Guten Abend! Leben, Schreiben, Positionen und Welthaltungen österreichischer Autorinnen. Üblicherweise ziemt es sich, gleich zu Beginn einer kurzen Einführung auf den Autor oder die Autorin hinzuführen. Unser heutiger Gast ist mir hoffentlich nicht gram, wenn ich es heute etwas anders halte, weil doch spezielle Umstände vorliegen. Worin bestehen diese speziellen Umstände? Das ist ganz schnell erklärt. Der Gesamtmoderator der Reihe, Michael Kerbler, hat mich heute Morgen angerufen und mir mitgeteilt, dass er krank sei, dass er die Veranstaltung nicht machen könnte. Sie können sich vorstellen, man macht als Veranstalter in so einer Situation nicht gerade einen Freudensprung, wenn man weiß, das Haus wird voll sein, der Moderator liegt da nieder. Was bleibt dann übrig? Man sammelt sich kurz, man zückt das Telefon in der Hoffnung, jemanden zu finden, der ausreichend Fachexpertise, eine Prise Charme und genügend Erfahrung mitbringt, um so einen Abend zu retten. Es ist ein Glück, dass wir so jemanden haben in Oberösterreich. Ich weiß nicht, ob Christian Schacherreiter einmal bei der Freiwilligen Feuerwehr oder dergleichen war, aber ich möchte mich ganz herzlich bei ihm bedanken, dass er heute den sprichwörtlichen Feuerwehrmann gibt und diesen Abend moderieren wird. Herzlich willkommen im Stifthaus Christian Schacherreiter. moderieren wird. Herzlich willkommen im Stifterhaus Christian Scherker. Wenn wir schon beim Moderator sind, dann erlauben Sie mir auch kurz seine Biografie vorzuziehen. Er wurde 1954 in Linz geboren. Er studierte Germanistik und Geschichte in Salzburg, ist Autor, Literaturwissenschaftler, Kritiker und Gott sei Dank ein sehr guter und erfahrener Moderator. Vielen von Ihnen ist er sicherlich auch bekannt in seiner Funktion bei den oberösterreichischen Nachrichten, wo er zu den Themenbereichen Literatur und Musik schreibt. Er hat als Autor zahlreiche Veröffentlichungen vorzuweisen, zuletzt den Roman Das Liebesleben der Stachelschweine«, der 2022 im Otto Müller Verlag erschienen ist. In knapp einem Monat, denke ich, kommt passend im Brucknerjahr sein neuer Roman »Bruckner stirbt nicht«, ebenfalls bei Otto Müller heraus. Nun zu unserem Gast, den ich gerne mit Michael Kerblers Worten einführen möchte. Michael hat mir die einführenden Worte zukommen lassen und ich finde sie ehrlich gesagt eigentlich zu schön, als dass sie unerwähnt blieben. Michael Kerbler schreibt, hier nur ein Auszug davon, Zitat, Er ist der große österreichische Erzähler, der Mythen-Erzähler. Wer wissen will, wann und von wem der Grundstein dazu gelegt worden ist, muss in seine Kindheit zurückgehen. Zwei Menschen waren es, die dem Jungen die intensive Kraft der Erzählung vermittelt haben. Der Vater, der ihm die griechische Mythologie erzählt hat, als Vorform der Geschichte, und die Großmutter, die ihm Märchen erzählt hat. Nicht verwunderlich ist daher folgendes Zitat von ihm, lange Zeit hielt ich Odysseus für eine Figur der Grimmschen Märchen. Das ist herrlich. Ich wage zu behaupten, also ich, Michael Kerbler, ich wage zu behaupten, dass die Stunden, in denen der Vater dem Sohn vom Trojanischen Krieg erzählt hat, tiefe Spuren in seinem Gedächtnis hinterlassen haben. Troja steht seit jeher für ihn für die totale Vernichtung und für unbarmherzigen Hass, der die Geschichte der Menschen durchzieht. Die Erzählung soll ins kollektive Gedächtnis sickern und daran erinnern, was den Menschen zum Menschen macht, was ihm Würde verleiht und was ihm diese Würde nimmt. die Stadt getrieben. Die Mutter hat den Zweiten Weltkrieg erlebt, ist durch das verwüstete Nürnberg geirrt. Sie hat ihren Jungen zum Pazifisten erzogen. Ich habe einen Sohn nicht geboren, damit er erschossen wird oder jemanden erschießt, sagte sie zu ihm. Zusammen mit ihrem Glauben an einen guten Gott war dies das Fundament ihrer Lebensphilosophie. So steht es nachzulesen in seinem Buch Das Schöne, in dem Kapitel Können wir Krieg? Konsequenterweise hat er den Wehrdienst verweigert, aus Gewissensgründen. Zitat Ende. So viel von Michael Kerbler. Ich möchte daran anknüpfen und auch gleich mit einem Zitat unseres Gastes fortfahren. Er hatte mal gesagt, zum großen Bösen kamen die Menschen nie mit einem Schritt, nie, sondern mit vielen kleinen, von denen jeder zu klein schien, für eine große Empörung. Das sagte er bei einer Rede zum Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus 2018 in der Wiener Hofburg. Nationalsozialismus 2018 in der Wiener Hofburg. Und weiter auch aus dieser Rede, Zitat, es hat auch damals schon Menschen gegeben, die sich damit gebrüstet haben, Fluchtrouten geschlossen zu haben. Er ist keiner, der mit seiner staatsbürgerlichen Meinung hinter den Berg hält, wie man so schön sagt. Immer wieder äußert er sich offen, kompromisslos und alles andere als Konfliktscheu, wenn es um Fragen der Humanität geht und vor allem dann, wenn es um die Sprache der Politik geht, vielleicht um Codes oder Wortschöpfungen, die aufziehendes Unheil ankündigen. Denn bei Letzterem, bei der Sprache, macht ihm keiner so schnell etwas vor. Sie ist sein eigentliches Geschäft. Er hat seit Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts gut 50 Bücher veröffentlicht, daneben dramatische Stücke und Hörspiele geschrieben. Er ist, wie Michael Kerbler richtig bemerkt, der große österreichische Erzähler. Herzlich willkommen im Stifterhaus, Michael Kühlmeier. Schön, dass Sie da sind. Michael Kühlmeier wurde 1949 in Harth in Vorarlberg geboren. Er studierte Politikwissenschaft und Germanistik in Marburg an der Lahn und Mathematik und Philosophie an den Universitäten Gießen und Frankfurt. Sein Roman Abendland, erschienen 2007 bei Hansa, wurde in die Reihe der Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945 aufgenommen. Eine Reihe, die das Stifterhaus, die Alte Schmiede in Wien und das Literaturhaus Graz gemeinschaftlich verantworten. Michael Kölmeier wurde im Laufe seines Lebens mit zahlreichen Preisen und Auszeichnungen bedacht. Ich möchte hier nur einige nennen. Der Österreichische Würdigungspreis für Literatur, der Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung und das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst erster Klasse. Letzteres hat er im Übrigen gemeinsam mit seiner Frau, der Autorin Monika Helfer, mit der er seit 1981 liiert ist, erhalten. Dieser Tage erscheint Michael Kölmeiers neuer Roman, das Philosophenschiff im Handel, der heute auch schon am Büchertisch aufliegt. Ich denke, einem interessanten Abend und einem schönen Gespräch mit einem noch einmal sehr herzlich bedankten Feuerwehrmann steht nichts mehr im Wege. Vielen Dank. Ja, einen schönen guten Abend, meine Damen und Herren. Stefan, es ist nicht viel zu danken. Ich wäre sowieso da gewesen und heute Abend. Ist doch egal, nicht? Also irgendwie. Ja, Stefan Kögelberger hat auch eh schon relativ viel gesagt über dich, aber schauen wir mal, was uns noch übrig geblieben ist. Also irgendwas wird uns einfallen. Ja, Michael, ich hoffe, du verzeihst es seinem ehemaligen Schuldirektor und Deutschlehrer, wenn er sich zuerst einmal dafür interessiert, was war denn Michael Köllmeier für ein Schüler? Hast du schöne Aufsätze geschrieben, für die du gelobt worden bist und die bei Festveranstaltungen vorgelesen worden sind? Das hätte ich jetzt gern, du merkst aber, es kann natürlich sein, dass alles ganz anders verlaufen ist. Also bei Festveranstaltungen vorgelesen hat man es, glaube ich, nicht, nein. Aber ich glaube, ich habe ganz nette Aufsätze geschrieben geschrieben habe aber selten eine wirklich gute note gekriegt weil ich zumindest in der leichten form legasthenisch bin und insofern manchmal die aufsätze dann doch sehr rot ausgesehen haben weil also sachen korrigiert worden sind deshalb ich eigentlich eine wirklich gute Note und sehr gut ganz selten gekriegt habe. Da muss der Aufsatz schon so gut gewesen sein, dass der Lehrer darüber hinweg gesehen hat. Aber du hast gern geschrieben. Ich habe immer gerne geschrieben. Ich habe das gerne gemacht. Das Schreiben ist mir leichter gefallen als das Lesen. Das Lesen war für mich wirklich eine schwere Arbeit, das muss ich sagen. Als ich in der ersten Klasse Volksschule, immerhin um Ostern herum, mein Vater hat dann mal gesagt, so als liest du uns was vor. Dann obendrein noch vor der Verwandtschaft, weil er natürlich geglaubt hat, bis Ostern kann er das. Es war eine Katastrophe eigentlich. Und er ging dann in die Schule und hat mit dem vollen Weibel, hat er gesprochen, hat gesagt, der kann nicht lesen. Worauf sie zu ihm gesagt hat, Herr Köllmeier, wenn er es braucht, wird er es lernen. Entspannte Pädagogik eigentlich. Ja, sie war großartig. Sie hat mich nie bloßgestellt vor der Klasse. Das hat sie vermieden. Und hat mir einen sehr eigenartigen Tipp gegeben, wenn ich den erzählen darf. Weil sie selber auch das Problem hatte. Das hat sie mir ganz so, ganz innig, ganz intim haben wir uns darüber unterhalten. Und sie hat zu mir gesagt, ich soll auf den Friedhof gehen. Dort seien meistens nicht so viele Leute. Und dann soll ich die Namen der Gräber lesen, laut. Und das soll ich eine Zeit lang machen. Und wenn ich merke, es fällt mir schon leichter, und jetzt kommt das Interessante, dann soll ich sie versuchen, von