Guten Abend, meine sehr geehrten Damen und Herren, mein Name ist Stefan Kögelberger. Es freut mich, Sie heute zu einer Verlagspräsentation im Stifterhaus begrüßen zu dürfen, zu einer Verlagspräsentation des Otto-Müller-Verlags. Wie Sie wahrscheinlich wissen, bietet das Stifterhaus österreichischen Verlagen die Möglichkeit, ihr Programm bzw. ihre Geschichte hier vorzustellen. Der im Salzburgerischen beheimatete Otto-Müller-Verlag nimmt diese Möglichkeit seit vielen Jahren wahr und auch mit Erfolg, wie ich finde. Wer von Ihnen bei der letzten Verlagspräsentation des Otto-Müller-Verlags hier war, der wird das Gesicht des damaligen Verlegers Arno Kleibl erwarten, der uns 2022 durch die Geschichte des Verlags bis ins Hier und Jetzt geführt hat. Sie werden Arno Kleibl aber heute nicht sehen. Der Grund dafür ist ein ganz simpler. Er hat die Verlagsleitung im heurigen Jahr an Nadine Hötzendorfer-Fesoli übertragen und es freut mich, dass ich die Verlegerin heute hier bei uns begrüßen darf. Herzlich willkommen, Frau Fesuli Hötzendorfer. Hötzendorfer Fesuli, Entschuldigung. Das ist aber auch ein schwieriger Name. Der Otto Müller Verlag zeichnet sich meines Erachtens dadurch aus, dass er immer wieder auch lyrische Prosa verlegt. Ein Beispiel dafür wäre unter anderem das vielbeachtete Debüt der oberösterreichischen Autorin Sarah Kuratle, betitelt mit Greta und Janis, das 2021 hier bei uns vorgestellt worden ist. Und auch heute werden wir aus einem Debüt etwas hören und auch diesmal aus dem Feld der lyrischen Prosa. Der Roman heißt Feuchtes Holz und stammt von Sophia Lunraschnack, die ich ebenfalls ganz herzlich bei uns im Stifterhaus begrüßen darf. Herzlich willkommen, Frau Schnack. Sophia Lunraschnack hat ihr Debüt Ende August diesen Jahres vorgelegt und im Mitte September wurde in der Presse der Roman rezensiert. Erwin Uhrmann, der Rezensent, schließt seine durchaus positive Kritik des Buches mit folgenden Worten ab. Ich zitiere. einfaches Unterfangen. Zwischen Obhut und Angst, Trotz und Schuld, Gefasstheit und Horror zerrüttet sich die Erzählstimme in Schnacks tief beeindruckendem lyrischen Roman. Es gibt Bücher, denen man wünscht, dass sie bleiben. Feuchtes Holz ist eines davon. Zitat Ende. Das ist sicher sehr wohltuend für die Ohren einer Autorin bei einem Dibyroman, kann ich mir vorstellen. Vielleicht hören wir da heute noch mehr darüber im Gespräch. Ich will aber nicht mutmaßen, sondern mich an die Fakten halten. Sophia Lunraschnack wurde 1990 geboren. Sie lebt und schreibt, im Übrigen auf Deutsch und Französisch, überwiegend in Wien und veröffentlichte bislang Lyrik und lyrische Prosa in Literaturzeitschriften. 2022 wurde sie mit dem Roter Horn Literaturpreis ausgezeichnet. Und das ist jetzt wirklich irgendwie witzig, finde ich. Denn die Verleihung des Roterhorn-Literaturpreises führt uns zurück zur eingangs erwähnten Sarah Kuratle, die eben diesen Preis 2019 verliehen bekommen hatte. Sie ist sozusagen die große abwesende Oberösterreicherin heute. Aber warum komme ich wieder auf Sie zu sprechen? Ganz einfach, weil unser zweiter Gast heute Abend zuletzt hier war mit Sarah Kuratle, und zwar am 12. Oktober 2021 im Stifterhaus. Das sind schon frappierende Zufälle. Ich freue mich, auch die zweite Autorin begrüßen zu dürfen. Herzlich willkommen wieder einmal im Stifterhaus, Birgit Müller-Wieland. Schön, dass du da bist. Birgit Müller-Wieland wurde in Schwanenstadt geboren. Sie studierte Psychologie und Germanistik in Salzburg und promovierte eben dort. Nach vielen Jahren in Berlin lebt sie mittlerweile in München. Für ihre zahlreichen Werke, ihr Debüt legte sie bereits 1997 vor, erhielt sie oftmals Förderungen und Preise, erwähnt sei hier klarerweise das Adalbert-Stifter-Stipendium des Landes Oberösterreich 2001. Der Roman Flugschnee, erschienen 2017, stand auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis. Ihr Lyrikband, den sie uns heute vorstellen wird, ist mit »Im Blick der beschämten Bäume« überschrieben und ist im August diesen Jahres im Otto-Müller-Verlag erschienen. Ganz eindeutig folgen wir der Autorin in diesem Gedichtband durch die letzten Jahre, der Ukraine-Krieg und all die grausamen Bilder, das ökologisch unwahrscheinlich dumme Verhalten der Menschheit, Reiseeindrücke, aber auch, wie mir scheint, die Literarisierung ganz privater Momente finden sich in diesen teils mit märchenhafter Leichtigkeit, teils, wie mir scheint, die Literarisierung ganz privater Momente finden sich in diesen Teils mit märchenhafter Leichtigkeit, teils, wie ich finde, mit ziemlicher Härte ausgestatteten Gedichten. Ich bin gespannt, welche Gedichte sie heute für uns ausgewählt hat und übergebe das Wort an die Verlegerin Hötzendorfer-Fesuli. Vielen Dank. Ja, herzlich willkommen auch von meiner Seite. Die Veranstaltung heute ist eine Buch- und Verlagspräsentation. Das bedeutet, ich darf Ihnen zunächst ein wenig über den Otto Müller Verlag erzählen, über unsere Ausrichtung und das aktuelle Programm, um dann zunächst mit Sophia Lohner-Schnack und anschließend mit Birgit Müller-Wieland ins Gespräch zu kommen und beide Autorinnen lesen natürlich auch aus den Büchern. zu kommen und beide Autorinnen lesen natürlich auch aus den Büchern. Der Otto Müller Verlag wurde 1937 von Otto Müller in Salzburg gegründet. Der Leitgedanke war zunächst, jener theologisches und geisteswissenschaftliches Gedankengut zu vermitteln. Im Sinne eines Universalverlages sollte aber auch die schöne Literatur immer einen Platz bekommen und veröffentlicht werden. Und gerade die schöne Literatur sollte unter dem Motto anspruchsvoll und doch alle ansprechend ein Zitat von Otto Müller erscheinen. Zwei Jahre nach der Gründung wurde Otto Müller wegen Unvereinbarkeit mit dem nationalsozialistischen Regime verhaftet. Das war 1939 und 1941 wurde der Verlag zwangsverkauft. Im Jahr 1946 erhält Otto Müller aber von den Amerikanern ein Permit und durfte die Verlagstätigkeit wieder aufnehmen. Mit Ausnahme dieser Unterbrechung durch Inhaftierung und Zwangsverkauf, war der Otto-Müller-Verlag immer ein unabhängiger Literaturverlag und hat sich immer im Eigentum der Familie befunden. Der Geschäftsführer Arno Kleibel ist der Enkel des Verlagsgründers. Soviel zur Geschichte. Die schöne Literatur, also die anspruchsvolle Belletristik steht nach wie vor im Zentrum unseres Programms. Wir veröffentlichen aber auch wenige Sachbücher und immer schon die Lyrik. Ich hebe das an dieser Stelle besonders hervor, weil ich finde, dass es schon eine besondere Erwähnung verdient, dass ein Verlag seit fast schon 90 Jahren beständig Lyrik im Programm hat, um die Dimension zu verdeutlichen. Beständig Lyrik im Programm hat, um die Dimension zu verdeutlichen. Wir veröffentlichen zehn Bücher im Jahr, das heißt fünf im Frühjahr, fünf im Herbst und ein Titel jeweils ist immer ein Lyrikband. Außerdem erscheint seit über 30 Jahren die Literaturzeitschrift Literatur und Kritik bei uns im Verlag. 