Einen schönen guten Tag und herzlich willkommen aus dem Studio von DorfTV in der Kunstuniversität Linz. Ja, mit dem heutigen Tag geht die Sendereihe unter weißer Flagge Medien und Haltung in Zeiten des Krieges zu Ende. Für mich ist das zugegeben natürlich mit etwas Wehmut verbunden. Gleichzeitig freue ich mich aber, diese Reihe schließen zu können mit dem Blick und dem Augenmerk auf ein Medium, das tatsächlich gar nicht genug an Bedeutung einnehmen kann. Wir sprechen heute über den Film. Filmschaffende haben ja durchaus die Möglichkeit, gerade auch in einer schwierigen Auseinandersetzung mit Krisenfragen unserer Zeit, Denkräume zu erweitern, kritische Perspektiven zu schärfen, auch zuzuspitzen und überhaupt auch Vorstellungen zu entwickeln, die weit über unsere Alltagswahrnehmungen und kognitiven Muster hinausgehen. Umso spannender ist es auch, dieser Frage näher nachzugehen, gerade auch in dem Zusammenhang einer kritischen Auseinandersetzung mit Konflikten, Kriegssituationen, aber natürlich dann auch, wie denn beispielsweise der Film auch als Sehnsuchtsort von Frieden entwickelt und gesehen werden kann. Und ich freue mich heute ganz besonders, eine renommierte Filmschaffende hier bei uns im Studio begrüßen zu dürfen. Vielen ohnehin sehr bekannten Nina Kusturica, Regisseurin, Drehbuchautorin und Publizistin. Ja, wunderbar, dass Sie heute hier sind und ich denke mal, wir legen gleich los. Frau Kusturica, das ist ja eh wahrscheinlich auch bekannt. Sie sind als Jugendliche gemeinsam mit Ihren Eltern aus aus ihrem Herkunftsland geflohen. Sie sind ursprünglich geboren und aufgewachsen in Bosnien-Herzegowina, dann auch in den 90er Jahren in einen furchtbaren Krieg verstrickt, der ja auch weltweit für großes Aufsorge und natürlich auch für Verstrickungen gesorgt hat. für großes Aufsorge und natürlich auch für Verstrickungen gesorgt hat. Sie mussten ihr Land verlassen, sind damals mit ihren Eltern, ihrer Familie nach Wien gegangen. Sie waren Jugendliche. Vielleicht können Sie uns ein paar Eindrücke eingangs vermitteln, wie Sie das damals wahrgenommen haben, diesen großen Konflikt, diese Zerwürfnisse. Und natürlich interessiert uns oder auch mich hier zu Beginn dieser Diskussion, wo haben denn Sie Ihre Bilder hergenommen, wo haben denn Sie Ihre Narrative dieses Konfliktes, dieses Krieges aufgenommen, mit denen Sie ja schließlich weiterhin leben mussten? Ja, vielen Dank für die Einladung in diese unglaublich spannende Gesprächsreihe. Ich freue mich sehr, ein Teil davon sein zu dürfen. Ja, es ist irgendwie beim Thema, es ist schon 30 Jahre her, dass der Krieg in Bosnien-Herzegowina ausgebrochen ist. Und natürlich, es ist anders, wenn ich mich erinnere an meine damaligen Gedanken und Gefühle, die mir durch den Kopf gegangen sind. Und es hat sich ein bisschen was getan in diesen 30 Jahren, sei es gesellschaftlich, aber auch persönlich mit einem, biografisch und so weiter. Und natürlich, wenn ich heute zurückschaue, sehe ich mich auch mit einer gewissen Distanz. Aber wenn Sie fragen, wie es mir damals mit 17 gegangen ist, habe ich natürlich ganz viel, wie alle bei uns, zu der Zeit durchs Fernsehen, also über Fernsehen, über Fernsehbilder mitbekommen. Es wurden alle großen Parlamentssitzungen im Fernsehen live übertragen. Und wir hatten ja fast in jedem Zimmer in unserer Wohnung einen Fernseher. Das war auch nicht unüblich damals. Und das war zu einer Zeit sogar spannender als das Abendserienprogramm, das ausgestrahlt wurde. Wir haben uns sehr genau angesehen und kommentiert, wie im Parlament gesprochen wird, wie Meinung gemacht wird, aber auch wie Hetze betrieben wird, die Ende der 80er Jahre schon an Kraft und Aufwind bekommen hat, die nationalistische Bewegung in damaligen Jugoslawien. Und ja, mir hat das sehr geholfen, natürlich vor allem mit meiner Mutter darüber sprechen zu können, die auch Schauspielerin vom Beruf ist. Und sie hat mit mir dann auch die Auftritte der Politiker, Politikerinnen, waren auch einige dabei, hat sie analysiert. Politiker, Politikerinnen, waren auch einige dabei, hat sie analysiert. Und natürlich durch ihr Können, sei es jetzt die Arbeit der Stimme, Subtext, Körperarbeit und so weiter, haben wir das auch zum Teil dekonstruiert, was uns da vorgeführt wurde. Und da hat irgendwie mein großes Misstrauen auch den Anlauf bekommen, Misstrauen gegenüber den Bildern, die uns serviert werden. Und auch Misstrauen gegenüber den Auftritten. Und da hat sich auch Film bei mir dann sehr schnell auch als großes Interesse, als auch ein Beruf herausgestellt, bei welchem ich auch dem nachgehen kann, dem Dekodieren von dem, was und wie uns erzählt wird. Es ist ganz interessant, Sie haben es ja jetzt schon angesprochen, bei meinen Recherchen in Vorbereitung für unser heutiges Gespräch bin ich gestoßen auf ein sehr umfangreiches Interview, das Sie gegeben haben im Jahr 2009 anlässlich des Erscheinen Ihres ja doch erfolgreichen Films Little Alien. Da wird dieses Interview mit einem Zitat von Ihnen eingeleitet. Ich darf das ganz kurz wiedergeben und sage Ihnen, warum ich auch so verblüfft war. Sie sagen da, es hat mich furchtbar gestört zu sehen, wie die Medien berichten und da wollte ich der Welt gerne ein anderes Angebot an