Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Sie sehr herzlich zur heutigen Veranstaltung begrüßen. Sie steht in der Reihe Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945, unserem Gemeinschaftsprojekt mit der Alten Schmiede in Wien und dem Literaturhaus Graz. Ich begrüße wie immer den Gesamtmoderator der Reihe, Herrn Prof. Dr. Klaus Kasperger, sehr herzlich. Herzlich willkommen. Im Mittelpunkt der heutigen Veranstaltung steht ein Roman, den viele von Ihnen vermutlich, so wie ich, in der Jugendzeit mit Spannung gelesen haben, nämlich der historische Roman Desirée der österreich-dänischen Autorin Anne-Marie Selinko, erschienen 1951 bei Allert, Delange und Kippenheuer & Witsch. Anne-Marie Selinko verstarb 1986 im 72. Lebensjahr in Kopenhagen. 1986 im 72. Lebensjahr in Kopenhagen. Wir freuen uns sehr, dass heute die Autorin, Übersetzerin und Kolumnistin Werke Kaiser Textpassagen aus dem Roman lesen und kommentieren wird. Ich begrüße Sie sehr herzlich. Herzlich willkommen. Besonders begrüßen möchte ich auch die Literaturwissenschaftlerin, Literaturvermittlerin und Herausgeberin Doktorin Christa Gürtler. Eine der Forschungsschwerpunkte ist Literatur von Frauen und sie wird heute ein Referat zu Annemarie Selinko und ihrem Roman, aber nicht nur ihrem Roman Desirée halten. Auch sie begrüße ich sehr herzlich. Herzlich willkommen. Desirée halten. Auch Sie begrüße ich sehr herzlich. Herzlich willkommen. Annemarie Selinko wurde am 1. September 1914 als Tochter des Textilhändler-Ehepaars Felix und Grete Selinko in Wien geboren. Ursprünglich jüdischen Glaubens konvertierte die Familie später zum Protestantismus. In ihrem Text über mich selbst, der der Buchausgabe des Romans Desirée hinzugefügt ist, skizziert Annemarie Selinko einige für sie wichtige Stationen und Wendepunkte in ihrem Leben. Schon von klein auf, so Selinko war es ihr Wunsch, Schriftstellerin zu werden. Bereits als 13-jährige Schülerin im Gymnasium veröffentlichte sie eine Kursgeschichte in einer Wiener Zeitung. Und noch am Tag der gut überstandenen Matura mit 17 Jahren bewarb sie sich bei einer Wiener Zeitung als Journalistin. 17 Jahren bewarb sie sich bei einer Wiener Zeitung als Journalistin. Sie bekam die Stelle und arbeitete fortan neben einem Geschichte- und Sprachstudium für verschiedene Printmedien. Mit 20 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Roman, ebenfalls in einer Wiener Zeitung. Der Roman erschien dann unter dem Titel Ich war ein hässliches Mädchen drei Jahre später als Buchausgabe. Titel Ich war ein hässliches Mädchen drei Jahre später als Buchausgabe. Mit 23 Jahren heiratete Anne-Marie Selinko den dänischen Diplomaten Erling Christiansen und wurde suddänische Staatsbürgerin. Nach der Besetzung Dänemarks durch die Nationalsozialisten beteiligte sich Selinko aktiv am dänischen Widerstand. Sie wurde von der Gestapo für eine kurze Zeit verhaftet, konnte aber 1943 mit ihrem Mann ins neutrale Schweden flüchten, wo sie sich im Mai 1945 an der Initiative des Grafen Volke Bernadotte, 30.000 Opfer aus deutschen Konzentrationslagern nach Malmö zu bringen, beteiligte. Wie sie später erfuhr, war ihre Schwester Liselotte aus Wien deportiert und in Auschwitz ermordet worden. Ihre Schwester Liselotte widmete Annemarie Selinko daraufhin ihren Roman Desirée. Nach dem Krieg kehrte selinko nach dänemark zurück und folgte anschließend ihr mann auf seinen einsatzorten als botschafter etwa nach london und paris sie starb wie erwähnt 1986 in kopenhagen zitat biografische und zeithistorische Bezüge eröffnen interessante Lesarten eines bisher bloß als bloße Unterhaltungsliteratur rezipierten Romans. Zitat Ende, schreibt Christa Gürtler in ihrem auf der Einladung abgedruckten Text. Klaus Kasperger wird nach Lesung und Referat mit Wea Kaiser und Christa Gürtler auch ein Gespräch führen. Wir dürfen uns also auf einen anregenden Abend freuen. Ich bedanke mich bei Ihnen allen noch für Ihr Kommen und übergebe das Wort an Wea Kaiser. Ja, dankeschön, ganz herzlich. Es ist für mich wirklich eine wahnsinnig große Ehre, aus diesem Roman lesen zu dürfen, weil es ist für mich einer der faszinierendsten, spannendsten, unterhaltsamsten und gleichzeitig aber auch klügsten Romane der österreichischen Literaturgeschichte über eine historische Frau, die zur Kronzeugin der Geschichte wurde, aber nicht bloß Zaungast, sondern auch wirkende Macht im Leben zweier sehr bekannter historischer Persönlichkeiten. Napoleon, den brauche ich Ihnen nicht vorstellen, und General Bernadotte, dem Ahnen, Urahnen des heutigen schwedischen Königshauses. Diese Geschichte ist allein schon faszinierend. Ich wusste, bevor ich diesen Roman gelesen habe, zum Beispiel gar nicht, dass das schwedische Königshaus eigentlich aus einer bürgerlichen Familie hervorgegangen ist. Aber was das Ganze so besonders macht, ist die Perspektive. Die Perspektive einer Frau, einer Heldin, die einen Blick auf Geschichte entwickelt, den man so eigentlich im klassischen Kanon nicht kennt. Der Blick einer Liebenden, der Blick einer Mutter, die Dinge anders wahrnimmt und einordnet, als wir es so bekannt in der Literatur immer vorfinden. Aber ich möchte Ihnen diesen Blick jetzt natürlich vorstellen und darf gleich beginnen mit dem Anfang Marseille, Anfang Germinaljahr 11, Ende März 1794 nach Mamas altmodischer Zeitrechnung. Ich glaube, eine Frau kann viel leichter bei einem Mann etwas durchsetzen, wenn sie einen runden Busen hat. Deshalb habe ich mir vorgenommen, mir morgen vier Taschentücher in den Ausschnitt zu stopfen, um wirklich erwachsen auszusehen. In Wirklichkeit bin ich natürlich schon ganz erwachsen, aber das weiß nur ich und man sieht es mir noch nicht richtig an. Letzten November wurde ich 14 Jahre alt und Papa schenkte mir zum Geburtstag dieses schöne Tagebuch. Es ist natürlich schade, diese feinen weißen Seiten vollzuschreiben. Dieses Buch hat auch ein kleines Schloss und ich kann es absperren. Nicht einmal meine Schwester Julie wird wissen, was darin steht. Es ist das letzte Geschenk von meinem guten Papa. Mein Papa war der Seidenhändler François Clary in Marseille. Er ist vor zwei Monaten an Lungenentzündung gestorben. Was soll ich denn in dieses Buch hineinschreiben? fragte ich ratlos, als ich es auf dem Geburtstagstisch fand. lächelte und küsste mich auf die Stirn. Die Geschichte einer französischen Bürgerin, Eugenie Desirée Clarin, sagte er und bekam plötzlich ein gerührtes Gesicht. Ich beginne heute Nacht, meine zukünftige Geschichte aufzuschreiben, weil ich so aufgeregt bin, dass ich nicht einschlafen kann. Deshalb bin ich leise aus dem Bett gekrochen. Hoffentlich wacht Julie, die im selben Zimmer schläft, nicht durch das Flackern der Kerze auf. Julie würde mir nämlich einen schrecklichen Krach machen und aufgeregt bin ich, weil ich morgen mit meiner Schwägerin Susanne zum Volksrepräsentanten gehen soll, um ihn zu bitten, Etienne zu helfen. Etienne ist mein großer Bruder und es geht um seinen Kopf. Vor zwei Tagen kam plötzlich die Polizei und verhaftete ihn. Wir wissen nicht warum, aber so etwas kann leicht in diesen Zeiten passieren. Es ist ja noch nicht einmal fünf Jahre her, seitdem wir die große Revolution hatten und manche Leute behaupten, sie sei noch gar nicht zu Ende. Jedenfalls werden jeden Tag viele Leute vor dem Rathaus Gui turniert und es ist lebensgefährlich, mit Aristokraten verwandt zu sein. Aber wir sind Gott sei Dank nicht mit feinen Leuten verwandt. Papa hat sich selbst hinaufgearbeitet und den winzigen Kaufmannsladen seines Vaters in eines der größten Seidenwarengeschäfte von Marseille verwandelt und Papa war sehr froh über den Beginn der Revolution, obwohl er knapp vorher Hoflieferant geworden war und der Königin blauen Seidensamt schickte. Der Stoff ist nie bezahlt worden, sagt Etienne. Papa hatte feuchte Augen, als er uns das Flugblatt, in dem zum ersten Mal die Menschenrechte abgedruckt waren, vorgelesen hat. in dem zum ersten Mal die Menschenrechte abgedruckt waren, vorgelesen hat. Der erste Satz verrät uns schon mal richtig viel über diese Figur. Ich finde, es ist einer der besten ersten Sätze in der Literaturgeschichte. Ich glaube, eine Frau kann viel leichter bei einem Mann etwas durchsetzen, wenn sie einen runden Busen hat. Über den Inhalt müssen wir nicht diskutieren, aber er zeigt uns diese Figur. Das ist eine, die weiß, wie der Hase läuft. Das ist eine denkende Frau, eine, die genau diese Mechanismen von Macht und Ohnmacht beobachtet. Kein naives Hascherl, sondern eine aufmerksame Beobachterin, kokett, süffisant, zuweilen sogar ein bisschen zynisch und vor allem aber auch sehr empathisch. Dieses junge Mädchen wird auf den folgenden Seiten nicht nur dabei helfen, ihren Bruder wieder freizukriegen, sondern auch noch so a passant zufälligerweise einen Bräutigam für ihre Schwester Julie finden, weil die ist 18 Jahre, die sollte heiraten und da findet sie eben im Rathaus so einen jungen Beamten mit dem Namen Joseph Bonaparte. Und den lädt sie nach Hause ein, weil er ist im passenden Alter, ist ja eine gute Partie. Korsischer Flüchtling, der braucht natürlich die reiche Mitgift dieser Seidenhändlerstochter. Und im Laufe der Familienzusammenführung lernt Desirée seinen Bruder kennen, Napoleone Bonaparte. Und dieser Napoleone hält dann auch um ihre Hand an und es folgt eine sehr kurze, sehr glückliche Zeit. Es ist unsere heilige Aufgabe, sämtlichen europäischen Völkern die Begriffe Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit beizubringen, sagt Napoleone, und wenn es sein muss, mit Hilfe von Kanonen. Ich höre immer diesen Gesprächen zu, um in Napoleones Nähe zu sein, obwohl ich mich entsetzlich langweile. Das Ärgste ist, wenn Napoleone beginnt, meinem Bruder aus dem Handbuch moderner Artillerie vorzulesen. Das kommt nämlich manchmal vor und Etienne, dieser Idiot, bildet sich ein, etwas davon zu verstehen. Ich glaube, Napoleone ist ein richtiger Seelenfänger. Wenn er jedoch mit mir allein ist, spricht er niemals von Kanonen und wir sind sehr oft allein. Nach dem Abendbrot sagt manchmal nämlich Julie regelmäßig, wir sollten mit unseren Gästen ein wenig in den Garten gehen, nicht wahr, Maman? Maman sagt dann, geht nur Kinder. Und wir vier, Joseph und Napoleone, Julie und ich, verschwinden in Richtung des Gartenhäuschens. Aber bevor wir das Häuschen erreicht haben, schlägt Napoleone meistens vor, Eugénie, was halten Sie von einem Wettlauf? Versuchen wir, wer von uns beiden zuerst die Hecke erreicht. Dann raffe ich meinen Rock hoch, Julie ruft, Achtung, fertig, los! Woraufhin Napoleone und ich wie zwei Besessene auf die Hecke zustürzen. Während ich mit wildfliegenden Haaren und Herzklopfen und Seitenstechen die Hecke erreiche, verschwinden Joseph und Julie im Gartenhäuschen. Manchmal gewinnt Napoleone den Wettlauf, manchmal auch ich. Aber wenn ich zuerst die Hecke erreiche, so weiß ich, dass Napoleone absichtlich mich gewinnen lässt. Die Hecke geht mir gerade bis zur Brust. Gewöhnlich lehnen wir dicht nebeneinander an der Blätterwand, ich stütze die Arme auf und schaue die Sterne an und dann führen Napoleone und ich lange Gespräche. Oft jedoch lehnen wir auch lange Zeit stumm nebeneinander und beobachten die schlafende Wiese auf der anderen Seite der Hecke. Je stiller wir sind, umso näher sind wir ihr, dann ist mir, als ob man das Gras und die Blumen atmen hören könnte. Ab und zu schluchzt irgendwo ein Vogel auf, wie ein gelber Lampignon hängt der Mond am Himmel und während ich die schlafende Wiese anschaue, denke ich, lieber Gott, lass diesen Abend nicht vorübergehen, lieber Gott, lass mich immer neben ihm lehnen, denn obwohl ich gelesen habe, dass es überirdische Mächte gibt und die Regierung in Paris der menschlichen Vernunft einen Altar errichtet hat, so denke ich immer, wenn ich sehr traurig oder sehr glücklich bin, lieber Gott. Hast du niemals Angst vor deinem Schicksal, Eugenie? fragte Napoleone gestern unvermittelt. Wenn wir allein mit der schlafenden Wiese sind, sagt er manchmal du, obwohl sich nicht einmal Brautleute oder Ehepaare duzen. Angst vor meinem Schicksal? Ich schüttelte den Kopf. Nein, ich habe keine Angst. Man weiß doch nicht, was einem bevorsteht. Warum soll man sich denn vor etwas Unbekannten fürchten? Seltsam, dass die meisten Menschen behaupten, ihr Schicksal nicht zu kennen, sagte er. Sie glaubten ihr Schicksal nicht zu kennen, sagte er. Sein Gesicht war blass im Mondlicht, er starrte mit weit aufgerissenen Augen ins Weite. Ich zum Beispiel spüre mein Schicksal, meine Bestimmung. Und, haben Sie Angst davor? fragte ich erstaunt. Er schien nachzudenken, dann kam es schnell und stoßweise. Nein, ich weiß, dass ich sehr Großes vollbringen werde. Ich bin dazu geschaffen, Staaten aufzubauen und zu lenken. Ich gehöre zu jenen Männern, die Weltgeschichte machen. Ich starrte ihn verblüfft an. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass jemand solche Dinge denkt und ausspricht. Plötzlich begann ich zu lachen. Bei meinem Kichern zuckte er zusammen und sein Gesicht verzerrte sich. Je wandte er sich mir zu. Du lachst, flüsterte er. Eugenie, du lachst. Verzeihen Sie, verzeihen Sie, sagte ich. Aber es war nur, weil, ja, ich bekam plötzlich Angst vor ihrem Gesicht. Es war so weiß im Mondlicht und so fremd. Wenn ich Angst habe, versuche ich immer zu lachen. Ich wollte dich nicht erschrecken, Eugenie, sagte er und seine Stimme wurde zärtlich. Ich kann verstehen, dass du Angst bekommen hast, Angst vor meinem großen Schicksal. Wieder schwiegen wir ein Weilchen. Plötzlich fiel mir etwas ein. Übrigens werde auch ich Weltgeschichte machen, Napoleone. Er sah mich erstaunt an, aber ich versuchte unbeirrt meine Gedanken auszudrücken. Die Weltgeschichte besteht doch aus den Schicksalen aller Menschen, nicht wahr? Nicht nur Leute, die Todesurteile unterschreiben oder genau wissen, wo man Kanonen aufstellt und wie man sie abschießt, machen Weltgeschichte. Ich glaube, dass auch die anderen, ich meine jene Menschen, die geköpft werden oder auf die man die Kanonen richtet und überhaupt alle Männer und Frauen, die leben und hoffen und lieben und sterben, Weltgeschichte machen. Er nickte langsam, richtig, kleine Eugenie, vollkommen richtig. Und diese Szene ist in gewisser Weise, nimmt die schon ganz viel vorweg, was passieren wird. Zum einen, Eugénie wird Weltgeschichte machen, zum anderen aber auch, sie wird Recht damit haben, dieses Gesicht als fremd, als beängstigend wahrzunehmen. Denn von nun an beginnt eine Spirale, in der die Handlung immer schneller wird und schneller wird und auch immer ein wenig dramatischer. schneller wird und schneller wird und auch immer ein wenig dramatischer. Napoleone geht nach Paris, er wird dort Militärgouverneur und erlangt große Erfolge, weil er bereit ist, etwas zu tun, was sonst keiner macht. Er schlägt eine Hungerrevolte nieder, indem er mit Kanonen auf unbewaffnete Zivilisten schießt. Er löst die Verlobung zu Eugénie auf, um die besser vernetzte, wichtige Josephine zu heiraten. Eugenie ist am Boden zerstört und beschließt fortan, sie möchte eigentlich mit ihrem Drittnamen gerufen werden, Desiree. Und das Schicksal geht aber weiter und weiter und spült dann einen anderen Mann in ihr Leben, General Bernadotte, und die beiden heiraten, bekommen ein Kind, es ist sogar so richtig eine Liebeshochzeit und es beginnt dann eine sehr schöne Zeit in dem Leben dieser Desirée, aber je mehr der Erfolg, je größer der Erfolg wird, je größer der Ruhm und das Prestige, umso unwohler fühlt sie sich mit dieser zunehmenden höfischen Kultur, weil sie ist eine Seidenhändlerstochter aus Marseille und sie würde eigentlich am liebsten auch eine bleiben. ist einer der großartigsten Elemente in diesem Roman, weil er uns einen Blick auf den Hof Napoleons beschert, der einerseits sehr reflektiert ist, aber andererseits vor allem eines, unfassbar komisch. Und da gibt es Passagen in diesem Buch, meine Damen und Herren, da lachen sie sich kaputt. Unter anderem eine, ich kann leider nur einen ganz kurzen Teil davon lesen, da wird die Krönung Napoleons geprobt, besser gesagt seiner Josephine, weil er hat sich eingebildet, er muss sich jetzt krönen lassen und hat sogar den Papst gezwungen, da von Rom nach Paris zu tingeln, um ihn zu krönen. Und Desirée sieht das mit sehr viel Abstand und vor allem, was so herrlich ist, sie beschreibt immer wieder diese Familie, der, wie ihr Bruder früher gesagt hat, korsischen Abenteurer, also der Bonapartes, das ist ja eine riesige, laute, wilde, völlig durchgeschossene Familie, sie verzeihen mir den Ausdruck. Ausdruck. Und Napoleon hat ja alle seine Geschwister immer mit Ämtern besetzt. Also der eine wurde König da, der andere wurde Fürst da. Und trotzdem, sie können die korsischen Abenteurer in die schickesten Kleider setzen. Sie bleiben irgendwo die korsischen Abenteurer. In zwei Tagen wird die Krönung vorgenommen werden und seit Monaten spricht man in Paris von nichts anderem. Es soll das glanzvollste Ereignis aller Zeiten werden, sagt Napoleon. Und der Papst wurde gezwungen, nach Paris zu kommen, damit die ganze Welt und vor allem die Anhänger der Bourbonen sehen, dass Napoleon in Notre-Dame richtig gekrönt und gesalbt wird. Die ehemaligen Großen des Versailler Hofes, die alle sehr fromme Katholiken sind, hatten heimlich untereinander Wetten abgeschlossen, ob der Papst kommt oder nicht. Die meisten hielten es für undenkbar und wer zog vor ein paar Tagen mit einem Gefolge von sechs Kardinälen, vier Erzbischöfen, sechs Prelaten und einem ganzen Heer von Leibärzten, Sekretären, Soldaten der Schweizer Garde und Lakaien in Paris ein? Pius VII. Josephine hat ihm zu Ehren ein großes Festessen gegeben, aber der Papst hat sich frühzeitig und sehr beleidigt davon zurückgezogen, weil sie ihm nach dem Soupee durch eine Ballettaufführung erfreuen wollte. Dabei hat sie es ja nur gut gemeint. Ja, wenn der alte Herr schon einmal in Paris ist, hat Josephine dem Onkel Fesch erklärt, aber Onkel Fesch, jetzt von Kopf bis Fuß ein Kardinal, hat nur verärgert den Kopf geschüttelt. Die Mitglieder der kaiserlichen Familie erhalten seit Wochen Abwechselnden von Timbleu und in den Toulierins Proben für die Krönungsfeierlichkeiten ab. Und heute Nachmittag wurden auch wir, die Frauen der 18 Marschelle, in die Toulierins kommandiert. Die Krönungsprozession der Kaiserin sollte einstudiert werden. Als ich mit Laura Jeannot und Madame Berthier erschien, wurden wir in Josephines weißen Salon geführt. Dort hatten sich bereits die meisten Mitglieder der Familie Bonaparte versammelt und stritten. und suchten herauszufinden, worüber eigentlich gestritten wurde. Es ist aber ausdrücklicher Wunsch seiner Majestät, schrie der Zeremonienmeister verzweifelt. Und wenn er mich aus Frankreich hinauswirft, ich tue das nicht, keifte Elisabeth Schocki. Die Schleppe tragen, die Schleppe tragen, die Schleppe tragen, dass ich nicht lache, kam es empört von Paulette. Aber Julie und Hortense haben auch die Schleppe zu tragen und weigern sich nicht, obwohl beide kaiserliche Hoheiten sind, versuchte der Zeremonienmeister begütigend. Die kaiserlichen Hoheiten, zischte Caroline. Und warum werden wir, die Schwestern des Kaisers, nicht zu Hoheiten ernannt, wenn ich fragen darf? Sind wir vielleicht weniger gut als Jolie, die Seidenhändlerstochter? Und ich spürte, wie ich rot vor Zorn wurde. Und Hortens, die Tochter dieser, dieser, dieser. Caroline suchte ein Schimpfwort für ihre Majestät Kaiserin Josephine. Meine Damen, ich beschwöre Sie, stöhnte der Zeremonienmeister. Es handelt sich um den Krönungsmantel mit der Riesenschleppe, flüsterte mir Laura Junot zu. Der Kaiser will, dass sie von seinen Schwestern und den Prinzessinnen Julie und Hortense getragen wird. Nun können wir mit der Probe beginnen. Aus einer Seitentür war Josephine eingetreten und sah sehr seltsam aus. An ihren Schultern waren zwei aneinandergenähte Laken befestigt, die den Krönungsmantel, der scheinbar noch nicht fertig geworden war, darstellen sollte. Wir versanken in einem Hofknicks. Hofknicks. Bitte sich für den Krönungszug ihrer Majestät aufzustellen, rief der Zeremonienmeister. Und wenn sie sich auf den Kopf stellt, ich trage ihr nicht diese Schleppe, keuchte Elisabeth Schauki schnell. Das geht dann alles noch ganz viel, also wirklich sehr lustig weiter, vor allem, als es dann das Problem gibt, wo findet man Jungfrauen für diesen Krönungszug unter der Aristokratie, die aber noch nicht älter als 40 Jahre sind. Würde ich Ihnen jetzt gerne noch 20 Minuten vorlesen. Allein für diese Szene lohnt es sich, diese 832 Seiten zu lesen. Das wirkt so viel, wenn man das vor sich hat. Aber es gibt nun mal Bücher, die verschlingt man. Die liest man nicht, die futtert man. Und das ist einer davon. Ich habe ein bisschen die Theorie, dass das daran liegt, weil er sich immer weiter steigert. Also die skurrilen Episoden werden immer skurriler, aber auch die tragischen werden immer tragischer. Und der Ton nimmt, je weiter die Geschichte vorangeht, an Intensität immer weiter zu. Die Geschichte, die historische Geschichte, die diesem Roman zugrunde liegt, die sie natürlich nicht so, wie es war, immer wieder erzählt, aber die in den großen Zügen doch stimmt, ist eine sehr dramatische. Napoleon greift immer weiter nach ganz Europa, Desirée ist Gemahl, Bernadotte kämpft für ihn, Schlachten gewinnt für ihn, Germanien siegt am Wagram, Napoleon lässt sich schließlich von Josephine scheiden, um Marie-Louise von Habsburg, die Österreicherin, zu heiraten. wie Louise von Habsburg, die Österreicherin, zu heiraten. Und ein Roman, der am Anfang wie dieses bukolische Traumtagebuch eines verliebten Mädchens gewirkt hat, wird dann bald von so einer Aura der Angst durchsetzt und von so einer Ahnung des Schreckens. Vor allem, als dann etwas völlig Unerwartetes passiert. Und zwar Marschall Bernadotte, also Desirées Ehemann, bekommt eines Nachts Besuch von der schwedischen Gesandtschaft, die ihm die Krone Schwedens antragen. Einfach so. Also der König, der schwedische König Karl XIII. hat ihm angeboten, ihn zu adoptieren und der schwedische Reichstag hat ihn zum Thronfolger erwählt. und der schwedische Reichstag hat ihn zum Thronfolger erwählt. Und diese Rehe, die ja am liebsten die Seidenhändlerstochter aus Marseille bleiben würde, ist nicht ganz zufrieden oder ist nicht ganz glücklich damit. Und vor allem, sie tut sich sehr schwer, damit Frankreich zu verlassen, nach Schweden zu fahren. Und ich springe jetzt ins königliche Schloss in Stockholm während des endlosen Winters 1811 und Sie werden jetzt hören, der Ton verändert sich jetzt ganz, ganz, ganz. Wir haben jetzt plötzlich statt dieser Wärme des Süden Frankreichs die Kälte Schwedens, mit der sich diese Frau auseinandersetzen muss. Diese Fahrt von Helsingborg nach Stockholm schien kein Ende zu nehmen. Wir reisten bei Tag und tanzten abends Quadrill. Ich weiß nicht warum, aber hier tanzen die adeligen, ununterbrochen Quadrill und glauben, sich hier wie am Hof von Versailles aufzuführen, dann fragen sie mich, ob ich mich zu Hause fühle und ich lächle und zucke nur die Achseln. Ich weiß nichts vom Hof in Versailles, das war doch alles vor meiner Zeit und außerdem, Papa ist doch nicht einmal Hoflieferant gewesen. Bei Tag hielt unser Wagen in verschiedenen Städten und wir stiegen aus und die Schulkinder sangen und der Bürgermeister hielt in einer mir unverständlichen