hinten nach vorne zu lesen. Und das finde ich sehr interessant, finde ich nachahmenswert. Weil dann bin ich wirklich auf die Buchstaben angewiesen und nicht mehr auf den Sinn des Wortes. Und das habe ich dann eine Zeit lang immer gemacht und dann ging es dann irgendwann besser. Ich glaube, ich habe das richtig in Erinnerung, du hast ein humanistisches Gymnasium besucht, das heißt, du hast Latein und Griechisch gelernt. Klar, ab der ersten Klasse Gymnasium Latein, ab der dritten Griechisch, ab der fünften Englisch, wobei unser Englischlehrer gesagt hat, Englisch ist so eine leichte Sprache, die lernt es ja eh, aber den Shakespeare werdet Sie nie mehr lesen. Und wir zumindest ein Jahr lang nur Shakespeare gelesen haben, aber natürlich auf Deutsch, in der deutschen Übersetzung und kein Wort Englisch geredet haben während dieses Jahres. Aber Sie können sich vorstellen, wie man das vorliest. Romeo und Julia, es ist die Nachtigall und nicht die Lerche. In der Klasse war es so warm, so gedöst und dann hat man den Shakespeare gelesen. Und haben dich diese alten Sprachen, meinst du, dass das für dich irgendwas war, das dich, naja prägend ist zu viel gesagt, aber doch irgendwie. Also Latein sicher, ja. Griechisch ist eine Sprache, die man eigentlich nicht lernen kann, also wirklich sehr, sehr schwer. Erstens einmal sind andere Buchstaben, anderes Alphabet, aber das geht ja noch. Eine Sprache, die ungefähr gleich viele Ausnahmen wie Regeln hat, ist sehr schwer zu lernen. Dann eine Sprache, die zum Imperfekt, Perfekt und Plusquamperfekt, also unsere drei Vergangenheitssprachen, noch eine vierte hat, nämlich den Aorist, wo man bis heute nicht mal ganz genau weiß, was das ist. Die zusätzlich, wir haben hier aktiv und passiv bei den Verben, noch Medium hat und dort transitiv und intransitiv, also das ist schon sehr sehr sehr schwer und wenn wir den Homer gelesen haben, dann wenn man fast bei jedem Vers ein Wörterbuch rausnehmen musste, aber ich habe es trotzdem, ich habe das Griechisch, die Sprache, das habe ich in der Schule nicht so gerne gehabt. Aber das zu lesen habe ich gerne gehabt. Also ich habe das immer auf Deutsch dann gelesen, weil mein Vater hatte diese Bücher ja alle. Und ich habe dann die Ilias gelesen in der Übersetzung von Voss. Und ich habe auch vor allen Dingen unheimlich gerne gelesen den Peloponnesischen Krieg vom Ducudides, weil das kam mir sehr spannend vor. Und Latein ist die, alles was ich über Deutsch weiß, über Grammatik oder so, habe ich aus dem Lateinunterricht. Ja. Wir werden auf die Mythologie natürlich noch zurückkommen. Sie merken schon, ich habe es ein bisschen biografisch angelegt. Ich hoffe, das ist für Sie irgendwie ein interessanter Zugang. Also ja, du hast dann studiert. Also du hast maturiert, du hast studiert. Und zwar zunächst einmal Germanistik und Politikwissenschaften. Jetzt habe ich da gleich eine Frage. Das war in den 70er Jahren. Ich habe auch in den 70er Jahren Germanistik studiert. Michael Kühlmeier, wir kennen ihn heute, das ist der Erzähler in Österreich. Das war in den 70er Jahren. Ich habe auch in den 70er Jahren Germanistik studiert. Michael Kölmeier, wir kennen ihn heute, das ist der Erzähler in Österreich. Also wenn es um Erzählen geht, dann fällt da ein Name. Das ist so fast schon reflexartig im Österreichischen drinnen, mittlerweile würde ich sagen. So wie der Apfelstrudel. So wie der Apfelstrudel. Schnitzel ist auch eine Geschichte mittlerweile. Das war so ein Scherz auf meine Kosten. Über Humor können wir auch noch reden. Aber in der Germanistik der 70er Jahre war ja das Erzählen nicht sehr hoch angesehen, eher im Gegenteil. Man hat ja damals gesagt, so eine richtige Geschichte erzählen oder sowas, bitte, das ist antiquiert. Experimentelle Formen und, und, und, so weiter. Warst du da auch mit dabei? Hast du das auch richtig gefunden oder hat euch das von Anfang an irgendwie, hast du das seltsam gefunden? Nein, es hat so einen gewissen Stress auf mich ausgeübt wobei das was du hier schild das eigentlich in österreich viel stärker ausgebildet weil es in deutschland bei der germanistik also dieses auf avantgarde zu schauen und auf diese ganzen anderen möglichkeiten zu schreiben die es noch gibt außer dem roman und die erzählung weil ihr holz ist ja genau umgekehrt das war sehr schade ist dass viele Experimente oder Mischformen, wo das Essayistische mit dem Erzählösen sich verbindet, das ist ja irgendwie fast vergessen. Und es war damals stärker. Aber ich glaube, es war in Österreich noch stärker als in Deutschland an der Universität. Als ich das erste Mal eingeladen worden bin als Vorarlberger von der Grazer Autorenversammlung nach Wien zu einer Aufnahme, also ich bin dort aufgenommen worden, das kam mir vor wie ein Ritterschlag. Und dort, das war dann, dort der Tenor, Romanschreiben ist vorbei, das ist vorbei, und das Erzählen vor allen Dingen ist vorbei. Dann habe ich mir auch gedacht, oje, bin ich zu spät gekommen irgendwie, oder? Das hat mich bedrückt, weil ich mir gedacht gedacht, oje, bin ich zu spät gekommen irgendwie. Das hat mich bedrückt, weil ich mir gedacht habe, was anderes kann ich nicht. Ich habe dann auch anders probiert und so. Aber das war nicht meines. In Deutschland bei der Germanistik, speziell in Marburg an der Lahn, war die Sache ganz anders. Dort war das so, das war die linkeste Universität in ganz Deutschland in Marburg an der Lahn, neben Bremen und Berlin, aber vor allen Dingen Marburg. Und dort ist die Literatur nur als Art Transmissionsriemen zur gesellschaftlichen Dinge gesehen worden. Also man hat gesagt, der Thomas Mann ist ein großer Autor, das schon, aber das ist eigentlich vorbei, das ist Bildungsbürgertum, sein Bruder, der ist mehr. Das war dann so, man hat dann ein Seminar gemacht über den Untertan von Heinrich Mann und dann hat man den Roman gar nicht den Leuten zugemutet zu lesen, sondern hat es aufgeteilt in Arbeitsgruppen. Den Roman hat man gefünftelt, dass jemand nicht viel lesen muss, weil hauptsächlich hat man ja Theorie gelesen. Und praktisch ab der zweiten Sitzung war das dann nicht nur, keine Diskussion mehr über den Roman, sondern darüber über den Revisionismus der deutschen Sozialdemokratie, der dann zum Faschismus geführt hat. Und von dort weg hat man den Roman gar nicht mehr erwähnt. Also die Germanistik war eine, also wenn ich Ihnen erzähle, das glaubt man ja gar nicht. Ich habe in den ersten drei Semestern, ich habe Politikwissenschaft studiert und Germanistik, wobei man in Marburg an der Lahn nicht Politikwissenschaft gesagt hat, sondern wissenschaftliche Politik. Und das hat geheißen, auch gleichzeitig, dass man Politik nicht wissenschaftlich betreibt, sondern aktiv natürlich. Und in den ersten drei Semestern, sowohl in Politik als auch in Germanistik, haben wir eigentlich nichts anderes getan, als das Kapital von Karl Marx gelesen, auch in Germanistik. Aber nur Band 1 und Band 3, weil Band 2 ist die Distribution, das ist langweilig, oder? Und das hat man gelesen. Und da war immer dann der Witz, warum funktioniert es in der DDR nicht, dass man einen Korkenzieher kriegt, wenn man einen will, weil die den zweiten Band nicht gelesen haben. Ich habe immer gesagt, aber das halt nebenbei. Also die Germanistik war dort, ich habe mich dort gar nicht getraut, meinen Kommilitonen gegenüber zu erwähnen, dass ich schreibe. Weil das war dann ungefähr so, so eine kleinbürgerliche Tätigkeit. Oder das ist halt so ein Arbeitertheater oder so etwas. Oder so etwas, ja. Agitpop. Agitpop, ja. Ja gut, das waren doch eher vorübergehende, ich würde sagen gewissermaßen zeitgeistige Phänomene. Und so um 1980 herum ging es ja dann schon in andere Richtungen irgendwie weiter und das war ja auch die Zeit, als wirklich deine ersten Publikationen, also auch Buchpublikationen dann erschienen sind und lass mich das jetzt in kleine Anekdote einbringen. Du weißt das wahrscheinlich nicht mehr, wann unsere erste Begegnung war. Du hast mich, glaube ich, auch nicht bewusst damals wahrgenommen. Das war nämlich in Vorarlberg auf einem Hörspiel von Michael Kölmeier und Peter Klein vorgestellt worden, nämlich March Movie. Und ich sage Ihnen jetzt kurz, warum mir das in Erinnerung geblieben ist. Es ist eines der erfolgreichsten Hörspiele, glaube ich, das im ORF jemals produziert worden ist. Und es ist so eine Art Doku-Fake, es ist wie eine Dokumentation aufgezogen, aber der Ausgangspunkt ist der, dass in Vorarlberg, ich glaube in Hohenems, auf mysteriöse Art und Weise eine Blasmusikkapelle verschwindet. Jetzt ist ja das etwas Erstaunliches, aber noch erstaunlicher ist es, dass die Hohen Emser sagen, bei uns hat es nie eine Blasmusikkapelle gegeben, es ist nichts verschwunden, dass niemand interessiert ist, die noch zu finden irgendwo. Und außer einem einzigen heroischen Mann sozusagen, oder man kann auch Querulant dann sagen, je nachdem wie man es beurteilt, der sich auf die hin doch ein wesentlicher Arbeitsbereich auch für dich. bleiben oder in Frankfurt. Aber ich habe dann Monika kennengelernt und dann hat halt das Herz entschieden und ich habe das gerne entscheiden lassen und bin nach Vorarlberg gezogen. Und naja, ich hatte einen Abschluss in Germanistik und Politikwissenschaft. Das