30 Jahre hat zusammen mit Arno Kleibel Karl Markus Gauss die Zeitschrift herausgegeben und seit diesem Jahrgang 2023 gibt Anna Marwan die letztjährige Ingeborg Bachmann-Preisträgerin mit Arno Kleibel die Zeitschrift heraus. Das schaut jetzt aktuell so aus. Die AutorInnen, deren Werke wir im Verlag veröffentlichen, sind vorwiegend österreichische AutorInnen, sehr viele oberösterreichische AutorInnen, um nur ein paar zu nennen. Es veröffentlicht Christian Schacherreiter, Rudolf Habringer, Karin Peschka, Leopold Federmeyer, Britta Steinwendner und natürlich Birgit Müller-Wieland ihr Werk bei uns im Verlag. Das sind schon sehr viele namhafte Autorinnen und um da jetzt den Bogen zu schlagen, es ist uns auch immer ein sehr großes Anliegen, dass wir im Jahr zumindest ein Debüt veröffentlichen und somit auch immer neuen Stimmen dazu verhelfen, an die Öffentlichkeit zu kommen. Und als letzten Punkt von meiner Seite hier allein auf der Bühne darf ich noch kurz einen Überblick über das aktuelle Programm geben. Also neben den beiden Büchern, die wir hier gleich weiter vorstellen, Also neben den beiden Büchern, die wir hier gleich weiter vorstellen, ist bei uns im Herbst ein literarisches Reisebuch von Leopold Federmeyer erschienen, die Hiroshima Capriccius. Leopold Federmeyer ist im deutschsprachigen Raum einer der besten Kenner der japanischen Kultur und seiner Gesellschaft. Er lebt seit fast 17 Jahren in Japan und begibt sich in diesem Buch als autobiografischer Erzähler vorwiegend zu Fuß, aber auch mit dem Fahrrad und dem Boot auf Regionalreise in seiner Heimatregion Hiroshima. Was er dabei alles beobachtet, wohin ihn die Reflexionen über die japanische und die europäische Gesellschaft führen, das kann man eben in diesen Capriccius, in diesen Stücken nachlesen. Seit Dezember 2011 schreibt Julian Schutting zweifellos einer der wichtigsten zeitgenössischen österreichischen Lyriker regelmäßig Auffälligkeiten aus seinem Alltag nieder. Anlass für dieses Niederschreiben sind Zeitungsmeldungen oder Gesprächsfetzen, die er irgendwo in der U-Bahn aufschnappt, Opernarien, Reiseeindrücke und Kindheitserinnerungen. Und dieses Buch auf vertrauten Umwegen ist der erste Band einer mehrteiligen Tagebuchedition, die jetzt jeden Herbst erscheinen wird, also ein Band wird jeden Herbst erscheinen. Und außerdem ist ein Erzählband von Rudolf Habringer erschienen, diese paar Minuten, er wurde auch kürzlich hier im Stifterhaus präsentiert. Dieses Buch versammelt zwölf Erzählungen über menschliche Abgründe Die Protagonisten sind alle irgendwo verbunden Nicht nur durch irgendwelche Bekanntschaften, von denen Sie nicht unbedingt was wissen Sondern auch durch Ihren Lebensraum Es sind nämlich alle Erzählungen hier im Zentralraum Linz angesiedelt So viel zu unserem Programm oder zumindest zu den drei Titeln, die wir jetzt heute nicht näher vorstellen. Sie finden alle Bücher auch am Büchertisch, also können sich da noch näher damit beschäftigen, wenn Sie wollen. Ich würde dann dich, Sophia, zu mir bitten. Wir starten mit einer kurzen Lesung, damit Sie dann auch wissen, worüber wir sprechen, wenn wir dann ins Gespräch kommen. Einlaufen. Generationen und Gegenwart. Es ist ein Abfahren mit verinnerlichter Strecke, mit vorgezeichneten Freuden. Eine nach der anderen zählen, überprüfen die vorbeiziehende Landschaft, ob alles noch da, dasselbe empfinden. Es ist ein Vorbeifahren an Generationen der Urgroßmutter, ob sie die Uferpromenade oft gegangen am funkelnden Fluss. Ein Vorbeifahren an Kriegsjahren der Großmutter, des Großvaters, ob sie hier einsam. Es ist an ihnen Vorbeifahren, wenn aus den Feldern der aufsteigende Dampf, wenn ab dem Umsteigen der Cut im Gefühl, wenn jede Kurve vertrauter, der Blick pendelt, hüpft, zwischen Fenstern nichts versäumen. Es ist an ihnen vorbeifahren in wachsender Unruhe, wenn die Gleise direkt am Wasser, wenn der Waggon sich neigt über Autos, deren Lenkbewegung du kennst, sich neigt über Schwäne, über durchlässige Eiswellen am Strand. Wenn du dich freust über den leeren, bummelnden Zug, wenn du suchst nach Bergen vergangener Sommer, kannst immer besser benennen, immer mehr kribbelngegangene Wege in dir. Es ist ein Generationen-Vorbeigleiten, wenn die Fetzenweiber einsteigen in den Zug, singend aus zerrissenen Kleidern ihrer Fahne mit Faschingskrapfen, die sie verschenken. An ihnen vorbeigleiten, wenn durch das Fenster zum ersten Mal der Hausberg seine angezuckerte Wand, nur kurz dann die schmäler werdende Trasse. Es ist an ihnen vorbeigleiten, wenn sich der Fels drängt in die Scheiben, wenn niemand aussteigt in der salzigen Stadt, niemand, um mit dem Boot überzusetzen, niemand, um in die Eishöhlen zu gehen. Siehst beim Vorbeifahren eure Besucher hier immer bei schnürlenden Regen. Siehst an vorbeiziehenden Stränden dein schärferes Schauen, dein gewachsenes Erinnern, übermalt jedes Mal eure Jahre. Es ist an ihnen Vorbeifahren, wenn dein Blick immer schneller spulende Filme streift, spulende Filme aus wartenden Stellen, bis es immer plötzlich nur mehr ein Sprung, bis deine Augen eurer Fußstrecke folgen, dem Großvater am Bach seinen gleichmäßigen Schritten, bis du beim Anziehen am Zugfenster pickst, das nicht geöffnete Buch, die nicht gelesene Zeitung wieder in die Tasche legst. Bis selbstredend das Durchsagen der Haltersteller eine Stimme fasst dir allein. Steigst als Einzige aus dem Zug vor das isoliert stehende Bahnhofsgebäude. Dabei strömt er in dich, der klare, schneidende Geruch nach sofortigem wie vergessenem Ankommen, nach einem Mischen von Erde, Eisen, transparentem Atem. Gehst über die beiden Gleise zum Vorplatz, prüfst die immer gleichbleibenden Schilder zu wandernder Wege, prüfst die unveränderten Zeiten des Busses, hältst dich beim Warten an das empfangende Rauschen des Baches, um angestauten Lärm sein Freiwerden zu bremsen, wie ein Klopfen diese Stille überfordert, wie ein Tropfen von Schnee auf Bergen, wie ein Knall von Licht dich weitet. Im Bus wie jedes Mal dein Zittern um das alte Ortsschild mit der Kutsche, willkommen im Luftkurort, ist noch da, wie der Wunsch, dich zu kennen, wenn du den Busfahrer deinen Ausstieg nennst. Mit dem Zuschieben der Bustür fällt das Bild ab, immer am Rücken zum Schlafen, jetzt in direkten Einfließen zu dir. Blinzelst nach dem Zuschieben der Bustür in Formen, von der jeder Einzelne dein Aufwachsen wirft. Hältst dich an der Summen immer stärker nach örtlichem Klingen zu jedem Gebäude eure Gesichter. Kein Suchen, nur Nachgehen automatisch von Gassen, zwischen Bäumen, deren Konturen du im Sommer, im Winter kennst. Siehst auf jetzt kahlen Februärchen noch orangene Nadeln des Oktober, denkst auf ihren hölzernen Armen schon grünen Julisaum. Es ist ein Ankommen zwischen Menschen, die sich erinnern, die Fragen zum Haus deines Kindseins, die Fragen zum Haus, das nicht mehr steht, dem du nachjagst mit jedem Besuch wie ein Hoffen auf Gegenwart. Wieder umfängt dich das Betreten einer fremden Veranda, umfängt dich ihre erste Wärme, wieder stockt dein Greifen auf eine fremde Klinke, wie eure damals, die verschmolzene. Siehst, wie auch hier die Stiegen hinauf mit grünem Gummi geklammert, ihr Knarren wie oben, also wie damals bei euch, wie oben die trockenen Sträucher von Spalierrosen, nur hier junges Holz, das weiter strömt aus Zirben. Wie immer als erstes den aufreißender Fenster für Geruch tauender Kälte, für Quellen des Laufen des Baches, für Sonne durchs Zimmer. Fernes Aufheulen vom Muttersegen spiegelt dein Öffnen als Kind jeden Morgen, dein Öffnen als Kind jeden Morgen von