Sprache einer Rede, wenn ich nur Schwedisch könnte, seufzte ich einmal. Wieso? Der Bürgermeister spricht doch Französisch, Hoheit, flüsterte mir Graf Brahe zu. Wahrscheinlich hatte er recht, aber dieses Französisch klang wie eine fremde Sprache. Es schneite, es schneite ununterbrochen und die Temperatur fiel auf minus 24 Grad. Meistens saß meine neue Hofdame neben mir, diese Gräfin Levenhaupt, schlank und nicht mehr ganz jung und besessen von der Begier mit mir über alle französischen Romane, die in den letzten 20 Jahren erschienen sind, zu plaudern. Manchmal ließ ich auch das Fräulein Koskole in meinem Wagen reisen. Das Hoffräulein ist in meinem Alter sehr groß und breit wie die meisten Schwedinnen, mit gesunden roten Wangen, dichtem dunklem Haar, einer unmöglichen Frisur und starken gesunden Zähnen. Ich kann sie nicht leiden. Sie schaut mich immer so neugierig, abschätzend an. Ich ließ mir alle Einzelheiten über die Ankunft von Jean-Baptiste in Stockholm erzählen, wie er mit einem Schlag die Herzen der Majestäten gewonnen hatte. Der kränkliche König war bei seinem Eintritt mühsam von seinem Lehnstuhl aufgestanden und hatte ihm die zitternde Hand entgegengestreckt. Jean-Baptiste hatte sich über die zitternde Hand gebeugt und sie geküsst. Dem alten Mann waren die Tränen über die Wangen gerollt. Dann hatte Jean-Baptiste die Königin aufgesucht. Hedwig Elisabeth Charlotte hatte für ihn große Toilette gemacht. Jean-Baptiste scheint jeden Abend im Salon der Königin zu verbringen. Der alte König zeigt sich stets nur am Arm des Kronprinzen. Im Audienzsaal, bei den Sitzungen des Staatsrates, überall muss Jean-Baptiste ihn stützen. Ein zärtlicher Sohn, ein liebender Vater, wie die Schneeflocken, so wirbelten auch die Erzählungen um mich. Ich versuchte mir, das neue Familienidyll vorzustellen. Welche Rolle soll ich darin spielen? Alle nennen die Königin eine sehr kluge, sehr ehrgeizige Frau, der das Schicksal an einen vorzeitig senilen Mann beschert und den einzigen Sohn im Kindesalter entrissen hat. Sie ist erst Anfang 50 und Jean-Baptiste soll ihr den Sohn ersetzen und nein, ich kenne mich nicht aus. Am Nachmittag des 6. Januar näherten wir uns endlich Stockholm. Die Straßen waren so vereist, dass unsere Pferde die Wagen bei der geringsten Steigung nicht schleppen konnten. Ich stieg mit den anderen aus und stapfte hinter den Kaläschen einher. Die Zähne biss ich zusammen, um nicht zu schreien. So sehr peitschte der eisige Wind mein Gesicht. Meinen Sohn Oskar dagegen störte die Kälte überhaupt nicht. Er lief neben den Kutschern und hielt ein Pferd am Zaum und sprach auf das arme Tier ein. Die Landschaft um uns war weiß, keine frisch gewaschene Bettdecke, sondern ein Leintuch ging es mir durch den Kopf. Wie lange dauert bei Ihnen der Winter, Baron Adelswerth? Der eisige Wind riss mir die Worte vom Mund, ich musste mehrmals fragen. Bis April, kam die Antwort. Im April blühen in Marseille die Mimosen. nicht besser. Stockholm erweist sich als in jeglicher Hinsicht beim ersten Eintreffen von Desirée sehr, sehr kalt, vor allem auch menschlich. Sie kommt am Hof nicht zurecht, vor allem mit der Königin, mit den Hofdamen und schließlich beschließt sie etwas für sie sehr schweres zu tun. Sie lässt ihren Mann und ihren Sohn in Schweden zurück und geht wieder nach Frankreich, bezieht wieder das alte Haus in Paris und währenddessen passiert auf der geschichtlichen Bühne etwas ganz, ganz Europa-Bewegendes. Napoleon entschließt sich, gegen Russland in den Krieg zu ziehen. zu ziehen. Er versammelt die größte Armee aller Zeiten und Bernadotte verbündet sich mit Russland, gibt dem Zaren wichtige Ratschläge, wie man Napoleon schlagen kann. Wer weiß es besser als der Marschall, der für Napoleon alle Schlachten gewonnen hat. Und wir wissen, wie dieser Feldzug endet, mit der Zerstörung der größten Armee aller Zeiten. Und zum Schluss möchte ich Ihnen eine Szene vorlesen, die mich irrsinnig bewegt hat. Desirée erfährt vom Untergang Napoleons Armee, sie ist in Frankreich. Und das Interessante ist ja, wann erfahren wir große Nachrichten? Meistens in völlig alltäglichen Situationen. Und sie erfährt von dieser Niederlage, als sie gerade bei der Josephine ist, das ist Napoleons Ex-Frau, die ehemalige Königin, weil sie sich eigentlich Make-up-Tipps holen wollte, damit sie dann, wenn sie zurück nach Schweden kommt, genauso schön ist wie Josephine, die ja immer noch als die schönste Frau Frankreichs gilt. Und dann sitzen jetzt hier diese beiden Damen in Josephines Salon und die Seree wird bewusst, welches Leid über die Armee, über Frankreich, über auch irgendwie ihr Leben, über das Leben aller Menschen, die etwas bedeuten, hineinbricht. Paris, 16. Dezember 1812. Bei Josephine in Malmaison wurde gezupft, und zwar im weiß-gelben Salon, verbannt für die Verwundeten in Russland und in ihrem Boudoir an meinen Augenbrauen. für die Verwundeten in Russland, und in ihrem Boudoir an meinen Augenbrauen. Josephine selbst beugte sich mit einer Pinzette über mein Gesicht und rupfte meine dichten Augenbrauen aus. Es tat sehr weh, aber die schmalen gewölbten Linien ließen meine Augen viel größer erscheinen. Dann kramte sie zwischen Tiegeln und Buderdosen herum und fand ein Töpfchen Goldschminke und legte etwas Gold auf meine Augenlider und betrachtete dann im Spiegel mein neues Gesicht. In diesem Augenblick fand ich eine Morgenausgabe des Moniteur. Das Blatt lag zerknittert unter Bändern und Haarkämmen auf dem Toilettentisch, ein roter Fleck war darüber geschmiert. Ich begann zu lesen, es war das 29. Bulletin des Kaisers Napoleon. Dieses 29. Bulletin, in dem er der Öffentlichkeit mitteilt, dass seine große Armee in den russischen Schneewüsten erschossen, erfroren, verhungert und begraben liegt. Es gibt keine große Armee mehr. Der rote Fleck sah wie ein Blutstropfen aus, war aber nur Lippenschminke. So müssen sie sich herrichten, wenn sie in der Öffentlichkeit erscheinen, Desiree, sagte Josephine. Schmale, gewölbte Augenbrauen, etwas Grün auf die Augenlider und vor allem Goldschminke. Wenn sie sich dem Volk von einem Fenster oder einem Balkon auszeigen, müssen sie immer auf einem Fußschemmel stehen. Niemand wird es bemerken. Sie erscheinen dadurch größer, glauben sie mir. Haben sie das gelesen, Madame? Ich hielt ihr mit zitternden Händen das Zeitungsblatt entgegen. Josephine warf einen flüchtigen Blick darauf. Natürlich, Bonapartes erster Frontbericht seit Wochen. Das Bulletin bestätigt doch nur, was wir längst gefürchtet haben. Er hat den Krieg mit Russland verloren. Ich nehme an, dass er bald wieder in Paris sein wird. Haben Sie jemals versucht, beim Haare waschen Henna zu verwenden? Ihre dunklen Haare würden im Kerzenlicht rotlich schimmern, es würde ihnen gut stehen, die Serie. Dieses Heer, das am 6. noch so stolz prangte, war schon am 14. ein anderes, es hatte keine Reiterei, keine Artillerie und keine Transportwegen mehr, las ich. Der Feind fand die Spuren des schrecklichen Unglücks, das die französische Armee befiel und suchte es auszunutzen. Er umzingelte alle Kolonnen mit seinen Kosaken. Mit diesen Worten teilte Napoleon die Tatsache mit, dass die größte Armee aller Zeiten auf ihrem Rückzug durch die russische Schneewüste zugrunde gegangen war. Ganz nüchtern zählte er Truppeneinheiten auf. Ganz nüchtern zählte er Truppeneinheiten auf. Von den Hunderttausenden, die er nach Moskau geführt hat, sind zum Beispiel nur noch viermal 150 Reiter über, 600 Reiter, Napoleons Kavallerie. Die Worte Erschöpfung und Hunger wiederholen sich. Zuerst konnte ich mir noch nichts darunter vorstellen Ich las dieses 29. Bulletin von Anfang bis zum Ende Es schloss mit den Worten Die Gesundheit seiner Majestät war nie besser Als ich aufsah, starrte mir aus dem Spiegel ein fremdes Gesicht entgegen Große, schwermütige Augen unter vergoldeten Lidern Eine Stupsnase, nicht wie sonst rosig, sondern bräunlich gepudert und geschwungene Lippen, tiefrosa wie Zyklamen. So kann ich also aussehen, so schön, so neu. Ich senkte mein neues Gesicht wieder über das Zeitungsblatt. Und was wird jetzt geschehen, Madame? Achselzten und... Es gibt auch immer zwei Möglichkeiten im Leben, die Serie. Josephine polierte ihre Nägel. Entweder wird Bonaparte Frieden schließen und darauf verzichten, ganz Europa zu regieren oder weiter Krieg führen. Wenn er weiter Krieg führt, gibt es wieder zwei Möglichkeiten. Er könnte... Und Frankreich, Madame? Ich muss sie angeschrien haben, denn sie zuckte zusammen. Aber ich konnte mir nicht helfen. Plötzlich verstand ich das Bulletin, verstand auch die Gerüchte, die ich gehört hatte. Die Gerüchte sind wahr, mein Gott, sie sind wahr. Zehntausend Männer, hunderttausend Männer stolpern durch den Schnee und weinen vor Schmerzen wie Kinder, weil ihre Glieder abfrieren Schließlich fallen sie und können nicht mehr aufstehen Hungrige Wölfe bilden einen Kreis Sie wollen nach ihnen schießen und können das Gewehr nicht mehr halten Da schreien sie in ihrer Not und die Wölfe ziehen sich ein wenig zurück Es dämmert schon, die Nacht wird lang sein, die Wölfe warten. In verzweifelter Hast schlagen die Pioniere eine Brücke über einen Fluss, der Bersina heißt. Nur über diese Brücke führt der Weg zurück. Die Kosaken sind schon sehr nah, jeden Augenblick wird diese Brücke in die Luft gesprengt werden, um sie aufzuhalten. Deswegen taumeln die Erschöpften mit letzter Kraft auf die Brücke, stoßen sich vorwärtsbrechend zusammen und werden von Kameraden zertrampelt. Die Brücke kracht in ihren Fugen, nur hinüberkommen, nur hinüber ins Leben. Wer sich nicht durchstoßen kann, wird von der Brücke gedrängt, stürzt heulend zwischen die Eisschollen, versucht sich anzuklammern, wird von der Strömung erfasst, schreit auf, schreit, schreit, schreit und versinkt. Aber die Gesundheit seiner Majestät war nie besser. Und Frankreich, Madame, wiederholte ich tonlos. Und ich bin jetzt, wie hoffentlich Sie auch, sehr vorfreudig gespannt, was uns Frau Dr. Prof. Gürtler zu diesem Roman beibringen, erklären, verraten wird. Dankeschön. Applaus Ja, schönen Abend auch von meiner Seite. Vielen Dank, Wea Kaiser. Ich glaube, Sie haben jetzt einen guten Einblick bekommen in diese verschiedenen Aspekte auch dieses Romans von Annemarie Silinko. Ich möchte jetzt gerne ein wenig diesen Roman kontextualisieren, also mir anschauen, wer ist eigentlich Annemarie Selinko und was hat sie vor diesem Roman geschrieben um diesen Bestseller von ihr, der ja Millionen Auflagen gehabt hat bis heute und verfilmt ist in Hollywood und in 25 Sprachen übersetzt ist, wie bettet sich dieser Roman in das Gesamtwerk dieser Autorin ein. Verändert hat sich die Rezeption, glaube ich, dieser Autorin vor allem durch die Neuauflage ihrer ersten drei Romane. Ich war ein hässliches Mädchen, morgen wird alles besser und heute heiratet mein Mann. 1938 und 1940 erschienen und nach Jahrzehnten wieder neu aufgelegt worden im österreichischen Millener Verlag 2018, 2019 und 2021 und mit Nachworten und einer Neueinschätzung durch Evelyn Poltheinzel kontextualisiert worden. Evelyn Poltheinzel hat sich also sehr intensiv mit dieser Autorin beschäftigt und hat auch viele biografische Details entdeckt. Weitergeführt wurde diese Spurensuche dann auch noch von Marie-Therese Arnbaum, die da weiter noch tiefer eingedrungen ist und einige Dokumente, die die beiden gefunden haben, die werde ich jetzt auch zitieren oder werde aus diesen Dokumenten zitieren. Ich beginne mit einem sehr langen Zitat, es ist das längste Zitat, Sie brauchen keine Angst haben, es gibt dann nicht mehr so lange Zitate. Aber mir scheint, dass in dieser Stelle, in diesem Bericht von Annemarie Selinko doch sehr vieles enthalten