Studium der Mathematik und Philosophie habe ich nicht beendet, weil ich vorher gegangen bin. Aber dann wusste ich nicht, was ich tun soll. Und im Rundfunk in Vorarlberg war damals auch nur so, das war so ein Neubewegen. Also der Bach hat überall im Lande Studios gebaut, wie in Linz ja auch. Das schaut genau gleich aus wie in Vorarlberg. Und habe dann dort angefangen, halt als freier Mitarbeiter zu arbeiten. Und habe eigentlich bis auf Sport, das habe ich nie was gemacht, aber sonst auf allen Gebieten Interviews. Also ich habe Ornithologen interviewt und Orthopäden interviewt. Und habe versucht, dass ich es als Ägasteniker nicht verwechsle. Oder? Die Ornithologen und die Orthopäden. Ornithologen und die Orthopäden. Und der Hörspiel war so, der Hörspiel war die kürzeste Linie vom Arbeitstisch von der Schreibmaschine zum Geld. Das ging am schnellsten. Und der ORF hat damals viele Hörspiele produziert, ganz viele. Und ich habe mich halt bei jedem Hörspiel, wir haben ja schon eine Familie gehabt, bei jedem Hörspiel habe ich, bei jeder Möglichkeit, wo es war, ich habe mich halt bei jedem Hörspiel, wir haben ja schon eine Familie gehabt und bei jedem Hörspiel habe ich bei jeder Möglichkeit, wo es war, ich habe gefragt, braucht es ein Hörspiel, braucht es ein Hörspiel und wenn es ein Hörspiel, und er hat gesagt, ja, ich habe eh eines auf Lager, auch wenn ich gar keins, ich konnte nicht anders, ich musste das Geld verdienen und das March Movie speziell, damals war da Peter Klein, der dann später der Ö1-Chef geworden ist, auch als freier Mitarbeiter dort und damals in Vorarlberg war es so, dass man als freier Mitarbeiter alles selber gemacht hat. Man hat natürlich die Beiträge selber geschnitten und das alles. Und ursprünglich war das Hörspiel nur, dass wir beide schneiden gelernt haben. Wir haben dann halt so irgendwelche Sachen aufgenommen, auch unanständige, oder haben sie unanständig geschnitten, oder? Das kann man ja leicht, wenn man gut schneiden kann. Und haben das halt zusammen getan. oder haben sie unanständig geschnitten. Das kann man ja leicht, wenn man gut schneiden kann. Und haben das halt zusammengetan. Und dann, später ist dann so gedeutet worden, weil die Hohenems eine starke jüdische Gemeinde hatte, dass das natürlich ein Parabel auf das Verschwinden, haben wir ursprünglich gar nicht gedacht, dass es so ist, sondern wir haben einfach so gespielt. Wir sind dann ins Gasthaus gegangen mit dem Mikrofon und haben gesagt, entschuldigen Sie, ja, was gibt es denn so? Vor ein paar Jahren ist da in Hohenheim so ganze Blasmusik verschwunden. Was wissen Sie darüber? Haben das Mikrofon hingehört und gesagt, ja, was ist denn Blasmusik? Nie nichts gehört. Da hat es sogar Blasmusik gegeben. Nur im Zusammenhang, nach dem Zusammenschnitt hat es ganz anders geklungen natürlich. Und so ist halt das Hörspiel mit ausschließlich Laien. Also es haben nur Laien mitgespielt und unter Laien verstehe ich die Sekretärin des Redakteurs, ein Techniker vom Rundfunk und so weiter und Freunde. Außer eben, glaube ich, dieser einen Figur, der da sucht nach dieser Blasmusikkapelle und so als Einzelkämpfer dann, erinnere mich noch, diese üblichen Aktionen setzt, Briefe schreibt vom Bürgermeister bis zum Bundespräsidenten und meint, er muss Österreich auffüllen und so weiter. Aber gut, bleiben wir nicht allzu lange dabei, aber du merkst, das hat mich irgendwie dauerhaft geprägt, irgendwie, dieses March-Movie. Kurz, vielleicht sollen wir auch auf deinen musikalischen Seitenpfad zu sprechen kommen, der ja noch bis heute andauert irgendwie, aber damals schon begonnen hat. Ach, ich habe das immer gerne gemacht und das ist ja auch manchmal so, das kennt ja jeder, dass man manchmal eine nicht erwiderte Liebe hat. Ich habe zumindest zwei nicht erwiderte Lieben. Das eine ist die Mathematik, das andere ist die Musik. Also sagen wir so, ich liebe die Mathematik mehr als sie mich liebt und bei der Musik ist es ähnlich. mehr als sie mich liebt. Und bei der Musik ist es ähnlich. Bei der Mathematik habe ich dann, also hätte ich einen Mathematiklehrer gehabt am Gymnasium, wie ich einen Deutschlehrer hatte, dann hätte ich von vornherein Mathematik studiert, weil mich das immer, das ist mir immer am leichtesten gefallen. Das hat mir immer so Freude gemacht. Das hat mir wirklich immer Freude gemacht, wenn am Schluss so irgendwas da steht, etwas, dann kommt ein Ist-Gleichzeichen und dann steht wieder etwas da und das, was dort steht, ist nicht lang. Oder wenn es lang ist, weiß man, es ist wahrscheinlich falsch. Das hat mir immer sehr viel Freude gemacht, Mathematik. Aber dann habe ich dann als zweites Studium angefangen zu studieren und dort habe ich dann gemerkt, dass mir erstens einmal eine gewisse Jahre fehlen dazwischen und dass da dann, also dieser Genius hat sich auf meiner Schulter nicht niedergelassen. Das habe ich dann gemerkt. Es war jenseitig für mich. Ich habe ein Seminar in einem Tutorium nachpräpariert und dann zu dem Tutorium noch mal eine Nachhilfe stehen, dass ich halbwegs auf dem Stand war, was in der Vorlesung gesagt worden ist. Und eine Woche später war wieder das Gleiche. Aber ich habe dann lang dran genagt und es hat mir vielen geistigen Schweiß gekostet. Und schließlich habe ich aufgegeben. Und bei der Musik habe ich nicht aufgegeben, weil dort habe ich dann gemerkt, es gibt Sachen, die ich auch kann, zumindestens. Dort habe ich dann gemerkt, es gibt Sachen, die ich auch kann, zumindestens. Ich habe gemerkt, wenn man Lou Reed hört, dann kommt niemand auf die Idee zu sagen, aber so schön wie Brasilio Domingo singt er nicht. Also auf die Idee kommt niemand. Und wenn man den Bob Dylan hört, kommt man auch nicht auf die Idee oder Johnny Cash. Und trotzdem kommt niemand auf die Idee zu sagen, das ist ein Scherz, was die machen. Und das ist ein ganz bestimmter Ausdruck. Und dann habe ich, natürlich wie alle, habe ich angefangen mit Lyrik. Ich habe Lyrik geschrieben als junger Mensch. Und dann habe ich gelesen irgendwo, glaube ich, was Leonard Cohen gesagt hat, dass er auch als Lyriker begonnen hat, um Romane zu schreiben. Und dann hat er gesehen, so ein junger Bob Dylan hat so schöne Lyrik und singt. Und er verkauft pro Lyrikband 300 Stück und Bob Dylan verkauft pro Platte 300.000 Stück. Und dann hat er gesagt, warum sollen wir es nicht singen? Und ich habe immer einen Faible gehabt, auch mit meinem Freund Reinhold Bilgeri, der also mehr ein Bruder als ein Freund ist. Wir erinnern uns beide gar nicht daran, wann wir uns nicht gekannt haben, weil wir nebeneinander aufgewachsen sind in der Nachbarschaft. Und dann haben wir natürlich gesehen, was John Lennon und Paul McCartney machen und was Keith Richards und Mick Jagger machen und so. Und da wollten wir es halt auch tun und haben gespielt und haben Texte dazu gemacht. Und wir machen das bis heute so. Also jetzt gerade vor einer Woche, da gibt es ja so alte Männer hauptsächlich, so in meinem Alter, die seit 25 Jahren machen wir drei Konzerte vor Weihnachten und ein Konzert nach Weihnachten für die Vorarlberger Krebshilfe. Da sind so 15 Musiker, die dann zusammengestückelt irgendwelche Bands, dreieinhalb Stunden auf der Bühne und das ist immer unheimlich schön. Und das ist dann unglaublich laut, weil die haben alle einen Gehörschaden. Man hat ja als 16-Jähriger in einem Probelokal, das so groß war wie hier, hat man geprobt und es war natürlich feig, den Verstärker nicht voll aufzudrehen. Und wie gesagt, Hörschäden wären nie mehr gut. Das hat aber auch was für sich. Es ist ein wahnsinniger Lärm, wenn wir zusammensitzen, weil niemand den anderen versteht. Und wir sind stinkert und es ist laut und es wird getrunken. Aber das ist unheimlich schön. Ich würde es nicht missen wollen, immer die Musik machen. Und ich liebe auch Gitarren, ich spiele jeden Tag Gitarre, weil es mich so beruhigt im Stiegenhaus bei uns zu Hause. Ich habe auch noch eine CD von dir daheim, ich glaube aus den 70er Jahren, von dir und Reinhold Pilger. Und zwar heißt die Ovi Lacht. Also nicht Ovi Lacht, sondern Ovi als Eigenname. Also Ovi Lacht. Ist ein Schatz, den ich hege und pflege nach wie vor. Er ist seit Jahrzehnten in meinem Besitz noch. Gut, kehren wir noch einmal zum Rundfunk zurück. In den 90er Jahren hat dann dort etwas begonnen, was jetzt wirklich lebens- und schaffensbestimmend, würde ich sagen, war für dich. Du hast begonnen, Mythen zu erzählen. Wie hat denn das angefangen? Ich habe damals einen Roman geschrieben, der hieß Telemach. Und der Telemach ist der Sohn des Odysseus. Und dann bin ich eingeladen worden von Klaus Ammann nach Klagenfurt an der Uni. Und ein Semester habe ich dort Gastvorlesungen gehalten über griechische Mythologie. Er hat gesagt, soll ich anlässlich dieses Romans und das hat der damalige Chef von Ö1, der Alphatreiber, mitgekriegt. also Gastvorlesung gehalten, über griechische Mythologie, hat er gesagt, soll ich anlässlich dieses Romans, und das hat der damalige Chef von Ö1, der Alphatreiber, mitgekriegt und hat gesagt, Herrst, möchtest du nicht im Sommer, wenn die Pause ist vom Kabarett, jeden Sonntag war Kabarett im Radio, möchtest du nicht dort als Pausenfüller für den Sommer die griechische Mythologie erzählen ein bisschen? Und