Vielen Dank. Sehr geehrte Damen und Herren, seien Sie herzlich willkommen hier in der Literaturgalerie im Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich im Stifterhaus an diesem Dezemberabend zu einer ganz und gar denkwürdigen, prominent besetzten Veranstaltung, die das Programm des heurigen Jahres, das 30. als Stifterhaus neu beschließt. Wir freuen uns sehr, heute die erste Werkausgabe Marlen Haushofer vorstellen zu können unter Mitwirkung der Herausgeberinnen und Herausgeber und des Verlages mit einer Lesung von Verena Altenberger, die eine Strichfassung von Wir töten Stella lesen wird. Ein besonderes Zeichen der Anerkennung ist es, dass die Familie von Marlen Haushofer an diesem Abend vertreten ist durch den Enkel Marlen Haushofers, Mag. Georg Haushofer. Wie schön, dass Sie hier bei uns sind. Seien Sie herzlich begrüßt zu diesem schönen Anlass. Wir begrüßen Melina Brückemann vom Verlag Ulstein, Klasen, List, Berlin. Vielen Dank, dass Sie die Reise nach Linz unternommen haben. Carsten Kredl, der Verlagsleiter, der heute Großworte sprechen wollte, musste sich leider kurzfristig krankheitsbedingt entschuldigen. Wir freuen uns, dass Sie kommen konnten. Herzlichen Dank. Wir begrüßen ganz herzlich die Bandherausgeberinnen und Herausgeber. Sie werden einführend jeweils zum Besonderen, zum Begeisternden an den Texten Haushofers sprechen. Christa Gürtler, Georg Hofer, er leider ebenfalls verhindert, Stefan Maurer, Manfred Mittermeier, Daniela Striegel, Liliane Studer, Constanze Fliedl muss das leider auch entschuldigen, auch sie ist krank. Ein paar sind wir da. Wir freuen uns ganz besonders, dass Verena Altenberger die Einladung zu diesem Abend angenommen hat und dass wir sie bei uns, bei Stifter, heute Abend bei Haushofer und mit Haushofer begrüßen können. Vielen herzlichen Dank. Die Frage, wie ein literarisches Werk das Interesse an Texten lebendig gehalten werden kann, begleitet und leitet die Arbeit eines Institutes, wie das unsere eines ist, stets. Es gibt so etwas wie die Aura eines Schreib- und Lebens- bzw. Sterbeortes, die biografische Neugier, es gibt die Handschrift, Werbeortes, die biografische Neugier, es gibt die Handschrift, in der sich ein wenig vom magischen Akt des Schreibprozesses abzubilden scheint, es gibt den Raum der Vermittlung durch Vortrag, Lesung, Diskussion, Ausstellung, Publikation etc. All das trägt zusammengenommen bei, dass ein literarisches Werk nicht in Vergessenheit geraten kann. Im Zentrum all dessen steht immer der literarische Text selbst. Er verlangt nach seiner Leserin, seinem Leser, es gibt, wenn man so will, aber umgekehrt auch das Recht der Leserin, des Lesers auf den Text, auf einen, der dem, was die Autorin, der Autor im eigentlichen Sinn sagen will, möglichst nahe kommt. Es mag merkwürdig klingen, wenn man von einem Text als Annäherung an seine authentische Gestalt spricht, die mit seinem ureigensten Seinsgrund in eins fällt oder fallen sollte. in eins fällt oder fallen sollte. Und doch zeigt nicht nur der Blick ins Archiv, wie fragil ein Text ist, wie sehr er sich der Eindeutigkeit entziehen kann, im Schreibakt selbst, in allen Stadien seiner Fixierung, am Weg der Veröffentlichung ist der Text dynamisch, ist er gewissermaßen gefährdet. Editionen bemühen sich um Stabilisierung mit unterschiedlichem Ziel und verschiedenen Methoden in unterschiedliche Stadien der Textentstehung, der Textgenese hinein. So vermag etwa der Blick in eine historisch-kritische Ausgabe ernüchternd verdeutlichen, auf welchen Umwegen der poetische Akt sich bewegt. Das kann, wie einzelne Beispiele zeigen, bis hin zur Auflösung eines Textgewebes und zu seiner Rekonstruktion durch die Philologie gehen. Im vorliegenden Fall liegen die Dinge grundsätzlich einfacher. Für manche Romane Haushofers etwa gibt es gar keine überlieferten Manuskripte, es gibt den Text und zwar nur den im Buch. Bei anderen ließe sich die Textentstehung anhand von durchaus unterschiedlichen Fassungen zeigen, wie etwa am Roman Die Mansarde, für den handschriftliches Material im Teilnachlass Marlen Haushofer hier im Oberösterreichischen Literaturarchiv am Institut liegt. Doch was ist das Anliegen der Marlen Haushofer Werkausgabe? Das große Verdienst der Ausgabe ist es, dass alle Titel des erzählerischen Werkes von Marlen Haushofer, Ausnahme sind Hörspiele und die Kinderbücher, wieder lieferbar sind, und zwar in Form von verbindlichen, durchgesehenen Texten auf Grundlage der Erstdrucke. Das gilt also für die fünf Romane und es gilt für alle Erzählungen, die nunmehr und erstmals in einem Band versammelt sind. in einem Band versammelt sind. Die Ausgabe bietet neben dem gesicherten, zitierfähigen Text wissenschaftlich fundierte Nachworte, anregende Vorworte von zeitgenössischen Schreibenden, die ihre Leidenschaft für Haushofers Werk mitteilen. Sie ist etwas, das es bislang nicht gegeben hat. Es war im Übrigen gar nicht so einfach, das zustande zu bringen. Unsere ersten Bemühungen um die Ausgabe liegen viele Jahre zurück. Nun ist sie also da und entspricht dem Stellenwert einer Autorin, deren literarisches Werk neben dem Ingeborg Bachmanns und Ilse Eichingers das Schreiben von Frauen in der Nachkriegszeit repräsentiert. Die Ausgabe ist nicht nur klug, sondern sie ist auch sehr schön. Und, das darf angemerkt werden, überaus wohlfeil, jetzt besonders, aber auch nach Weihnachten ein Geschenk, das man sich und anderen machen kann und unbedingt machen soll. Wir danken dem Verlag, namentlich dem Leiter Carsten Kredl, für die Bereitschaft, diesem Vorhaben zu vertrauen und sich in