ist, was vielleicht auch diesen Roman zu verstehen hilft, warum er überhaupt existiert. Am 13. Dezember 1951 berichtet Annemarie Selinko dem Journalisten und Freund Rudolf Kalmer, Chefredakteur der Zeitung Neues Österreich in Wien. auf diese Idee und ihren Sinn kam. Im letzten Kriegsjahr, ein Flüchtling in Schweden, stand ich vor dem Stockholmer Schloss und schaute zu den Fenstern empor und fragte mich, wie war eigentlich diese Marseilla Seidenhändlerstochter zumute, als sie hier Königin wurde. Ich wollte mir eine Biografie über sie ausborgen. Ich war überzeugt davon, dass es in Schweden zahllose Bücher und Romane über sie geben müsste und fand nichts. Aber zeitgenössische Memoiren gab es, Aufzeichnungen von Hofdamen, die sie dumm und ungebildet fanden und die Tatsache, die alles überschattende Tatsache, dass sie viele Jahre nach ihrem Mann ganz allein auf Wunsch des Volkes gekrönt wurde. Keine Königin wurde jemals und keine nach ihr ist jemals in Schweden gekrönt worden. Schon damals wusste ich, dass ich eine große Story gefunden hatte und auch, welche irrsinnige Arbeit mir bevorstand. Aber gleichzeitig spürte ich, dass ich Desirée finden müsste, ganz einfach finden. Die Schlösser in Schweden, Paris, Marseille, die Reisen, die sie gemacht hat. Und in diesen Tagen, in denen mir klar wurde, welche Arbeit mir bevorstand, fand ich den tieferen Sinn meines Buches. Ich meldete mich für die Arbeit, für die Volke Bernadotte, der große Vermittler, Freiwillige suchte. Innerhalb von 14 Tagen, Regina Pinter hat es schon zitiert, brachte er 30.000 Gefangene aus KZ-Lagern nach Malmö. aus KZ-Lagern nach Malmö. Ich hatte mir geschworen, bei dieser Arbeit zu bleiben, solange man mich, den braven Soldaten Schweig unter den Krankenschwestern, überhaupt brauchen konnte. Gleichzeitig aber in diesen Monaten, in denen ich noch hoffte und wartete, habe ich gewusst, dass ich Desirée schreiben werde. Das arme, ausgeblutete Europa, über das immer wieder die marschierenden Stiefel trampelten, immer wieder einem Napoleon ausgeliefert und ein Bekenntnis, das nie ungültig werden kann, die Menschenrechte. Diese Selbstaussage der Autorin über den unmittelbaren Anlass für den Roman bezeugt ihre biografische Situation und ihre Motivation. Sie befindet sich in Schweden, in das sie aus Dänemark flüchten musste. Zu diesem Zeitpunkt konnte sie noch hoffen, dass ihre jüngere Schwester Lieselotte und andere Verwandte den Holocaust überlebt haben. Lieselotte und andere Verwandte den Holocaust überlebt haben. Sie verweist auch darauf, dass sie den historischen Stoff ihres Romans und den Handlungszeitraum von 1794 bis 1829 mit dem Zweiten Weltkrieg und seinen Verwerfungen in Europa verknüpft. 1953 wehrt sich Selinko in der Hauszeitung des Verlags Kippenheuer & Witsch, in dem Desirée erschienen ist, gegen die Rezeption ihres Bestsellers als historischen Unterhaltungs- es war mir klar, dass ich mich niemals zufrieden geben würde, eine Aschenbrödelgeschichte zu schreiben, auch wenn es die größte Aschenbrödelgeschichte der Welt war. Die Widmung des Romans, dem Andenken meiner Schwester Lieselotte, ihres Frohsinns und ihrer Herzensgüte in tiefem Leid gewidmet, verweist ebenfalls auf die eigene Familiengeschichte. Deshalb jetzt auch noch ein paar biografische Details und einiges zu den drei Romanen. Geboren, wir haben es schon gehört, ist sie 1914 als Tochter von Felix und seiner Frau Grete in Wien. Sie wächst als Kriegskind auf. Ihr Vater Felix ist K&K-Rittmeister und eigentlich nicht daran interessiert, in die väterliche Modewarenfirma einzusteigen. Anne-Marie besucht das Realgymnasium und beginnt 1932 ein Studium der Philologie und Geschichte. Ein Semester später wechselt sie ans Max-Reinhardt-Seminar, doch auch das Schauspiel ist nicht ihre Profession. Schon früh beginnt sie als Journalistin für verschiedene Medien zu arbeiten, gefördert von Rudolf Kalmer, Willi Frischauer und Hans Habe. Während Männer wie Annemarie Selinkos Vater sich nach den Kriegserfahrungen und dem Zusammenbruch der Monarchie, des Verlusts ihrer Finanzen und ihrer Stellung kaum mehr zurechtfanden, waren die 1920er Jahre für junge Frauen eine Aufbruchszeit. Der Kampf um Emanzipation zeigte erste Erfolge, die Frauen erhielten das Wahlrecht, viele Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten standen ihnen nun offen. Sie war 23 Jahre, als 1937 ihr Debütroman »Ich war ein hässliches Mädchen« erschien, in dem sie die Identitätssuche eines 18-jährigen Mädchens, das eher lustlos die Matura geschafft hat, thematisiert. Als Lebensziel galt für bürgerliche Frauen nach 1918 noch immer eine erfolgreiche Heirat, zumal diese nicht selten den finanziellen Absturz der Herkunftsfamilie kompensieren sollte. sollte. Doch Anneliese ist hässlich, lehnt eine Bürokarriere ab, beginnt als Ladenfräulein an der Kasse eines Strickwarengeschäfts zu arbeiten und lernt in der Grand Hotel Bar den berühmten Schauspieler Claudio Pauls kennen, der aus dem hässlichen Entlein, so ihr Kosename, eine mondäne und schöne Frau machen wird. Sie ist eine gelehrige Schülerin, besucht Friseur, Kosmetiksalon und beginnt gezielt eine Affäre mit dem adeligen Pankis Sohn Thomas, der jedoch bei der ersten Prüfung seiner Liebe versagt. Ihr wird klar, dass Schönheit doch nicht so wichtig ist. Schließlich folgt sie ihrem Mentor, den sie liebt und der ihr rät, ihre Geschichte aufzuschreiben. Den doppelten Boden, den dieser aus der Ich-Perspektive von Anneliese erzählte Roman hat, könnte man übersehen, wenn man die Ironie nicht versteht, die Selinko gekonnt beherrscht. Ganz unsentimental und lakonisch entlarvt sie nämlich die asymmetrischen Geschlechterverhältnisse, die Maskeraden und Rollenspiele, die Beziehungen auf Augenhöhe unmöglich macht. Wie in allen ihren Romanen erzählt sie in ihrem Debüt von den Ambivalenzen und Schwierigkeiten auf der Suche der sogenannten neuen Frau und bezieht dabei eigene Erfahrungen mit ein. Annemarie Selinko war mit Schriftstellerinnen wie Hertha Pauli, die auch ihre Agentin war, und Joe Lederer befreundet. Alle drei waren sehr erfolgreich in der Zwischenkriegszeit. Franz Theodor Jokor lernte sie in einer Wohnung im ersten Wolkenkratzer in der Wiener Herrengasse kennen, deren ihrem zweiten 1938 erschienenen Roman »Morgen wird alles besser« zentraler Schauplatz ist. Die Protagonistin Toni Huber bezieht darin Stiege 8, 8. Stock, eine sogenannte Junggesellenwohnung, Acht, achter Stock, eine sogenannte Junggesellenwohnung, Zimmer, Bad, Balkon. Der Roman erzählt die Geschichte einer fast gescheiterten Maturantin, die nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters auf sich selbst gestellt ist und statt Bildung Maschineschreiben, Stenografie und Buchhaltung lernt und einen Job im Rundfunk findet. Aus Zufall wird sie zum Stimmenstar des neuen Mediums Rundfunk. Das Buch wurde kurz nach der Veröffentlichung beschlagnahmt und eingestampft und so der Leserschaft entzogen, auch ihre anderen Bücher wurden verboten. Die eingefügten Kolportage-Elemente in ihren Romanen verweisen auf Selinkos journalistische Reportagen, Interviews und Porträts, die sie ab 1937 vor allem für die Zeitschrift Die Bühne verfasste. So interviewte sie Prominente wie Egon Fridell oder Franz Mollner, aber auch Skilehrer, eine Weltenbummlerin, berichtete über Modetrends oder eine Blumenfrau. Diese Doppelfunktion Journalistin, Reporterin und Schriftstellerin teilt sie mit einigen anderen erfolgreichen Autorinnen der Zwischenkriegszeit, was eben auch mit diesen neuen Medien der Zeit zu tun hatte. 1938 bedeutete für Selinko das Ende ihres Lebens in Österreich und eine Zäsur ihrer literarischen Karriere im deutschen Sprachraum. Bereits 1937 lernte sie den angehenden dänischen Diplomaten Erling Christiansen kennen, mit dem sie am 3. Juni 1938 in Kopenhagen Hochzeit feierte. Sie hatte ihn während ihrer journalistischen Tätigkeit kennengelernt. Durch ihn erhielt sie dann, also durch die Hochzeit, die dänische Staatsbürgerschaft und konnte bis zur deutschen Okkupation in Dänemark leben und arbeiten. Wieder mit Bezug zu ihrer Lebensgeschichte erschien 1940 ihr dritter Roman, Heut heiratet mein Mann, im Amsterdamer Exilverlag Allard de Lange. Anne-Marie Selinko schafft in diesem Roman mit dem Entwurf ihrer Protagonistin Tessie Paulsen wieder eine Frauenfigur zwischen Tradition und Emanzipation. Die neuen Frauen, so Clara Huber in ihrem Beitrag zu Anne-Marie Selinkos Roman, der Zwischenkriegszeit, sind widersprüchliche Wesen. Ihre literarischen Vertreterinnen möchten unabhängig sein, einem Beruf nachgehen, sich unterhalten, um schließlich den eigenen Fähigkeiten doch nicht zu vertrauen und sich in die sichere Abhängigkeit der Ehe zu begeben oder gänzlich zu scheitern. Es geht um das Spannungsfeld der gesellschaftlichen Umstände und dem Vertrauen auf die eigenen Kompetenzen. Die Wienerin Thesi, heißt eigentlich Maria Theresia, lebt in Kopenhagen und verdient ihr Geld als Modezeichnerin. Mia Theresia, lebt in Kopenhagen und verdient ihr Geld als Modezeichnerin. Sie ist vom Architekten Sven Paulsen geschieden, der eine neue Frau heiraten will, doch nach einigen Turbulenzen ist am Ende eine Wiederverheiratung in Aussicht. Die Handlung des Romans switcht zwischen heiterer Comedy und aktueller Zeitgeschichte, da im Handlungszeitraum der Zweite Weltkrieg ausbricht, den die Protagonistin mit Erinnerungen an die Gräuel des Ersten Weltkriegs in Österreich verbindet. Im letzten Kapitel des Romans kommt es zu einer Konfrontation zwischen These und den deutschen Besatzern, die nach ihrem Zahnarzt fahnden, der in der Nacht mit einem Boot nach Schweden geflüchtet ist. Ihr Ex-Mann Sven wird von der Gestapo verhört. Er ist wie Selinkos realer Mann und sie selbst im Widerstand. Selinko ist in Dänemark eine Anlaufstelle für Migranten und hilft, wo es möglich ist. In einem Brief an Jocker schreibt sie im Februar 1940, Ich bin Durchzugsstation geworden und für ein paar Menschen die Winkerin, wenn Schiffe Europa verlassen. Es ist der erste Roman, den ich mit dem inneren Knacks geschrieben habe, den ich damals in Wien gekriegt habe. Dabei ist noch immer alles so wund in mir, dass ich mich verleugnen musste, wieder ein heiteres Buch zu schreiben. Nur in ein paar flüchtigen Stellen deute ich die Dinge an, um die es uns geht. Diese Stellen sind für die Handlung ganz unwichtig, die habe ich nur zu ganz privater Erleichterung und vor allem zwecks Stellungnahme geschrieben, denn die Stellung muss heute ein für alle Mal klargelegt werden. Exil gefühlt hat, denn sie konnte für diverse skandinavische Presseagenturen arbeiten und Zeitschriften veröffentlichten ihre Novellen und Romane in Fortsetzungen. Noch vor ihrem Bestseller Desirée zählte Selinko zu den bekanntesten österreichischen Schriftstellerinnen der Zwischenkriegszeit. Freilich galt sie nicht zuletzt wegen der Verfilmungen ihrer Romane als Unterhaltungsschriftstellerin. Aber nicht nur die Verfilmungen waren unpolitisch, auch bei den Übersetzungen ins Dänische wurde beispielsweise die nationale Identität der Hauptpersonen verändert in einen Amerikaner und einen Engländer. Als das Buch »Heute heiratet mein Mann« 1950 in Österreich erschien, war der politische Hintergrund keine Erwähnung wert. 1948 wurde der Abdruck ihres Romans »Morgen ist alles besser« als Fortsetzung in der Zeitung »Neues Österreich« angekündigt als Roman, der, ich zitiere, durch seinen Inhalt alles Schwarzseherei und allen Pessimismus ad absurdum führt. Hand aufs Herz kann es in der heutigen Zeit einen wunderbareren Leitspruch geben. Dieser Roman hat keine literarischen Ambitionen, er ist handfest und spannend geschrieben, literarischen Ambitionen. Er ist handfest und spannend