doppelten Flügeln, zwischen ihnen einrasten haltender Ja, Feuchtes Holz ist der Debütroman von Sophia Lunraschnack, der in diesem Herbst bei uns im Otto-Müller-Verlag erschienen ist. Und das zentrale Thema des Buches ist das körperliche und das emotionale Nachwirken von unter anderem Kriegserfahrungen über mehrere Generationen hinweg. Die Protagonistin, die reist zu ihrem nicht mehr stehenden Familienhaus in Salzkammergut. Sie geht frühere und gegenwärtige Orte ab und im Erinnern beginnt ein Aufarbeitungsprozess beziehungsweise eine Bewusstwerdung dieser Übertragbarkeit von Traumata. Gleich eine Frage an dich, Sophia. Wie werden denn diese Erinnerungen bei der Protagonistin ausgelöst? Ja, sie werden nie quasi von innen gewollt aktiv ausgelöst, sondern durch das Abgehen von Wegen der Kindheit wird sie überrollt mit früheren Eindrücken, Bildern, Stimmen und aus denen spulen sich dann quasi Erinnerungen ab, denen sie versucht nachzukommen. Das heißt, auch ein sehr sinnlicher Roman, also Gerüche, das Spüren, eben wie du gesagt hast, das Außen, das ist sehr wichtig und man ist dem so ein bisschen ausgeliefert, also die Protagonistin. Und es ist dann eben auch ein sehr zentraler Aspekt, der Zusammenhang zwischen diesen Sinneseindrücken und dem Erinnern, also auch dieser Erinnerungsprozess an sich wird thematisiert. Im Erinnerungsprozess setzt sich die Protagonistin ja auch mit der Frage auseinander, ob man überhaupt ausbrechen kann. Also du arbeitest auch viel mit Wiederholungen und die wirken stellenweise auch ein bisschen zwanghaft. Also die Protagonistin kann eben gar nicht so recht entkommen. kommen und das ist auch schon ein bisschen eine bittere Überlegung, weil ja gerade unsere Generation sich sehr intensiv damit auseinandersetzt, mit diesem Aufbrechen von Traumata und diesem Unterbrechen und das Unterbrechen auch von Verschweigen innerhalb der Familie und in der Gesellschaft. Und war dieser Ausgangspunkt da auch eine Überlegung für dich beim Schreiben des Romans? Du meinst jetzt das Repetitive und Wiederholen oder das Durchbrechen von Schweigen? Beides. Ja, okay. Also zu diesem Wiederholen, ich glaube, das sind viele Aspekte, die da mitspielen. Zum einen so der Rhythmus, das Musikalische, dass halt zentrale Bilder wiederkommen, dann sich ja auch so wie Erinnerung selbst arbeitet, ja nicht linear von A bis Z, sondern da kommt was, dann kommt es wieder und manchmal ist man erst beim vierten Mal fertig mit einer Erinnerung sozusagen und auch es geht ja stark um Wiederholung, Geschichte, die sich wiederholt und aus der Menschen irgendwie nicht auskommen, auch wenn zwei konkrete Kriege hier jetzt thematisiert sind, stehen die halt allgemein für das Kreisen von Krieg. Bittere Gedanken. Ich würde aber gleich springen zu einem anderen Aspekt, weil das Besondere, Sie haben es auch gehört, an diesem Buch ist definitiv die Form. gehört, an diesem Buch ist definitiv die Form. Es ist ein manchmal ganz unmerkliches Ineinanderfließen von Prosa in Strophen und Verse und wieder zurück. Somit ist dann nicht nur das Thema des Buches mit den transgenerationalen Traumata ein sehr aktuelles, sondern eben auch die Form, die du dafür gewählt hast, für dessen Bearbeitung. Es ist auch ein Aufbrechen hier wieder von Gattungsgrenzen. Und somit ist das Thema und die Form auch gekoppelt. Meine Frage dazu, hast du das auch so gewählt? Oder warum hast du diese außergewöhnliche Form für deinen Text gewählt? Oder wie hat sich das ergeben? Ich habe es nicht gewählt, sondern es hat sich wirklich beim ersten Kapitel, das ich jetzt gelesen habe, sofort aufgedrängt, dass aufgebrochen wird, eigentlich nicht erzählbar ist, weil Erzählen ja immer etwas mit Verstehen zu tun hat und etwas kohärent darstellbar ist. Und das ist der Stoff auch überhaupt nicht. Und dann hat Lyrik immer auch etwas Zeitloses für mich. Lyrik immer auch was Zeitloses für mich. Und es geht auch viel um Tempo, um Spielen mit Tempo, um ein Anhalten und ein Konzentrieren auf einzelne Wörter, Bilder, Klänge. Das ist ja auch ein Aspekt, mit dem du dich ganz grundsätzlich in deiner Literatur befasst, also die Musikalität der Sprache. Und das kommt da mit dem Rhythmus ja auch wieder ganz klar raus. Genau. Finde ich auch sehr schön, dass das so merklich ist. Die Prosa-Anteile, die sind aber dann doch sehr spezifisch auf Faktisches ausgerichtet, auf das Leben der Großeltern, wenn daraus erzählt wird und historische Ereignisse beim lyrischen Ich, wenn Erinnerungen aufkommen, dann gehst du eben über in diese Versform und das finde ich, oder habe ich mir beim Lesen einfach oft gedacht, ist eigentlich sehr spannend, weil das diesen Erinnerungsprozess an sich auch sehr imitiert. Also dieses Willkürliche auch von Erinnerungen, die man sich dann gar nicht so wehren kann. War das dann eine bewusste Überlegung, welche Inhalte du mit welcher Form transportieren möchtest? Also es ist bald bewusst geworden, zuerst ist es auch so gekommen, dann habe ich mir überlegt, warum eigentlich, wann, welche Form und dann habe ich halt festgestellt, okay, dass wenn der Text vorangehen möchte, wenn Fakten kommen, Historisches kommt, dann war es Prosa und sobald es dann mehr um das Sinnliche, um das eigene Wahrnehmen ging, ist es oft auch ganz langsam zu Lyrik übergegangen. sondern es hat sich von Anfang an eigentlich so abgezeichnet. Ja, genau. Und in der Perspektive dann auch, weil, also meine Frage, hast du diese Erzählperspektive mit dieser Du-Anrede, die hat sich auch so ergeben. Ja, genau. Also von Anfang an einfach diese Form da und so hat sich der Roman dann fortgeschrieben. Ja, also scheinbar funktioniere ich da sehr intuitiv und nachher verstehe ich dann, warum jetzt in dem Fall das du, aber das weiß ich vorher irgendwie nicht, das war einfach da, aber es hat für mich jetzt stark damit zu tun, dass die ganze Geschichte oder Nichtgeschichte auch übertragbar ist und dass man sich als Leserin sofort angesprochen fühlt und es klar ist, dass es jetzt als leserin sofort angesprochen fühlt und es klar ist dass es jetzt nicht eine autobiografische erzählung sein soll also das steckt für mich in dem du alles drin genauso kommt es auch rüber also die erinnerungs verse die suggerieren dann, es ist die eigene Erinnerung in dieser Form der Ansprache. Also man fühlt sich sofort da auch hineingezogen und mit angesprochen irgendwo. Also man kann sich das auch sehr gut so als Prinzip vorstellen. Genau, und ich glaube, es sind auch, auch wenn manche Bilder schon sehr spezifisch sind, gleichzeitig glaube ich, dass sehr viele Menschen sich gleichzeitig an etwas erinnern aus der eigenen Kindheit und natürlich das Historische betrifft jetzt auch nicht eine Familie, also dieses Übergreifende war mir eben sehr wichtig. Und auch so das Spiegel zwischen dem Individuellen und Kollektiven. Ja, sehr aspektreiches Buch, auf jeden Fall. Man kann da wirklich über sehr viele Themen sprechen. Es macht sehr vieles auf. Ich würde jetzt an dieser Stelle nochmal an dich übergeben, um nochmal aus dem Buch zu lesen. Wir haben ja dann auch nochmal einen zweiten Part. Aber eine letzte Frage vielleicht dann noch, weil es eben auch so reichhaltig ist, dieser Text und so viele Punkte aufmacht. Die Frage, die ich mir noch gestellt