Zusammenarbeit mit dem Adalbert-Stifter-Institut darauf einzulassen. Wir danken Melina Brüggemann, die dieses Unternehmen mit unerschütterlicher Freundlichkeit und großem Engagement bis zuletzt begleitet hat. Und wir danken den Mitherausgeberinnen und Herausgebern für die Umsetzung des großen Plans in einem letztlich doch ambitionierten Zeitrahmen. Ganz besonders danken möchte ich meinem Kollegen Georg Hofer, der das große Ganze nicht nur im Auge behalten, sondern mit viel Zeit und ebenso viel Kompetenz betreut und gelenkt hat. Wie schade, dass er heute nicht dabei sein kann. Ihnen allen einen denkwürdigen Abend mit Marlen Haushofer. Vielen Dank, Frau Dallinger. Liebe Gäste, liebe Leserinnen, liebe Leser von Marlen Haushofer, an dieser Stelle wollte und sollte jetzt eigentlich der Verleger der Ulstein Buchverlage, Carsten Kredl, stehen. Zu seinem großen Bedauern konnte er aufgrund von uns allen mittlerweile gut bekannten Viren jedoch nicht wie geplant aus Berlin anreisen. aufgrund von uns allen mittlerweile gut bekannten Viren, jedoch nicht wie geplant aus Berlin anreisen. Deshalb bleibt nun mir die besondere Ehre, Sie in seinem Namen und im Namen des Ulstein Verlags zur heutigen Präsentation der Werkausgabe von Marlene Haushofer begrüßen und ein paar Worte sagen zu dürfen. Es ist eine der wichtigsten, aber auch der schönsten Aufgaben von Verlagen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass literarische Werke ihre Zeit überdauern. Unsere Arbeit im Verlag wird normalerweise und damit viel zu häufig danach beurteilt, welche Neuerscheinungen wir auf den Markt und in die literarische Öffentlichkeit bringen. In den vergangenen Jahren ist das Gespräch über Bücher und das Geschäft mit Büchern immer kurzlebiger geworden, immer stärker zugespitzt auf kurzfristige Effekte und aktuelle Themen. Bücher werden dann zu einer Art Saisonware und das liegt nicht unbedingt an den Büchern selbst, sondern daran, dass sie jenseits der Wochen ihres Erscheinens kaum noch rezipiert werden und so ihre literarische Wirkung nur sehr kurzfristig entfalten können. Dabei geht es ja gerade um diese Wirkung, die Literatur im sich wandelnden Kontext der Wirklichkeit und im fortdauernden Dialog mit menschlichen Erfahrungen erhält. Es geht um die immer wieder neuen Bedeutungen, die sie hervorbringt, genauso wie um den bleibenden Kern, den sie dabei herausbildet. Bücher entladen sich nicht im Moment ihrer Veröffentlichung, im Gegenteil, der Prozess ihrer Aufladung beginnt dann erst und manchmal können sie umso aufregender sein, je freier sie sich vom Kontext ihrer ursprünglichen Entstehung entfalten können. Wir alle im Verlag sind sehr glücklich und stolz, dass wir dem Werk von Marlen Haushofer in diesem Sinne eine dauerhafte neue Form geben können. Die Werkausgabe, die wir heute feiern, ist wunderschön geworden. Frau Dallinger hat das gerade schon angemerkt. Eines der für uns im Verlag schönsten Buchprojekte in diesem Jahr, herstellerisch, gestalterisch, vor allem konzeptionell. Und dabei geht es nicht um eine museale Bewahrung, es geht nicht um Aufbewahrung, sondern um Öffnung, um Wege zum Werk. Es geht nicht nur um das Vorhandensein an sich, um die Auffindbarkeit, es geht um das Schaffen von Zugängen, um die Möglichkeit von neuen ersten Lektüren oder erneuten Lektüren wie zum ersten Mal. Malin Haushofer gehört zu den Autoren in der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts, die noch nie ihrer wirklichen Bedeutung gemäß rezipiert wurde. Besonders deutlich wird das anhand ihrer Rezeption im Ausland und eine der schönsten Entwicklungen auch für uns im Verlag ist deshalb die neuere englischsprachige Haushofer-Rezeption, die gerade einen regelrechten Boom erlebt. Ebenso erfreulich und wichtig ist aber auch die Entdeckung von Marlene Haushofer durch neue Generationen deutschsprachiger LeserInnen und AutorInnen, zu denen auch ich mich zählen darf. Haushofer wird nicht nur ehrfürchtig und historisierend gelesen, sondern ihre Texte werden auf ganz selbstverständliche Weise in ein gegenwärtiges Denken, Lesen und Schreiben einbezogen. Dem wollten wir mit den Vorworten der einzelnen Bände Rechnung tragen und deshalb geht an dieser Stelle ein Dank an Angela Lehner, Arno Geiger, Antje Ravik-Strubel, Monika Helfer, Nicole Seilwart und Clemens Setz, die in ihren Vorworten ihre jeweils ganz eigene persönliche Entdeckung von Marlen Haushofer schildern und dazu einladen, ihren Texten heute wieder zu begegnen. Marlen Haushofers Beziehungen zum Klassen Verlag begannen mit dem Teil ihres Werkes, der nun im letzten Band unserer Ausgabe versammelt ist, nämlich mit ihren Erzählungen. 1967, also nur sehr wenige Jahre vor ihrem Tod, wechselte sie zum Klaassen Verlag, damals noch Teil der Econ-Gruppe unter der Leitung von Erwin Barth von Wehrenalp, der damals österreichische Autoren und Autorinnen für den Verlag gewinnen wollte. Dort erschien dann auch eine neue Ausgabe der Wand und schließlich 1969 inmitten ihrer schweren Erkrankung die Mansarde. Man kann die Lebens- und Werkgeschichte von Marlen Haushofer in der beeindruckenden Biografie von Daniela Striegel nachlesen, die im Jahr 2000 bei Claßen erschienen ist. Verlagseitig ist sie eine bewegte Geschichte. 2004 zog der Claßen Verlag nach Berlin, um Teil der Ulstein Buchverlage zu werden. 2009 wurde sein Programm eingestellt. Marlen Haushofers Bücher erschienen in der Zwischenzeit unter anderem als Taschenbücher im List Verlag. Vor wenigen Jahren war das Werk von Marlen Haushofer also zwar größtenteils lieferbar, aber kaum gepflegt und teilweise verstreut. 