ich habe gesagt, ja, gern. Ich bin aber davon ausgegangen, dass das maximal fünf Folgen sind und je sieben Minuten und dass ich die natürlich schreibe und lese. Also alles andere wäre mir gar nicht in den Sinn gekommen. Und dann habe ich nichts mehr von ihm gehört und dann irgendwann ruft er an und sagt, ja, okay, in zehn Tagen fangen wir an. Und ich sage, ja, und jetzt aber sagen wir mal, wie viel ist es? Und er sagt, es sind 15 Fortsetzungen und jedes eine halbe Stunde. Und da sage ich zu ihm, das kann ich nicht machen. Das ist ja ein ganzes Buch, das kann ich nicht machen. Und dann sagt er, wir haben es aber schon ausgedruckt und so. Und dann erzähle es einfach frei. Und das kam mir dann, da haben wir gedacht, Jesus, na Maria, das ist also frei zu erzählen einfach mit Stichworten. Und dann habe ich es halt probiert, dann habe ich dem Tontechniker durch die Scheibe hindurch, den kannte ich gut, habe ich halt das erzählt, so mit Stichworten. Und damals habe ich gedacht, ich weiß praktisch fast alles über griechische Mythologie, oder sehr, sehr viel. Und ich habe immer geschaut, wenn er angefangen hat, die Regler zu kontrollieren, haben wir gedacht, aha, er ist nicht aufmerksam, muss ich nochmal anfangen. Wenn er mich angeschaut hat so und gesagt hat, ich muss es nochmal machen, weil ich habe vergessen einzuschalten, dann habe ich gewusst, es stimmt. Und so haben wir es halt gemacht, 15 Mal. Und dann ist es so, also gegen jede Erwartung ist es so gut angekommen. Dann haben sie CDs gemacht und so. Und dann hat der damalige Intendant, der Weiß, gesagt, mach das doch nächstes Jahr wieder. Und dann habe ich dann, weil ich mich damit beschäftige, habe ich dann schon gemerkt, es ist noch viel da zu erzählen. Und habe es nochmal gemacht und dann habe ich es ein drittes Mal gemacht und dann habe ich die biblischen Geschichten erzählt und so war das. Und ich habe dann das eine für mich und für unseren Haushalt sehr günstige Nebenwirkung, es ist schon fast eigentlich untertrieben, habe ich gemerkt, nämlich, wenn ich damals, wir reden jetzt noch von Schilling, ja, wenn ich damals eine Lesung gemacht habe aus einem Buch, wo ich mich dann wirklich, wo ich ja wahnsinnig dran gesessen bin und ich habe 7.000 Schilling gekriegt, dann hat man gesagt, ist gut, passt. Das ist ein wirklich gutes Honorar. Aber wenn ich aus der griechischen Mythologie erzählt habe, dann habe ich 30.000 Schilling gekriegt, 35.000 Schilling gekriegt. Und ich habe mir gedacht, das ist völlig anders gerechnet. Zuerst, ich bin dann sehr eifersüchtig geworden auf mich selber. Die Leute haben mich gekannt als Mythen-Erzähler, aber meine Romane wenig. Allerdings, dort ist halt Geld reingekommen und beim anderen weniger. Wir waren in der Situation, wir hatten damals schon vier Kinder, große Familie, und haben Schulden gehabt, wie die Archänoa Flöhe. Und da war es ja nicht schlecht, dass das so war. Und ich habe es auch ausgereizt. Ich habe dann gedacht, wenn ihr mich wollt als Nacherzählender, dann müsst ihr halt ganz viel bezahlen. Und das haben die gerne getan. Ist das nicht ehrenrührig? Nein, nein. Es ist immer gut, wenn man vorschieben kann, die Familie. Aber trotzdem, es war halt so. Nein, ich bin, ich habe da große Sympathien, wenn man mit einem Autor redet, mit einer Autorin redet und man kommt auch so auf die Niederungen des Alltags zu sprechen, wie heute das Geschäft rennt oder eben nicht rennt, denn der hier ja bekannte, leider schon verstorbene Walter Wippersberg, mit dem ich befreundet war, hat immer gesagt, das Leben ist hart, nur das Kulturleben ist noch härter. Also mit Literatur Geld zu verdienen, ist wirklich nicht allen gegeben. Aber gut, es ist von vielen Dingen abhängig dann. Ja, bevor wir auf deine Romane und Erzählungen kommen, möchte ich noch ein bisschen beim Mythos bleiben. Der begleitet dich ja nach wie vor oder du nimmst ihn mit immer wieder auf die unterschiedlichste Art und Weise. beim Philosophikum Lech, das jedes Jahr stattfindet, teilnimmt, dann weiß man, das beginnt immer mit dem sogenannten Vorabend. Also Wagner-Kenner wissen, woher das kommt, der Vorabend, der erste Abend des Ringes das. Und bei diesem Vorabend erzählt Michael Kölmeier immer einen Mythos oder auch ein Märchen oder vielleicht zwei oder drei Mythen oder Märchen, die etwas mit dem Philosophikum-Thema, mit dem Jahresthema sozusagen zu tun haben. Und Konrad Paul Lissmann hört sich das dann an und reflektiert darüber aus der Sicht des Philosophen. So beginnt das immer. Da gibt es auch wunderbare Publikationen mittlerweile dazu. Man merkt immer, also ich bin ja jedes Jahr dort und man merkt immer, wie gern er das macht. Oder bilde ich mir das? Nein, bilde ich mir nicht ein. Ihr macht es gerne. Ja, ich mache das wirklich gerne. bilde ich mir nicht ein. Ihr macht das gerne. Ja, ich mache das wirklich gerne. Ich mache es vor allen Dingen auch deswegen gerne, weil ich dem Konrad gerne zuschaue, wie Denken entsteht. Es gibt diesen berühmten Aufsatz von Kleist, ich weiß nicht wörtlich, wie das heißt, aber die Entstehung des Gedankens beim Reden. So ähnlich. Du weißt, was ich meine. Ja, ein ganz wichtiger Aufsatz von Kleist, oft zitiert, die allmähliche Verfertigung des Gedankens oder der Gedanken beim Reden. Genau. Ja, so heißt er. Und ich bin immer dann sehr neugierig, weil nicht immer, das wäre jetzt gelogen, aber doch sehr oft weiß der Konrad nicht, was ich erzählen werde. Jetzt sitzt man aber da vor 600 Leuten und er weiß nicht genau, was ich erzählen werde. Er weiß nur, dass ich irgendetwas erzählen werde, was im Umkreis des Themas ist. Und dann ist es manchmal so ein Sport, dass ich dann halt auch denke, jetzt lege ich ihn oder jetzt muss er wirklich sich bemühen oder so. Und ihm zuzuschauen, wie er am Anfang, er ist ja sehr eloquent, er redet dann, ich weiß genau, jetzt redet er leere Meter, aber sehr gescheite leere Meter, bis er den Haken erwischt und dann geht es los. Und du kennst das ja bei ihm. Und dann bin ich immer unglaublich erstaunt, was er aus diesen Geschichten, die ich vorher erzählt habe, rausholen kann. Und das ist ein sehr schönes Ping-Pong, das wir jetzt schon seit etlichen Jahren machen. Wir haben auch zwei Bücher draus gemacht. Das hat mir sehr viel gebracht. Ich habe das viel gelernt und ich glaube bei ihm auch so. Also diese Annäherung zwischen Logos und Mythos, also zwischen Philosophie und Literatur, dass das etwas ganz Spezielles, sehr Feines und Befruchtendes ist. Ja, Michael, du hast das schon hier und da erwähnt, du hast Familie. Und zwar hattest du die schon relativ früh. Und was das für einen Kunstschaffenden oder Literaturschaffenden in deinem Fall eben heißt, hast du schon angedeutet. Es kommt aber noch etwas dazu, das ja auch nicht immer so einfach ist. Deine Frau, Monika Helfer, ja auch nicht immer so einfach ist. Deine Frau, Monika Helfer, ist auch Schriftstellerin. Und Schriftsteller-Ehen oder Künstler-Ehen überhaupt, wenn es noch dazu dasselbe Genre ist, in dem man unterwegs ist, sind ja nicht immer ganz einfach. Aber bei euch hat man den Eindruck, das war ein Glücksfall irgendwie. Aber bei euch hat man den Eindruck, das war ein Glücksfall irgendwie. Also unsere Probleme, die wir miteinander hatten und die wir in der Familie hatten, die sind, eigentlich kann ich mich nicht erinnern, dass das jemals aus der Tatsache, dass wir beide Schriftsteller sind, erwachsen sind. Weil so viel, also zum Beispiel am Anfang halt eben, als wir zusammen waren, Monika hat schon eine Ehe hinter sich gehabt und zwei Kinder und dann hatten wir auch zwei Kinder. Da waren so Probleme, dass wir mit dem Geld über die Runde kommen. Das war so vordergründig, dass die Monika sich über jedes einzelne verkaufte Exemplar von mir gefreut hat und ich umgekehrt natürlich auch. Daraus hat sich so etwas ergeben, wie, wie soll man sagen, wie so eine kleine Manufaktur ist es so. Also wir sehen das, abgesehen davon, dass wir natürlich keine getrennten Konten haben, ich glaube, das kann man sich nur leisten, wenn zumindest so viel verdient wird, dass man sich beim Betreten eines Restaurants nicht zuerst auf die rechte Seite der Speisekarte schauen muss, bevor man auf die linke schaut, dann kann man sich leisten, also getrennte Konten. Wir haben immer eines gehabt und es hat nie das Problem gegeben. Ich kenne keine bessere Gesprächspartnerin über Literatur als die Monika, weil ich sie halt auch kenne, genau weiß, absolut ernst nehme, weil jede Kritik von ihr genau weiß, sie meint es gut und umgekehrt genau gleich. Und wir dann so gemeinsam an Texten arbeiten, wäre jetzt falsch. Das stimmt nicht. Aber die Monika liest mir natürlich ständig vor, was sie geschrieben hat. Also auch in der Entstehungsphase schon. Ja, ja, ja. Die Monika weiß schon, woran ich dran bin. Und ich lese sie dazwischendurch vor. Und sie natürlich auch. Wobei wir vollkommen, wirklich vollkommen verschiedene Herangehensweisen haben. Die Monika würde am liebsten am Vormittag mit dem Roman beginnen und am Abend hätte sie ihn fertig. Und sie schreibt dann auch so eruptiv. Die kann sich dann hinsetzen und dann schreibt sie den ganzen Tag. Dann muss ich sie erinnern, dass man das was zu essen gibt und so. Dann kann sie die ganze Zeit, dann