Herzlich Willkommen an diesem verregnet kalten Freitagnachmittag bei einer neuen Ausgabe der Sendereihe Wassermeyer sucht den Notausgang hier aus dem Studio von DorfTV in der Kunstuniversität Linz. Ja, es ist eigentlich, und so muss man das sagen, tatsächlich unfassbar. In einem wohlhabenden Land wie Österreich sind doch 1,3 Millionen Menschen armutsgefährdet. Um das noch deutlicher zu machen, wir reden da von 14,7 Prozent der österreichischen Bevölkerung. Somit ist Armut, die Armutserfahrung, bitterer Bestandteil vieler Menschen in ihrem Alltag. Gleichzeitig aber müssen wir uns alle und da müssen wir auch aufrichtig sein, uns eingestehen, wie wenig wir eigentlich über Armut in der Realität wissen. Tatsächlich aber, und das ist ebenfalls wichtig erwähnt zu werden, ist Armut nicht gottgegeben. Armut fällt nicht vom Himmel, sondern hat meistens strukturelle Voraussetzungen und ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass in einer Gesellschaft, die so überreiche Möglichkeiten verfügt wie die in Österreich, dass hier eigentlich einiges falsch läuft und im Argen liegt. Um dieser Frage ein bisschen näher auf den Grund zu gehen, welche Armutserfahrungen tatsächlich so viele Menschen machen, das ist jetzt Thema meiner kommenden 50 Minuten der Gespräche zu Politik und Kultur in Krisenzeiten und ich freue mich sehr, einen Gast bei mir willkommen heißen zu dürfen, die in den vergangenen Wochen ja schon sehr viel in Funk und Fernsehen zu sehen war, aufgrund dieses Themas, Daniela Brodesser. Daniela Brodesser, ich freue mich sehr, dass Sie heute hier sind bei mir im Studio. Ich darf gleich eingangs darauf hinweisen, das ist natürlich auch der Anlass für unsere heutige Sendung. Daniela Brodesser hat ein Buch geschrieben zum Thema, das viel Aufsehen findet, noch immer findet, erschienen im Verlag Kremäer und Scherio in der Edition Übermorgen und widmet sich, wie es ja auch auf dem Buchcover groß zu sehen ist, dem Thema Armut. Daniela Podester hat hier viele, viele ihrer persönlichen Erfahrungen, ihrer Armutserfahrungen zu Papier gebracht und wir werden darüber auch reden. Aber bevor wir zum Gespräch konkret übergehen, darf ich ganz kurz ein paar biografische Daten von Ihnen verraten. Sie sind gelernte Bürokauffrau, Aktivistin, Kolumnistin und Mutter von vier Kindern. Ich betone das normalerweise nicht so gern, aber gerade bei diesem Thema spielt das eine nicht unwesentliche Rolle. Sie schreiben selbst auch, Sie lebten bis zur Geburt des jüngsten Kindes in einer typischen Durchschnittsfamilie. In weiterer Folge aber sind sie durch zwei schwere Erkrankungen in der Familie in Armut geraten. Und sie haben sich daraus gekämpft und versuchen seit 2017 auf die Folgen wie etwa fehlende Teilhabe, Beschämung und Rückzug öffentlich aufmerksam zu machen. Seit 2019 wieder über der Armutsgefährdungsschwelle, weil es die Gesundheit wieder zulässt. Ja, ein kleines Stück beizutragen, das auch öffentlich zu machen, können wir heute hier, glaube ich, vielleicht leisten. Ich freue mich, dass Sie heute hier zu Gast sind und Frau Brotess, ich darf gleich mal mit einer sehr persönlichen Frage beginnen, weil das sicherlich sehr, sehr viele, die uns jetzt zusehen, interessiert. Wann bzw. wie merkt man eigentlich, dass man in Armut geraten ist? Zuerst einmal danke fürs Daseh-Derfen heute und für die schöne Einleitung. Wann bzw. wie merkt man es? Also statistisch gesehen heißt es immer, es braucht ungefähr 18 Monate, bis man merkt, dass man in Armut lebt. Und ich kann das wirklich aus eigener Erfahrung bestätigen. Den Anfang hat bei uns eben die Geburt der jüngsten Tochter gemacht, 2008. Dadurch bin ich komplett aus dem Erwerbsleben rausgefallen. 