Bildern, Geschichten, Erzählungen und Zuständen machen. Ich bin deshalb so verblüfft, weil das könnte eins zu eins wiedergeben, genau meine Intention, warum ich diese Senderei zu Medien und Haltungen in Zeiten des Krieges wiedergegeben habe, natürlich auch aus einer Unzufriedenheit und einer großen Skepsis gegenüber dem Informationsangebot, das wir natürlich geprägt und unter dem Eindruck des Aggressionskrieges gegen die Ukraine tagtäglich wahrnehmen mussten. Ist das dann etwas, was sich für Sie auch tatsächlich in Ihrer Arbeit als Filmschaffende durchgezogen hat? Ist das für Sie so eine tragende Säule Ihres Daseins, dass Sie gegenüber dieser Welt immer skeptisch sind? Ja, das ist auch irgendwie der Motor. Also weil es geht auch ganz stark um die Meinung, die man sich bildet. Sei es das Publikum eines Films, egal ob es jetzt ein Dokumentarfilm oder ein Spielfilm ist, diese Bilder prasseln auf uns ein und sie wirken ganz stark, ohne dass sie durch einen Filter des rationalen Denkens und alle möglichen Analysen durchgehen. Und umso verantwortungsvoller finde ich es im Kino schaffen, vor allem aber auch im Fernsehen, ist es irgendwie sich diese Frage zu stellen, welche Mittel verwende ich und vor allem zu welchem Zweck. Und in der schnellen Berichterstattung in den Medien, natürlich gibt es auch wunderbare Qualitätsmedien, die es auch irgendwie schaffen, Dinge in allen möglichen Nuancen zu erzählen, ist es sehr oft, vor allem das Thema Migration und Flucht, sehr oft reißerisch, sehr oft dramatisierend, aber sehr selten konkret besprochen. Und in dieser Wolke, in der die Konturen auch so unscharf sind von dem, was das Thema ausmacht, kann man natürlich Massen in bestimmter Richtung in die politischen Zwecken dienen, ganz leicht bewegen. Und da Film auch so eine Kunst des Moments, des Augenblicks ist, auch eine Kunst des Körpers in einer Zeit, in einem Raum, kann ich dem gar nicht entkommen, nicht konkret über einen konkreten Menschen in einem konkreten Raum zu erzählen. Und dadurch, ohne dass es überhaupt ganz groß meine Absicht sein muss, passiert das automatisch, dass ganz viele Dinge, die sonst aus dieser diffusen Wolke, oft in so einer politischen Hetzensprache, erzählt werden, dass sie sich in Luft auflösen. Weil sobald man eine Geschichte über den Menschen in einem konkreten Raum mit einer konkreten Biografie erzählt bekommt, verbindet man sich auch anders mit dem Thema und beginnt zu verstehen, was bedeutet eigentlich dieses Gesetz, das wir da beschlossen haben für einen Menschen, für eine Familie, für ein Volk. Und ja, ich finde alles, was sozusagen der Konkretisierung des Themas dient, hilft eigentlich, um so mit Vorurteilen aufzuräumen und sich durch konkrete Schicksale und Menschen einfach in der ganzen Vielfalt dem Themenbereich anzunähern. Und das war damals noch vor diesem 2015, vor diesem Jahr der Krise oder wie auch immer das genannt worden ist, der Fluchtbewegung, war das noch irgendwie Ende 2009, 2010, als der Film gemacht wurde, war das schon damals mir ein Anliegen, über dieses Thema zu sprechen. Die Tatsache, dass weniger in den Medien das Thema präsent war, hat mir aber auch ermöglicht, ein bisschen, war ich doch ein bisschen freier. Ich sehe es bei Kolleginnen, die danach viel mehr über Flucht und Migration gemacht haben, dass sie gedacht haben, das Thema ist schon so, es sind so viele Bilder kommuniziert worden und sie tun sich da schwer, dem was zu entgegnen. Ich hatte es ein bisschen leichter, weil die Leute noch weniger konfrontiert waren mit den aktuellen Bildern der Flucht und der Migration und des Krieges auch. Damals war so ein bisschen ein Ende der 2000er war so die Frage, wie uns das Thema weiter beschäftigen. Zum Beispiel eine Förderstelle hat zuerst gesagt, ich weiß nicht, wir wissen nicht, ob dieser Film wirklich gemacht werden soll, bis er fertig ist, wird das Thema vielleicht nicht aktuell sein. Damals haben wir es, glaube ich, noch nicht so richtig geahnt, dass das schon ein Jahrhundertthema sein wird. Da muss man jetzt auch zum besseren Verständnis der Zuseherinnen und Zuseher kurz schildern, wovon dieser Film handelt. Sie haben damals die Flüchtlingsaufnahmestelle in Dreiskirchen aufgesucht und haben letztlich einen Dokumentarfilm gemacht über jugendliche Fluchtsuchende aus Afghanistan. Nicht nur. Nicht nur, aber das spielt eine ganz wesentliche Rolle. Ich weise nämlich auch deshalb darauf hin, weil wir natürlich heute, das ist natürlich deutlich später, ja mit Bildern konfrontiert sind, die wahnsinnig hasserfüllt sind, gerade auch gegen Afghaninnen. Afghanen, sind dann mehrheitlich männlich. Da gibt es wahnsinnig viele Stereotype, da gibt es so kriminalisierende Aufladungen, was da sozusagen an Gefahr auf uns zukommt. Sie werden sich ja viele dieser Fragen ja auch gestellt haben. Damals war es natürlich noch nicht in diesem intensiven Stadium, aber Sie werden sich ja sehr, sehr oft auch die Frage stellen, wogegen laufe ich eigentlich da an? Was sind denn diese Mehrheitsimages, die bei uns so stark wirken und die Köpfe auch vieler Menschen so sehr prägen? Sind da nicht Ihre Zweifel mitunter doch auch so stark, dass Sie sagen, vielleicht lasse ich es lieber? Ich glaube, dass das