schreibt sie das durch. Und bei mir, ich bin dann froh, wenn ich weiß, aha, der Roman wird mich jetzt die nächsten vier Jahre beschäftigen. Dann habe ich jetzt eine lange Zeit, wo ich mich sehr sinnvoll fühlen kann. Und ich wäre auch ganz unruhig, wenn ich zum Beispiel zwei Wochen nichts zustande kriege. Die Monika, die kann ruhig einen ganzen Monat lang gar nichts schreiben und dann setzt sie sich wieder hin oder so, also ganz unterschiedlich. Ich finde, die Monika ist eine Meisterin in ganz kurzen Dingen. Und ich weiß natürlich, wo meine Schwäche ist. Sie weiß es genau und ich weiß auch, wo ihre ist. Also ihre Schwäche ist, dass sie weiß es genau, und ich weiß auch, wo ihre ist. Also ihre Schwäche ist, dass sie vom Eisberg zu wenig sehen lässt. Bei Monikas Eisberg beim ersten Durcharbeiten hängt unten noch ein großer Brocken Blei dran. Also dass wirklich nur eine ganz kleine Spitze rausschaut. Und ich sage manchmal, das kann der Leser nicht nachvollziehen, was du da alles meinst, das drin angesprochen ist. Du musst ihm ein bisschen mehr Informationen geben. Sie ist sehr, sehr knapp. Also Monikas Texte werden in der Korrektur immer länger, weil sie zu knapp sind. Sie werden länger, weil das zu knapp ist. Und meine Schwäche ist, dass ich, wenn ich nicht genau weiß, was ich sagen will, dann sage ich es umso schöner. Was natürlich den Nachteil hat, dass dann, wenn die Monika zu mir sagt, du hast es vorher schon gesagt oder du sagst es noch einmal, dann sagst du es ganz klar und einfach. Und dann fällt mir natürlich die Version, an der ich so rumgeschliffen habe und die so besonders schön formuliert ist, im Vergleich zu schlicht formulierten, die wegzustreichen, fällt mir natürlich besonders schwer. Die Monika ist ein Glücksfall insofern, weil die Monika die Gabe hat, zu kritisieren und man hat gleichzeitig das Gefühl, man ist gelobt worden. Das ist eine wirkliche Kunst. Ich habe mich oft darüber nachgedacht, wie Sie meinen, die sagt mir, hau das weg, die zehn Seiten, und ich habe hinterher das Gefühl, ich bin gut. Das hat ja was, oder? Und so geht es halt bei uns. Es hat nie, und das sage ich jetzt nicht, um etwas Schönes zu machen, wir haben Probleme mehr als genug gehabt auf anderem Gebiet und auf anderen Gebieten, aber was das Schreiben betrifft, hat es niemals so etwas wie Eifersucht, Neid oder gar Missgunst oder so etwas, es hat es einfach nie gegeben. Das ist die Gegend. Wenn es dann alles in der Familienkasse landet, klar. Vielleicht auch deswegen, weil man sagt es immer den Vorarlbergern nach, dass sie ein sehr pragmatisches Verhältnis zum Geld haben. Und das habe ich auch und Monika auch und ich finde das nicht schlecht. Natürlich ist das Schreiben ein Seelenbedürfnis, sonst würden wir es ja nicht tun. Aber gleichzeitig ist es halt auch unser Beruf, der unseren Lebensstandards sichert. Und dann wäre ich ja nahe, wenn ich jetzt... Bei dem letzten Steuerberaterbesuch hat die Monika effektiv doppelt so viel verdient wie ich. Und ich habe nicht schlecht verdient. Aber die hat einfach mit ihren Romanen unglaubliche Erfolge. Ja, diese sogenannten autofiktionalen Bücher, die waren eine ungeheure Erfolge. Die Bagage hat sich inzwischen, glaube ich, 250.000 Stück verkauft und ist, glaube ich, in 20 Sprachen übersetzt worden. Aber was wäre ich für ein Narder, neidisch zu sein oder sowas, weil das spüre ich am Konto zum Beispiel auch. Und ich spüre es ja auch dadurch, dass es... Und sie ist auch zufriedener und so weiter. Also da gibt es... Das hat es wirklich nie gegeben, irgendwelche Kalamitäten. Wenn man von den Schatten spricht, ich habe mich vorher gefragt, ob wir es ansprechen sollen. Ihr habt einen schweren Verlust, einen menschlichen Verlust, erlitten eure Tochter Paula. Sie ist verstorben mit gut 20 Jahren. 21 Jahre. Mit 21 Jahren. Bergabgestürzt. Das ist jetzt zwar 20 Jahre her circa, denke ich. Aber das war ich weiß es für euch natürlich eine ganz schlimme Sache. Wie geht es euch mittlerweile damit? Ja, also das braucht man nicht zu betonen, wie das auf jemanden wirkt. Wie soll ich sagen, es ist so, man sucht dann so nach einer Formel, um sich selber zu bearbeiten. Und vielleicht ist so der Schmerz mit der Zeit so eine Art dunkler Freund geworden. Das Wort Freund mag irritieren, einfach deswegen, weil der ja nicht nachlässt, aber nicht mehr so scharf, so bitter, so schneidend wirkt, sodass man glaubt, man kann nicht mehr auf dem Stuhl aufstehen oder so. Aber es ist bei uns in der Familie allgegenwärtig, als auch wenn wir mit unseren anderen Kindern sprechen, wenn wir über die Paula sprechen, dann ist es manchmal fast so, dass wir vom Präteritum in die Gegenwart kommen, als ob sie noch da wäre und nur halt, weil sie war ja lange in Mexiko, als ob sie wieder in Mexiko wäre oder so. Und es hat, weil wir haben dann auch viele Leute kennengelernt, die ein ähnliches Schicksal hatten. Und wir haben auch kennengelernt, dass solches Schicksal manche Familien zerbrochen hat und Ehen zerbrochen hat. Und die Gefahr waren wir uns schon bewusst auch. Und vielleicht, die Monika sagt manchmal jetzt so, dass sie die Gefahr gesehen hat, dass es bei uns auch passiert. Und ich habe das ja nicht so gesehen. Vielleicht war ich dann so in mich verkapselt, dass ich gar nichts mehr mitgekriegt habe außen herum. Aber jetzt auf längere Zeit gesehen, hat es unsere Familie eigentlich sehr eng gemacht. Weil die Kinder, die waren ja damals, der Lorenz war natürlich, der war jünger, der war erst 18. Aber Oliver und Undine waren schon älter und die haben gewusst, die müssen sich sehr um uns beide kümmern. Und Oliver und Undine waren schon älter und die haben gewusst, die müssen sich sehr um uns beide kümmern. Und Oliver und Undine haben in dieser Zeit, in den ersten zwei Jahren, da haben sie einfach sich ganz eng um uns beiden und Monika und mich gekümmert. Und das hat dann also unsere Beziehung und auch um den Lorenz, weil der Lorenz mit 18 Jahren seine Schwester zu verlieren, das war ja auch sehr schwierig und er hat am Anfang gar nicht darüber reden können. Das ist ganz verstummt dann. Und da haben sich halt die beiden Älteren sehr um uns drei gekümmert. Und das hat ein ganz neues Verhältnis in unserer Familie geschaffen. Ein sehr gutes, finde ich. Und im Schreiben, das stelle ich mir ganz schwierig vor. Ob man als Autor dann so eine persönliche Sache auch im Schreiben irgendwie bewältigen, sowieso nicht, aber was tun kann damit? Oder sich das Bedürfnis einstellt, etwas zu tun? Also die Monika hat ein sehr langes Gedicht geschrieben, ein sehr langes, das auch in einem kleinen Buch rausgekommen ist, über die Paula. Bei mir ist in einem Buch, das heißt Idylle mit ertrinkendem Hund, dort streift es so zumindest an. Aber es ist unglaublich schwierig, so darüber zu schreiben. Das ist, weil ich mit der Monika auch darüber oft geredet habe, jetzt hat sie ja diese autofiktionalen Romane geschrieben über ihre Familie und sie weiß genau, es würde eigentlich ein Band über die Paula noch fällig sein, aber da haben wir auch oft drüber geredet und sie sagt, sie weiß nicht, wie sie das angehen soll. Weil vielleicht auch deswegen, weil wenn die Fiktion da mit reinkommt, dann ist das so wie die Vertreibung auch. Mit der Fiktion, da gehe ja ich her und sage, ich ermächtige jetzt meine Fantasie über diese Person. Und das hat sie schon große Schwierigkeiten bereitet bei ihrer Tante, bei ihrer Großmutter, die sie nicht gekannt hat, geht es ja leichter. Aber bei der Tante, die sie mit großgezogen hat, bei ihrem Vater war es dann schon schwieriger. Bei ihrem Bruder war es dann besonders schwierig. Beim Richard, weil der hat sich als er 30 war das Leben genommen und die waren ganz eng, Monika und er. Und ich habe ihn sehr gut gekannt. Also ich habe ihn, die Monika hat immer gesagt, du hast den Richard besser gekannt als ich. Und das war dann für sie schon ganz schwierig. Aber über die Paula zu schreiben, ich weiß es nicht. Das ist dann so, als man sagt, jetzt komme ich mit meiner Fantasie noch über dich und mache dich schöner oder hässlicher oder mache mich oder irgendetwas mache ich mit dir. Lass es nicht so, wie es ist. Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Irgendwann beim Schreiben, dann streift sie uns wieder so. Die Monika träumt oft von ihr. Ich würde gerne auch träumen. Ich träume eigentlich seit dem Tod der Paula gar nicht mehr. Ich träume nicht mehr. Oder jedenfalls kann ich mich nicht erinnern. Ich kann mich nicht erinnern, seitdem er je geträumt zu haben. Die Monika träumt jede Nacht. Unser Frühstück ist immer so wie Kino. Als sie erzählt, was sie geträumt hat. Ich muss immer sagen, ich habe dann auch nachgerechnet, seit wann. Und es ist ungefähr seit dem Tod der Paula. Träume ich nichts mehr. Ich träume natürlich schon, aber ich kann mich nicht erinnern. Du musst eigentlich träumen, aber du erinnerst dich nicht. Ich erinnere mich nicht dran. Ich wache auf und habe so das Gefühl, irgendwas war und dann rinnt es schon durch die Finger weg. Ja, Michael, dein jüngstes Buch, das Philosophenschiff, offizieller Erscheinungstermin 29. Jänner. Es ist aber schon da, wie wir wissen. Bevor wir auf das noch ein bisschen eingenäingenetzt, wollen wir noch einmal kurz zurückblenden. Der Romanautor Michael Köhlmeier. Ich weiß, das war zwar nicht dein erster Roman, aber der erste, den ich von dir gelesen habe, der war schon noch eher früh, das war Spielplatz der Helden. Glaube ich, war ein ziemlich erfolgreicher Roman damals eigentlich, zumindest der viel diskutiert worden war. Der erste Roman, der Erfolg hatte, wo die Verkaufszahlen deutlich höher waren als von den vorangegangenen. Hast du zu diesem Buch oder zu deinen frühen Arbeiten, hast du da noch eine persönliche Beziehung oder ist das schon sehr weit hinter dir jetzt? Es ist schon sehr weit hinter mir nur wenn ich mir man wenn ich manchmal denke jetzt muss ich wieder mal überlegen was ich alles geschrieben habe dann kommt es natürlich vor aber wenn mich jemand manchmal darauf anspricht der skat gelesen hat dann merke ich dass ich ihn fragen muss jetzt musst du mir sagen was hat wo ich nicht mehr so genau das bild das verhältnis insofern einfach, weil die Geschichte klar ist. Drei Südtiroler gehen über zu Fuß über Grönland, das war eine wirkliche Sache. Aber es ist ein Doppelroman, weil gleichzeitig ist es diese Dreiergeschichte zwischen den drei Männern und gleichzeitig ist es die Dreiergeschichte zwischen Monika, ihrem damaligen Mann, und mir. Also unsere Kennenlerngeschichte auch. Aber ich würde die, also ohne Anlass von außen, würde ich nie in ein Buch von mir reinlesen. Das würde ich nicht machen. Ein älteres. Gibt es da welche, die dir trotzdem noch irgendwie, gibt es da Nähe und Distanz oder ist das Sachen, da schaue ich nicht mehr rein, da weiß ich auch gar nicht mehr, um was da wirklich gegangen ist in meinem Buch. Und welche, die dir doch immer noch sehr wichtig sind? Also, dass ich es verächtlich betrachte, das tue ich nicht. Also, das tue ich nicht, weil ich immer der Meinung war, die sind gut. Aber es gibt welche, die mir sehr nahe sind. Also, das Abendland, was schon erwähnt worden ist, ist mir sehr nahe. Dort habe ich dann das Gefühl gehabt, als ob ich ganz neu mit dem Schreiben beginne. Das hat für mich ein großes Tor aufgemacht. Ich kann gar nicht genau sagen, warum. Einfach deswegen vielleicht auch, weil ich ein alter Ego drinnen erfunden habe. Also da heißt es Sebastian Lukasser und es ist ein alter Ego. Alter Ego im Unterschied zu einem autobiografischen Ich ist, als bei einem alter Ego kann ich vollkommen r Unterschied zu einem autobiografischen Ich ist, bei einem alter Ego kann ich vollkommen rücksichtslos auf meine Person und auf die Wahrheit meine eigene Biografie wie einen Steinbruch verwenden. Also wenn ich mir denke, ich habe einen Krebs gehabt irgendwann einmal, der soll ja nicht umsonst gewesen sein, also da kenne ich mich ein bisschen aus, also hänge ich meiner Figur einen Krebs an, weil da kann ich drüber schreiben, da weiß ich, was los ist, also als Beispiel. bisschen aus, also hänge ich meiner Figur einen Krebs an, weil da kann ich drüber schreiben, da weiß ich, was los ist, also als Beispiel. Und dann habe ich über diesen Sebastian Lukas, weil der Roman mir so eine unglaublich große Freude bereitet hat. Der Held ist ein über 90-jähriger Mathematiker und der hat mir so eine große Freude gemacht, auch in diese Rolle dieses alter Egos zu schlüpfen, dass ich einen zweiten Roman geschrieben habe, der relativ kurz ist, Madeline hieß der, da kommt auch der Sebastian Lukasso vor. Dann habe ich einen dritten Roman geschrieben, die Abenteuer des Joel Spazierer, dort erzählt zwar der Lukasso nicht, aber er kommt als Nebenfigur vor. Und dann noch einen vierten Roman, Bruder und Schwester Linnobel, dort kommt der Lukas auch als eine Nebenfigur drin vor. Und also insofern ist das Abendland für mich ein sehr, sehr bestimmender Roman gewesen. Ist ja auch sehr viel rezipiert, sehr viel beachtet worden. Es wird als eines deiner Hauptwerke sozusagen auch in der Rezeption gesehen und du siehst das auch so. Wenn ich sage, Opus Magnum, also auch von der Gewicht, das man nach Hause trägt, wenn man das Buch kauft, ist Matou allerdings noch dicker geworden. Also dein vorletzter Roman. Ein großartiges Buch. Wie lange hast du an dem gearbeitet eigentlich? Ich glaube vier Jahre, aber sehr intensiv. Weil oft ist es so, wie bei Abendland, da habe ich länger daran gearbeitet, während ich noch an anderen Büchern geschrieben habe, weil sich die Geschichte erst so allmählich und die Figur herausgebildet hat. Dies war im Hinterkopf, so ist es allmählich geworden, während bei Matou habe ich praktisch, ich würde sagen, innerhalb einer Viertelstunde gewusst, wie der Roman aufgebaut sein wird, weil es ganz einfach ist. Ich habe Stahlstiche gesehen von der französischen Revolution, die Guillotine, also ganz hohe Guillotine. Und unten waren lauter Hunde und Katzen. Und ich habe mich dann erkundigt und habe gelesen, dass die Hunde und Katzen gekommen sind, um das Blut zu lecken, das dort war. Und das kam mir so außergewöhnlich vor, dass ich mir auf einmal gedacht habe, dieses Menschheit bestimmende Ereignis, die französische Revolution, war für die Hund und die Katze eigentlich der Besuch eines Delikatessenladens. Und dass man die Welt aus vollkommen anderen Blickwinkeln sehen kann. Und dann kam die Idee, lass uns doch eine von diesen Katzen erzählen. Und gleich darauf kommt natürlich, was auf der Hand liegt. Bei der Katze, die hat sieben Leben, jedenfalls unsere. Die englischen glaube ich neun und die amerikanischen, aber unsere kontinentalen Katzen sieben. Und dann erzähl halt sieben Leben dieser Katze. Erste Leben, französische Revolution. Zweite Leben habe ich schon gewusst, wo es sein muss, nämlich zur Zeit von E.T. Hoffmann, weil bitte, der hat ja den Katamore geschrieben, also ein Vorbild davon. Da muss ich natürlich, kann ich nicht so tun, als ob der nicht geschrieben worden wäre. Und dann halt so weiter. Dann habe ich gewusst, bis zur Gegenwart herauf. Und in der Gegenwart sitzt diese Katze, das war innerhalb von einer Viertelstunde, war das klar. In der Gegenwart sitzt diese Katze wo? In Wien irgendwo und erzählt rückblickend ihre vorangegangenen Leben. Und das ist ein solides Grundgerüst kam mir das vor, was mich dann ungeheuer beruhigt hat, wo ich aber gewusst habe, wenn das was werden soll, dann dauert das lange. Aber wie ich gesagt habe, ich habe das gerne, das schreckt mich nicht. Bist du mittlerweile so arriviert, dass dein Verlag sagt, naja, wenn der Kölnmeier 900 Seiten braucht, das braucht er eben. Oder hätte es eh 1500 umfasst und du hast gestrichen. Nein, nein, es ist so. Also die würden das schon machen. Sie würden knurren und würden sagen, muss das sein und schau mal, ob man nicht kann und so. Aber sie haben auch geknurrt ein bisschen. Aber sie haben dann das so gelöst, dass die Schrift, fand ich, gut, vielleicht liegt es auch in meinen Augen, weil inzwischen kaufe ich ja die Bücher schon gar nicht mehr nach dem Inhalt, sondern nach der Schriftgröße. Aber die Schriftgröße bei Matou ist relativ klein. Und sie wollten halt unbedingt haben, dass er unter tausend Seiten ist. Weil einfach, sie sagen, wenn da ein Einser davor steht und nachher noch drei weitere kommen, da kann man fast sagen, das halbiert fast den Verkauf. Und dann haben sie halt geschaut, schauen wir, dass wir es unter 1000 Seiten halten. Und das ging dann ja auch. Ja. Und du wirst das nicht aus Liebe zum Verlag gemacht haben, aber die nächsten zwei Bücher wollen ja kürzer dann jetzt teilweise. Ja, viel kürzer. Und damit sind wir bei deinem neuesten Buch, dem Roman, Das Philosophenschiff. Und ich habe den Roman schon gelesen. Ich finde ihn wunderbar. Ich empfehle ihn. Wenn es wer genau wissen will, warum, kann er am Samstag meine Rezension lesen. Habe ich für mein Medium auch ein bisschen Werbung gemacht. Und ich möchte auch hier im Stifterhaus etwas erwähnen. Beim Beginn habe ich an Stifter gedacht. Das wird dich jetzt wahrscheinlich wundern. Ja, das denke ich mir. Und zwar nur wegen der Erzählsituation. Da gibt es ein Autoren-Ich sozusagen, obwohl man auch nicht weiß, ob Michael Kölmeier, wenn er Ich sagt, wirklich sich selbst dann immer meint. Aber hier ist es ein Autoren-Ich. Du bringst das als solches ein. Und der sagt, mir ist da unter seltsamen Umständen irgendwie eine interessante Frau begegnet. Und die wollte mit mir ins Gespräch kommen und so weiter. Und dann lässt sich dieses Autoren-Ich auf diese Frau ein und lässt sie meistens erzählen, was sie erlebt hat und was vielleicht zu einer Biografie oder zu einem biografischen Roman oder was weiß ich was werden könnte oder auch nicht. Und da habe ich an die Erzählung Kalkstein von Adalbert Stifter gedacht oder der arme Wohltäter in der ersten Fassung eigentlich. Das ist bei Stifter öfter so, dass auch so ein Autorein ich ist und dann sagt er, also ich bin da unter Freunden beisammengesessen und einer hat dann erzählt, ihm sei ein merkwürdiger Mann bei einem Kirchweihfest aufgefallen. Kirchweihfest aufgefallen. Und der lässt sich dann auf diesen Mann ein und gibt auch die Erzählerrolle teilweise dann an diesen Mann ab. Also die Erzählsituation war genau die gleiche. Und damit ich noch meine literarische Bildung ein bisschen heraushängen lasse, bei Grillbarzeln der armen Spielmann ist es genauso. Und mir hat das sehr gut gefallen, mir