2020 ergab sich dann eine Situation, die sich für uns als Voraussetzung für die Ausgabe erwies, die wir heute in die Welt bringen können. Der Klassen Verlag wurde neu belebt, Marienhaushofers Verlag gab es wieder unter dem Dach der Ulstein Buchverlage. Kurz darauf, im Herbst 2020, begannen dann auch die Gespräche und bald darauf die Arbeit an dieser Ausgabe. Und im Namen von allem beim Klassen Verlag und den Ulstein Buchverlagen möchte ich mich bei einigen Menschen und Institutionen ganz besonders dafür bedanken, dass dies möglich war. Zuallererst bei der Familie Haushofer, allen voran auch Sibylle Haushofer für das Vertrauen, das Werk veröffentlichen zu dürfen. Beim Stifterhaus, wo wir die Erstpräsentation unserer Werkausgabe heute feiern dürfen, insbesondere bei Frau Dallinger und Herrn Hofer für die so angenehme und gelungene Zusammenarbeit von Verlag und Institut an dieser Ausgabe, die außerdem mithilfe eines Druckkostenzuschusses großzügig gefördert wurde. Bei Michaela Thummer-Stammler für ihr sorgfältiges Auge beim Abgleich der Erstausgabentexte, insbesondere aber natürlich bei den HerausgeberInnen der einzelnen Bände, Konstanze Fliedl, Stefan Maurer, Daniela Striegel, Manfred Mitterbeier, Petra Maria Dallinger, Georg Hofer, Liliane Studer und Christa Gürtler, die die Romane und Erzählungen editionsphilologisch betreut und in ihren Nachworten wissenschaftlich eingeordnet haben. Carsten Kredel bat mich außerdem darum, mich in seinem Namen auch für den kleinen, aber sehr wirkungsvollen und bis nach Berlin deutlich spürbaren Shitstorm zu bedanken, der uns im September 2020 aus Österreich ereilt hat. Etliche Autoren und Autoren haben in diesem sehr besonderen Jahr für Marlen Haushofer uns deutlich zu verstehen gegeben, dass sie nicht zufrieden damit waren, wie das Werk von Marlen Haushofer verlegt wurde. Und sie hatten recht. Diese Tage im September 2020 waren die ersten Arbeitstage unseres damals neuen Verlegers Carsten Kredel. Ich selbst kam erst einige Wochen später zu Ulstein, mein Kollege Benjamin Brückner war damals maßgeblich an den ersten Gesprächen beteiligt und somit war es im Rückblick der richtige Moment, um kurz entschlossen einen Anfang zu machen und dem Impuls mit langem Atem zu folgen. Es wurde letztlich der Anstoß dafür, mal den Haussofas Werk als lebendige Literatur wieder und neu zugänglich machen zu können und wir freuen uns sehr darüber, heute die Werkausgabe hier im Stifterhaus mit Ihnen allen feiern zu dürfen. Vielen Dank. So, nachdem Frau Fliedl leider erkrankt ist, wie wir schon gehört haben, ist es jetzt quasi meine Aufgabe, den reigen der Herausgeberinnen und Herausgeber zu eröffnen. Und ich beginne mit dem zweiten Band, das ist der mit den orangen Lettern. Also schenken Sie dem besondere Aufmerksamkeit, das ist die Tapetentür. Vor einiger Zeit bereits kündigte ich Ihnen den Frauen- und Liebesroman Die Tapetentür an, schreibt Hans W. Pollack, Lektor im Schollner Verlag an eine westdeutsche Zeitung, der Haushofers Roman zum Vorabdruck anbot. Die Etikettierung der Tapetentür, die 1957 erschien, als Frauenroman, kann als Fehl, zumindest aber als redaktionistische Lektüre, jedoch durchaus als charakteristisch für die Rezeption von Haushofers Werken bis zur Wiederentdeckung zu Beginn der 1980er Jahre gelten. Der Diskurs über die unerfüllte Liebe ist in diesem Roman nur Ornament. Dahinter verbergen sich eine überaus kritische Einschätzung der österreichischen Nachkriegsgesellschaft, welche die moralischen Tücken des Wiederaufbaus zeigt, sowie jene durch die Nachkriegsrealität verschütteten Traumata, wie die psychischen Folgen des in der Endphase des Zweiten Weltkrieges einsetzenden Bombenkriegs, aus der Perspektive der Protagonistin, der Bibliothekarin Annette, die eine Ehe mit dem erfolgreichen, aber gefühlskalten Anwalt Gregor eingeht. die eine Ehe mit dem erfolgreichen, aber gefühlskalten Anwalt Gregor eingeht. Darüber hinaus kann die Tapetentür auch als Gesellschafts- bzw. Eheroman, eventuell als ein Vorläufer jener Mitte des 1970er-Jahres aufkommenden Väterliteratur gelesen werden, die autobiografisch gefärbte und auf Vergangenheitsbewältigung im Mikrokosmos der Familie abzielende Prosa-Texte umfasste. Gelesen werden kann der Roman auch als implizite Kritik der sogenannten Nuclear Family, jener Kleinfamilie heteronormativen Zuschnitts, die zu Zeiten der rigiden politischen Zuordnungen, die durch den Kalten Krieg bedingt waren, als Sakrosankt galt. Für mich persönlich führt von Marlene Haushofer's Die Tapetentür ein direkter Weg zu Brigitte Schweigers Eheroman und Gesellschaftsroman Wie kommt das Salz ins Meer aus 1977. Die Tapetentür gruppiert zahlreiche Motive, welche auf Haushofers spätere Romane verweisen. Die Form des Tagebuchs, die sich in der Tapetentür noch mit personalen Erzählpassagen abwechselt, das heißt die Leserinnen und Leser kommen Annette nicht nur aus einer Außenperspektive, sondern auch ihrem Innenleben näher, ihren Gedanken, Assoziationen und Gefühlswelten. Diese Form der Ich-Erzählung wird dann in der Novelle Wir töten Stella, sowie den Romanen Die Wand und Die Mansarde von Haushofer zur Meisterschaft gebracht. Die Rezeption führt bei der Wiederauflage in den 1980er Jahren auch auf die Spuren des Existenzialismus, denn diese rückt den Roman in die Nähe von Albert Camus' Der Fremde, wobei eine Rezensentin konstatiert, dass Haushofer hier das Zitat ausgeschlossen sein ihrer Heldin einfacher und auch eindeutiger motiviert, als das in der Wand oder auch in der Mansarde der Fall ist. Zentral ist die