geschrieben, realistisch und lebenswahr. Er ist erfüllt von einem freudigen Optimismus. Die Verfilmungen trugen zwar zu ihrer Bekanntheit bei und brachten ihr finanziellen Gewinn, schadeten aber wohl auch ihrer Anerkennung als Schriftstellerin, vor allem weil die Drehbücher immer alles Politische aus diesen Handlungsräumen herausgestrichen haben. Als Selinko ihren Roman »Heut heiratet mein Mann« schrieb, wusste sie noch nicht, dass sie 1943 tatsächlich mit ihrem Mann nach Schweden flüchten musste. Die dänische Bevölkerung half im Oktober jüdischen Emigranten auf einzigartige Weise mit Fischerbooten zur Flucht. Zitat, ich lag unter Fischernetzen versteckt und meine Haare haben nachher noch wochenlang nach Heringen gerochen. Ihre Mutter Grete konnte 1938 mit ihr fliehen, deren Mutter Ida kam aber 1943 in Theresienstadt zu Tode, ebenso wie Anne-Marie Silinkos Großmutter väterlicherseits. Ihre Schwester, Lieselotte, flüchtete mit ihrem Ehemann Kurt Röders nach Holland, wo 1940 ihre Tochter Antoinette, genannt Toni, geboren wurde. Alle drei wurden in Auschwitz ermordet. Grete Selünko, die Mutter also, verkraftete den Tod von ihrer eigenen Mutter, von Tochter und Enkelin nicht und nahm sich im Juni 1946 in London das Leben. Ihre Schwester Clara Anninger sprang bereits 1938 im Pariser Exil vom Balkon. Diese biografischen und werkgeschichtlichen Hinweise ermöglichen eine Lektüre, die den historischen Roman Desirée in diese Werkgeschichte einfügt. Geschichte einfügt. Leider muss man sagen, zumindest wissen wir nichts davon, dass sie nach diesem Buch noch weitere Bücher oder Novellen geschrieben hat. Eigentlich wissen wir dann über die weitere Lebensgeschichte, außer die Daten, dass sie ihren Mann begleitet hat, nichts. Es ist eigentlich tatsächlich noch möglich, dass es vielleicht Texte von ihr gibt. Ich komme jetzt zu Desirée und zum historischen Roman. Anita Jachimowicz, Verfasserin der Arbeit der historische Roman der Ersten Republik in ideologiekritischer Sicht und Herausgeberin des Sammelbandes Frauen erzählen Geschichte, historische Romane österreichischer Autorinnen von der Ersten zur Zweiten Republik, verweist auf die große Zahl von Autorinnen, die historische Romane verfasst haben, wobei in diesen auch weibliche Protagonistinnen überwiegen. Ausschlaggebend für die Beliebtheit des Genres in der Zwischenkriegszeit wird in der Forschung vor allem die Verzweiflung an der Gegenwart genannt. Grundsätzlich ist ja davon auszugehen, dass historische Romane auch als Kommentare zu den zeitgenössischen gesellschaftlichen Verhältnissen zu lesen sind und deshalb immer auch mehr Zeitromane als historische Romane sind. Jachim Moniz hält fest, dass viele historischen Romane und Erzählungen von Autorinnen aus dem Blickwinkel von weiblichen Protagonistinnen erzählt sind, sodass sie erzähltechnisch gesehen den Erzählvorgang steuern und dadurch zu Geschichtemacherinnen im doppelten Sinne des Wortes werden. Feststellen lässt sich in der Rezeption und Forschung aber auch, dass die Mehrzahl von historischen Romanen von Frauen über Frauen sehr rasch der Trivial- und Unterhaltungsliteratur zugeordnet werden, nicht zuletzt deshalb wohl, weil es so viele Bücher in diesem Genre gibt. Die literarische Verurteilung verstellt dabei aber den Blick auf literarisch gelungene Werke. Zu fragen ist, wie sich Geschichte aus weiblicher Perspektive erzählen lässt. Wer Kaiser hat ja jetzt auch schon oft darauf hingewiesen, dass dieser Roman ja tatsächlich so ganz aus dieser Perspektive der Désirée eben erzählt ist. Zu fragen ist, wie sich Geschichte aus weiblicher Perspektive aber erzählen lässt, wenn das kulturelle Gedächtnis die Geschichte der Frauen weitgehend vergessen hat. Aleida Aßmann betont in ihrem Beitrag Geschlecht und kulturelles Gedächtnis, dass Erinnern und Vergessen innerhalb von Kulturen und Epochen geschlechtsspezifisch konnotiert werden. Erinnern wird als weibliche Domäne gesehen, Vergessen wird von den Männern praktiziert. Fragt man aber nicht, wer erinnert sich, sondern wer wird erinnert, kehrt sich das Verhältnis um. Frauen werden vergessen, Männer werden erinnert. Schreiben Frauen also den kanonisierten Geschlechterdiskurs der vorgefundenen Quellen weiter oder ermöglichen sie tatsächlich eine andere Perspektive auf das Weltgeschehen und die Weltgeschichte? Kehren wir zum Anfang des Romans Desirée zurück. Wehr Kaiser hat ihn vorgelesen. Zuerst wird in diesem Tagebuchroman der Ort immer festgelegt und die Zeit. Und dann dieser erste Satz, Sie erinnern sich sicher noch daran, wo es um den Busen geht, den man haben sollte, wenn man etwas bei einem Mann durchsetzen will. So beginnt also dieser Tagebuchroman, der die Lebensgeschichte seiner Protagonistin erzählt. Sie ist, das haben wir schon gehört jetzt auch, die Tochter eben dieses Seidenhändlers. Der Vater schenkt seiner Tochter dieses Tagebuch. Der Vater war Anhänger der Revolution und schenkt dieses Tagebuch seiner Tochter quasi als Möglichkeit der Selbstermächtigung, denn als sie fragt, was sie hineinschreiben soll, sagt er eben die Geschichte der französischen Bürgerin Eugénie Desirée Clary. Also sie soll sich diese Geschichte selbst schreiben. Geschichte selbst schreiben. Papa hatte feuchte Augen, als er uns das Flugblatt, in dem zum ersten Mal die Menschenrechte abgedruckt waren, vorgelesen hat. Und der Vater schärfte auch ein, dass die Menschenrechte zwar nicht ungültig werden können, aber abgeschafft und negiert. Diejenigen Menschen, die das tun, müssen sich seit der Deklaration aber immer ihres Unrechts bewusst sein. Das Mädchen Eugenie lernt die Erklärung der Menschenrechte auswendig. Wie weit Brüderlichkeit, Freiheit und Gleichheit auch das weibliche Geschlecht betreffen, das Olymp de Gouges einforderte, bleibt im Roman unerwähnt, wird aber in der Romanhandlung thematisiert und von der Protagonistin eingefordert. Die väterlichen Werte wird die Tagebuchschreiberin ihr Leben lang hochhalten, selbst als sie 20 Jahre nach ihrem Mann als Königin von Schweden gekrönt wird, denn sie bleibt eine, Zitat, ehemalige Bürgerin und es gibt einige Textsignale, die ihre Aufstiegsgeschichte brüchig erscheinen lassen und ihren Wechsel vom Bürgertum zur aristokratischen Herrscherin eher ihrer Liebe zu Bernadotte geschuldet ist als ihrem eigenen Wunsch. Ich glaube, das hat man jetzt an diesen ein paar Stellen auch, die Wer Kaiser vorgelesen hat, durchaus gesehen und gehört. Als Begründung, warum sie das Tagebuch und somit den Roman beendet, erklärt sie so, Zitat, denn die Geschichte dieser Bürgerin ist jetzt zu Ende und die der Königin beginnt. Aber ich verspreche dir, Papa, alles daran zu setzen, um dir keine Schande zu machen und nie zu vergessen, dass du dein Leben lang ein sehr angesehener Seidenhändler gewesen bist. Herkunft und republikanische Gesinnung gibt sie also nur widerwillig auf. Mit der Wahl der Ich-Erzähl-Perspektive knüpft Selinko an die weibliche Tradition der Brief- und Tagebuchkultur an und schafft damit einen identifikatorischen Pakt zwischen Erzählerin und LeserInnen. Mit der typografisch in Schreibschrift verfassten doppelten Markierung von Ort und Zeit verweist sie auf die ideologische Positionierung der Heldin als Anhängerin des französischen Revolutionskalenders, der übrigens ziemlich kompliziert funktioniert. Der Einleitungssatz verweist auf ein selbstbewusstes Mädchen und lässt eher an eine Heldin aus einem der drei früheren Romane der Autorin denken und nicht an ein Mädchen Ende des 18. Jahrhunderts. Eugenie, die sich erst später Desiree nennen wird und als Königin von Schweden dann zu Desideria wird, weiß um ihre körperlichen Vorzüge und Defizite, die man mit Mitteln der Schönheitsindustrie oder einfachen Mitteln wie einem Taschentuch manipulieren kann, um einen Mann zu beeindrucken. Schließlich geht es darum, buchstäblich den Kopf ihres Bruders zu retten, der von der Polizei verhaftet worden war. Auch Clara Huber hält in ihrem Beitrag über das Buch fest, obwohl Selinkos Roman in räumlicher und zeitlicher Distanz zur Literatur der Zwischenkriegszeit geschrieben wurde, so verkörpert die Erzählerin und Hauptprotagonistin Desirée dennoch den Prototyp der neuen Frau. Zwischen Emanzipation und Tradition stehend fügt sich die Figur der bürgerlichen Desirée nicht wirklich in die propagierten Frauenbilder der Nachkriegszeit und der 1950er Jahre ein und gleichzeitig bewegt sie sich auch nicht als historische Person des 18. Jahrhunderts in der Welt. Bei ihrer Hilfsaktion für ihren Bruder lernen sie eben Napoleon kennen, ein korsischer Flüchtling, in den sie sich verliebt und er sich in sie. Der Bruder, sein Bruder Josef, wird ihre Schwester Juli heiraten, ein Akt, den eben auch die Protagonistin vorbereitet hat und beide Männer verhehlen nicht das ihr Interesse, aber vor allem der Mitgift der Mädchen gilt, da ihre Familie sehr arm ist. In diesem nächtlichen Gespräch, das Herr Kaiser vorgelesen hat auf der Wiese, dieses bukolische Gespräch, wo sich die zwei Liebenden eben über die Zukunft, könnte man sagen, unterhalten und Napoleon eben sagt, er weiß ganz genau, dass er Weltgeschichte machen will, antwortet sie ganz keck und ganz selbstbewusst, dass Weltgeschichte aus ihrer Perspektive aber etwas ganz anderes ist. Die Protagonistin hat also ein anderes Geschichtsverständnis, das jenseits von Herrschaftsvorstellungen situiert ist und es macht neugierig auf den Handlungsverlauf. Selinko geht es nicht um die Erzählung der Lebensgeschichte von Eugénie Desirée, das war nie ihre Intention, sondern sie wählt die Fiktion, weshalb es wohl auch nicht sinnvoll erscheint, danach zu suchen, ob die historischen Fakten immer korrekt sind. Ja, im Gegenteil, erinnern wir uns an das erste lange Zitat, das ich Ihnen vorgelesen habe, wo es heißt, dass die Hofdamen gesagt haben, wie hässlich sie ist und wie langweilig und dass sie also gar keine beeindruckende Frau war. Könnte man jetzt eigentlich sagen, dass sie bewusst sozusagen ein völlig anderes Bild von Desirée konstruiert, das sich gegen alle Überlieferungen dieser Figur in der Geschichte stellt. Man könnte sagen, es ist eine Gegenperspektive, die sie mit diesem Roman entwickelt. mit diesem Roman entwickelt. Christa Bürger hat als eine der wenigen diesen Roman analysiert in einer Studie Textanalyse und Ideologiekritik zur Rezeption zeitgenössischer Unterhaltungsliteratur. Und sie kommt zur Auffassung, dass durch die Konstruktion des Romans und die Verknüpfung einzelner Motive und Sprachtechniken, die sehr gekonnt ist, muss man sagen, in diesem Roman, der progressive Anspruch ins Gegenteil verkehrt wird und durch die Privatisierung des Geschichtlichen schließlich der gute König als Herrschaftsform legitimiert wird. Es geht Bürgers Auffassung nach, im von vornherein als eben Unterhaltungsliteratur kategorisierten Buch, um die dargestellte Dichotomie von guter und böser Herrschaft. Guter Herrschaft wäre der Bernadotte und böse Herrschaft ist eben Napoleon. Und Desirée beurteile die politische Geschichte eben nur aus ihrer persönlichen Sicht. Bürgers stringente Strukturanalyse verzichtet dabei auf eine Kontextualisierung. Biografie und Autorintention werden nicht berücksichtigt. Eine Lesart als Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus wird nicht in Betracht gezogen. 