eben keine Mehrheitsimages sind, sondern Minderheitsimages, die zur Mehrheit gemacht werden, damit sie für Zwecke der Ausgrenzung und Hetze verwendet werden können. Und ich weigere es, und als Filmemacherin habe ich Gott sei Dank das Privileg, auch unabhängig arbeiten zu können, genau diese Narrative zu bedienen, indem ich mich ihnen entweder entgegenstelle und unbedingt ein Gegenteil beweisen muss oder mich gar nicht traue, mich mit dem Thema zu beschäftigen, weil das schon kontaminiert worden ist politisch. ist die, dass eben das gar nicht im Verhältnis steht zu der Wirklichkeit, das, wie wir politisch über bestimmte Gruppen von Menschen das erzählt bekommen. Und da weigere ich mich dem sozusagen da mitzuspielen und auf dieser Ebene überhaupt mich zu bewegen und zu beschäftigen. Weil das, was bei mir aufgeht, wenn ich da an eine Tür dokumentarisch anklopfe, ist eine Welt. Eine Welt, die sagt, oh schön, dass ihr da seid. Wir sehen da Bilder über die Schirme, wir sehen Geschichten, die über dokumentarisch, ist es schon auch zu schauen, welchen Geschichten kann ich, das klingt jetzt so ein bisschen nicht, eine Stimme geben, aber mit wem kann ich gemeinsam eine Geschichte erzählen über eine bestimmte Lebenswirklichkeit. Und da muss ich natürlich als Filmemacherin immer wieder meine Position überprüfen. Ist das jetzt so ein, ich komme und beleuchte jetzt etwas oder schaffe ich es auf eine bestimmte Art mit den Menschen, über die ich erzähle, mit ihnen gemeinsam ihre Geschichte zu erzählen. wir auch gerade beschäftigt, weil wir auch in Europa lebend, wo wir uns auch sehr wenig unserer Privilegien bewusst sind, von welchen wir täglich profitieren, sei es in den Finanzierungsmöglichkeiten, Mitteln der Arbeit, die uns zur Verfügung steht, haben wir auch uns eine Haltung angeeignet, dass uns die Geschichten der anderen gehören. Das sind sicher irgendwie Reste von einer sehr kolonialistischen europäischen Politik, die, finde ich, ganz stark bis in die Kunst hineinwirkt. Und wir oft auch unter dem Denkmantel des, ah, wir müssen jetzt und des Gutgemeinten auch oft irgendwie schwierige Perspektiven dadurch auswählen, weil am Ende diese Autorenschaft sehr selten aufgebrochen wird, sehr selten geteilt wird, was die Filme betrifft, Geschichten, auch im Theater etwas mehr als im Film, aber es sehr selten Kollektive gibt, die sich entscheiden, gemeinsam über eine Lebenswirklichkeit zu erzählen. Meistens sind es wir mit unseren europäischen Mitteln und Budgets, die dann in diese, sei es nach Osteuropa oder in bestimmte afrikanische Länder fahren, Dinge dann sichtbar machen und uns auch der Menschen, ihrer Schicksale, ihrer Körper filmisch bedienen und sie verpacken und wieder in unsere Leitungen, die schon seit Jahrhunderten gebaut worden sind und finanziert worden sind, schicken und dadurch vorgeben, etwas vom anderen zu wissen. Also ich probiere da immer schon auch immer mit einem Wissen über das Nichtwissen an diese Tür zu klopfen und mich so langsam auch, was meine Methode oder so eine künstlerische Arbeit betrifft, vorwärts zu handeln und zu arbeiten. Aber mir auch der Sache bewusst zu sein, dass das schon ein sehr starkes Machtgefälle ist. Auch wenn ich mit einer Kamera jemanden betrachte und on record gehe, ich bin nicht Teil dieser Welt, logischerweise. Ich filme sie. Diese Menschen, die auf der anderen Seite der Linse sind, geben der Geschichte das Bild. Sie geben der Geschichte die Geschichte. Und wie gehe ich mit dieser Machtposition auch um? Das beschäftigt mich sehr stark. Nicht nur im Sinne von Kadrage, von Framing, sondern auch von dem, was mache ich dann? Was mache ich mit diesem Bild und wo schaue ich hin und wo schaue ich nicht hin? Aber bleiben wir bei Kriegs- und Konfliktsituationen. Kriege werden auf dieser Erde seit Jahrtausenden von Männern geführt. Kriege werden von Männern gedeutet, historisiert und sehr, sehr oft auch heroisiert. Wie lässt sich da quasi fast als eine Antithese ein weiblicher Blick oder gar ein feministischer Blick darauf entwerfen? Das ist jetzt wirklich eine sehr große Frage. Wo ich das Gefühl habe, dass wir viel zu wenig darüber sprechen, ist der Krieg nach dem Ende des Kriegs. Das heißt, es gibt so ein Datum und das heißt, dieser Krieg hat von bis gedauert. Und dann gehen so ganz viele zur Tagesordnung über und diese Kriege bleiben aber eingeschrieben in den Körpern der Menschen und sie bleiben noch viel stärker eingeschrieben in den Körpern der Frauen, weil Vergewaltigung Kriegsmittel Nummer eins ist. Und ja, man könnte sagen, aus feministischer Perspektive geht es ja auch ganz stark in unserer Welt um das Thema Gewalt. Und sei es jetzt Gewalt in der Familie, in bestimmten beruflichen Verhältnissen und so weiter. Und zieht sich natürlich im Krieg fort, sozusagen. Das ist ein Thema, das wir auch in Friedenszeiten, Thema Gewalt, ganz stark im Vordergrund besprechen sollen, im Sinne von unseren Beziehungen und der Welt, in der wir leben. Und wer was für okay befindet oder nicht, sehr stark überprüfen. was für okay befindet oder nicht, sehr stark überprüfen. Aber im Grunde genommen höre ich da auch ein durchaus aufklärerisches Prinzip heraus, sozusagen die Hoffnung, dass Menschen doch in der Lage