Traumsequenz. Annette reitet auf dem Spielgefährten ihrer Kindheit, dem Hund Pluto, in die eigene ländliche Vergangenheit, zu ihm, dem Vater, auf dessen Knien sie sich, glücklich und geborgen fühlt. Das kann als eine wesentliche Schlüsselstelle des Romans gelten. Das virulent unter der Oberfläche befindliche Unbewusste und Verdrängte kommt hier zur Sprache, das mit dem Verlassenwerden durch den Vater in der Kindheit zu tun hat. Diese Leerstelle Vater erhält eine existenzielle Tragweite und führt auch topografisch zur Kindheit und dem elterlichen Forsthaus in Effertsbach-Tal bei Fraunstein, das im Leben und Werk Haushofers verlorenes Paradies und unheimlicher Erinnerungsort ist. Die Rollenstereotype, aber vor allem die generationsbedingten Kriegserlebnisse, spielen in den Handlungsverlauf des Romans hinein, besonders an jenen Stellen des Textes, die Annette als von den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs traumatisierte Figur zeigen, die nach kurzer Ehe nicht nur ihren ersten Mann im Krieg verloren hat, sondern im Zuge des Bombenkriegs selbst verschüttet worden ist. Ein Schicksal, das sie mit zahlreichen anderen weiblichen Figuren von Haushofer's Werk teilt. Und abschließend möchte ich Ihnen noch ein Zitat, beziehungsweise eine längere Briefstelle von Haushofer vorlesen, dass sie Ende Oktober 1957 anlässlich eines versäumten Dichtertreffens den St. Veiter Literaturtagen an ihren Bekannten Karl Braverer schreibt. Und da merken wir auch, dass die pandemischen Verhältnisse von 1957 und 2023 vielleicht gar nicht so groß sind. Zitat, ich war gar nicht in St. Veit, offiziell wegen der Grippe, aber in Wahrheit, weil ich einfach nicht mehr dazu fähig war, mich wieder auf die Bahn zu setzen. Das bleibt aber unter uns. Ich verabscheue Reisen nämlich ganz und gar. Das dürfte Ihnen ja nach der Lektüre der Tapetentür keine Neuigkeit sein. Allerdings habe ich nie ein auch nur annähernd so angenehmes Leben geführt wie die gute Annette und das ist vielleicht gut so. Wenn Sie das herausfinden wollen, wie sich das verhält, dann lesen Sie die Tapetentür. Danke. Ja, guten Abend. Mit diesem Buch habe ich die wenigste Mühe gehabt, schreibt Marlene Haushofer, über die Wand ausgerechnet. Ich muss Ihnen zum Glück nicht den Inhalt der Wand hier zusammenfassen, die kennen Sie wahrscheinlich alle, aber wieso hat Marlene Haushofer damit am wenigsten Mühe gehabt? Sie hat selbst von sich gesagt, dass sie eigentlich nicht imstande war, etwas zu erfinden, dass sie sich um den Plot immer sehr bemühen musste und bei der Wand war es einfach ein genialer Einfall. Es war die Idee. Und dann hat sie gemeint, habe sie sich nur noch hinsetzen müssen und das sozusagen herunterschreiben. Dann war ganz klar, was es mit dieser Frau auf sich hat, was ihr passieren muss. Da war der Plot kein Problem mehr. auf sich hat, was ihr passieren muss. Da war der Plot kein Problem mehr. Die Wand ist sicher innerhalb ihres Werks ein besonderes Buch. Die Wand hat bis jetzt größte Wirkung entfaltet. In der Wand geht es zwar auch um eine Hausfrau, aber es ist doch ein Hausfrauen-Dasein besonderer Art, ein Hausfrauen-Dasein in der Wildnis und ohne Familie. Die Familie hat sie hinter sich gelassen. Und in diesem Buch steckt so viel drinnen, was wir beim Wiederlesen immer wieder neu entdecken können. Und es gibt eigentlich kaum etwas, womit Marlene Haushofer hier nicht potenziell angeeckt ist und heute noch anecken kann. Da ist zunächst natürlich die feministische Stoßrichtung des Buches. Die Frau findet ihren angestammten Platz im Wald ohne Familie und fühlt sich dort eigentlich bei sich angekommen. Zugleich ist natürlich klar, dass das nicht nur eine Befreiung, sondern auch ein Gefängnis ist. Dann ist es natürlich ein ökologisches Anliegen. Marlene Haushofer hat das Auto gehasst. Wenn Sie sich erinnern, dass da Mercedes des Hugo im Wald überwuchert wird, dann ist das ein schönes Bild dafür. Die Erzählerin beschreibt das mit ausgesprochener Genugtuung. Und sie hat den Fortschritt sehr skeptisch betrachtet, die Industrialisierung sehr skeptisch betrachtet, alles als Angriff auf das Leben empfunden. Entrüstung entstehen kann. Und nicht zuletzt ist es ein gottloses Buch, ein Buch, das sich dem Existenzialismus, Camus ist schon gefallen, der Name von Albert Camus, auch Simone de Beauvoir war für sie wichtig, also ein Buch, das sich dem Ex Trost für uns bereithält, eine Parabel auf das menschliche Leben überhaupt. Und deswegen kann man es immer wieder lesen. Wenn die Wand, schreibt Marleen Haushofer an Hans Weigl, spurlos untergeht, was ich glaube, deine Schuld ist es sicher nicht. Sie ist keineswegs spurlos untergegangen. Damals hat es sehr lange gedauert, bis die ersten Rezensionen überhaupt gekommen sind. Sie hat noch erlebt, dass in Österreich die Wand zu einem Begehrten, zu einem wichtigen Buch wurde, vor allem als Elfriede Ott im Radio die Wand in Fortsetzungen, den Roman in Fortsetzungen gelesen hat, gab es dann viel Hörerpost und die Leute waren enthusiastiert. Aber genauso, muss man sagen, wurde die Wand tatsächlich immer wieder vergessen und Haushofer immer wieder vergessen und alle paar Jahre oder Jahrzehnte gibt es eine Renaissance. Die erste große Entdeckung war die der Frauenbewegung in den 80er Jahren, aber nun mit dieser Ausgabe, die ich hier zum ersten Mal sehe und die mal schon von außen ganz toll ausschaut, ist es nicht mehr möglich, Marlen Haushofer zu vergessen und wir brauchen keine Angst haben, dass sie irgendwie spurlos verschwinden könnte aus unserem Kanon, aus dem deutschsprachigen Kanon und dafür bedanke ich mich bei allen Beteiligten. Danke. Ja, meine Damen und Herren, die Wand, das ist mein bedeutendstes Buch, hat Marleen Haushofer nachher gesagt. Aber eine ganz besondere Rolle in ihrem Schaffen spielte dann auch noch »Himmel, der nirgendwo endet«, ihr autobiografisches Erinnerungsbuch über die frühesten Jahre ihres Lebens. Haushofer hat ja gesagt, dass alles, was sie schreibt, im Grunde genommen autobiografisch sei. Alle Figuren, die sie entworfen, die sie entwickelt habe, in ihren Büchern seien auseinandergefaltete Aspekte ihres eigenen Erlebens. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sie, als sie später dann mal alle ihre Bücher als quasi verstoßene Kinder bezeichnet hat, gerade bei Himmel, der nirgendwo endet, gesagt hat, das ist eine Ausnahme daraus. Himmel, der nirgendwo endet, ist also ein autobiografisches Buch, auch wenn die Hauptfigur Meta heißt, nicht Marleen. Aber es ist eindeutig, dass hier Inhalte vorgeführt werden, die wir jetzt auch schon angesprochen gehört haben. Etwa das Kindheitshaus, etwa die Umgebung, wo sie aufgewachsen ist und natürlich auch die Familienstruktur, aus der sie hergekommen ist und damit auch das soziologische Milieu, damit die Geschichte ihres Herkunftslandes und damit wird dieser Band dann auch gleich repräsentativ. Das Haus hieß übrigens dieses Buch anfangs, denn auch in diesem Fall haben wir das Glück, dass es Vorstufen gibt. Es gibt zwei Hefte mit handschriftlichen Fassungen dieses Romans und die unterscheiden sich zum Teil erheblich von der endgültigen fassung beides liegt im literaturarchiv des adalbert stifter hauses und ich konnte es einbeziehen und damit auch sehen wie sich dieses buch entwickelt hat was war nun das faszinierende dass ich vielleicht auch ein bisschen weitergeben möchte um lust aufs lesen zu machen denn das ist wirklich ein ungewöhnliches erinnerungsbuch, das nicht nur jetzt individuell interessant ist, wenn man sich für das Leben von Marlen Haushofer interessiert, sondern da stecken Dinge drinnen, die zum Nachdenken anregen, die weit über diese individuelle Biografie hinausgehen. Natürlich ist es die Geschichte eines jungen Menschenwesens, das den ersten Kontakt mit der Welt aufnimmt, das die Dinge kennenlernt, die zunächst kaum getrennt erscheinen von diesem kleinen Kind. Es ist faszinierend, wie die Autorin retrospektiv hier darstellt, wie sich ein allmählich zum Individuum werdendes menschliches Wesen in dieser Welt orientiert, wie es diese Dinge kennenlernt und wie es vor allem auch diese Dinge zu lieben beginnt, auf eine widersprüchliche Weise, denn diese Liebe äußert sich sehr häufig dadurch, dass sie sie zerstören möchte, diese Dinge, dass sie sie eher zerbeißen, zerreißen möchte. Das heißt, diese Widersprüchlichkeit im Umgang mit der Umgebung, auf der einen Seite eine ganz starke Zuneigung, ein ganz starkes Hingezogensein und auf der anderen Seite auch Abwehr oder vielleicht auch Angst, sich irgendwie abgrenzen müssen von dem, was auch auf den Einzelnen eindringt, das prägt das ganze Buch. Das prägt die Beziehung zu den Eltern. Auf der einen Seite die Mutter, die sehr streng, sehr starr, in einer gewissen Weise der Realität, der Wirklichkeit, der Wahrheit verhaftet, einengt, was die Fantasie dieses kleinen Kindes in ganz andere Bereiche führt. Und dafür ist der Vater zuständig, der große Geschichten erzählen kann. In diesem Fall sind es oft Geschichten vom Krieg, von Russland, das immer wieder in ihm hochsteigt. Aber es sind auch andere Angehörige der Familie, der Onkel Schorsch, der so wunderbare Geschichten entwerfen kann oder die Tante Wühlmaus, ganz lustige Namen, wie sie finden werden, aber dahinter stehen auch tatsächlich immer Personen aus Haushofers Umgebung. Die Großen nennt sie sie und sie erkennt gleichzeitig, dass die Großen ihr diese Welt ja eigentlich gar nicht erklären können. Die erzählen immer irgendwas, das ist aber nicht für das Leben entscheidend. Und wenn sie etwas erklären, dann kommt es zu spät. Und da hat sie nun eine andere Quelle und das macht dieses Buch auch so besonders, denn schon als kleines Kind entdeckt sie die Lektüre, entdeckt sie das Lesen, entdeckt sie die Klassiker, die ihr zunächst natürlich noch verboten sind. Sie darf nicht Kleist und Hauf lesen, die eigentlich ihre Lieblinge sind. Heine gehört auch noch dazu und David Copperfield, ein Roman, der sie fasziniert, Charles Dickens, Sie werden es assoziieren, der in dem Buch immer wieder anzitiert wird. Aber allmählich kommt sie in diese literarische Welt hinein und ein zweiter Aspekt dieser literarischen Welt, das sind die Märchen. Und daher kommt ja auch der Name Marleen, denn da gibt es das Märchen vom Machandelbaum, das Lieblingsmärchen von Marleen Haushofer. Bruder von seiner Mutter umgebracht wird und dem Vater zum Essen vorgesetzt wird und dann steigt aus dem Machandelbaum, wo die Schwester die Knochen lagert, ein Vogel auf und singt vom Vater und von der Mutter, die sie schlachten. Und am Ende kommt der Bruder wieder zurück. Aber es ist ein wildes Märchen, wie gesagt, aus einer Familienstruktur, die ganz offensichtlich bei Marlen Haushofer sehr brüchig und sehr widersprüchlich gewesen ist. Zum Abschluss ein Hinweis auf etwas, was mich ganz besonders angezogen hat und was auch repräsentativ für Haushofer ist. Wenn Sie das Buch anschauen, und das ist auch sehr schön gestaltet, dann sehen Sie eine Henne, ein Huhn auf dem Cover und die spielt tatsächlich eine bestimmte Rolle in dem Buch, so wie die Tiere überhaupt, die in diesem Band eine wichtige Funktion nicht im Sinn