habe, war, was war denn bei dem Text zuerst da? Also war es eben dieses Thema, diese Übertragbarkeit von Traumata oder ich habe mir auch überlegt, war es vielleicht erst ein Gedicht, das eine Erinnerungsszene beschrieben hat und es hat sich dann ausgewachsen zu einem größeren Text oder auch dieser Erinnerungsprozess an sich, diese Beschäftigung damit? Also als erstes war wirklich und schon sehr lange wirklich der Verlust vom Familienhaus da und es hat mich sehr beschäftigt, wie geht man damit um, wenn die Wände, wo man irgendwie groß geworden ist, die alles von einem wissen und die halt vorgetäuscht haben, sie werden immer da sein, plötzlich weg sind. Also dieser Ausgangspunkt, das war quasi eben dein Haus. Genau, und dann kein Gedicht, sondern auch so schwankend zwischen Prosa und Lyrik einmal eine Skizze, einen Entwurf, der dann auch in den Manuskripten erschienen ist. Und dann war mir klar, gut, da möchte ich jetzt was Langes draus machen. Was ja sehr gut gelungen ist. Dann würde ich sagen, liest du noch mal aus dem Buch. Stickige Verstrickungen. Er ist wie vor dir, wie unter deinen Zehen, dieser dunkelgrüne Boden des Vorzimmers. Er strömt wie vor dir, wie unter deiner Nase, sein kalter Geruch nach feuchter Mauer. Der Tisch gleich beim Eingang mit großem Feldstecher, schwarz. Der bleiche Stoff weiter hinten, der durchgesessenen Bank zum Schuhe binden, vor verdunkelnden Spiegel der kleine bräunliche Kamm, die rote Taschenlampe mit braunem Teserband rundherum, die zerfallen, die niemand ersetzt, seit 1944 in der Stadt alles zerbombt. Seitdem durfte man die Taschenlampe nicht ersetzen. Seitdem die Urgroßeltern mit ihren Söhnen, mit den Zwillingen in das Haus geflüchtet, in das Haus, das thront über dem See, in das Haus, das thront am Waldrand, mit der schon 1944 markanten, mit der schon 1944 uralten Kastanie. Seit 1945 die Familienwohnung des Urgroßvaters abgebrannt, gerade noch am allerletzten Kampftag. Seitdem durfte man die Taschenlampe mit dem Tesaband rundherum nicht ersetzen. Seitdem ein Menschenleben nichts mehr war, gegen das Leben, das Überleben über Generationen dieser Kastanie, seitdem sie hierher in den abgelegenen Ort, in dem alle Willen von Juden entleert, von dem aus weiter transportiert, abtransportiert wurde, zwischen Gletscherzunge und Habichtskauz. Angeblich hat der Urgroßvater abgelehnt, verweigert, als das Übliche kam, das übliche Angebot, einer der entrümpelten Villen zu beziehen, das übliche Angebot, ihre Räume zu arresieren, zwischen Loser und Saarstein das Gesicht zu wandeln. Beim Gehen über Wiesenwege deiner Kindheit siehst du es jetzt, dieses Erstrecht, also nicht im Gegensatz, sondern das hier Erstrecht in dieser Idylle, die ideale Kulisse für Volkstum und Heimattreue. durch Freudebewegung. Zunächst noch der Widerstand, der Widerstand eines überlaufenden Fasses. Hitler aufs Korn genommen, aufs Korn genommen mit Kostümen aus Krepppapier, mit Hüten aus Rinde, mit hobelschaternen Locken, mit Kochlöffeln und Besen als Waffen. Dann immer schneller das Überrollen, das Überrollen von dörflichen Anzeigen zum Darmbluten, zum Terror in elenden Gassen. Im Krieg heißt es, zwischen Dachstein und Losa färbt sich langsam Rosa. Im Krieg heißt es, kann Karneval nicht das Zepter führen. Angeblich hat der Urgroßvater abgelehnt, angeblich hat er sich verweigert gegen die Bonzen. Du fragst, hätte es man dir sonst gesagt? Du hast das Bild vor dir, das Foto in schwarz-weiß, hast das Bild vor dir von der sonnenverbrannten Fassade, von ihren verbogenen Holzbrettern, extremen Witterungen exponiert. Auf dem gebogenen Papier des Fotos, die Urgroßmutter mit dem Urgroßvater, sie stehen und winken in schwarz-weiß, wie nach ihnen der Großvater mit der Großmutter stehen und winken in Farbe. Winken mit flatterndem Taschentuch, wenn nur eingebogen mit dem Vater, wenn er abgefahren. wenn du eingebogen mit dem Vater, wenn er abgefahren. Vielleicht ist dieses Foto in schwarz-weiß, geschossen vom Großvater kurz nach dem Krieg, als er schon wusste, dass sein Bruder gefallen. Gefallen vom dicksten Ast der Kastanie, auf dem sie vom Einrücken beide gesessen, angstlos lachend. Gefallen in Treue ergebend zu Hitler, stand auf dem Brief mit dem Reichstempel, den der Postbote überreichte der Urgroßmutter, der Mutter vorm Haus mit der Katze am Arm. nicht gesendet in die amerikanische Gefangenschaft. Erst als der Großvater zurückkam zum Haus, zur Kastanie, dann seinen Bruder nicht fand. Seitdem das schwarz gerahmte Foto auf dem Regal oben im Eck, seitdem die trockene Rose langsam verblassend vor dem 19-jährigen Mann, seinen blonden Wellen, blauen Augen, vor seinem melancholischen Blick, den du nicht kanntest, du immer fixiert. Seit kurzem spricht sie, die Großmutter spricht in Fetzen, immer wieder dieselben Szenen, immer wieder die sich formen zu klaren Ausschnitten, zu einzelnen, abgehackten, überdeutlichen Bildern. Erzählt, dass nur die Mutter die Zwillinge auseinandergehalten, die bei Bologna für immer getrennten Brüder. Nur die Mutter kannte die Merkmale, die Muttermale, die den in Ungarn Gefallenen vom Großvater unterschieden. Nur sie kannte die abweichenden Formen, für sie so klar, was für andere unsichtbar. Dass er das nicht verstand, scherzte manchmal der Großvater. Also warum niemand ihn und seinen Bruder auseinandergehalten, dass er seinen Bruder von hinten erkannt. Nur die Mutter hatte ertastet, blind, die Konturen des verlorenen Körpers, dessen Namen golden graviert unter so vielen anderen golden gravierten Namen die Tafel der Gefallenen, der Gefallenen des Ortes, deren Körper anderswo verstummt. Später war die Mutter nie am Soldatengrab in Petsch, nie am leeren Grab mit dem falschen Geburtsdatum ihres Sohnes, sein Sterbedatum unverrückt. Sein Soldatengrab, dessen Stelle auch der Großvater suchend nie gefunden haben wird. Es blieb für die Mutter, den Vater, den Bruder ein substanzloses Erinnern am Grabstein des Friedhofs am See. Nur in Gedenken an, nur ein nie abgeschlossenes Scheiden eines körperlos, ortlos, nie Ruhenden. Wo ist mein Bruder? fragte der Großvater in seine letzten Wochen hinein, als er seine Kontrolle verloren, in seinen letzten Oktoberwochen plötzlich, das Sprudeln dieser innigen Liebe, dieser innigen Liebe zu seinem Bruder, der immer eine Silhouette geblieben. Seinem Bruder galten die letzten Fragen des Großvaters, sein Zurücksteigen in ein verständnisloses Kindsein. in ein verständnisloses Kind sein. Bloß, dass es ihm noch recht gut ergangen drüben, damit meinte der Großvater mehriger seine Gefangenschaft, bloß viel besser als euch hier. Mehr hat er nie erzählt, immer wieder in seinen Gesten, in seinen Augen, die Toten, immer wieder, wie er vor seinen eigenen Händen erschrak. Eine Zeit, die nicht deine, die du gespürt, aus weitergegebenen Schweigen, abgewirkten Empfinden, übertragenen Trennungen, aus Trennungen, in die hinein die Großmutter jetzt bricht, in die hinein sie immer wieder bricht, dass sie vorbeigegangen mit ihrer Mutter an den Buben im Baum dass die beiden so mitten im Krieg vom Ast frechgrinsend heruntergeschaut dass wenige Jahre später nur mehr der eine ihr zukünftiger Mann und dass er nicht mehr am Ast sondern auf der Bank darunter gesessen jetzt bricht sie, erzählt sie immer