sind, sich ihrer Vernunft zu bedienen und sozusagen auch über ihre Normierungen, über ihre Wahrnehmungskonventionen und so weiter, so wie wir auch in unserem Hamsterrad stecken, einer neoliberalkapitalistischen Wertegesellschaft, dass doch auch die Hoffnung da ist, sie können sich mit ihrer Kunst oder mit ihren filmischen Argumenten oder Argumentationen einem Publikum wenden, das schon auch empfänglich ist, auch für Störungen, für Irritationen? Oder ist das so etwas, dass es einfach mit Ihrem Berufsethos verbunden ist, dass Sie diese Hoffnung einfach haben müssen? Was ich auf keinen Fall möchte, ist es, mich sozusagen elitär an jemanden zu wenden und zu sagen, ja, ich mache einen Film und nur wenn du so weit bist und das verstanden heißt, heißt das, wir sind auf derselben Wellenlänge. Also mein Ziel und mein Wunsch wäre es irgendwie Filme und Geschichten zu erzählen, die das Gegenüber ermöglichen, in Kontakt zu treten mit dem, was auf der Leinwand ist. Und ich finde, Film kann Kunst, kann Theater auch natürlich sehr schön, eine Verbindung herzustellen. Und ich glaube, wenn eine Verbindung hergestellt wird, wirklich zu einer Geschichte von jemandem, dann ist es schon die halbe Miete. Dann muss ich jetzt nicht mit einer aufklärerischen, bildungspolitischen Arbeit noch einmal in das Publikum herantreten, sondern kann mir auch erlauben, dass das, was ich mache, an erster Stelle dem dient, was es ist. Und das ist ein Film und dieser Film hat ein Ziel, künstlerisch, methodisch, gesellschaftlich. Und so probiere ich einfach, meine Projekte zu entwickeln und meine Geschichten zu schreiben. Ich weiß nicht, ob ich die Frage… Nein, nein, das passt schon, das führt mich gleich weiter. Sie haben es ja selber schon genannt. Sie, wenn Sie dokumentarisch arbeiten und sozusagen sich selbst mit Menschen konfrontieren, die quasi der Geschichte, ihrer Erzählung, das Bild dazu zur Verfügung stellen, mit ihrem Körper, mit ihrem Ich, mit ihrer sehr, sehr speziellen Individualität, dann steht da ja natürlich immer die Kamera dazwischen. Und die Kamera, das ist ja etwas, ich meine, in der Filmgeschichte und in den Filmwissenschaften, da wurden ja dutzende Tonnen an Literatur dazu geschrieben, die Kamera per se bringt ja ein gewisses Problem mit sich. Ich möchte jetzt nicht das alles wiederholen, so viel Sendezeit haben wir gar nicht. Aber trotzdem ist ja gerade auch, wenn wir über Kriege sprechen, über mediale Rezeption von Kriegen, wir kommen immer an den Punkt, Kriege kennt unglaublich viele Opfer, aber eines der ersten Opfer ist immer die Wahrheit. Gibt es für Sie da irgendeinen Weg raus, sozusagen, oder fügen Sie sich dem, dass Sie sagen, okay, sobald ich eine Kamera zur Hand nehme, ist die Kamera auch ein Instrument, ich sage es jetzt so rüde, auch der Lüge, ein Instrument der Unwahrheit, der Verklärung, des Filterns und da gibt es eigentlich keinen drinnen. Ich glaube, ich bin davon ab, im Dienste von was. Ganz viele Instrumente können auch für ganz schreckliche Zwecke verwendet werden und können auch zu Aufklärungszwecken verwendet werden. Ich kann zum Beispiel sagen, die Arbeit der Kameramenschen und Fotografen, Fotografinnen hat ermöglicht, dass unter anderem Srebrenica als Genozid anerkannt wird beim Europäischen Gerichtshof. Dann kann ich sagen, wunderbar, dass es dieses Gerät gibt und diese Menschen, die dahinterstehen. Also es gibt ganz viele Beispiele in der Geschichte auch, die dazu dienen, um zu sagen, das ist ganz ein wichtiges Instrument, das der Wahrheitsfindung dient. Wie bei allen Instrumenten, eine Kamera kann so und so verwendet werden. Das hängt vom Kontext ab. Inwieweit betrachten Sie sich selbst eigentlich als aktivistisch? Gar nicht eigentlich. Ich habe das Gefühl, dass AktivistInnen sich viel stärker noch politisch in Vereinen engagieren. Ich habe filmpolitisch eine Zeit lang immer wieder aktiv, je nachdem welches Thema gerade da ansteht. wieder aktiv, je nachdem, welches Thema gerade da ansteht. Ja, aktivistisch ist auch so ein bisschen eine Auszeichnung, die man bekommt oder sich selber auch gibt durch die Arbeit, wie man sich einschätzt. Aber ich denke, mir Filme sind da, dass sie in die Welt getragen werden und ich liebe es, ins Gespräch zu kommen mit dem Publikum. Ich finde, das ist immer so ein Privileg, wenn ich einen Film fertiggestellt habe oder auch in der Fertigstellung, in die Screenings zu gehen, in die Vorführungen und danach ins Gespräch zu kommen. Weil für mich ist Film ein Teil von einem Themenpaket, das mich oder hoffentlich auch das Publikum dann beschäftigt. Und da finde ich diese Gespräche oft unglaublich kostbar, auch für die zukünftigen Projekte, aber auch was die Reflexion betrifft über das, was man gemacht hat. Und bei Little Alien, weil Sie den jetzt als Beispiel genannt haben, da geht es um Jugendliche Geflüchtete, aber auch aus Somalia, aus Afghanistan, auch aus Marokko und wir haben an den Grenzen der Europäischen Union gedreht und haben auch, damals waren wir unglaublich überrascht, wie stark Europa die Grenzen schützt mit Waffen, mit Gewehren, mit einem unglaublichen Finanzierungsaufwand mit zig Millionen Euro an Geld, die da investiert werden, damit Menschen nicht nach Europa kommen