einer Idealisierung dieser Kindheit einnehmen, sondern auch des Weltverhältnisses, das aufgenommen wird von der Hauptfigur und auch der Begegnung mit ganz schlimmen Dingen. Kein Satz, muss ich sagen, ist mir in diesem Buch so nahe gegangen, wie genau in der Mitte, wo sie schildert, wie Tiere geschlachtet werden, um dann verspeist zu werden. Das lustige Schwein ist plötzlich in Teile auseinandergeschnitten und sie fragt sich, wohin ist das Leben aus dem Schwein gegangen? reingegangen. Und da begreift sie, dass das alles endlich ist und dass alles zerstört werden kann von den Menschen. Und die Henne, die Henne Eulalia jetzt zum Abschluss, die lernt sie ganz spät im Buch kennen, lieben und vor allem die Henne sie selber, denn sie ist eine Außenseiterin wie Meta selbst. Und als sie bemerkt, dass Meta sich um sie kümmert, auf sie eingeht, da fixiert sie sich auf diese einzige Person, die sie hier zuwendet, als Meta dann aber in die Schule kommt, da weigert sich die Hen, wenn man Verantwortung übernimmt und sie dann nicht erfüllen kann. Und sie schwört sich in Zukunft nicht mehr leichtfertig lebendige Wesen an sich zu binden und sie damit auch auszusetzen. Also ein Buch, in dem man ganz vieles finden kann über Marleen Haushofer, aber auch über das Leben, über das Hineinwachsen in die Gesellschaft und die Schwierigkeiten damit. Ich empfehle es Ihnen von Herzen. Vielen Dank. Ich spreche für Georg Hofer, der zusammen mit mir die Mansarde, den vorletzten Band des Schubers, betreut hat. Wir nähern uns also der Lesung. Malin Haushofer's Roman Die Mansarde, der fünfte der vorliegenden Werkausgabe, erschien im September 1969, etwa ein halbes Jahr, bevor die Autorin ihrer schweren Krebserkrankung erlag. Begonnen hatte sie die Arbeit an diesem für ihr Werk zentralen Text, den sie nur mehr unter, Zitat Haushofer, großen Schwierigkeiten fertigstellen konnte im Jänner 1968. In verhältnismäßig kurzer Zeit, also erschwert durch gravierende gesundheitliche Probleme, gelang Haushofer mit die Mansarde ein abschließender, letzter, großer Wurf. In diesem, wie es in einer Rezension aus den 80er Jahren heißt, in diesem beklemmend vollkommenen Roman, bündelt sie ohne jede angestrengte Absichtlichkeit noch einmal eine Vielzahl der für sie zentralen autobiografisch grundierten Themen und Schauplätze, die sie im Laufe ihres Schreibens immer wieder umkreist hat. Der Roman handelt vom Leben einer namenlosen Frau in bürgerlichen Verhältnissen und ihren mit diesem nur schwer oder gar nicht in Einklang zu bringenden eigenen künstlerischen Ambitionen. In die titelgebende Mansarde zieht sich die 47-jährige Ich-Erzählerin des Textes, sie ist damit genauso alt wie Haushofer zum Zeitpunkt der Niederschrift des Romans, erst dann zum Zeichnen zurück, wenn im darunterliegenden Haushalt alle Aufgaben pflichtbewusst erfüllt sind. Ihr Alltag ist geprägt von wiederkehrenden Verrichtungen, die darauf abzielen, eine funktionierende Ehe- und Familienkulisse aufrechtzuerhalten. Jeden Mittwoch ist Putztag, an den Wochenenden geht man mit dem Ehemann spazieren oder ins Heeresgeschichtliche Museum, am vierten Sonntag im Monat müssen die Freunde des Gatten bewertet werden, die zum Tarok spielen kommen und so weiter und so fort. Haushofer, der an scharfen Zeitlebens mit familiären Pflichten konkurrierte, hat die schwierigen Voraussetzungen, unter denen ihr Oeuvre entstand, mehrmals angesprochen. Das Leben in getrennten Welten als Teil einer bürgerlichen Familie und als Schriftstellerin belasteten sie, auch wenn sie sich damit arrangierte. Ein zentraler Schauplatz des Romans ist eine bergige, waldreiche Gegend, hinter der sich wohl Haushofers Kindheitslandschaft verbirgt. In die Mansarde wird diese zum kontaminierten Raum, der einst, konkret 17 Jahre vor der Gegenwart des Romangeschehens, zum Exil für die Erzählerin wurde. Als sie zwei Jahre lang taub war, hierher hatte sie der Ehemann während dieser eben temporären Taubheit abgeschoben, er hatte sie verraten, indem er sie von sich und vom gemeinsamen Sohn entfernte, während er zu Hause am Aufbau eines Hausstandes arbeitete. Hier traf sie auf den mysteriösen X, der sich eigentlich nur als NS-Verbrecher interpretieren lässt und der die Gehörlose als, Zitat Constanze Fliedl, Objekt seiner Geständnisse, welche auch immer, missbraucht. Und hier verfasste sie jene Tagebuchaufzeichnungen, die sie in der Gegenwart des Romans eine Woche lang täglich mit der Post bekommt und die sie abends in der Mansade liest, um sie danach im Keller des Hauses zu vernichten. liest, um sie danach im Keller des Hauses zu vernichten. Die Mansarde ist auch eine Auseinandersetzung mit dem Zweiten Weltkrieg, mit der Frage nach der Schuld des Einzelnen und den Widersprüchlichkeiten der Wiederaufbau-Generation. Die Verrücktheit, heißt es im Text, die meine ganze Generation befallen hat, ist die Folge von Ereignissen, denen wir nicht gewachsen waren. Wahrscheinlich gibt es Ereignisse, denen keine Generation gewachsen ist. Spielt der Haushofer im Laufe ihres Schaffens unterschiedliche weibliche Lebensentwürfe durch, hat sie in die Mansarde, so Daniela Striegel, ihre persönliche Lebenslage so unverhüllt nachgedichtet wie nirgendwo sonst. Das Leben, das sie hier ausprobiert, ist ihr eigenes. Dabei herausgekommen ist zwar kein tröstliches, jedoch bei aller Tragik des in ihm verhandelten Themas ein doch ziemlich humorvolles Buch. Die Mansarde ist nicht heiter, aber sie ist witzig und das trägt entschieden bei zur Qualität des Romans. In jüngster Zeit ist Haushofers Oeuvre vermehrt zum Gegenstand