wieder die Großmutter, dass sie im Sommer 1939 das erste Mal hierher gekommen zum See mit ihrer Mutter und dem Maler Hans Frank, dass sie im Haus Nummer 19 gewohnt, dass sie es geteilt mit Deutschen aus Schweinfurt, dass unter den vorbeimarschierenden Soldaten die Verehrer ihrer älteren Schwestern, dass sie sich vorm Stall getroffen, dass die Großmutter als Jüngste derweil die Schweine gefüttert mit Plätschen. Du willst es finden, dieses Haus Nummer 19, stapfst durch härter werdenden Schnee, stapfst Abendröte entgegen, Eis überzieht deine Zehen, wieder einen Ort seinen Körper nicht finden, denkst du. Heimkehren müssen, trotzdem heimkehren. Es Nacht über ihm seinem Fehlen werden lassen. Stehst vor der Eingangstür, um deine Schneesohlen abzuklopfen. Deine Augen wandern, nicht mehr suchend, überfliegen, 19. Dass es hier war, ausgerechnet hier, also in dieser Veranda, durch die du jetzt gehst. Wie du unbewusst, noch mehr unterbewusst deine Schritte in die Ehren gesetzt, 80 Jahre nach der Großmutter, ihrer Mutter und dem Maler Hans Frank. Wie du unbewusst, noch mehr unterbewusst dieselben Stiegen gewählt, dieselben Stiegen, um dasselbe Knarren zu hören, dasselbe Knarren wie sie. Erzählt, dass sie 1943 verschickt aus der Stadt mit ihren Schwestern zu Verwandten nach Gmunden zum benachbarten See, zunächst am Kirchplatz Nummer 1 in das kleine Zimmer, in dem sie zu viert geschlafen, unter dem Esstisch ineinandergreifend, dann in der salzfertiger Gasse Nummer 3, das immer der notwendige Vorrat zu Hause, der notwendige Vorrat an Tabletten für den Notfall, um schnell zu sterben, bei Bedarf, auf Abruf. Dann würde ich sagen, machen wir den zweiten Teil. Das Buch, das Birgit Müller-Wieland uns heute vorstellt, ist im August bei uns im Otto-Müller-Verlag erschienen. Im Blick der beschämten Bäume ist ihr nunmehr dritter Gedichtband. Er umfasst drei Zyklen, die dem übergeordneten Thema der Grenzerfahrungen zugeordnet werden können, aber in ganz unterschiedlichen Ausprägungen. Birgit Müller-Wieland ist eine ungemein vielseitige Autorin. Wir haben es zu Beginn schon gehört, sie ist eigentlich in allen Gattungen unterwegs. Sie hat Romane verfasst, einer davon hat es auf die Longlist für den Deutschen Buchpreis geschafft. Gedichte, Erzählungen, Essays, Hörspiele, Libretti. Ich behaupte, es ist kein allzu häufiges Phänomen, dass AutorInnen in allen Gattungen so meisterhaft unterwegs sind wie du. Gibt es oder wie spielt sich das bei dir ab, gibt es eine Gattung, wo du dich im Schreiben am wohlsten fühlst, die dir am ehesten liegt? Schwierig, das kann ich jetzt gar nicht sagen, weil jedes, jeder Impuls sucht sich seine eigene Form, also Schreiben ist nichts, wie auch Sophia gesagt hat, so geht es mir auch, nichts, wo man sich hinsetzt, so und jetzt fange ich einen Roman anung, die man plötzlich spürt und da drängt was heraus. Ich kann es nur so nebulös formulieren. Natürlich versucht man so oft wie möglich, diese Energie aufzubauen, um zu schreiben. Aber es gelingt oft nicht und manchmal einfach bei banalen Tätigkeiten wie beim Putzen oder beim Kaffeeheferl ausspülen, kommt plötzlich so ein Bild oder eine Ahnung von etwas und man muss sich sofort dem hingeben. Und dann ist es so wie ein pflanzliches Wachstum. Und da muss man aber dann dabei bleiben. Das darf man nicht mehr verlieren. Und es gibt, um auf diese Gattungsfrage zurückzukommen, natürlich unterschiedliche Anforderungen. Also ein Libretto schreibt man nicht einfach so, wenn man niemanden hat, der das irgendwie dann vertont. Das ist ein Auftragswerk. Und da muss man funktionieren. Und das ist eigentlich eine sehr schöne Arbeit, weil man im Austausch mit jemandem ist, der komponiert. Und das andere, Gedichte schreiben, Romane und so weiter, das ist einfach diese einsame Tätigkeit. Das heißt, es kommt dann quasi wie es kommt, du überlegst dir nicht vorher, es gibt irgendwie ein Thema, das dich beschäftigt und das wird jetzt, das soll jetzt ein Gedicht werden oder es geht eben in dieser knappen Form oder es ist jetzt eigentlich Stoff für was Größeres, sondern es ergibt sich. Also ich weiß schon, wenn ich diese Vorahnung, das klingt so mystisch, aber das ist es nicht, dass das jetzt ein Gedicht wird oder eine Idee zu einem Roman, das ist schon ein Bogen, den man irgendwie hat, ja, innerlich, bevor noch überhaupt irgendwas passiert. Also es fällt mir einfach schwer, beziehungsweise ich schaffe es nicht, da müssten andere, die da mehr Auskunft geben können, das erklären. Ich kann es nicht. Geht wahrscheinlich den meisten dann so. Es ist schwierig. Natürlich ein Essay, da habe ich irgendwie eine Aufgabe. Einen Essay schreibe ich eher für eine Literaturzeitschrift oder es ist irgendwie, jemand sagt, für ein Programmheft brauche ich zu diesem Thema was. Das ist schon eine ganz andere Auseinandersetzung und ein ganz anderes Vorgehen. Also ich würde mal so sagen, Auftragswerke und das von innen herausgestülpte, das sind so die unterschiedlichen Herangehensweisen. Und dass zunächst mal vielleicht ein Gedicht da ist und da ist ein Thema, das dich nicht loslässt und das wächst sich dann irgendwie aus zu etwas Größerem, einer Erzählung oder einem Roman? Das könnte ich jetzt so nicht bestätigen, aber ich glaube, dass wir alle, die schreiben, mehr oder weniger so einen Grundsatz an Themen in uns spüren. Und das wird in verschiedenen Formen, wenn man in verschiedenen Formen unterwegs ist, aufgearbeitet. Also ich glaube nicht, dass man so ganz unterschiedlich da, also dass man überall erkennen kann, das sind die Themen, die diese Personen beschäftigen. Ob es jetzt Gedichte sind oder Romane, Erzählungen. Sehr spannend. Ich würde sagen, du liest gleich mal aus dem ersten Zyklus eine Auswahl, damit dann auch das Publikum weiß, worum es geht. Also wie schon erwähnt, ist das ein Gedichtband, behandelt Themen, die, glaube ich, uns alle in den letzten Jahren sehr beschäftigt haben und haben. Und im ersten Teil geht es sehr stark auch um die Ukraine. Und vielleicht erinnern Sie sich noch an diese Bilder von einer Entbindungsklinik in Mariupol, die beschossen wurde ganz am Anfang des Krieges. Und da ich selbst Erfahrung habe mit einem Kind, das im Brutkasten liegen muss am Anfang des Lebens, waren diese Brutkästen, die ich da gesehen habe, die nämlich ohne Babys übereinander gestapelt lagen, ein ganz starker Eindruck für mich. Brutkästen in Mariupol. Zwielicht. Als kämen in diesem Flur nur noch Schemen an. Als vertrügen die Wände keinen Sonnenstrahl mehr, keine eiligen Schritte die stummen Böden und alle Türen, Hüterinnen, Schock gesprengt. Am Ende dort stapeln sich Kästen aus Glas, zerbrochenes Kunststück tückischer Kräfte, Kabel, zerrissenes Wurzelwerk, schwarz wie die Monitore, welche Leben anzeigen wollen, Atemzarte Zacken, ich bin da bunt, Babyalarm. Kapuzinerhölzel München, März 2022 Der alte Mann im Wald, der mir entgegenkam, sang radelnd auf dem schmalen Pfad ein traurig fremdes Lied. Ich blieb auf einer Wurzel stehen, so lang, bis er verschwand. Den Hund pfiff ich dann her zu mir, im Ohr die Melodie, die nun nicht mehr vergeht. Hab ich das Lied verstanden? Der Mann sah irgendwie gerettet aus. irgendwie gerettet aus. Wintermorgen. Kein Schnee hier, nirgends. Und doch fällt jene eine