oder auch unter Lebensgefahr es vielleicht schaffen, manche auch nicht, zu fliehen. Und da waren diese Gespräche nach den Filmscreenings mit Jugendlichen, weil wir sehr viel auch Schulscreenings gemacht haben, waren kostbar. Sie waren so wichtig für uns, aber auch für die Protagonistinnen des Films, weil sie auch das Gefühl hatten, sie werden gesehen, ihre Geschichte wird gesehen und durch den Film treten sie in einen Dialog mit den Menschen, die in Österreich schon leben. Und das war vielleicht, könnte man dann auch sagen, ein Teil, eine Auseinandersetzung mit dem Medium. Weil natürlich wird das noch in den Schulen, im Lehrprogramm viel zu wenig gelehrt. Und wir sind ständig den Medien ausgeliefert, sei es durch TikTok, sei es durch alle möglichen Social Media Kanäle, Fernsehen und so weiter. Und diese Bilder werden gemacht. Die sind nicht naturgegeben. Und Film als Kunstform wird oft mit der Wirklichkeit verglichen, weil doch diese laufenden Bilder und Menschen und oft wird in einer Zeit erzählt, es wird einem ein Gefühl von Kontinuität vorgemacht. Und das kritisch zu hinterfragen, dass das wirklich gemacht worden ist, für einen bestimmten Zweck, ich glaube, das wäre etwas, was uns wirklich weiterbringen würde, um auch nicht allen möglichen Narrativen, die oft auch so schlecht und billig gemacht sind, aus bestimmten politischen Lagern vor allem, ihnen nicht zu unterliegen, sondern so ein unabhängiges Denken sich anzueignen als Mensch, als Konsumentin von Bildern, von Geschichten, die uns erzählt werden. von Bildern, von Geschichten, die uns erzählt werden. Ich bin jetzt richtig erfreut, dass Sie so einen positiven Blick auf Aktivismus werfen, weil auch in dieser Reihe zu Medien und Haltungen in Zeiten des Krieges ist natürlich naturgemäß sehr viel über Journalismus gesprochen worden. Und im Journalismus hält man ja sehr hoch, eben nicht aktivistisch zu sein. Da spricht man oft von einer für mich sehr befremden, anmutenden Objektivität, Neutralität, immer nur darzustellen, was ist. Das ist ja etwas, dem ich mich nicht anschließen kann, kann ich ganz offen sagen, auch nicht mit meinem Programm bei DorfTV. Aber auf alle Fälle geht es mir jetzt darum, das gebe ich auch gleich an Sie weiter, sagen, inwieweit auch Sie die Möglichkeit nützen, mit Ihrer filmischen Arbeit Meinung zu bilden, Meinung zu machen, Meinung zu vertreten, selber auch Stellung zu nehmen. vertreten, selber auch Stellung zu nehmen? Ich als Person, selbstverständlich, das hält mich auch gesund, ganz klar mit mir zu sein und auch das klar zu kommunizieren. Weil ich finde, in unserer Welt, in welcher so viele Ungerechtigkeiten, in unserer Filmbranche auch, durch diese ganze MeToo-Diskussion, aber ständig ist etwas, das passiert und nicht ausgesprochen werden darf. Und eine ganze Gesellschaft daran krankt, meiner Meinung nach. Ich finde das extrem heilend für mich persönlich, aber auch für das Umfeld, für Menschen, die betroffen sind, zu sprechen. Manchmal schafft man es nicht, über die Dinge zu sprechen. Ich kann mich erinnern, als wir nach Österreich gekommen sind vor 30 Jahren, man ist so beschäftigt mit dem gerade, dass man tief traumatisiert ist. Man weiß es nicht einmal, man denkt sich, man ist eh dem Krieg entkommen und Gott sei Dank ist mir nichts passiert. Ich habe Jahre gebraucht, um zu verstehen, dass ich auch einen Krieg erlebt habe. Anders. Aber ich habe mir das jahrelang erzählt, mir ist nichts passiert. Ich bin nach Österreich geflüchtet im Jahr 92, meine Freundinnen, einige Familienmitglieder sind in Sarajevo geblieben. Sie wurden beschossen. Sie haben den Krieg erlebt. Natürlich ist das mit nichts zu vergleichen. Aber ich habe mir das trotzdem schön geredet, sozusagen meine Flucht nach Österreich und habe wirklich sehr viele Jahre gebraucht, um zu verstehen, dass das auch eine Art von Krieg ist. Migration, Flucht und auch Vertriebenwerden, weil das ist ja auch Vertreibung. Und da war ich immer dankbar für die Menschen, die es irgendwie geschafft haben, das vielleicht zu der Zeit, weil sie mehr Kraft hatten und auch nicht gerade in diesem Thema festgesteckt sind, das auszusprechen und zu sagen, euch geht es nicht gut, was braucht ihr, wie können wir euch helfen? Braucht ihr Wohnung, braucht ihr Unterkunft, braucht ihr Kleidung, es ist Winter. Es war auch damals dieses große Anti-Ausländer-Volksbegehren von Jörg Haider, von der FPÖ angezettelt. Wir haben jetzt gerade 30 Jahre Lichtermeer gefeiert vor einigen Tagen. Und diese Tatsache, dass so viele Menschen auf der Straße waren, das hat uns so viel bedeutet. Das kann man sich gar nicht vorstellen. Heute sagt man, ja, wir haben die Gesetze vielleicht nicht durchgebracht, die wir wollten. Aber was es in diesen 100.000 Menschen, die gerade nach Österreich geflüchtet sind damals, was es bedeutet hat, welche Sicherheit es ihnen gegeben hat, für die nächsten Jahrzehnte, um hier Fuß zu fassen und normal leben zu können, das dürfen wir nicht unterschätzen. Also das Gefühl der Solidarität, das durch das Sprechen und Aussprechen gebildet wird, darüber reden wir oft viel zu wenig, weil wir so oft an die Gesetze denken, das haben wir durchgebracht, das nicht. Aber am Ende spielt sich das Leben auch