literaturwissenschaftlicher Befassung geworden und wir hoffen, dass unsere Ausgabe dazu beitragen wird, dass das auch künftig so sein wird. Es verwundert nicht, dass die Mansarde zusammen mit die Wand in vielen der in den letzten Jahren erschienenen Arbeiten eine zentrale Rolle spielt, enthält doch gerade Haushofers letzter Roman, und hier wird abschließend noch einmal Daniela Stridl zitiert, zu Recht, die Summe ihrer beklemmenden Kunst. Lesen Sie dieses Buch, so Georg Hofer, Sie werden es ganz bestimmt nicht bereuen, ich kann mich dem nur anschließen. So, jetzt kommt noch der Werbeblock für den letzten Band, gesammelte Erzählungen. Die Beschäftigung mit Ihren Texten ist noch nicht abgeschlossen. Diesen Satz schrieb ich 1987 in der Einleitung zu meiner Lizenzialsarbeit. Marlen Haushofers Romane und Erzählungen haben mich nachhaltig verstört und beunruhigt. Sie begleiten mich seither. Heute, 36 Jahre später, halte ich ein Band mit 800 Seiten Haushofer Erzählungen in den Händen, den Christa Gürtler und ich gemeinsam herausgegeben haben und freue mich, dieses Geschenk an alle Haushofer Begeisterten zu übergeben. In den Erzählungen begleiten wir die literarischen Entwicklungen einer Autorin von den späten 1940er bis in die späten 1960er Jahre. Wir finden Themen, denen wir auch in den Romanen begegnen. So lesen wir von Männerdominanz, Machtmissbrauch, von Gewalt, die immer auch strukturell bedingt ist. Es geht um die ausweglose Situation der Frau in der Kleinfamilie, um Mittäterinnenschaft und darum, dass sich die Protagonistinnen Räume schaffen, in denen sie sich ihre eigenen Welten aufbauen, die nichts mit der anderen Realität zu tun haben. Wir ärgern uns über Frauen, die so genau analysieren, was hier eigentlich gespielt wird und passiv bleiben, nichts tun, zuschauen, sich vor den Konsequenzen scheuen und sich dafür verachten. Wir möchten sie schütteln, sie ermutigen, den Schritt aus der Komfortzone zu wagen und wissen doch genau, dass das so einfach nicht ist. Dank der vertieften Auseinandersetzung mit den Erzählungen entdecke ich heute weniger nur die Ausweglosigkeit, vielmehr auch eine Hoffnung, eine absurde vielleicht, aber doch eine Hoffnung, dass es nämlich noch etwas anderes geben könnte. Immer wieder verdeutlicht der Haushofer, wie wichtig es ist, sich mit den zerstörerischen Mechanismen zu konfrontieren, um überhaupt eine Chance zu haben, dem etwas anderes gegenüberzustellen. Auf wenigen Seiten gelingt ihr dies eindrücklich, ohne moralisch zu werden, ohne simple Lösungen anzubieten. Christa Gürtler und ich haben das Glück, uns mit den Erzählungen befassen zu dürfen. Sie bergen einen Schatz und diesen Schatz zu entdecken, rufen wir sie gerne auf. Unsere Arbeit am Band war ein Streifzug durch das literarische Werk von Marlen Haushofer. Bei unseren Recherchen entdeckten wir etwa, dass einzelne Erzählungen in früheren Ausgaben zeitlich falsch zugeordnet waren. einzelne Erzählungen in früheren Ausgaben zeitlich falsch zugeordnet waren. So fanden wir die Geschichte Begegnung mit dem Fremden, die dem Band von 1985 mit frühen Erzählungen den Titel gab, in einem Heft datiert 1965-66, die Marlen Haushofer späte Erzählungen enthält, also jene, die im Band Schreckliche Treue erstmals 1968 veröffentlicht wurden. Hierhin also hätte die Erzählung gehört. Und wir fanden drei Erzählungen, die bis heute noch nirgends, auch nicht in Zeitungen oder Zeitschriften, wo Haushofer oft Erzählungen publizierte, erschienen waren. Hier hat auch Herr Sibylle Haushofer, der ich dafür recht herzlich danken möchte, beigetragen, dass diese Erzählungen jetzt im BAM erstmals veröffentlicht werden können, indem sie nämlich freudig die Abdruckrechte erteilt hat. Insbesondere die beiden bislang unveröffentlichten Erzählungen der Unstern und der Alte Hof faszinieren mich sehr. Beide Geschichten sind geprägt von Männermacht und damit verbundener Gewalt so subtil und leise, dass sie kaum als solche wahrgenommen werden. Gleichzeitig thematisieren sie die Bedeutung von Erinnern, wie wir sie etwa aus Haushofers Meisternovelle Wir töten Stella kennen. Erinnern verstanden als Zurückkehren zu einer im Leben wichtigen Geschichte, um sie einzuordnen, um etwas zu klären, um etwas Unangenehmes loszuwerden, um weiterleben zu können. Dabei geht es nicht darum, zum Vorher zurückzukehren, so wie vor dem Ereignis wird es nie mehr werden. Das wissen die ProtagonistInnen, das wissen wir LeserInnen. Ich habe es zu Beginn gesagt, bereits in den 1980er Jahren, als ich Marlen Haushofer als Autorin erstmals begegnet bin, ahnte ich, dass diese Autorin mich so schnell nicht wieder loslassen würden. Darin hat auch die Arbeit am Band gesammelte Erzählungen nichts geändert. Die Auseinandersetzung geht weiter und das ist schön. Ja, ich setze den Werbeblock jetzt noch kurz fort, bevor wir dann zur Lesung kommen. Liliane Studer hat ja jetzt schon davon gesprochen, dass das Schreiben von Erzählungen eben die ganze Schreibphase, das ganze Schreibleben von Marlen Haushofer umfasst, von den eben frühen Texten in den 40er Jahren. Auch das erste Buch, das sie publiziert hat, war die Erzählung des fünfter Jahr und ihre letzten Texte, die erschienen sind oder eben jetzt erst zum ersten Mal zum Teil auch in diesem Band erschienen sind, sind wieder kurze Erzählungen. kurze Erzählungen. Marlen Haushofer hat über den Vorteil des Genres Erzählung in einer Nachbemerkung, warum ich mein Buch schrieb, zum Erzählband Schreckliche Treue, der für einen Autorenalmanach entstand, Folgendes geschrieben. Der Autor kann sich einen Vorgang oder eine Situation