Flocke irgendwo und Dächer stürzen. Dies Hartnäckige nicht mehr, auslöschen, tonlos, überall, wie gut wir darin sind. Sag, wo geht die Angst hin in diesem Monat ohne Ende? Der Explosion von Schneeglöckchen und Schützengräben Geht sie in die Luft hinauf zu den Raketen, Abwehrdrohnen, Fliewolken Die in Gefluchten gebeten oder geht die Angst hinunter in die U-Bahn-Schächte, Stockwerke tief in die Bunker, wo die Rolltreppen schiefe Spielplätze sind, die Schlafsäcke bunt und feucht vor Hass, blass die hustenden Kinder, Blass die hustenden Kinder ist die Angst dort, wo in finsteren Winkeln Hunde, Katzen schamvoll ihre Rücken krümmen und Frauen, die nach Blut riechen, Tampons tauschen, Witze, Schmerz und Windeln. und überkommt der Dämmer sie, neben ihre Kinder und Tiere kriechen, zärtliche Gespinste sich in ihre Träume winden, in die Millionen Träume von vergangenen Leben, vom Leichten und von der nahen Front. Untertan, Untergang. Ihr Lieben, sagen wir es mal so, die Wahrheit ist schon längst in uns hineingekrochen. Bei manchen stürzte sie ins Herz oder benebelt das Denken? Ja, ja, nicht wieder heulen und jammern. Diese Zeiten sind endgültig vorbei. Ihr fragt, wie? Wie denn? Atem, Leute, was denn sonst? Also Luft von unserem Planeten. Diese kleine giftige Wahrheit spreißelt sich auf, wenn Sauerstoff, Edelgase, Stickstoff, CO2 etc. also fahren unter die Haut, dann bricht sie aus in fideles Parasitengejohl. Oh, diese Wahrheit, ein Achterbahnrausch in unseren Adern, rauf ins Hirn und runter zum Zeh, dazwischen die Darmgeisterbahn und vorbei am hasenhüpfigen Dumm, da Dumm, das im Brustgefängnis tobt, ja, wo ist denn der Notausgang? Sowas wie ein Gott zum Beispiel wäre jetzt nicht schlecht, eine Göttin, irgendwas Kleines, Hilfreiches, Überirdisches, aber dieser blöde Befehl Anno Dunnemals, macht euch die Erde, ihr wisst schon, Anno Dunnemals, macht euch die Erde, ihr wisst schon, seitdem geht's abwärts, auch wenn wir, haha, glaubten, im Ewigen vorwärts zu sein, zum Zerkugeln, also einigen von uns hat's die Lieder gesprengt, Pech, aber auch im Dauerschleifeblick und auch wenn man die Welt nicht mehr aus dem Kopf räumen kann und auch wenn wir alle verrückt geworden sind und so tun, als wüssten wir es nicht, ihr Lieben, sagen wir es mal so. Ja, du hast es schon gesagt, also generell im ersten Zyklus drehen sich viele deiner Gedichte um den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Du beschreibst Schreckensszenarien und Kriegsschauplätze. Du schreibst eben von Bunkern, Trümmern, schockgesprengten Türen, Explosionen, Schützengräben, Abwehrdrohnen, Auslöschung. Abwehrdrohnen, Auslöschung, du setzt du diesen dort, das du beschreibst oder das das lyrische Ich beschreibt, immer auch ein hier ins Verhältnis. Also im Titel der Gedichte sind häufig die Städtenamen angeführt, sodass man genau weiß, wo man das auch verorten muss, wo sich das lyrische Ich eben befindet, wenn es von all diesen schrecklichen Dingen erzählt. wo sich das lyrische Ich eben befindet, wenn es von all diesen schrecklichen Dingen erzählt. Die Gedichte des Zyklus, die hier in Europa angesiedelt sind, sind auch oftmals datiert, sodass dieser Aspekt der Gleichzeitigkeit dieser Geschehnisse auch sehr klar herauskommt. Und während sich die Menschen eben dort in Bunkern verstecken, Menschen sterben, fliehen, verbringen wir hier die Zeit in Stadtgärten. Ab und an klingt der Frühling an und wir hören weg. Wir sind gut darin, das ist auch ein Vers. Der Grundton aller drei Zyklen ist also schon ein sehr anklagender. War das deine Intention bei der Zusammenstellung des Bandes? Also vielleicht würde ich nicht anklagend sagen, sondern so eine Grundwut. Ja. Ja, also ich finde, dass wir jetzt an einem Punkt sind, wo wir uns als Menschheit in vielerlei Hinsicht entscheiden müssen, wie wir überhaupt noch miteinander verfahren sollen und mit der Natur. Und um irgendwie noch dem eine Form zu geben, muss ich auch diese Emotionen versuchen, literarisch fassen zu bekommen, um nicht von Schmerz oder von Ohnmacht so gepeinigt zu sein, dass ich verstumme. Und ich habe auch bemerkt, dass das eine Art von vielleicht sogar Freiraum öffnet, für mich ganz persönlich, dass ich auch diese Wut zulasse. Ja. Es war auch, also ich weiß noch, ein paar Monate nachdem der Krieg begonnen hat, warst du dann auch im Verlag und hast eben gesagt, es ist jetzt der Gedichtband sehr fortgeschritten und was anderes kannst du eben auch gar nicht schreiben, weil Gedichte gerade die einzige Form sind, wo du das eben zum Ausdruck bringen kannst, was du fühlst. Genau. Also da kommt es auch, das hat mich jetzt an das Gespräch auch erinnert, was du gesagt hast. Warum ich anklagend auch gesagt habe, ist, weil in manchen Gedichten sich das lyrische Ich auch sehr konkret an LeserInnen wendet, sodass man sich dann schon auch irgendwo mit einer gewissen Verantwortung konfrontiert fühlt. auch irgendwo mit einer gewissen Verantwortung konfrontiert fühlt. Das heißt dann an manchen Stellen eben schaut nur oder schaut ganz genau hin oder mit dem Imperativ sag wird was eingeleitet, also ein Prozess eingeleitet, wo man sich als Leserin irgendwie eine Antwort zurechtlegen möchte auf das, was man da gerade gelesen hat. Das war eben so meine Gedanke dabei. Das ist interessant, weil das habe ich natürlich nicht bedacht, sondern es ist eher auch eine Anrede an mich selbst, glaube ich. Also es kommt mir vermessen vor, an potenzielle Leserinnen und Leser irgendwie so einen Appell zu starten, sondern eher so in diesem Wir bin ich natürlich selbstverständlich einbezogen. Ja, also das lyrische Ich bezieht sich immer auch selber mit ein. Es ist nicht so, dass es mit dem Finger irgendwie so auf andere zeigt, sondern es ist immer so ein Wir. Genau. Ja, wir sollten was verändern. Ja, wir sollten was verändern. Genau, und diese schon sehr intensiven Aussagen und Botschaften, diese Gedichte, die sind natürlich noch viel eindringlicher. Durch diese sprachlichen Mittel und stilistischen Elemente, die du eben einsetzt, also du gehst sehr flexibel mit deiner Interpunktion um, erzeugst dadurch auch ein sehr hohes Tempo beim Lesen. Du arbeitest viel mit Metaphern, du kriegst sehr starke und zum Teil verstörende Bilder, wenn man eben an das Gedicht mit der Geburtenstation denkt. Und gerade wenn du liest, kommt auch dieser Gleichklang auf der lautlichen Ebene sehr deutlich heraus. Also man hört es sehr gut und es wird dadurch noch eindringlicher und einprägsamer. Und gerade wenn du liest, kommt auch dieser Gleichklang auf der lautlichen Ebene sehr deutlich heraus. Also man hört es sehr gut und es wird dadurch noch eindringlicher und einprägsamer. Also die Gedichte, die sind sehr sorgfältig durchkomponiert. Und da ist eine Frage eben zum Schreibprozess. Wie lange arbeitest du da an so einem Gedicht, bevor es für dich fertig ist? Also manchmal schon sehr, sehr lange. Also manchmal schon sehr, sehr lange. Also es gibt ein längeres Gedicht, das beschäftigt sich mit der historischen Situation der Landler in Oberösterreich, also wahrscheinlich den meisten im Begriff. Und ich glaube, da habe ich drei Monate gebraucht, bis das endlich fertig war, um wirklich die größtmögliche Verdichtung zu erreichen und das zu transportieren, was ich sagen will oder was mir wichtig erscheint. Und dann gibt es wieder Gedichte, die bleiben jahrelang liegen und werden dann erst wieder neu angeschaut. Also es gibt schon noch Gedichte, die sind hier, ich glaube, fünf, sechs Jahre schon. 