hat überhaupt das ganze Buch gut gefallen. Wir werden dann auch abschließen mit einer kurzen Lesung, wo Ihnen Michael Kölmeier den Anfang vorlesen wird. Das ist der Vorteil dann, dass Sie das nicht mehr lesen müssen, wenn Sie das Buch gekauft haben, sondern das schon kennen. und das Thema ist doch, also es hat zwar einen aktuellen Bezug, weil von Lenin jetzt viel die Rede ist, das Thema ist doch überraschend ein bisschen. Wie bist du denn darauf gekommen, auf diese Sache? Nun, der Begriff Philosophenschiff klingt ja sehr schön. Erstens einmal ist das Schiff ein wirklich schon fast überlastetes literarisches Symbol. Und es hat diese Philosophenschiff-Weg die gegeben tatsächlich. Im Jahr 1922 hatten Lenin und Trotzki beschlossen, man weiß nicht genau wie viel, hatten Lenin und Trotzki beschlossen, man weiß nicht genau wie viel, aber an die 400 Intellektuelle, nicht nur Philosophen, Schriftsteller genauso wie Agronomen, wie Wirtschaftswissenschaftler, also 400 Intellektuelle aus dem Land zu weisen. Teilweise haben sie eine halbe Stunde Zeit gehabt, um zusammenzupacken. Der Trotzki hat es vor der internationalen Presse charmant unter Anführungszeichen gerechtfertigt, indem er gesagt hat, die werden sich, die sind also unsichere Genossen, die werden sich eines Tages gegen uns wenden, dann werden wir sie erschießen müssen. Also und dann bitte bewerten sie das als ein Akt der Humanität, dass wir sie nur ausweisen. Und das kam ja auch so, das ist so ganz typisch für, das kann man ja immer wieder beobachten, so ganz typisch für Diktaturen, dass diese Abneigung bis hin zum Hass gegen Intellektuelle da ist. Und die man dann einsperrt, sei es Journalisten, sei es Schriftsteller und so weiter. Und diese, was ich am Anfang angedeutet habe, was natürlich auch mit mir zu tun hat, was mit dieser linken Vergangenheit, weil für uns früher, das wirst du mir bestätigen, war der Stalin natürlich der Böse, aber der Lenin war eigentlich der Gute, oder dessen Werke und dessen Ideen von Stalin pervertiert worden ist. Was natürlich die Geschichte zeigt, dass es überhaupt nicht war. Auch der Lenin war ein ganz schrecklicher, wirklich schrecklicher Diktator. Und meine Idee war, ich habe vor vielen Jahren, bin ich mal eingeladen worden, also das will ich jetzt gar nicht erzählen, weil das will ich nachher dann vorlesen. Die Hauptfigur, diese Anouk Perleman Jakob, ist Architektin, eine sehr berühmte, in Europa weit, fast weltweit berühmte Architektin, die eben, als sie 100 ist, diesem Schriftsteller erzählt, dass sie als 14-jähriges Mädchen, dass sie als 14-jähriges Mädchen, ihr Vater war auch Professor an der Universität, die Mutter auch in St. Petersburg und sie ist, da war sie 14, sind sie halt auch ausgewiesen worden mit einem der letzten Philosophenschiffe, mit dem letzten wahrscheinlich. Und sie erzählt halt die Geschichte, wie das war, wie das in St. Petersburg war und wie das dann auf diesem Schiff war. Geschichte, wie das war, wie das in St. Petersburg war und wie das dann auf diesem Schiff war. Ich will es da nicht allzu viel vornehmen, aber sie begegnet auf diesem Schiff, auf dem ein Riesenschiff ist, wo 2000 Personen Platz haben, aber nur knapp ein Dutzend Personen ausgewiesen werden. Und auf diesem Schiff begegnet sie einem Passagier, der erst später noch dazugekommen ist, der ganz allein in der ersten Klasse sitzt. Und sie ist dann so mutig, weil sie will das Schiff erkunden als 14-jährige, klettert außen auf dieser Notleiter nach oben und trifft diesen Mann, der inzwischen im Rollstuhl sitzt durch mehrere Schlaganfälle, sich kaum mehr bewegen kann, schlecht reden kann. Und es ist Lenin. Und meine Fiktion ist halt, dass er dann auch mit diesem letzten Philosophenschiff aus Russland wegkommt, aber er wird es auch nicht überleben. Ich will es nicht im Einzelnen schreiben. Ich bin sehr erfreut gewesen, als ich von Quentin Tarantino in Glorious Bastards gesehen habe, wo Hitler in einem französischen Kino stirbt, dann habe ich gedacht, das ist Kunst, das darf man. Oder als Autor darf ich das alles machen. Und nur durch die kleine Sache, das vorne drauf steht, Roman. Da hat man die Berechtigung, all das zu tun. Und es eigentlich eine Selbstbeschneidung ist, wenn man es nicht tut. Manchmal muss man das tun und dann habe ich das in diesem Roman gemacht. Ich finde, dass es ganz ungewollt eigentlich und auf traurige Art und Weise sehr große Aktualität hat, dieses Buch, mir wäre lieber, man könnte es so fantastisch lesen und es hätte diese Aktualität nicht, aber sie hat es halt nun mal und dass der Lenin heuer seinen 100. Todestag feiert, das habe ich gar nicht gedacht gehabt während des Schreibens, muss ich sagen. Weil bei mir stirbt er zwei Jahre vorher, 1922. Allerdings, ich habe im Konrad, der war ja dort, der hat sich den Lenin ja angeschaut im Mausoleum. Und ich habe gesagt, wie sieht er aus? Und er hat gesagt, er sieht aus wie diese Wachspuppen von der Madame, wie heißt sie? Genau, so sieht er aus. Und ich sage, woher hast du denn gewusst, dass es der echte Lenin ist? Und er sagt, ja, weil sie es gesagt haben. Ich sage, den glaubst du? Und er hat gesagt, ja. Also, wie auch immer, über die letzte Zeit vom Lenin, wo er da von Ärzten bewacht war, teilweise, das ist ja das Gerücht, dass Stalin eine eigene Prafter hat drucken lassen für ihn, da wissen wir relativ wenig. Weil alles, was wir wissen, wissen wir über die Ärzte, die ihn betreut haben. Und diese Ärzte waren mindestens so viele Aufpasser, wie Ärzte von ihm waren. Also da wissen wir relativ wenig drüber, was natürlich der Fantasie dann freien Lauf lassen kann. Ja, Michael, ich darf dich bitten, dass du uns den Beginn vorliest. Mache ich gerne. Ja, Michael, ich darf dich bitten, dass du uns den Beginn vorliest. Mache ich gerne. Also wie gesagt, ich habe jetzt noch gar nicht überlegt gehabt, was für eine Kurve durch das Buch ich bei einer Lesung machen werde. Und fang einfach am Anfang an, weil anders werden Sie es ja auch nicht tun, nehme ich an. Frau Professor Anouk Perlemann-Jakob lernte ich an ihrem 100. Geburtstag kennen. Der österreichische Ingenieur- und Architektenverein lud zu einem Abendessen ihr zu ehren, ins Palais Eschenbach im 1. Wiener Gemeindebezirk. Das war im Mai 2008. Meine Einladung verdankte ich, Zitat, ihrem ausdrücklichen Wunsch. Ich möge die Geschichte von Daedalus erzählen, die habe sie im Radio gehört und wolle sie noch einmal hören, weil darin Dinge vorkämen, von denen sie nichts gewusst habe und von denen auch sonst niemand etwas wisse. Sie haben über ihren Freunden nachgefragt, zum Beispiel, dass Daedalus ursprünglich Bildhauer, später Architekt und dann erst Erfinder gewesen sei. Das alles hatte mir der Präsident des Vereins, Herr Dr. Maha, am Telefon mitgeteilt. Er klang, als wäre ihm die Sache unverständlich und unangenehm und würde es nach ihm gehen, wäre keine Einladung an mich ausgesprochen worden. Seine Stimme war eintönig wie die eines Butlers, der vorsorglich jeden ihm unbekannten Besuch als verdächtig einstuft und verächtlich behandelt. Ich gab ihm recht im Stillen. Auch mir war die Sache peinlich, denn gerade diese Geschichte hatte ich frei erfunden, hatte aber in meiner Radiosendung so getan, als wäre sie überlieferter Mythos. Ich erzählte sie an diesem Abend dann doch nicht. Niemand forderte mich dazu auf. Ich war erleichtert und zugleich auch ärgerlich. Ich war immerhin sieben Stunden mit dem Zug gefahren und würde noch einmal sieben Stunden zurückfahren. Ich wollte mich bei Gelegenheit davon schleichen. Vor dem Dessert kam ein junger Mann an meinen Tisch. Ich war an den äußersten Rand des Saales platziert worden und sagte, Frau Professor Perlemann-Jakob wünsche, dass ich mich zu ihr setze. Sie hörte nicht mehr gut und konnte nur noch schlecht sehen. Mit den anderen an ihrem Tisch sprach sie überlaut, mit fester, beinahe jugendlicher Stimme. Da waren neben dem Präsidenten des Vereins die Ministerin für Unterricht, Kultur, Kunst und Kultur, der Wiener Bürgermeister, der Leiter der Kulturabteilung der Stadt, der Vizekanzler der Republik und der russische Botschafter, dazu Gatte und Gattinnen, und dann noch eine Amerikanerin. Eine, wie sie mir vorgestellt wurde, Freundin und Kollegin der Geehrten, die immer wieder nach ihrer Hand griff und sie drückte. Die Amerikanerin war es auch, die sich bei mir dafür entschuldigte, dass meine Erzählung aus dem Programm gestrichen worden war. Eine Stimme wie ein Mann. Die Gefeierte höre inzwischen so schlecht, dass mein Auftritt nicht die gebührende Wirkung erfahren würde. Frau Perlmann-Jakob bat den Vizekanzler, der neben ihr saß, mir seinen Platz zu überlassen. Ich solle ihr mein Ohr leihen. Damit meinte sie, sie winkte mich mit dem Zeigefinger zu sich. Ich solle mich zu ihr beugen. Es war mehr als merkwürdig. Flüsternd, in strengem Ton befahl sie mir, amüsiert reinzuschauen. Auf jeden Fall nicht ernst, aber auch nicht allzu interessiert. Am besten ich tue, als ob sie mir ein Kompliment zuflüstere. Etwas harmloseres gäbe es in ihrem Alter nicht. Sie erwarte mich morgen Nachmittag um drei in ihrem Haus in Hitzing. Dann lachte sie spitz auf. Ich lachte ebenfalls, als hätte sie mir, der ich halb so alt war wie sie, tatsächlich ein Kompliment