auswählen, dieses winzige Stück Leben wie durch eine Lupe betrachten, es aus seiner Umgebung herausheben und in die angemessene Form bringen. Sehr oft gelingt das nicht ganz, aber manchmal erlebt er doch die Befriedigung, ein kleines, rundes Kunstwerk geschaffen zu haben. Der Band Gesammelte Erzählungen mit fast 80 Erzählungen beweist, dass es Marlen Haushofer doch sehr, sehr oft gelungen ist, kleine, runde Kunstwerke zu schaffen. Clemens J. Z. formuliert seine Begeisterung im Vorwort zum Band so. Ich las alles, was ich von Marlen Haushofer auftreiben ließ, mit wachsender Begeisterung, bis ich das Herz ihres Werks entdeckte. Die Leserin hält dieses Herz in Händen, die gesammelten Erzählungen. Also Sie sehen die doch sehr große Begeisterung von Clemens Setz für die Erzählungen. Also Sie sehen die doch sehr große Begeisterung von Clemens Setz für die Erzählungen. Was auffällt an den Erzählungen sind natürlich viele Motive und Themen, die wir aus den Romanen kennen. Ich finde überhaupt, dass man jetzt sieht, wie geschlossen eigentlich dieses Werk von Marlen Haushofer ist, von den frühen Texten bis zu den späten. Und Sie haben es jetzt auch schon gehört in der Vorstellrunde sozusagen der HerausgeberInnen, dass die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, mit dem Krieg und den Folgen eigentlich ein ganz zentrales Thema ist, aber in den früheren Jahrzehnten, finde ich, eigentlich nicht sozusagen genug gewürdigt hat. Es hat sehr oft geheißen, Marlen Haushofer ist zwar eine Chronistin der 50er und 60er Jahre, dieser Wiederaufbaujahre, aber und hätte sozusagen den Krieg und den Nationalsozialismus nicht thematisiert. Aber das stimmt ganz und gar nicht, weil er ist eigentlich in allen ihren Texten extrem präsent. Und man kann auch die Figur des zerstörerischen Mannes als Folgeerscheinung der historischen Kriegserfahrungen sehen, die eben in den privaten Geschlechter- und Familienverhältnissen nachwirkt. privaten Geschlechter und Familienverhältnissen nachwirkt. Alle Menschen leiden unter dramatischen Erfahrungen und vorgeführt wird in den Texten aber dieses Überlebensprogramm der Wiederaufbauideologie in aller Deutlichkeit, nämlich Schweigen und Verdrängung der Erfahrungen und Erinnerungen. Mal in Haushofers Texte erzählen von der Vergeblichkeit dieser Schutzmaßnahmen, die sich als unzureichend herausstellen, weil sie die Entfremdung eben ganz und gar nicht aufheben können. Ich gebe nur ein Beispiel, nämlich die titelgebende Erzählung, schreckliche Treue, die 1968 erschienen ist. In dieser Erzählung wird erzählt, wie eine Frau ihren dreijährigen Sohn auf der Bahnreise im letzten Kriegswinter von Norddeutschland in ihre österreichische Heimat verliert. Auch der Ehemann kehrt von der Front nicht mehr zurück. Nach sieben Jahren heiratet sie wieder, bekommt zwei Kinder, doch es gelingt ihr nie mehr, Wärme und Glück zu empfinden und ihrer schrecklichen Treue zu entkommen. Schweigen und Vergessen garantieren also nur scheinbar das Überleben, denn die Gespenster der Vergangenheit sind nicht zu vertreiben. Die Überlebenden von traumatischen Erfahrungen, Täter wie Opfer, werden von ihnen heimgesucht. Und Marlen Haushofer war es immer auch ein Anliegen, eben diese geschlechtsspezifischen Differenzen deutlich zu machen. diese geschlechtsspezifischen Differenzen deutlich zu machen. Dass eben die Erfahrungen im Schützengraben der Soldaten andere waren als die Erfahrungen der Frauen im Luftschutzkeller, aber traumatisiert waren eben beide. Das hat Petra Dallinger ja jetzt auch schon am Beispiel der Mansarde wieder dargestellt. Und heute wissen wir, dass diese traumatischen Erfahrungen nicht nur in der Kriegsgeneration Folgen hatten, sondern dass diese Traumata auch in den nächsten Generationen weiterleben. Und nicht nur deshalb sind diese Texte heute auch so aktuell. Ein weiteres Thema, das sich auch in den Erzählungen manifestiert, ist eben die präzise Darstellung der Situation der Frauen. Und da setzt sozusagen Marlen Haushofer, schaut da wirklich ganz präzise, denke ich, auf diese Frauenrollen. Er schaut da wirklich ganz präzise, denke ich, auf diese Frauenrollen. Und das ist nicht nur die Rolle der Hausfrau, würde ich sagen. Das bloße Zuschauen enthebt nämlich die Frauen nicht ihrer Mitschuld. Viele Frauenfiguren von Marlen Haushofer sind sogenannte Frauen am Fenster, die verständnislos auf das gesellschaftliche Leben schauen, das ihnen keinen Platz einräumt und die sich unversehens in der Falle ihrer Anpassung durch Handlungsverweigerung wiederfinden. Die im wörtlichen Sinn immobilen Frauenfiguren schauen und hören weg und werden dabei doch zu Mittäterinnen, wie die Ich-Erzählerin Anna in der Novelle Wir töten Stella, die nichts unternimmt, als der Ehemann die 19-jährige Tochter ihrer Freundin zu seiner Geliebten macht und wenige Zeit später wieder fallen lässt. Die 1958 veröffentlichte Novelle Wir töten Stella sollte ursprünglich Wir morden Stella heißen und erschien im Wiener Bergland Verlag. Der Titel verrät eben schon diesen wahren Sachverhalt, nämlich dass auch die Frau Mittäterin war. Zitat Ende. Also zwischen goldenem Käfig und Kerker sind die Räume der Frauen angesiedelt. Im Rückblick sucht Anna ihre Mittäterschaft eben im Schreiben zu reflektieren. die Wand, das bekannteste Werk von Haushofer. Dazu hat vielleicht auch die Verfilmung durch Julian Pölzer beigetragen im Jahr 2017. Freuen Sie sich jetzt aber tatsächlich auf einen Text von Marlen Haushofer, nämlich auf die Novelle Wir töten Stella und ich darf Verena Altenberger auf die Bühne bitten zur Lesung.