auf einer ganz einfachen, ja, auch sehr schönen zwischenmenschlichen Ebene ab. Ja, wo habe ich Zuspruch bekommen? Wo ist jemand hinter mir gestanden? Und natürlich mit diesem Wissen von damals, wo ich erfahren habe, was mir Kraft gegeben hat, Menschen aus der Nachbarschaft, einfach nette Leute, einfach ganz normale, nette Leute. Und dieses Bild der Menschen, die ich erlebt habe in Österreich, hat überhaupt nicht irgendwie zusammengepasst mit dem Bild, das ich auch über die Fernsehsender, aber auch durch die Politik erzählt bekommen habe. Und das ist dann schon eine Aufgabe, die ich mir jetzt mitgenommen habe, für meine Arbeit, für meine künstlerische Arbeit, auch einmal dieses Ungleichgewicht anzuschauen, zwischen dem, was einem erzählt wird, eben die Jungs von dort sind komisch und die machen komische Sachen, und zwischen dem, okay, wo können wir noch nach hinten schauen? Stimmt das wirklich in dieser Größenordnung, in welcher darüber berichtet wird? Oder können wir ein Gegengewicht bilden mit unserer künstlerischen Arbeit, politischen Arbeit und so weiter? Also ich finde Sprechen und Aussprechen extrem wichtig, sonst kommen wir nicht weiter. Vielleicht noch ganz kurz, das nehme ich auch gleich zum Anlass für die nächste Frage, zum Stichwort Ausländervolksbegehren unter Jörg Haider und dem Lichtermeer, dessen Jubiläum ja wir zum 30. Mal jetzt feiern, also 30 Jahre Lichtermeer im Jahr 2023. Die großkoalitionären Folgeregierungen haben ja dieses Volksbegehren ausnahmslos Punkt für Punkt umgesetzt und alle Forderungen realisiert. Das ist auch eine Realität, in der wir hier leben. Ich nenne das jetzt deshalb auch als Beispiel, weil natürlich man sagen kann, man ist ja eigentlich fassungslos und gleichzeitig auch sprachlos. Das ist auch, was bei Ihnen immer wieder vorkommt, sprechen, sprechen lassen oder die Möglichkeit einzuräumen, Menschen zu ermächtigen, dass sie auch für sich sprechen. Wie schätzen Sie das denn ein? Woran liegt es denn, dass Menschen wirklich nicht ausreichend Möglichkeit vorfinden, zu sprechen, zu sagen, die Medien sind alleine schuld, weil die könnten ja viel mehr Interviews machen mit Betroffenen, die in der Ukraine nach einem Bombenangriff sozusagen ihre Wohnung und Hab und Gut verloren haben. Aber das alleine ist es ja nicht. Es ist ja auch so, dass Menschen auch sozusagen die Zuversicht verloren haben, überhaupt gehört zu werden. Und das sie auch schon sprachlos und mundtot macht. Sie meinen Betroffene? Ja. Ich glaube, dafür müssen sich andere Finde sprechen. Betroffene müssen schon so viel auf sich nehmen und überhaupt so eine schwierige Lebenssituation zu meistern und in der festzustecken. Ich glaube, das ist der Job der gerade nicht Betroffenen. Also verstehen Sie sich dann auch als Anwältin beispielsweise, wenn wir bei Ihrer Person bleiben? Anwältin klingt so groß. Ich mache, was ich kann, zu einer bestimmten Zeit. Ich bin natürlich auch in meinem Leben mit vielen Dingen beschäftigt. Aber einen Teil meiner Ressourcen oder meines Engagements reserviere ich schon für das und möchte es aufwenden. Ich habe es auch geschenkt bekommen, sozusagen, einen Teil der Solidarität. Und ich werde das durch meine Arbeit weitertragen und probieren zurückzugeben. durch meine Arbeit weitertragen und probieren zurückzugeben. Ich komme mit dieser Sprachlosigkeit und der Fassungslosigkeit auf einen anderen Punkt. Wir haben heute schon viel in unserem Gespräch bisher viel über Narrative gesprochen. Unser ganzes Leben beruht eigentlich auf der Hoffnung auf Narrative. Wir brauchen das sowieso, Orientierungserzählungen für unser Fortkommen in unserem Dasein. Jetzt gibt es vielfach die Kritik, in der Politik sowieso, aber natürlich auch darüber hinaus, dass unsere Welt immer mehr Narrative verliert, Narrative verliert, die ein Bild entwerfen von einem demokratischen Zusammenleben, die ein Bild erleben von einer Welt ohne Rassismus. Es gibt immer mehr Framings, die genau das Gegenteil sozusagen beschwören, Gefahren, wenn Menschen mobil werden, Migration bringt nur Bedrohung mit sich. Das ist etwas, was eigentlich sehr unglücklich macht. Gerade aber auch, jetzt komme ich auf die Kriegssituation zurück, ist es so wahnsinnig schwierig, irgendwie an eine Friedensmöglichkeit zu denken, weil die Narrative für uns dafür auch fehlen, weil sie gerade auch medial nicht verhandelt werden oder weil medial kein Raum ist oder weil es dort als inopportun betrachtet wird. Es will halt niemand. Beim ORF ist es genauso wie in vielen anderen großen Fernsehstationen. Wie kann denn der Film oder wie können Sie denn als Filmemacherin da einsteigen? Kann denn der Film oder wie können Sie denn als Filmemacherin da einsteigen? Haben Sie Visionen? Haben Sie diese Ideen, wie so narrative Erzählweisen funktionieren können? Oder probieren Sie es einfach nur aus? Ich glaube schon, dass wir jetzt einmal über die Jahrhunderte, auch der Filmkunst, die ist ja auch schon über 120 Jahre alt, dass wir, was vor allem Kriegsbilder betrifft, sehr eine Verherrlichung des Krieges und der Gewalt ausgesetzt waren. Und das natürlich hinterlässt Spuren in uns. Das heißt, auch unser Gehirn kann gar nichts unterscheiden, vor allem bei Kindern, ob das, was wir gesehen