gemacht und raunte mir ihre Adresse zu. Ich war nur für dieses Abendessen von Vorarlberg nach Wien gefahren. Frau Perlemann-Jakob war eine zu bekannte Persönlichkeit, um abzulehnen, eine der bedeutendsten europäischen Architektinnen des 20. Jahrhunderts. Berühmtheit erlangt hatte sie, als sie in den 50er Jahren in Frankfurt, Brüssel und in den 70er Jahren auch in Amerika Siedlungen für Arbeiter geplant und gebaut hatte, die, ich zitiere aus der Einladung des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins, Schönheit und Funktion in unvergleichlicher Weise miteinander verbinden und dabei so kostengünstig waren, dass die Arbeiterfamilien es sich leisten konnten, sie eines Tages zu besitzen, weil Frau Perlemann-Jakob zugleich ein System errechnet hatte, das erlaubte, dass Mietzahlungen nach einigen Jahren in Vorauszahlungen auf Eigentum umgewandelt werden konnten. Vorauszahlungen auf Eigentum umgewandelt werden konnten. Ein Freund, auch Erarchitekt, der mich von der Einladung erzählt, der hatte ausgerufen, was die lebt noch und hatte gleich gefragt, was hast du getan, dass sie dich zu ihrem, bei ihrem Geburtstag bei sich haben will. Darauf konnte ich ihm keine Antwort geben, die mir selbst triftig geklungen hätte. Ich möchte zu Beginn meines Berichts ein paar Daten nennen. Anouk Perleman Jakob wurde 1908 in St. Petersburg in Russland geboren und lebte dort bis zu ihrem 14. Lebensjahr. Ihre Mutter, Maria Perleman, war Ornithologin und arbeitete als Assistentin von Sergej Buturlin, dem über Russland hinaus bekannten Wissenschaftler. Der Vater, Michael Jakob, war bis zur Ausreise der Familie Professor an der Universität in St. Petersburg. Als junger Mann hatte er zu der Gruppe von Architekten gehört, unter deren Leitung die berühmte große Choralsynagoge geplant und gebaut worden war. Mutter und Vater genossen in intellektuellen Kreisen der Stadt großes Ansehen, beide sympathisierten lange mit den Bolschewiki. Vor allem, weil sie anprangerten, wie unter dem Zaren die Juden behandelt wurden. Nach dem Tod ihrer Eltern, sie waren im Exil in Berlin 1931 gemeinsam aus dem Leben geschieden, nahm Anouk den Namen sowohl ihres Vaters als auch den Geburtsnamen ihrer Mutter an. Auch um, wie sie sich ausdrückte, ein Zeichen des Protestes zu setzen gegen die Tradition, die Kinder immer und allein nach dem Vater zu benennen. Das war übrigens das Erste, was sie mir erzählte. Da hatte ich noch gar nicht ihr gegenüber Platz genommen. Mein Ehemann ist vor 30 Jahren gestorben. Wir waren 20 Jahre verheiratet. Es hat ihn nicht gestört, dass ich ohne seinen Namen neben ihm existierte, ebenso wenig, wie es mich gestört hat, dass er hieß, wie er eben hieß. Wir hatten viel gemeinsam, aber zu wenig, um einen gemeinsamen Namen zu rechtfertigen. Wir saßen im Wohnzimmer einer sachlich eingerichteten Villa. Bei einem meiner späteren Besuche führte mich Frau Perlemann-Jakob durch das Haus. Wir tranken Bier und sie rauchte. Sie habe vor drei Jahren wieder damit angefangen und hoffe nun, die Zigaretten brächten sie schneller hin zum Tod. Und dann teilte sie mir den wenig schmeichelhaften Grund mit, warum sie gerade mich ausgesucht habe. Ich habe mich über sie erkundigt. Sie haben einen guten Ruf als Schriftsteller, aber auch einen etwas windigen. Ich weiß, dass sie Dinge erfinden und dann behaupten, sie seien wahr. Jeder wisse das, hat man mir gesagt, aber immer wieder gelinge es Ihnen, die Leser und Zuhörer hinters Licht zu führen. Deshalb glaube man ihnen oft nicht, wenn sie die Wahrheit schreiben und glaube ihnen, wenn sie schummeln. Das habe ich mir sagen lassen. Stimmt das? Und kam, ohne meine Antwort abzuwarten, zu ihrer Sache. Sie sollen nicht meine Biografie schreiben, die ist bereits geschrieben worden, zwei sogar, eine auf Deutsch, eine auf Russisch, beide nicht besonders. Das jedenfalls meint Alice Wingard. Ich habe weder die eine noch die andere gelesen. Alice haben sie kennengelernt, sie saß bei uns am Tisch. Ist ihnen aufgefallen, dass sie keine Augenbrauen hat? Wie das Loshaus am Michaela-Platz. Sie arbeitet zusammen mit einer Kollegin an der dritten Biografie, die soll aber eine Monografie werden, eine Werkschau. Das heißt, Alice schreibt nicht, sie gibt lediglich Auskunft, sie weiß alles über meine Arbeit, aber nicht alles über mich. Was niemand weiß, das sollen sie schreiben. Ein Schriftsteller, dem man nicht glaubt, was er schreibt. Das aber sei nicht ihr Problem, sondern meines. Gesagt werden soll es. Und wenn es keiner glaubt, umso besser. Aber erzählt werden soll es. Ich fragte nicht weiter. Ich dachte, wenn ich frage, mildere das meinen schlechten Ruf. Ich wollte darüber nachdenken. Bitte, sagte sie, denken Sie nicht allzu lange darüber nach, die Zigaretten wirken bereits. Ich telefonierte mit meiner Frau. Monika war empört. Alter schütze offenbar nicht vor unzumutbarem Verhalten. Ob wir wenigstens über Geld gesprochen hätten, hatten wir nicht. Also sag ab oder sag erst gar nicht ab, tu einfach nichts, komm heim. Das nahm ich mir auch vor. Aber am nächsten Tag drückte ich wieder auf den Klingelknopf an der Haustür der Villa in Hitzing. In meiner Tasche hatte ich eine Schachtel Marlboro und mein Handy als Aufnahmegerät. Was ich Ihnen erzählen möchte, geschah im Jahr 1922. Ich war 14 Jahre alt und hatte bereits einen Busen. Meine Mutter sorgte sich, dass er sehr groß werden könnte, weil er schon so früh damit anfing. Er ist ja auch groß geworden. So ganz nebenbei ist das nicht. Denn die Damen zu der Zeit, als ich endlich selbst eine war, bevorzugten einen kleinen Busen oder gar keinen, am besten gar keinen, Pech gehabt. Sonst war ich noch ein Kind, sogar mehr ein Kind als die anderen Mädchen in meinem Alter, die noch keinen Busen hatten. Außerdem störte er beim Turnen und ich war eine gute Turnerin und tat es gern. Wir lebten damals bereits in unserer neuen Wohnung. Aus der alten waren wir ausquartiert worden. Das war wegen des allgemeinen Elends in St. Petersburg. Große Wohnungen wurden in Lazarette umgewandelt oder kaputtgeschlagen oder angezündet. Es war Bürgerkrieg. Und ein Bürgerkrieg ist immer auch ein Krieg der Armen und Ungebildeten, der Dummen und Bösartigen gegen die Intelligenz her. Zur Intelligenz her gehörte, wer nicht schwitzte, nicht stank und seine Arbeit im Sitzen tat. Das traf auf meine Eltern zu. Seit zwei Jahren wohnten wir in der neuen Wohnung. Ich muss sagen, mir gefiel sie besser als die alte, aus verschiedenen Gründen. Erstens war sie für ein verschmustes Ding, wie ich damals war, gemütlicher, leichter zu heizen war sie auch. In der alten hatte ich immer gefroren, sogar im Sommer. Wenn man im Korridor gesprochen hat, halte es. Das mochte ich nicht. Mir war, als redete jemand anders und nicht ich. Hauptsächlich gefiel mir aber die neue Wohnung besser, weil rundherum viel los war. Draußen auf den Straßen und Gassen und im Haus selbst. Unter uns waren nämlich ein Kino und ein Gasthaus. Ein übles Gasthaus. Wahrscheinlich auch ein übles Kino. Ich weiß gar nicht, ob es in dem Gasthaus etwas anderes zu trinken gab als Wodka. Zu essen, das weiß ich bestimmt, weil ich hier und da nach unten schlich und bettelte, gab es in Essigwasser eingelegte harte Eier und Brot mit Öl oder Schmalz, selten mit Butter. Und wenn, dann war sie ranzig, manchmal Heringe. selten mit Butter und wenn, dann war sie ranzig. Manchmal Heringe. Wenn man von der Straße hereinkam, war zuerst ein Vorraum. Von wo aus es geradewegs weiterging in das Gasthaus. Rechts davon war der Eingang zum Kino mit dem winzigen Schlupf, in dem eine Dame saß und die Karten ausgab. Dame, weil sie geschminkt war. Enge, hohe, kirschrote Lippen, geformt wie ein Bogen der Reiter des Chingis Khan. Da qualmte es heraus, aus dem Schlupf, als säße es in einem Backofen. Das war sie mit ihren Papi Rossa. Daneben führte die Stiege hinauf zu unserer Wohnung und zu den anderen Wohnungen Vier oder fünf Stockwerke, ich sehe das Haus vor mir, als stünde es noch immer Eine Straße weit von hier und ich wäre erst gestern dort gewesen Halb links ging es durch eine Balkentür in den Hof zum Waschhaus Balkentür, sage ich, weil wir so gesagt haben Sie war nämlich tatsächlich aus dicken Balken zusammengenagelt. Senkrechte Balken, waagrecht darübergenagelte starke Bohlen. Man brauchte Kraft, um die Tür auf- und zuzuziehen. Sie hätten darauf schießen können. Die Kugeln wären stecken geblieben. Besitzen sie eine Waffe? Nein? Hemingway soll gesagt haben, für einen Schriftsteller sei ein Revolver ebenso wichtig wie eine Schreibmaschine. Ich habe später Wohnungstüren aus massivem, dicken Holz geplant und eingesetzt. Die waren beliebt. Der Mensch hat gern das Gefühl, sein Haus sei eine Burg. Auch seine Wohnung sei eine Burg. Sogar sein Auto sei eine Burg. Auch seine Wohnung sei eine Burg, sogar sein Auto sei eine Burg. Wenn man sich als Architekt nach den Empfindungen der Kunden richtet, dann fällt das genauso unter die Kategorie funktionell, wie wenn man der sogenannten Logik des Materials folgt. Misst sich Funktionalität nur an der Sache? Was hätte sie dann für einen Sinn? Man dürfte nur Garagen aufstellen. Und wer nur der Logik des Geldes folgt, der sollte besser Portemonnaies nähen als Häuser bauen. Danke. Applaus