2015 oder so. Genau, genau. Und die wurden dann wieder neu, an denen wurde wieder neu gefeilt zum Teil. an denen wurde wieder neu gefeilt zum Teil. Also das ist wahrscheinlich, geht es allen Schreibenden so, dass man, wenn man Bücher, würde man sie wieder lesen von sich selbst, dann wahrscheinlich nach Jahren auch wieder sofort beginnen würde, oh, den Satz müsste ich unbedingt und so weiter. oh, den Satz müsste ich unbedingt und so weiter. Also Gedichte sind so kleine, überschaubare, sprachliche Steine, die veredelt werden müssen, so würde ich es jetzt einmal sagen. Und dieses Veredeln ist eine Feinarbeit, die natürlich auch zum Teil sehr anstrengend ist. Sehr schön beschrieben. Ich finde, oder was mir dann beim Hin- und Herblättern gerade im ersten Zyklus sehr aufgefallen ist, ist, dass man die Gedichte auch, also nicht querlesen, aber querlesen kann. Also sie bestätigen sich auch gegenseitig, sie knüpfen aneinander an. Also ich habe da ein Beispiel mal bei so einem Prozess, wie er mir vorgekommen ist, mal für mich notiert. Also da habe ich das Gedicht Europas Herz gelesen, das hast du jetzt nicht gelesen, wo die Ukraine beispielhaft für regelmäßige Grenzverschiebungen unter einem imperialen Aspekt angeführt wird. und da lese ich den Vers im Prunk zocken Gauner um erfundene Krale, Kreuzzüge vergänglicher Art, da lese ich die Wörter Kreuzzüge und Krale und denke eben an frühere Gebiete, wo es um frühere Kriege, wo es um Gebietseroberungen ging, unter einem religiösen Vorwand, dann lest man eben weiter zum Gedicht Untergang oder blättert weiter zum Untertan Untergang, das hast du gelesen und da liest man eben vom zum Gedicht Untergang oder blättert weiter zum Untertan Untergang, das hast du gelesen und da liest man eben vom blöden Befehl, macht euch die Erde, ihr wisst schon, seitdem geht es abwärts, also macht euch die Erde eben untertan. Das hängt alles zusammen, also es ist so ein deutliches Aufzeigen, diese Kriege, diese willkürlichen Grenzziehungen, das hat es alles irgendwie schon gegeben, das wird es irgendwie immer geben, es ist eben total willkürlich, also da spielt so viel zusammen, das hängt alles miteinander zusammen und dieses Aufzeigen, dieses Auffordern, das ist einfach wirklich sehr stark. sehr stark. Es ist auch ein Appell, wie du vorhin schon gesagt hast, so ins Tun zu kommen, irgendwie reflektierter auf sein Leben zu schauen. Das wäre jetzt eigentlich so meine Frage gewesen, also willst du da auch so aufrütteln und ein bisschen vor den Kopf stoßen? Du hast jetzt vorhin gesagt, so anklagen oder so willst du nicht, aber du willst schon irgendwo das so ein bisschen übertragen auch. Interessant, vor den Kopf stoßen. Also das hätte ich jetzt so gar nicht gesehen. Aber es ist spannend natürlich, das zu erfahren, wie das überhaupt ankommt. Im positiven Sinne. Also man fühlt sich dann so ein bisschen aufgeweckt irgendwie mit dem Moment. Das freut mich auf eine gewisse Weise natürlich, weil ich nicht bedenke beim Schreiben, was das für eine Wirkung hat. Also man versucht sein Bestes, also das am adäquatesten auszudrücken, was man empfindet und dann gibt es eben nur dieses eine Bild dafür oder diesen einen Vers oder was auch immer, dass das irgendwie fassen kann. Also, ich glaube, dass schon auch in den Beispielen, die du jetzt genannt hast, hervorkommt, dass so unterschwellig schon auch diese, das ist mir jetzt erst gekommen in den Beispielen, und vielleicht darin begründet auch eine gewisse Anklage, nämlich dass Religionen, also die extremistischen Ausformungen von Religionen uns in scheinbar aussichtslose Kriege oder Grenzverschiebungen oder alles mögliche Leid gebracht haben, wie man jetzt seit einer Woche auch wieder weiß. Und dass diese Verblendung und dieses höhere Prinzipwillen, das ja dann machtpolitisch missbraucht wird, weil denen geht es zum Teil ja gar nicht um irgendwelche religiösen und menschlicher nachvollziehbaren Suchen nach, ja, was Erlösenem, was Übergeordneten, was uns hilft und was uns tröstet. Und um diesen Missbrauch, den finde ich, den versuche ich da offenbar so, ohne dass mir das jetzt groß bewusst war, aber so unterschwellig. Das spielt immer ein bisschen mit. Ja, genau. Es ist ja auch der Titel Im Blick der beschämten Bäume sehr interessant gewählt, weil beschämt ja auch ein sehr starkes Wort ist, das irgendwo vielleicht so eine Instanz impliziert, die auf etwas schaut und jemand macht da wohl irgendwie etwas falsch oder es entwickelt sich etwas in eine falsche Richtung. Wer macht etwas falsch und wohin entwickelt sich es denn? Also das ist dann auch die Frage, die man sich stellt, die dann natürlich auch ein bisschen beantwortet wird beim Lesen. Ja, dann würde ich sagen, liest du noch aus dem zweiten Zyklus? Rosenkäfer, goldglänzend. Hinter dem Haus beginnt die Hitze. Die Wiese mit den Stangen, die weißen Leintücher schwitzen, stramme Aufbaujahre aus emsigen Kellern, sprießt Koksgeruch, hinter dem Holzverschlag brodeln blaue Blumen im Zwiegespinst und im Apfelbaum haust etwas in der Rinde, goldgrün gepanzert, ist das Geheimnis eine verzauberte Prinzessin. Mit Fühlern fordernd finden die Bücher ihre Namen. Zetunia aurata samt unsichtbaren Flügeln, schläft in der Mädchenhand, fliegt überall hin. Weihnachten wohnt der Baum bei uns. Weihnachten wohnt der Baum bei uns, ein gefangener Riese, immergrün am Balkon ins Nylon-Netz gezwängt. Wenn am Bestimmungstag, längst hat er es geahnt, unser Fuß mit Pumpbewegungen den Stamm beklemmt, seufzen seine Zweige vom Netz befreit und schwingen auf. Federndes Erinnern an Myzelgeflüster, Wurzelfeiern, Holzdasein, dehnt er sich hinein in diese fremde Wärme. Wochenlang wird der Baum so bleiben, verwundert und verziert mit Glitzerdingen Kerzenschein. Am Ende werden seine Kräfte schwinden und Nadelregen nahende Kugeltode künden, Sterne sinken, Engelssturz. Weihnachten wohnte der Baum bei uns, hinterließ kurz eine grüne Spur quer durch die Wohnung, den Hof. Womöglich erfuhr er von den anderen Trost, zu denen er nun stieß, womöglich gutgläubig und tief erstaunt wie er, begabt zur Vergebung. Kyoto Klangnetz. Der Seidenreier im silbrigen Fluss, Betonbrücken umrahmt, Glitzerstrich auf einem Bein, wie konnte im Wasserwirbel er sich nur halten, uns schalten die Ohren von offenen Kerkern, vom Spielhöllen Gebrüll, aber hier unten, weit ab vom Neonlichtspucken, vom kochenden Moloch, das Staunen am Kamo, das andere Lauschen, Klangnetz ausgeworfen und wir beide plötzlich glisandi, wellenförmig notiert. Und jetzt ein Gedicht, das dem See gewidmet ist, von dem ich komme, vom Attersee. Und da gibt es den Mythos von Adhara, der Attersee-Nixe, die verantwortlich dafür ist, dass er so glitzert, weil sie eben die ganzen Edelsteine und das Geschmeide in den See geworfen hat, nachdem die Menschen zu habgierig geworden sind, weil sie die Schmuckstücke ihnen zuvor überlassen hat. Und nachdem das nicht geklappt hat mit der Verteilung, ist alles im See gelandet und drum ist der so wunderschön. Adhara. Vom tiefen See komme