haben, wirklich Fiktion ist oder ob das wirklich ein Teil von unserer erlebten Erfahrung ist, weil das so ganz in neurologischen Prozessen nach sich zieht bei so einer Begegnung, vor allem auch im Kino, im großen Raum, mit den Bildern der Gewalt und des Krieges. Und ich glaube, was uns total fehlt, sind Bilder des Krieges, aber andere Bilder des Krieges. Also wo wir uns nicht durch die Gewalt, durch die Verherrlichung, durch die tolle Orchestermusik uns von so Schlachtfeldern, Schlachtfelder-Szenen mitnehmen und mitreißen lassen von unrealistischen Heldengeschichten, sondern was Krieg wirklich bedeutet. Wo setzt er sich fest? Auch über Generationen? Also wann hört er auf? Und ich glaube, wenn wir uns mit diesen Narrativen, mit diesen Geschichten mehr beschäftigen würden, wenn es da ein Wissen in der Gesellschaft gäbe, würde man, das ist jetzt vielleicht auch ein bisschen eine naive Hoffnung von mir,de man vielleicht zweimal überlegen, bevor man zur Waffe greift? Weil ich glaube, dass sehr viele, die es und konkret zu wissen, was das Thema überhaupt ist. Und nicht eben in dieser Wolke von einer diffusen Erzählung, in der dann viele Menschen gehalten werden und deshalb auch gar nicht wissen, was tun sie sich selbst an, wenn sie in den Krieg ziehen und auch was tun sie der Gesellschaft der nachfolgenden Generationen an. Aber könnten solche Bilder vielleicht auch an, jetzt bin ich sehr verwegen, vielleicht können solche Bilder oder solche Erzählungen auch historische Anleihen nehmen, etwa im ehemaligen Jugoslawien. Natürlich kann man über Jugoslawien historisch sehr differenziert viel Positives, sehr, sehr viel Negatives herausstreichen. Aber Jugoslawien war ein Staatenversuch, tatsächlich multiethnisch, multikulturell zu funktionieren, vielleicht auch anderen ein Vorbild zu sein. schrecklichen Krieg des 20. Jahrhunderts in Brüche gegangen. Hätte man diese Bilder mehr bemühen sollen oder ist das einfach nicht brauchbar, dass man doch andere Bilder, Erzählungen braucht? Ich glaube nicht, dass das zusammenhängt mit der Tatsache, was schön war. Zum Beispiel die Stadt, aus der ich komme. Wir hatten da innerhalb von, ich glaube, 200 Metern eine Synagoge, eine katholische Kirche, eine orthodoxe Kirche und eine Moschee. Das heißt, die Menschen haben nebeneinander zusammen gelebt. Die waren eins mit ein bisschen unterschiedlichen Festen, die sie gefeiert haben. Und es ist nicht dieses Projekt gescheitert. Also das, was schön ist, ist schön und das gibt es auch noch, obwohl viele Menschen geflüchtet sind, viele auch gestorben sind, aber das gibt es und das ist noch immer die Qualität auch dieser Region. Das, was dort passiert ist, sind die nationalistischen Kräfte, die ihre Arbeit sehr stark vorangetrieben haben und gemacht haben. Aber ich glaube, ich habe jetzt die Frage nicht beantwortet. Nein, nein, es gehört schon dorthin, weil im Grunde genommen stehen wir ja in einer Konkurrenz auch der Erzählungen und die meines Erachtens zurzeit fast mächtigste, wirkmächtigste Erzählung ist die des Nationalismus. Dass wir eigentlich nur unser Glück und unser Heil finden, indem wir uns mit militärischen Festungen nach außen, das ist ja nicht umsonst gerade im politischen Diskurs in Österreich das Thema schlechthin. Österreich, Europa als Festung, dass wir uns abschotten müssen, dass wir wehrbereit sein müssen. Diese Bilder gewinnen so an Oberhand, dass ich mich dann frage, wie kriegen wir überhaupt jemals Krieg aus den Köpfen? Und einigen uns und verständigen uns auf, dass eigentlich unser gemeinsames Ziel von uns allen hier eigentlich der Frieden sein muss. Selbstverständlich. Aber Nationalismus steckt auch sehr tief in europäischer Geschichte. Und ich glaube, dass wir uns mit dem noch nicht richtig auseinandergesetzt haben, weil wir auch den Zweiten Weltkrieg oft als sehr isoliertes Phänomen betrachten. Und auch Bosnienkrieg, der Krieg in Bosnien, Herzegowina. Also dass wir die ganzen Kriege in Europa und von Europa aus auch ausgehen, dass wir sie auch als wirklich eine große europäische Analyse uns anschauen müssen, was möglich ist und war auf unserem Kontinent. Wir haben jetzt gar nicht mehr so viel Zeit auf der Uhr. Ich muss jetzt allmählich daran denken, dass wir dann in eine Schlussrunde kommen. Frau Kusteritzer, ich möchte nochmal auf den Titel auch dieser Sendung, der Frieden als Sehnsuchtsort des Films. Friedensarbeit ist ja auch etwas, was zunehmend inopportun geworden ist. Das trauen sich ja gar nicht mehr viele sagen. Friedensaktivistinnen und Friedensaktivisten werden auch mehr und mehr zurückgedrängt. Da gibt es ein Jubelgeschrei, wenn jetzt wieder Panzer in den Krieg in der Ukraine geliefert werden. Der Frieden auch als ein Narrativ für Sie beim Filmemachen. Ich meine, Sie haben ja sehr vielseitige Themen bisher gewählt und so weiter, haben Ihre biografischen Hintergründe, Erfahrungen, die natürlich auch eine Rolle spielen. Aber wie können Sie das zusammentragen, etwa, das ist vielleicht jetzt spekulativ, auch von Ihnen als einen Beitrag zur Medien-, Film-, Friedensarbeit? Ich finde, alles, was dem Dekodieren der Mechanismen dient, sollte man unternehmen, sei es jetzt in der bildungspolitischen Arbeit, Medienarbeit oder aber auch Arbeit an einem selbst. Wenn ich ins Kino gehe oder wenn ich mich einen Film anschaue, wenn ich Nachrichten lese, einmal schauen, wo möchte man mir unbedingt etwas reindrücken oder wo schaffe ich es mir auch, meine eigene Meinung zu bilden. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir einfach viel mehr darüber sprechen und auch einen Wortschatz und auch eine Sprache dafür entwickeln, um die Dinge zu beschreiben, die passieren und die nicht passieren. Interessanterweise ist in unserem Gespräch der Begriff der Ästhetik noch gar nicht ins Spiel gekommen, weil ich darin natürlich auch einen Problempunkt zu erkennen glaube. Wurde ja auch in dieser Reihe mehrfach angesprochen, Gewaltdarstellungen haben eine eigene Ästhetik, die sehr wirkmächtig sind. Das ist ja auch etwas, was sehr, sehr stark und erfolgreich ausgeschlachtet wird, etwa in Computerspielen, in Shooter-Games, die man übrigens sehr, sehr differenziert betrachten muss. Die sind oft viel friedensfördernder, als man glaubt. Keineswegs werden da Massenmörder herangezüchtet. Das ist ein Humbug und ein Blödsinn. Aber dennoch, das wirkt sehr stark in diese Medien hinein. Und auch sogenannte Antikriegsfilme arbeiten immer mit der Ästhetik des Krieges, wo Sie ja selber schon beschrieben haben, wie die etwa einzuordnen sind. Diese Ästhetik, wo setzen Sie denn an bei Ihrer Ästhetik oder bei Ihrer Reflexion zur Ästhetik? Kann man Ästhetik brechen? Muss man nicht gewisse ästhetische Wahrnehmungsgewohnheiten auch vom Publikum, auch wenn man relativ weit gehen will, konfrontativ werden will, aber doch auch berücksichtigen? Wo sehen Sie Ihre Möglichkeiten, wo sehen Sie Ihre Grenzen? Ich probiere, da anzusetzen bei der Frage, warum. Also man kann alles. Das ist auch jetzt in diesen großen Diskussionen, darf man das nicht mehr, darf man das nicht mehr. Natürlich darf man, man darf alles. Wir machen Filme, wir dürfen alles. Aber für mich, um einen Kompass zu entwickeln, versuche ich mir die Frage zu stellen, okay, warum? Und diese Frage hilft mir ganz viel, um diese Entscheidungen zu treffen. Warum mache ich das? Warum? Warum diese Szene? Warum diese Geschichte? Und durch die Beantwortung dieser Frage entwickle ich auch eine Sprache, die für mich eine Filmsprache, die dafür logisch ist, für das, was ich erzählen möchte. Filmsprache, das ist jetzt auch schon die Abschlussfrage. Sprache ist auch etwas, was sich entwickelt. Ich bin jetzt total neugierig, welches Projekt haben Sie zurzeit bei Ihnen auf der Agenda? Woran arbeiten Sie gerade? Was geht Ihnen gerade so aktuell durch den Kopf, was Sie in Ihre filmische Arbeit übertragen wollen? Ich habe gerade zwei sehr schöne Projekte in Entwicklung, wo ich bei beiden hoffe, dass sie in der Finanzierung gelingen werden. Ein Projekt heißt Marienhof und es erzählt die Geschichte des Hauses in Sarajevo. Marienhof, das von einem österreichischen Baumeister gebaut wurde, von August Braun. Und das ist das Haus in Sarajevo, das für mich so für die Geschichte auch Europas steht. Anhand von diesem Haus können wir ganz viel an europäischer Geschichte erzählen und das ist auch das Haus, in welchem sich unsere Familienwohnung befindet. Und ich erzähle eine sehr persönliche Geschichte, aber auch eine Geschichte Bosniens und überhaupt dieser ganzen Region und auch eine Beziehung natürlich zu Österreich, und auch eine Beziehung natürlich zu Österreich, weil das ja ganz starke Vergnüpfungspunkte auch hat, die Beziehung, die auch natürlich mein Leben prägt zwischen diesen zwei Ländern. An diesem Projekt arbeite ich dokumentarisch und ich arbeite an einem Spielfilmprojekt, inspiriert von einer historischen Person, die Melita Urbancic heißt und Ende der 30er Jahre aus Österreich aufgrund ihrer jüdischen Herkunft vertrieben wurde und in Island ein neues Zuhause gefunden hat. Ich erzähle diese Geschichte mit der Autorin Ursula Scheidle. Gemeinsam schreiben gemeinsam schreiben wir am Drehbuch und erzählen ein Jahr, 20 Jahre später, Mitte der 50er Jahre, im Leben von Melita Urbancic in Rekewik, eine Geschichte von, ja auch vom Exil und vom neuen Zuhause finden. Es wird ein sehr, sehr schöner und spannender Film. Das nenne ich doch mal ein schönes Schlusswort. Gerade Sarajevo als Austragungsort historisch vieler Kriege, aber natürlich auch gerade deshalb Sehnsuchtort, Sehnsuchtsort für Frieden. Ja, vielen herzlichen Dank, Nina Kusturica, war ein wunderbarer Abschluss dieser Senderei. Dies trifft sozusagen vieles auf den Punkt, was hier auch wie so ein roter Faden auch immer wieder sozusagen zur Sprache kam. Ja, vielen herzlichen Dank natürlich auch den Zuseherinnen und Zusehern, die wieder mit Interesse dabei waren. Das war es mit der Senderei Unterweißer Flagge Medien und Haltung in Zeiten des Krieges. Ich darf verraten, dass es was ganz Besonderes geben wird, nämlich das Buch zu dieser Senderei erscheint im Löcker Verlag im September. Geplant ist für 21. September die erste Buchpräsentation mit Diskussion hier in Linz am Weltfriedenstag. In diesem Sinne darf ich schließen, wie immer mit meinem Ersuchen. Bleiben Sie dem Sende Ihres Vertrauens, nämlich DorfTV, auch weiterhin gewogen. Auf alle Fälle noch einen schönen Tag und auf Wiedersehen. you