1953 erklärt Selinko in einem Interview, was sie dem Roman geben konnte. All meinen Sinn für Humor, meine Erinnerungen an den Krieg, meinen Glauben an die Menschen. Tatsächlich finden sich Passagen, in denen sie über ihre Arbeit mit den Überlebenden aus den Konzentrationslagern berichtet, immer in der Hoffnung, ihre Schwester und andere Verwandte zu finden, beinahe wortwörtlich in einer Passage des Romans, in der die Protagonistin in einem Pariser Krankenhaus nach dem Sohn ihrer Bediensteten Marie sucht. Auch die Schilderungen der politischen Umbrüche, der Täter, Mitläufer und Profiteure können als Hinweise auf den Nationalsozialismus und andere Herrschaftsverhältnisse gelesen werden. Die Kaiserkrönung oder die Umfärbung von Revolutionskokaden durch weißen Seidenstoff bei den Rockaufschlägen lassen ebenso Erinnerungen an Hitler und den Zweiten Weltkrieg zu wie andere Figuren im Roman. der Texte und Briefe von Anne-Marie Selinko ist, kann man sich gespiegelt sehen in dieser Lebensgeschichte von Eugénie Desirée, denn es geht immer wieder darum, dass sie eben diese 20 Jahre in Frankreich bleibt, bevor sie endgültig ihrem Mann nach Schweden folgt und dass sie auch darunter leidet, eben Frankreich zu verlassen und dass sie dieses Gefühl des Exils auch für ihre Schwester sozusagen, dass sie versucht, es ihr zu ersparen, dieser Juli, da tut sie auch einiges dafür. Der Roman kann vor dem biografischen Hintergrund der Autorin auch als Hommage an das Exil an Schweden und an Volke Bernadotte, den Nachfahren Marschall Bernadotte gelesen werden, hält Polt Heinzel fest. Selinko selbst wehrte sich gegen den Begriff, ich habe schon gesagt Exil, sie fühlte sich weniger als Opfer, denn als Zeugin der Verwerfungen des Nationalsozialismus. ist Zeugin der Verwerfungen des Nationalsozialismus. In ihrem Text Selbstgespräch bei einem kleinen Schwarzen, erschienen 1950 im Neuen Österreich, heißt es, also sie hat damit sich selber so quasi ein Interview gemacht, Du und ich, wir besitzen ein Paradies und eine Hölle von Erinnerungen. Aus Ersterem können wir nicht vertrieben werden, Letzterem können wir nicht entfliehen. Wir werden also nach Wien fahren und dort um eine Straßenecke biegen und plötzlich unserer Kindheit begegnen. Was ihr auffällt und missfällt bei ihren Besuchen in ihrer Heimat, ist das Behaaren auf dem Vergessen. Fast alle, die ich wieder sah, sprachen fortwährend vom Vergessen. Unaussprechliche Leiden haben sich in eine Amtsbescheinigung verwandelt und es gehört durchaus nicht zum guten Ton, sich zu erinnern. Ich bin nach Wien gekommen, weil ich nicht vergessen konnte. Als Annemarie Selinko 1986 starb, beschränkten sich die Todesmeldungen auf die Wiedergabe des Apertextes. der heroischen Legende, die Darstellung des Alltags inklusive Mode, Kosmetik, Schönheit und die ständige Verknüpfung von privater und politischer Geschichte. Die Siré wird von ihrer Umgebung und den beiden Männern ihres Lebens, Napoleon und Bernadotte, nicht als gleichberechtigte Partnerin gesehen. Bernadotte nennt sie, wir haben jetzt kein Beispiel gehört, aber es kommt wirklich ganz, ganz oft vor, mein kleines Mädchen, mein dummes Mädchen, also das ist ein wie ein roter Faden sozusagen, wenn er mit ihr spricht. Und sie behauptet auch von sich selbst, dass sie sich nicht für Politik interessiere und sie davon auch nichts verstehe. Dennoch, Gegenbeispiel, ständig kommentiert sie in ihrem Tagebuch die politischen Ereignisse und als eine Hausdurchsuchung droht, lässt sie ihr Tagebuch auch verstecken. Auch die permanente und sogar sich steigernde Involvierung in politische Ereignisse spricht gegen die Fremd- und Eigenwahrnehmung. Sie rettet ihren Bruder aus dem Gefängnis, interveniert immer wieder bei Napoleon, beendet seine Herrschaft der 100 Tage und verhindert einen Kampf um Paris, als Napoleon ihr den Säbel überreicht und abdankt. Sie wird dafür eben auch dann ja groß gefeiert. Sie leitet ihren Haushalt, wobei auch hier das bürgerliche Haus ihre Welt ist und nicht das Schloss in Stockholm. Und sie kehrt zunächst nach Frankreich zurück, bevor sie dann mit einer Mission nach Schweden zurückkehrt. Ihre Mutterschaft lebt sie zwar, lässt aber ihr Kind am schwedischen Königshof zurück, als sie nach Frankreich zurückkehrt. am schwedischen Königshof zurück, als sie nach Frankreich zurückkehrt. Clara Huber schreibt, dass Desirée für sie eine Kompromissfigur zwischen Altem und Neuem ist, die sich schließlich eine eigene Position in der Weltgeschichte erarbeitet. In der Silvesternacht 1812, ich komme jetzt wieder zum Roman, fragt Desirée ihre Bedienstete Marie, kannst du mir eigentlich sagen, wie ich in die Weltgeschichte gekommen bin? Und gibt sich dann selbst die Antwort, Neugierde, dachte ich, aus lauter Neugierde habe ich mir das alles eingebrockt. Da ist wieder der saloppe, der ironische, der doppelbödige Ton, der auch Annemarie Selinkos andere Romane auszeichnet. Vor allem aber nach der Verfilmung des Romans etablierte sich die Aschenbrödel-Geschichte als einzige Lesart. Die Rezeption, nur noch ein paar Worte, ist von Anfang an von kritischen Rezensionen begleitet. Selbst Selinkos Mentor Rudolf Kalmer lobt einerseits ihre Kunst, jedes Ereignis bis zum Untergang der großen Armee in den Schneewüsten Russlands vollkommen unpathetisch zu sehen. zu sehen. Andererseits betont er, über der literarischen Leistung strahlt das Licht einer weltweit humanitären Gesinnung. Der einflussreiche Kritiker Friedrich Sieburg dagegen schrieb 1952 einen Verriss und bestimmte damit die Einschätzung im deutschsprachigen Raum. Er erklärte, aus halber Geschichte kann nie ein ganzer Roman werden. Er warf ihr vor, dass etwa die Szene, in der Napoleon Desirée ihren Degen übergibt, nie stattgefunden habe und andere historische Darstellungen und Personencharakterisierungen falsch sind. 1961 veröffentlicht deshalb der Verlag Kippenheuer & Witsch, in dem das Buch erschienen ist, die Übersetzung eines Buches mit dem Titel Desirée Clary, ein Lebensbild nach ihrem unveröffentlichten Briefwechsel mit Bonaparte, Bernadotte und ihrer Familie von ihrem Urgroßneffen Gabriel Giraud-Delin, das historische Fakten aufdecken soll und ein völlig anderes Bild der Protagonistin zeichnete. So war eben der Vater kein Seidenwarenhändler, sondern ein Kaufmann, der mit Kolonialwaren handelte. Doch die harsche Kritik zielt meines Erachtens ins Leere. Hat Selinko doch nie behauptet, dass sie das wahre Bild von Desirée zeichnen wollte. Ob der eigene Verlag damit seiner Bestseller-Autorin geholfen oder geschadet hat, bleibt jetzt Ihnen überlassen, das zu beurteilen. Vielen Dank. Nehmen wir gar nicht den Herrn in die Mitte. Nein, der Herr ist auf der Seite. Der Wille am Ranz ist ganz auf die Seite gerückt. Zu diesem Friedrich Sieburg muss man gleich etwas sagen. Das ist einer der gemeinsten ideologischen Kritiker, die es gegeben hat nach 1945. Selber ein großer Nazi und der hat sich wirklich hervorgetan dadurch, dass er die Opferbücher zerfleischt hat. dass er die Opferbücher zerfleischt hat. Also es gab auch fürchterliche Kritiken der Ilse Eichinger gegenüber, wo sozusagen er als Repräsentant dieses Faschismus und des Nationalsozialismus dann gemeint hat, das ist alles zusammengestottert und die bringt sich da auf den Punkt irgendwie. Also wirklich eine der gemeinsten Kritiken, die es irgendwie gibt und in eine ähnliche Richtung geht es hier auch. Das ist eigentlich ganz typisch für diese wirklich fürchterliche, für dieses Weiterwirken des Nationalsozialismus, auch in der Bundesrepublik nach 1945. Ja, die gibt es bei uns und in der Bundesrepublik, aber er war eben ein sehr einflussreicher. Nimmst du das Mikrofon bitte? Er war so einflussreich. Ja, natürlich, aber es ist eine Katastrophe irgendwie. Was mir jetzt so stärker noch aufgefallen ist, einerseits bei der Lesung und bei diesem Referat, es gibt doch starke Ähnlichkeiten der Biografie von der Selinko und von dieser Desirée. Einiges vielleicht ist sogar daraus zu erklären, dass sie die Desiree zu einem Seidenhändlerstochter macht, selber Textiltochter, dann beide entfliehen oder entkommen den fürchterlichen Schrecken, die am Kontinent herrschen, dadurch, dass sie nach Skandinavien gehen. Spielt das eine Rolle? Ist das sozusagen mit ein starkes Element, das irgendwie in dem Buch wichtig ist? Also ich denke, wenn man jetzt alle Bücher von Annemarie Selinko liest, dann ist immer sehr viel von ihrer eigenen Lebensgeschichte drinnen, aber immer fiktionalisiert. Also es ist sicher nicht so, dass sie da ihre Autobiografie eins zu eins ihre Erfahrungen einbringt. Aber zu tun hat es, denke ich, schon etwas, weil die Parallelen, also auch zum Beispiel gerade, wenn sie dann über die Arbeit, wenn das die gleichen Passagen sind, wenn sie darüber berichtet, wie sie da gearbeitet hat bei dem Volke Bernadotte und dann ist es die gleiche Passage im Roman, die halt in die napoleonische Zeit zurückgedreht wird, in das Krankenhaus in Paris. Es ist nämlich auch eine sehr ergreifende Stelle, wie sie da in der Nacht nach dem Sohn ihrer Marie sucht. Dann denke ich mir, hat die schon sehr, sehr viel da hineingebracht in den Roman von ihrer Geschichte. Es geht ja weniger beim Schreiben darum, etwas selber erlebt zu haben, als etwas nachvollziehen zu können, als den Zugang dazu zu finden. Und ich glaube, das merkt man dem Roman einfach an, dass diese stärksten Passagen immer die sind, wo einfach ganz genau, ganz klar ist, da weiß jemand, das klingt jetzt natürlich auch wieder ganz emotional, worüber er schreibt, das kann jemand nachvollziehen, das kann jemand erleben, auch diese Ambivalenz zur Heimat, dieses einerseits Lieben des Heimatlandes und gleichzeitig aber auch Sehen, wie im Namen dieses Heimatlandes furchtbarer Krieg über ganz Europa gebracht wird. Und diese Ambivalenzen, diese schwierigen Momente, also das ist schon wirklich was, wo ich glaube, da reicht es nicht, nur rein fiktional zu arbeiten, sondern da hilft es schon auch, in gewisser Weise darüber selbstpersönlich Gedanken sich gemacht haben zu müssen. gewisserweise darüber selbst persönlich Gedanken sich gemacht haben zu müssen. Also ich glaube, diese Nähe erklärt ganz einfach auch die Faszination, die dieser Gestalt gegenüber an den Tag gelegt wird. Auch das, was du vorgelesen hast, dieses Wissen, dass man jetzt mit dieser Lebensgeschichte von der Desirée das Thema gefunden hat, das sein muss. Nicht nur deshalb, weil es eine Aschenbrödel ist, ganz im Gegenteil, da gibt es andere Faktoren und auch während ich das gelesen habe, habe ich eigentlich immer so die Autorin als Referenzfigur auch gesehen und man wird eigentlich permanent daran erinnert, dass ja diese Linko selber diese Textilhändlerin ist. Also bei jedem Mal, wenn eine Seide auftaucht irgendwie, kommt das eigentlich zum Tragen. Also ich verstehe eigentlich nicht ganz, warum man da eigentlich Umwege gehen muss. Also dass das ein eminent politisches Buch ist, jenseits der Unterhaltungswerte, das liegt ja eigentlich auf der Hand. Ich würde ja sogar sagen, das ist ja vielleicht sogar ein bisschen zu plakativ. Also diese Menschenrechte. Eigentlich könnte man sagen, die Hauptperson sind, also diese Menschenrechte. Also die Menschenrechte, eigentlich könnte man sagen, die Hauptpersonen sind ja fast die Menschenrechte und diese Proklamation der Menschenrechte und die Menschenrechte, die auf dem Zettel dann weitergereicht werden, von Anfang bis zum Ende. Also es hat ja einen unglaublich starken, emphatischen Sinn der Bürgerlichkeit. Also was ist Bürgerlichkeit, Menschenrechte, es ist wie eine Proklamation der Menschenrechte, noch einmal, also das ist ja ganz, ganz stark da. Das habt ihr wahrscheinlich auch so gesehen, dass dieses Menschenrecht so fast einen emphatischen Tonfall bekommt, die Verkündung, oder? Eigentlich schon, ja. Es ist ja auch so, durch diese Figur des Person, der am Anfang vorkommt als jemand, der nach Marseille kommt, um bei ihrem Vater zu lernen. Und da lernen sie eben diese Menschenrechte auswendig und er nimmt dann diesen Zettel mit nach Schweden. Und wie sie dann