ich her, vom tausendfachen Blau und dem einen Türkis, vor Urzeiten gesät mit luftiger Hand. mit luftiger Hand. Die Mirakel hüt' ich vom Perlfisch, vom Goldstaub, dem Calzit-Kristall ausflockend, den Orchestergraben mit jubelndem Blau. Und alle Winter weiß ich das Grau, das peitscht die Berge wie Mauern, sprachlos und alt, Eiszeiten schwer. Wächter sind sie an meinem Märchenmeer, dem toten Wasser, Schweberaum all eurer Träume, die ihr nicht mehr kennt. Und dann im Blick der beschämten Bäume. In den optimiertesten Wald sind wir geraten. Geschwister, dümmer als dumm, fraßen, jeden Brot krummen wir, tranken jede Quelle leer, teilten nichts mit Vogel, Wurm, Fuchs, Wolf, folgten dem Verzehr mehr, mehr. Von diesen Grinsewinselern, Influenzrieslein, Botox-Fexen, löschen, löschen, mit tausend und einer Nachtfeuerwehr und by the way, wer bitte sehr, zieht endlich mal den Spiegel runter, hält die Pole in Schach, das Passwort, den Namen, ach, den richtigen Pincode möchte man schreien und sich selbst zerreißen, was ja auch nichts hilft, nur Zaubertrank und Pharmawolke und letzter Vorschlag, ein Gedicht. Die größte Whistleblowerin aber ist die Natur und besiegen werden wir uns komplett allein im Blick der beschämten Bäume. Sie sind schon recht fortgeschritten in der Zeit. Ich stelle jetzt einfach nur eine kurze Frage zu diesem Zyklus und dann zum Abschluss vielleicht noch eine Leseprobe aus dem Dritten. Hier zeichnest du ein Verhältnis von Mensch und Natur auf unterschiedlichen Ebenen nach? Die Natur ist der Raum, der vom Mensch sehr eigennützig eingenommen wird, oftmals ohne Rücksicht auf Lebewesen, die ihn bewohnen. Der Raum wird rücksichtslos verschmutzt. Du schreibst stellenweise von einer Qualle Plastik oder von Müllstrudel im Meer, dreimal so groß wie Europa. Der Mensch macht sich die Natur zu eigens und kennt eigentlich nicht wirklich Grenzen, um eben wieder bei diesem Überthema anzuknüpfen. Welches Bild wolltest du da zeichnen oder welche Aspekte wolltest du eben in diesen zweiten Zyklus da hineinnehmen? Also ich habe jetzt nicht die Gedichte gelesen, die ja auch eine so etwas wie eine harmonische Herangehensweise an ein Naturerlebnis sind. Also es gibt da so einige Gedichte, wo Also es gibt da so einige Gedichte, wo ich versuche, den historischen Bereich auch noch mitzufassen, wo es diese Ursprünglichkeit gibt, eben von indigenen Völkern in den USA und so weiter. Wie hieß damals dieses Gebiet oder welcher Mythos, der zum Beispiel in Nevada oder Utah damals von den Indigenenvölkern wichtig war und was hat sich darüber geschichtet. Und dennoch gibt es dann dieses Glücksgefühl, an so einem Ort zu stehen und die Energie zu spüren, die von ganz früher her rührt. Also dazu fehlt uns die Zeit, aber das gibt es eben auch. Ja, es ist jetzt natürlich nicht nur anklagend. Ja, ja. Es sind ganz verschiedene Aspekte, die da aufgemacht werden. Also es ist natürlich auch die Natur etwas sehr Kraftvolles und Gewaltiges, das den Menschen gegenübersteht auf einer Ebene. Also nicht nur etwas, das jetzt einfach genutzt wird oder eine Funktion erfüllen soll. Aber eben diesen Aspekt ist mir nämlich auch sehr stark aufgefallen und ich habe mir gedacht, darüber könnten wir dann so ein bisschen ins Gespräch kommen. Aber nachdem wir jetzt schon sehr fortgeschritten sind, lese ich jetzt einen Satz noch vor, der auf dem Umschlag steht, als Hinleitung quasi zum dritten Part, da ist notiert, Gedichte klopfen an, stören, drängen sich auf, wollen geschrieben werden und sie sind umso fordernder, je größer die Erschütterungen sind. So beschreibt Birgit Müller-Wieland ihren Zugang zum eigenen Schreiben. Und das, finde ich, liest sich gerade im Hinblick eben auf den dritten Zyklus sehr programmatisch, denn diese Gedichte sind zum Teil aus sehr persönlichen Lebenserschütterungen heraus entstanden. Die behandeln Themenkomplexe wie Geburt, baldige Mutterschaft, Krankheit, Ehe, Partnerschaft und sie thematisieren Grenzerfahrungen, die im Kleinen, in unserem Alltag sich abspielen können. Und da würde ich sagen, liest du jetzt zum Schluss daraus noch und wenn du magst, kannst du vielleicht noch ein oder zwei Sätze zu einer Entstehungsgeschichte erzählen oder sonst schließen wir so ab. Ja, also ich... Ja, also ich lese jetzt das Gedicht mit den Brutkästen Mariupol, das Pendant im Privaten sozusagen. Zentrum für Pränataldiagnostik Berlin-Kudamm. Zu leise spricht der Arzt. Nein, es ist Gemunkel eines Außerirdischen, das wir nicht verstehen. Ich solle zu ihm kommen, deutet er, und sie, ja sie bitte auch. Zwei Raumschiffe schweben, landen in einer Krümmung hinterm Tisch. Der Bildschirm zeigt uns rabiate Diagramme. So also sollte es sein. Die Kurven entlang streicht sein akkurater Stift, Kopfumfang, Gewicht und Größe, rot, grün, gelb auf grau, das Gnadenlose natürlicher Zahlen und unten das winzige Kreuz, dies weiße winzige Kreuz ganz unten. Vergeblich legt sich meine Hand auf dich, kein Schmetterlingsecho wie sonst. Und hier noch sehen sie und hier und hier, außerhalb von allem, was in Ordnung gilt, der Norm entspricht, weit außerhalb. Verstehst du das, mein Kleines? Hältst du dir die winzigen Ohren zu? In gläsernem Schweigen gleiten wir Etagen hinab, öffnen die Tür. Aus Autos, Häusern, Menschen taumelt Welt, fremd und schallgedämpft. Wehen dort die Herzen deiner Eltern, fleischrote Ballons über den Dächern. Diskret und tapfer hältst du still in meinem Bauch. Im Krankenhaus heißt es, ja, sie kämpft. Piratin blind. Eine schwarze Binde über beiden Augen am zweiten Tag auf dieser Welt. Du, 40 zerbrechliche Zentimeter in metallisch-blauem Licht. Meine Hände streichelten, streich vielleicht noch zum Schluss. Ich weiß nicht, was Sie noch ertragen können. Ich glaube, ich lese jetzt einfach zum Schluss ein Gedicht, das in einer Situation oder eine Situation beschreibt, in der ich sehr, sehr glücklich war. Das ist doch ein guter Abschluss, oder? Nacht in Jerusalem. war. Das ist doch ein guter Abschluss, oder? Nacht in Jerusalem und dazu muss ich sagen, Jerusalem mit Z geschrieben und das ist in Slowenien. Days of Poetry and Wine, August 2019, also bevor die Pandemie kam und bevor vieles nicht mehr so war. Es war, als wollte der Mars die Erde küssen. Zu Rot-Orange glitt Riesemond die Hügel von Jerusalem hinauf. Ins kosmische Gefunkel, den Galaxien, Sternen zu, dem fernsten Schwarz von keinem Menschenlicht beschmutzt, schwang aus den Schüsseln zarter Hieroglyfendampf, und unter wilden blauen Trauben brachen das Brot wir, tauchten in Gegenglauben, Irrsterne, aus Staunen gemacht, aus Lachen, umflirrt von Verse schnuppen. Hineinversetzt in die Berge der Sprachen, schöpften wir frische Worte aus den slowenischen Suppen. Vielen Dank. Herr, vielen Dank den drei Damen, die den Abend, um die Worte von Birgit Müller-Wieland zu gebrauchen, veredelt haben. Das Geraschel, das Sie vorhin vielleicht wahrgenommen haben, das war kein störender Gast, sondern der Kauf eines Buches. Sie können das erwerben, hinten am Büchertisch, und die Autorinnen würden, glaube ich, auch gerne signieren. Das war es von unserer Seite. Vielen Dank an die Verlegerin Nadine Hötzendorfer-Fesoli, ganz richtig ausgesprochen und kommen Sie bald wieder ins Stifthaus. Vielen Dank und einen schönen Abend.