Was ist Neuland? habe sind Gedichte und jetzt versuche ich einmal was anderes. Am Grundstück des Onkels waren rechts ein Gemüsegarten und dahinter als Sichtschutt zur Hauptstraße hin eine Hecke aus heimischen Sträuchern angelegt. Hinter dem Wohnhaus lagen noch Werkstatt und Garage, deren Einfahrt sich an der Außenseite der Liegenschaft befand. Unter dem Zwetschgenbaum linker Hand thronte eine von Onkel Emmerich selbst aus kleinen Steinen und Beton errichtete und mit einer Fahne und einem Windrad geschmückte Ritterburg. Betreten, verboten, stand auf einem im burggraben angebrachten metallschild okl emmerich konnte spielen die kinder nicht ausstehen der lärm ging ihm auf die nerven wer kleine kinder und hunde hast kann kein schlechter mensch sein zitierte er gerne den amerikanischen Schauspieler und Komiker William Fields. Trotzdem lehnte er jedes Jahr im Frühsommer eine Holzleiter an die Garage und der kleine Gruber und sein Cousin Willy durften auf das Dach klettern, von dem aus man köstliche Herzkirschen pflücken konnte, auf die sich die beiden Buben schon im Frühling freuten. Onkel Emmerich selbst war in seiner Kindheit ein sehr aufgewecktes Bürschlein gewesen. Einige seiner Streiche, die an Michlaus Löhneberger erinnerten, wurden seit Jahrzehnten innerhalb der Verwandtschaft bei passender Gelegenheit zur Erheiterung hervorgekramt. Für den kleinen Emil, wie er damals genannt wurde, war es entschieden von Nachteil, dass in seiner Kindheit die sogenannte schwarze Pädagogik, insbesondere die Prügelstrafe, nicht nur in den Schulen, sondern auch im trauten Familienkreise der erzieherischen Weisheit letzter Schluss war. Es oblag dem Vater als Oberhaupt, die zahlreichen Verfehlungen seines umtriebigen Sohnes durch körperliche Züchtigung zu bestrafen. Und da angesehene Kaufmann Heidinger kam dieser Aufgabe mit größter Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt nach. Der Ledergürtel sauste mit solcher Gewalt auf den nackten Kinderpopo nieder, dass es nur so schnalzte und tiefrote Striemen als Spuren der väterlichen Liebe zurückblieben. Wenn er Glück und der Vater gerade wenig Zeit hatte, ersparte der Bub sich diese Tortur und kam mit ein paar saftigen Ohrfeigen und dem Spruch, was soll bloß aus dir werden, relativ ungeschoren davon. Eines Tages hatte sich Emmerich aus Jux und Tollerei eine Erbse in ein Nasenloch geschoben, das andere mit dem Zeigefinger abgedichtet und mit Überdruck das Kügelchen regelrecht aus der Nase herausgeschossen. Das machte Spaß und wurde daher mehrmals wiederholt. Der Knabe entdeckte bald, dass je weiter nach oben er die Erbse schob, die sie sich umso heftiger aus seiner Nasenkanone katapultieren ließ. So lange schob er die Munition immer weiter nach oben. Kinder sind Meister im Ausreizen, bis er die Erbse doch um ein kleines Stück zu weit nach oben geschoben hatte und diese irgendwo in den Nebenhüllen stecken blieb. Was er wollte für die Hülsenfrucht gab es kein Zurück. Der kleine Emmerl hatte also eine Erbse in der Nase. Das passte gut zu einem der größten Radio-Hits Mitte der 60er Jahre. Bohnen in die Ohren, gesungen vom US-amerikanischen Schlagersänger Gus Bacchus, der im deutschsprachigen Raum schon zuvor mit Darsprach, der alte Häuptling der Indianer, erfolgreich gewesen war. Das Schicksal wollte, dass Emmerich erst vor wenigen Stunden eine ordentliche Abreibung verpasst bekommen hatte, weil er der Nachbarin nicht zum ersten Mal mit einem Stein, unabsichtlich natürlich, aber welcher Erwachsene versteht das, eine Fensterscheibe eingeworfen hatte. Er zog es also im Interesse seines Wohlergehens vor, seinen Eltern die Sache mit dem körperfremden Objekt in seiner Nase zu verheimlichen. Die Mutter war die Erste, der der nasale Untertonen den sprachlichen Äußerungen ihres Sohnes auffiel. Ampte er etwa gar ihre Schwester Alma nach, die in Wien in den besten Kreisen im wahrsten Sinne des Wortes verkehrte? Erst kürzlich war diese auf Besuch gewesen und der ganzen Familie mit ihrer unerträglichen Affektiertheit auf die Nerven gegangen. Hatte sie ihren Neffen sprachlich infiziert? Oder war der Bengel trotz Verbotes wieder einmal in den auch im Sommer eisig kalten Mühlbach gesprungen und hatte sich verkühlt? Aus dem verstockten Buben war nichts herauszubekommen. Ihren Gatten wollte sie nicht schon wieder mit den Eskapaden des Missratenen behelligen. Der hatte wahrlich andere Sorgen, also beschloss sie abzuwarten und zu beobachten. Wärme und Feuchtigkeit sind optimale Bedingungen für Saatgut. Eingebettet in Emmerichs Nasenschleimhaut dauerte es nicht lange, bis die Natur sich in Gestalt eines Triebes ihren Weg in Richtung Licht bahnte. Das hatte zur Folge, dass der Sohn auffallend häufig die Luft durch das Nasenloch, in dem es spross, einzog. Auch kratzte er ständig an der Nase herum und seine Aussprache gemahnte mittlerweile an die der Wiener Hocheistokratie. Es musste sein. Der Bub wurde sich heftig zu Wehrsätzen dem Gemeindearzt vorgeführt, der nicht schlecht staunte, als er mit seiner Pinzette den schon mehrere Zentimeter langen Erbsenkeim aus des Knabens Nase zog.