schwedische Königin ist, trifft sie den Personen ja dann wieder und bittet, dass er ihr dieses Flugblatt zurückgibt. Also sie macht aus dem ein ganz starkes Symbol und konstruiert ja, rahmt quasi mit diesem Symbol den Roman vom Anfang bis zum Schluss. Ja, aber plakativ würde ich es nicht nennen. Also es ist einfach ein Motiv, das natürlich vorkommt, aber das dazwischen ja auch immer wieder verschüttet wird. Was ich eher stark fand, ist wie was man plakativ nennen könnte, aber ich fand es einfach sehr stark, ist ja diese Grundbotschaft. Egal welcher Schrecken über uns kommt, die Menschenrechte bleiben bestehen, solange auch nur ein einziger Seidenhändlers Lehrling sich erinnert. Also dieses Element der Hoffnung fand ich eher sehr schön. Zwischendurch geht es ja wirklich hunderte Seiten lang überhaupt nicht um die Menschenrechte, weil da finden wir uns in einer völlig, fast schon absurden Hofwelt voller Macht und Intrigen wieder. Und da ist das Bürgerliche ja nur der Traum von so einer kleinen Seidenhändlerstochter, die sich dran noch klammert, obwohl rundherum alles in eine komplett andere Richtung geht. obwohl rundherum alles in eine komplett andere Richtung geht. Naja, also irgendwie die Geschichte Napoleons ist natürlich untrennbar verbunden mit der Proklamation der Menschenrechte. Und ganz am Anfang schildert sie ja eigentlich, und das ist ja sehr, sehr plastisch, was sie da sagt, über das Paris Ende des 18. Jahrhunderts und sie redet davon, dass da dauernd guetoniert wird und sozusagen einerseits gibt es diese emphatische Verkündigung des Humanismus im Menschenrecht und umgekehrt herrscht eine Atmosphäre, wo sich die gegenseitig umbringen und die Köpfe abschlagen und es ist sozusagen eigentlich die gesamte Geschichte von Napoleon, dass er sich zum Kaiser machen lässt, eigentlich im gewissen Maße ja auch die Pervertierung dieser Verkündung des Matchnights. Und trotzdem ist der Glauben so stark, dass es so wichtig ist, das jetzt festzuhalten und aufgeschrieben zu haben und sogar auswendig gelernt zu haben. Und das ist natürlich etwas, was ja diesen Roman vielleicht viel stärker als alle anderen Motive so mit der Situation verbindet, die nach dem Zweiten Weltkrieg geherrscht hat. so mit der Situation verbindet, die nach dem Zweiten Weltkrieg geherrscht hat. Also dass man sozusagen in der Situation noch den festen Glauben aufbringt, dass trotz allem, was passieren kann, trotz allen Pervertierungen, die das auslöst und irgendwie die Verkündung dieses Menschen trotzdem irgendwie einen Sinn macht und einen Effekt hat, einen positiven. Und das wäre für mich so der Konnex eigentlich, der 1950 oder Entstehungszeitraum das verbindet, weil ansonsten sind ja auch Versuche gemacht worden, sozusagen den politischen Sinn dieses Buches anders zu lesen, dieses Buches anders zu lesen, also irgendwie in Napoleon so eine Art Hitler, aber das kommt für mich alles nicht so wirklich hin, weil ja eigentlich der Napoleon eigentlich immer sehr positiv gezeichnet wird, auch letztlich, oder? Trotz allem, ja. Nein? Nein, also ich glaube, es wird einfach die Korrumpierbarkeit des Menschen, der etwas Gutes will, aber der dann, wenn er Macht hat, einfach dann diese Macht ja auch dann schon seine, wie er die Macht bekommt, also wie sie deshalb beschreibt, seine ganze Familie und so. Es wird ja relativ schnell, vergisst er ja offenbar, was vorher war. Also es beginnt ja relativ früh schon mit der Herausschälung seines doch nicht positiven Charakters mit dieser Kanonenkugel. Er ist der Einzige, der bereit ist, diese Kanonenkugel auf diese hungernden, demonstrierenden Menschen in Paris zu schießen. Und das begründet seinen Aufstieg. Und das ist eine Geschichte, an die sie immer wieder erinnert. Also die Kanonenkugel ist auch sein Motiv, die immer wieder durchgeht und an die sie immer erinnert. Er sagt ihr gegenüber ja mal, die Krone liegt in der Gosse, man muss sie sich nur aufsetzen. Und daran erinnert sie auch immer wieder, dass er derjenige ist, der zugreift. Sie lässt da, finde ich, an seinem Charakter überhaupt keinen Zweifel. Nur was eben die erzählerische Kunst der Selinko ist, ist, dass sie halt nicht diesen Schurken porträtiert, der da mordet, sondern auch gleichzeitig einen Menschen, der in seinem Büro ein angenagtes Holzspielzeug vom kleinen Napoleon liegen hat. Das ist das Baby, also der Sohn von Napoleon. Und da steckt sich immer so eine Figur, die der Napoleon verwendet, um seine Feldzüge zu planen in den Mund, weil er zahnt. Und die liegt da in diesem Büro. Und das fand ich so eine wahnsinnig berührende Szene, weil das ist eben diese Kraft dieses Erzählens, dass sie auf sowas verweist. Dass auch dieses furchtbare Mensch zu Ende dieses Romanes, wo er schon so viele Menschen opfert, dann doch dieses kleine Ding so wertschätzt. Also ich glaube gerade diese Szenen, wo Napoleon als Vater gezeigt wird, die sind sehr, sehr ambivalent. Die zeigen ihn teilweise auch sozusagen als jemand, der sich wirklich kümmert und umgekehrt auch wirklich wahnsinnig berechnet, als er den Sohn dann präsentieren muss zu Silvester, zum Jahreswechsel und ihm völlig egal ist, ob er erst aufgeweckt werden muss oder nicht. Also der muss einfach sozusagen jetzt, er muss jetzt einfach da sein. Aber das ist ja eigentlich auch sozusagen Monarchismus, also das ist ja Feudalismus im richtigen, das ist hofzeremoniell irgendwie. Das ist alles, ich glaube, ein starkes Motiv ist wirklich auch dieser Unterschied des Bürgerlichen und du hast das auch gesagt, weil ja eigentlich sich die ganze Strecke des Romans danach bemisst, der Auftrag des Vaters an die Tochter, die Geschichte der Bürgerin zu schreiben und in dem Augenblick aufzuhören, wo sie keine Bürgerin mehr ist, sondern Königin, dort geht ja eigentlich ihr Leben weiter, aber das Tagebuch ist dann zu Ende, weil die Geschichte der Bürgerin zu Ende ist. Also da hat sie schon ein sehr feines Gespür, was das heißt, bürgerliche Gesellschaft gegen feudale Gesellschaft und wie da Machtverhältnisse funktionieren. Ich glaube, das ist eine der wirklich großen Stärken dieses Buches und das in dem Augenblick zu beschreiben, wo Bürgerlichkeit überhaupt erst als Staatsform zum ersten Mal eingerichtet wird. Und das finde ich ganz, ganz stark. Und irgendwie, man wundert sich eigentlich auch, zumindest ich habe mich auch gewundert, warum das alles so stimmig ist, warum man sich ja kaum etwas stößt. Also ansonsten stoße ich mich ja in historischen Romanen dauernd an etwas und man denkt sich, das gibt es nicht. Also das glaube ich jetzt nicht, dass man 1815 ein Buch aus einer fahrenden Kutsche wirft. Also es gibt so Romane, da steht das drinnen. Und du denkst dir, das kommt dann nicht vor. Obwohl jetzt man auch nicht das Gefühl hat, das ist so ganz durchrecherchiert. Also es ist wirklich sehr, sehr glaubhaft und stimmig aus meiner Sicht. Oder habt ihr da irgendwie Einwände dagegen gefunden? Ich würde das auch so sehen. Aber du hast ja den Begriff Ambivalenz gebraucht jetzt beim Napoleon. Ich finde, ambivalent sieht sie dann ja schon auch den Bernadotte, weil sie sieht ja auch, dass der republikanisch war, da gibt es ja auch so Sätze wie in Frankreich war er republikanisch und jetzt ist er monarchistisch und er wird ja dann auch, als er Monarch ist, wird er ja konservativ und genau da sozusagen ist ja dann ihre Mission, dass sie dann nach Schweden gehen und sagen, ich muss ja jetzt den auch sozusagen von der korrumpierten Macht, die er jetzt ausübt und in den Krieg zieht oder so, wegreißen. Also da macht sie ja dann wieder so quasi, so probiert sie ihn ja irgendwie bürgerlich wieder zu machen. Oder jedenfalls zu erinnern an die bürgerlichen Tugenden, sagen wir vielleicht so. Aber was ich noch spannender fand, ist wie der Roman zeigt, wie dieser Aufstieg in die Monarchie für Frauen immer schlimmer ist als für Männer. Also das ist ja auch diese alte Erzählung von den Windsors, also jetzt gerade Meghan und Kate und so weiter, in der Sekunde, wo sie einen Prinzen heiraten, hören sie auf, als Frauen, Menschen, Individuen zu existieren. Und das ist etwas, was in diesem Roman allen Figuren passiert, sobald sie in irgendeiner Art und Weise adelig oder gekrönt, also allen weiblichen Figuren. Die Schwestern von Napoleon, die werden daher verheiratet wie die Schachfiguren und haben überhaupt keine Freiheit mehr. Oder auch die Mutter von Napoleon, die am Anfang daherkommt, dass diese patente korsische Matronin, die dann auch gezwungen wird in dieses Hofkorsett, wo sie dann sich weigert, weil sie ja eigentlich da gar nicht mitspielen will. Oder auch die Josephine. Also da ist schon überhaupt dieser Prinzessinnenmythos oder ihre eigene Schwester, die ja dann nur noch Purpur trägt, weil sie dann Königin von Spanien sein will und rumrennt mit Krönchen, die ja permanent runterfallen und überhaupt nur verzweifelt in dieser Situation. Also es ist ein großer, großer, großer Abgesang auf den Prinzessinnenmythos. Und das finde ich auch großartig. Also da wird kein Zweifel daran gelassen, ob Prinzessinnen sein super ist. Nein, überhaupt nicht. Schlimmste, was da passieren kann. Sie hat natürlich ein Talent, eigentlich die unglaublichsten Sachen uns als irgendwie so schmackhaft zu machen, dass wir denken, das könnte wirklich so passiert sein. Also erstens einmal, dass sie wirklich, sie macht ja auch sehr stark den Konflikt zwischen dem Bernadotte und dem Napoleon. Die macht es ja nicht nur, weil der eine bürgerlich ist und der andere dann sozusagen sich selber feudalisiert, sondern das sind die großen Gegenspieler. Und das sind eigentlich Gegenspieler, wo es um die gesamte Existenz geht. Also irgendwie, Napoleon bekommt von den Schweden keine Hilfe, also sie braucht bei dem Russland Feldzug und er bekommt auch keine Hilfe dann, als er geschlagen zurückkommt, um sozusagen die Flanke zu decken. Und trotzdem ist es möglich, dass sie mit beiden, dass sie als Frau da in Paris lebt, was eigentlich von Napoleon als unerträgliche Situation gesehen wird, zu dem Zeitpunkt, wo er merkt, dass der schon längst auf der anderen Seite ist und trotzdem hat sie aber sozusagen einen Kommunikationskanal zu beiden noch. Also sie steht eigentlich im Zentrum eines unerträglichen Konflikts, wo es um 400.000 Tote geht bei diesem Russland- Feldzug und trotzdem reden beide. Es ist so ein Kommunikationsschamier. Und das glaubt man aber irgendwie. Man glaubt eigentlich auch, dass der Napoleon, nachdem er von seinen 450.000 Soldaten, von den 450.000 Soldaten, die weggezogen sind nach Russland, kommen 10.000 nach Hause. Was macht der Napoleon als erstes, als er nach Paris kommt? Der begrüßt nicht seinen Sohn, nicht seine Kinder, nicht seine Frau, 10.000 nach Hause. Was macht der Napoleon als erstes, als er nach Paris kommt? Der begrüßt nicht seinen Sohn, nicht seine Kinder, nicht seine Frau, sondern nein, der geht zu der Desiree und sagt irgendwie, du musst mir bei dem Benadotte helfen. Und irgendwie kommt einem das doch. Also es kommt einem nicht an den Haaren herbeigezogen vor, obwohl es eigentlich an den Haaren herbeigezogen ist. Also mir ist es schon ein bisschen seltsam vorgekommen, dass sie überhaupt da in Frankreich bleiben kann, in dem Moment, wo er sich auf die andere Seite schlägt. Eigentlich, der Napoleon sagt ja die ganze Zeit, es geht nicht. Aber sie bleibt ja trotzdem. Ich weiß aber jetzt gar nicht, ob das historisch irgendwie verfolgt ist oder nicht. Ich glaube, es ist auch wirklich egal, ob das historisch ist. Irgendwie macht es einen dramaturgischen Sinn. Aber sie konstruiert es halt so, dass quasi diese individuelle Geschichte zwischen den beiden das möglich macht. Was eigentlich ein bisschen seltsam ist