte ich noch zum Schluss aufrätseln, warum ich einmal begeistert, einmal weniger begeistert und wieder begeistert war. Es war nämlich so, dass ich beim zweiten Mal lesen natürlich schon wusste, welche fantastischen Redewendungen mich erwarten und war, um mir ein Wort meines lieben Freundes Stefan Reus auszuborgen, nicht mehr so geflasht wie beim ersten Mal, bei der ersten Lektüre. Aber diesen Mangel habe ich fälschlicherweise und ungerechterweise dem Text unterstellt und nicht mir selber und meiner falschen Erwartungshaltung. Aber dann beim dritten Anlauf habe ich dann die rezeptorische Kurve wieder gekratzt und war einfach auch von der Zusammenfassung und von diesen Metaphern wieder restlos begeistert. Und ja, ich kann Ihnen dann das Buch nur sehr dringend ans Herz legen. Und ich danke Ihnen und vor allem den Musikern und meinen Kolleginnen und Kollegen für diesen, glaube ich, kurzweiligen und interessanten Abend und wünsche Ihnen auch noch einen schönen Abend und freue mich jetzt auf unser abschließendes letztes Stück. Danke. Bitte. Applaus Thank you. © transcript Emily Beynon ¦ 🎵 🎵 I am the king of the world. © transcript Emily Beynon. Thank you.