für die Rolle der Frauen, die sie haben oder nicht haben eigentlich in der Gesellschaft. Dass sie dann doch quasi eine sehr Bestimmende hat. Also dadurch bekommt sie eine wahnsinnige Bedeutung in dem Ganzen. Obwohl sie dauernd betont, dass sie von allen so als das Küken und die Kleine das Dummerchen behandelt. Aber sie hat eigentlich eine immense Bedeutung und wird total geschichtsmächtig eigentlich. Ja, der Zar kommt ja zu ihr und der Tellerau und alle. Alle kommen zu ihr, ja. Haben Sie Anmerkungen? Gefällt Ihnen etwas nicht? Sehen Sie Dinge anders? Bitte. Was sind denn die Kriterien, nach denen Grundbücher ausgewählt werden? Ab 1945 der österreichischen Literatur, die es lohnt, heute mit unserem heutigen Wissen noch einmal zu lesen, ob es da neue Reaktivierungsformen gibt und Bücher, die für den Gesamtzusammenhang der österreichischen Literatur seit 1945 gesehen worden. Also die ist in den Bereich der Unterhaltungsliteratur rezipiert worden. Man weiß zwar, dass sie wahnsinnigen Erfolg hatte, aber so in den Literaturgeschichten oder auch in den Vorlesungen von meinem Professor, von Wendy Schmidt-Engler, kam eine Selinko nie vor. Aber wir glauben, dass eigentlich das korrigiert werden müsste und dass die aus guten Gründen da in diesen Zusammenhang dazugehört. Und da könnte man sicherlich auch noch mehr sagen und dass es lohnt, die Selinka und das Buch Desirée im Speziellen in diesen Höhenkamm der österreichischen Literatur eingegliedert zu sehen. österreichischen Literatur eingegliedert zu sehen. Wir haben ja schon 86. Es gibt ja schon 86 Grundbücher. Wir machen das. Das sind historische Momente. Das ist eine der längsten Veranstaltungsreihen, die es überhaupt in ganz Österreich gibt. Wir haben 2001 begonnen mit Ilse Eichinger und es gibt es jetzt seit 22 Jahren, seit 22 Jahren gibt es das. Es sind mittlerweile drei Dokumentationsbände erschienen im Schollner Verlag, die heißen Grundbücher, da sind immer 25 Bücher drinnen und wir haben schon wirklich jede Menge gemacht und wir haben noch keinen Autor doppelt gemacht. Wir glauben nicht, dass Thomas Bernhard dreimal so bedeutsam ist wie eine Miris Elinko und deshalb machen wir von jedem Autor und jeder Autorin nur ein Buch. Und wir nehmen auch Fernsehspiele, wir sind da irgendwie total kreativ und wir nehmen auch die Alpensager rein und die Biefke-Sager und auch diese Formate, Herr Karl zum Beispiel, ein Kabarettprogramm, also wir definieren das ein bisschen anders und um. Darf ich dem Herrn Professor widersprechen? Ich finde nämlich nicht, dass sich bei der Auswahl von der Frau Silinko weit aus dem Fenster gelehnt wird, ganz im Gegenteil, ich finde, da trägt man einer Entwicklung unserer Zeit endlich Rechnung, und zwar, dass wir uns verabschieden von, in der Literatur uns verabschieden von dieser Einstellung alles, was unterhaltsam ist, ist böse und keine Literatur. Da sind wir endlich drüber hinweg, zum einen und vor allem auch, das geht hier auch, also es ist wirklich eine Neubewertung dieses Romans vor dem Hintergrund wichtig, dass wir auch die Rolle einer Autorin und das weibliche Erzählen neu bewerten. Denken Sie an historische Romane von Franz Werfel, von Stefan Zweig über Frauengestalten. Also da gibt es ja so viele, die gepriesen werden als großartige literarische Romane über Frauen. Aber wenn ich das als junge Frau lese, denke ich mir ganz oft Entschuldigung, bitte was? Und das hier, was ich zum Beispiel so spannend fand, ist, wie hier wirklich die Rolle der Mutter auch reflektiert wird. Denken Sie zum Beispiel an Anna Karenina. Als Mutter ist das eine ganz schwache Figur. Denken Sie an Emma Bovary. Das ist eine ganz schwache Figur als Mutter. Das tut mir leid. Das haben einfach Männer nicht ganz verstanden. Und das ist anders. Und das ist jetzt auch eine Neubewertung in der Literatur. Und es wird auch endlich dem Umstand Rechnung getragen, dass 80 Prozent aller Leserinnen Frauen sind. Und das nur, weil etwas vielleicht mit ein bisschen mehr Gefühl erzählt wird oder eben Mutterschaft ein Thema ist, dass das jetzt deshalb nicht literarisch ist. Und das ist jetzt eine Entwicklung, glaube ich, der letzten 20, 30 Jahre, die immer stärker geworden ist, die auch jetzt dazu führt, dass endlich in der zeitgenössischen Literatur Themen behandelt werden, die vor 20 Jahren unpublizierbar gewesen wären. Und genau vor diesem Hintergrund ist es so wichtig, sich diesen Roman, dem so viel Unrecht angetan wurde, nochmal anzuschauen. Kaiser, Plädoyer, Ende. Also das ist wirklich eine Herzensangelegenheit für mich persönlich. Ich weiß nicht, wie Sie das sehen. Bitte, wir haben noch eine Frage. Ich habe eine Frage für den Rechteben. Und zwar genau das, wenn ich wahnsinnig überrascht war, wie ich gelesen habe, an der Rose Inko, an der C.A.G., was macht die C.A.G. mit dem Stift daraus? Ach, genau. Was bringt die C.A. ins Schriftdach aus? Denn ich kann mich erinnern, ich habe das Buch mit 50 Jahren sind von mir aufgebaut, wo ich als junges Mädchen, ungefähr im Alter, wie bei verschiedenen Romanen mit Désirée, habe ich das Buch gelesen, habe es mit Begeisterung gelesen und es wunderbar gefunden. Aber eben auch als Unterhaltungsroman gesehen. Ich habe den auch gesehen mit sehr prominenten Schauspielern. Wobei ich schon auch zugeben muss, dass beim Film vieles, was wesentlich ist am Roman, unter dem Tisch gefallen ist. Mit dem persönlichen Hintergrund der Autorin habe ich mich natürlich damals überhaupt nicht beschäftigt. Aber ich muss auch dazu sagen, mir ist der Roman und der Film eigentlich im Laufe meines Lebens kaum noch einmal untergekommen. Der ist im Fernsehen, der Film ist auch im Fernsehen kaum noch mal aufgetaucht. Und wobei ich mich so überrascht habe. Aha, das ist ja gut. Und habe dann noch geschaut. Ich habe genau auf dem 50er-Jahr das Buch noch. Habe es dann so ungefähr in einer Nacht immer mal so durchgespürt. Da kann man sich dann noch mal so ein bisschen erinnern. Das war meine Gedanke zu dem Thema, das ich rede. Und ich finde es schön, dass Sie jetzt dieses Buch empfehlen, dass Sie nicht in Vergessenheit gehen. Gut. Dankeschön. Ich glaube, Sie haben das Schönste. Ich glaube, Sie haben das Schönste. Das ist ja so, das Buch braucht ja uns gar nicht. Das Buch funktioniert eh prächtig. Das Buch wird verkauft, kommt nach wie vor unter die Leser, aber sozusagen, weil wir was beitragen können und die Wehrkaiser tragen am meisten dazu bei, niemand braucht ein schlechtes Gewissen haben, wenn er das JRE gelesen hat. Also es ist ein ernstzunehmendes Buch und es ist viel zu wenig beachtet und auch die Literaturwissenschaft könnte was beitragen. Böse Stimmen machen das ja umgekehrt und sagen, heute gibt es sowieso noch mehr Unterhaltungsliteratur. Und insofern passt es natürlich ganz gut zum heutigen Umfeld. Könnte man auch sagen, Gott sei Dank unterhält uns die Literatur endlich. Ja, Gott sei Dank ist es vorbei mit dieser Faden-Avantgarde. Das Buch, dieses wirklich laufend wiederholt. Ja, selbstverständlich, die ganze Zeit. Ja, also es war immer zugänglich und das ist auch eine wirklich schöne Sache. Also, und es ist immer... Ja, es ist ja in 25 Sprachen übersetzt, insofern weiß man ja gar nicht, wie viel. Wir haben ja unsere Hausaufgaben nicht ganz gründlich gemacht, wir hätten das nach Hause finden müssen. Also es ist eines der meistverkauften Bücher, die Frau Selinko hat ein riesiges Vermögen auch hinterlassen, weil sie aus diesen Verkäufen gekommen ist und wir haben jetzt nicht recherchiert, wie das ist, aber es ist nach wie vor da und als wir die Veranstaltung angekündigt haben, hat es von vielen Seiten geheißen, hey, das ist doch das, was ich als Jugendliche gelesen habe. Also viele haben das, es muss ja Leute geben, die das gelesen haben, wenn sie solche Auflagen gehabt haben. Also es ist eigentlich so im kollektiven Gedächtnis der eigenen Lesebiografie ist das tief verankert und ich glaube nicht, dass in letzter Zeit die Auflagen, also die Verkäufe so riesig waren wie vorher, aber es ist nach wie vor da und es ist als Taschenbuch da und das zeigt ja allein, dass das noch gelesen wird auch. Also Hausaufgabe für heute am Abend, ich darf Kippenheuer & Witsch, das ist auch mein Verlag, morgen in der Früh gleich schreiben und einmal nachfragen, die genauen Publikationszahlen. Morgen in der alten Schmiede. Wenn Sie nicht genug haben heute, dann können Sie morgen in die alte Schmiede kommen, dann hören Sie von Wehrkaiser sämtliche Zahlen, Verkaufszahlen ganz genau. Ich möchte noch eine Frage stellen. Weiß man eigentlich, ob das Lesepublikum dieses Romans hauptsächlich weiblich war? Sicher. Aber grundsätzlich, weil grundsätzlich Lesepublikum dieses Romans hauptsächlich weiblich war. Sicher. Ja, sicher. Aber grundsätzlich, weil grundsätzlich Lesepublikum ist immer weiblich. Also großteils, großteils. Aber nein, ob man als Rückblick mit auf dem Preis hat, dass es hauptsächlich Frauen angesprochen hat. Historische Romane, auch heute, werden hauptsächlich von Frauen gelesen. Eine Frau im Titel, das bedeutet immer, dass viele Männer diese Bücher gar nicht angreifen. Ja, da war die Männer kaufen es, weil das Cover so schön ist. Ja. Ja. Also es gibt ja ganz lustige Studien zum Leseverhalten und das Leseverhalten des Jahres 2022 sagt bei einem neu erschienenen Roman tatsächlich 85% Leserinnen, 15% Leser und es wird immer geringer, je jünger. Also so quasi zum Beispiel in der Gruppe der 16-24-Jährigen, da reden wir schon von 95% Leserinnen. Also je älter die Leserschaft wird, umso höher der männliche Anteil, je jünger, umso höher der weibliche Anteil. Ich hoffe, ich zahle jetzt richtig im Kopf. Ist auch ein Phänomen, das tatsächlich sich steigert. Da müssen wir auch, glaube ich, in den Schulen uns ein bisschen überlegen, wie kriegen wir die ganzen Jungs weg vom Fernseher und hin zu den Büchern. Also wir hatten einmal eine tolle Veranstaltung hier, wir haben ja auch Brigitte Schweiger, wie kommt das Salz ins Meer, als eines der Grundbücher, ich glaube, das ist 10, 15 Jahre her und es war hier in Linz eine Veranstaltung und dann waren natürlich 95 Prozent Frauen, und dann kam ein Mann, und der hat gesagt, bitte, ich habe es auch gelesen, aber weil wir mussten das damals lesen. Also unsere Frauen haben uns angeschafft, das zu lesen, damit sie was zum Diskutieren haben mit uns, irgendwie nicht. Nein, aber ich glaube, wir freuen uns wahnsinnig, dass auch Sie sich so freuen, dass wir jetzt hier mit der Desiree im Stifterhaus sitzen. Das ist einfach, glaube ich, wirklich eine tolle Entwicklung unserer Zeit und wie gesagt, schön, dass ihr das Buch in die Grundbücher aufgenommen habt und ihm dadurch jetzt noch sein Krönchen aufsetzt, das er schon in den 50er Jahren verdient hätte. Ein absoluter Glückstreffer. Irgendwie ist uns die Wehr Kaiser eingefallen, dass man die fragen könnte, ob sie dabei ist. Und dann haben wir genau einen Jolly Joker gelandet, weil das genau ins Herz getroffen hat. Auch weil das sozusagen eines deiner wesentlichen Leseerlebnisse immer schon gewesen ist. Absolut. Aber da mit Selinko in der Reihe sehr, sehr viele Autorinnen, also auch Vicky Baum, Irmgard Coyne, das sind einfach Autorinnen, die könnte ich fressen. Oder die fresse ich, die lese ich nicht, die fresse ich. Und habe so gemerkt, je älter ich werde, umso mehr traue ich mich dann auch. Also ich habe mich davon verabschiedet, dass ich den gesamten Stefan Zweig durchlesen muss. Ich bin draufgekommen, den braucht man überhaupt nicht. Genau, das ist ein schönes Schlusswort. Niemals Stefan Zweig lesen, sondern immer nur Selinko. Dankeschön ganz herzlich fürs Kommen, dass Sie uns so lange zugehört haben. Kommen Sie gut nach Hause. Dankeschön.