2012 hat mein Mann dann das erste Burnout gehabt. Die nächste Zeit haben wir uns noch so dieses typische noch über die Runden kommen, nur mithalten können, weil man noch irgendwo ein bisschen Erspartes hat. Ab 2014 war dann bei ihm normales Arbeiten eigentlich nicht mehr möglich. Er hat dann einen schlechter bezahlten Job angenommen. Wir haben dann eine günstigere Wohnung gesucht. Und ab dem Zeitpunkt hat es wirklich 16 bis 18 Monate gedauert, bis ich dann irgendwann einmal gemerkt habe in der Frohe, wo die Tochter zu mir gekommen ist, Mama, ich brauche halt ganz dringend 17 Euro für den Fotografen mit. Ich habe das Geld nicht mehr im Konto gehabt. Ich habe dann sämtliche Jackentaschen daheim, so nach den typischen A2-Euro-Münzen durchgeschaut, damit ich das Geld noch zusammenkriege. Und es ist dann so weitergegangen. Es war dann eine Autoreparatur fällig, weil der Mann hat das Auto gebraucht zum Arbeiten fahren. Die waren nicht mehr machbar. Und das waren wirklich diese typischen anderthalb Jahre, bis man realisiert, jetzt geht nichts mehr. Die Sachen, die man vorher holt, wo man nur ein bisschen umschieben hat können. Wo man gesagt hat, okay, das mache ich diesen Monat, dafür spare ich dort ein bisschen ein. Das war dann nicht mehr möglich, weil man da schon so runtergeschraubt hat überall, beim Lebensstandard. Und dann gibt es nichts mehr, wo man nur einsparen kann. Und das ist der Moment, wo man es realisiert. Wenn man zu diesem Punkt kommt, dass plötzlich wirklich kein Geld mehr verfügbar ist und natürlich besonders bitter, wenn die Tochter um 17 Euro fragt, dann, das kann ich mir vorstellen, reagiert man vermutlich mal mit großer Panik. Wie handlungsfähig ist man eigentlich noch, wenn es einen die Luft so abschnürt und sagt, wow, jetzt kann ich nicht mehr. Was ist da eigentlich noch in einem Menschen möglich, darauf entsprechend noch zu reagieren? Man funktioniert. Man beginnt wirklich nur mehr zu funktionieren. Und das kenne ich nicht nur von mir, sondern in den letzten Jahren einfach durch viel Gespräche, durch viel Lesen von verschiedensten Studien. Man hört auf, wirklich man hört auf, dass man sich tagsüber zu viel Gedanken darüber macht. Man schaut, wie kommt man die nächsten Wochen über die Runden. Man schaut, wie treibt man das Geld auf, damit zumindest für die Kinder alles finanziert ist. Man liegt abends schlaflos im Bett, weil man Angst hat, welche Rechnungen kommen am nächsten Tag. Und man kann es sich nicht erlauben, dass man nicht funktioniert. Aber da kommen wir an den Punkt, man hört ja gerne in Gesprächen, ja, aber ich kenne ja den oder die, die wollen ja wirklich nichts da. Die sitzen ja wirklich nur daheim unterm Atom. Und da sage ich immer, was ist da bei den Menschen schon im Vorfeld passiert? Weil die haben resigniert. Weil es kommt kein Mensch zur Welt und sagt, juhu, ich lebe ein Leben in Armut, weil es so lustig ist. Das macht keiner. Also wenn man Menschen kennenlernt, wo man das Gefühl hat, die bemühen sich überhaupt nicht mehr, dann stelle ich mir einfach mal die Frage, was ist da im Vorfeld schon alles passiert? Weil ich war wirklich, ich war nach ein paar Jahren in Armut, war ich knapp vor dem Punkt vom Resignieren. Also ich weiß, wie sich das anfühlt, wo man sich dann einfach wirklich, wo man sagt so und jetzt geht nichts mehr. Ich möchte im Gespräch mit Ihnen immer wieder auch den Blick ganz bewusst richten auf die Gesellschaft, weil das geht aus Ihrem Buch ja klar hervor, Ihre Armutserfahrung, das betonen sie auch immer wieder, das ist auch etwas, was auf die Gesellschaft wirkt. Die Armut des Einzelnen, der Einzelne ist immer etwas, was auch sozusagen gesellschaftliche Dimensionen hat. Und das ist ja interessant, weil sie das ja auch erwähnt haben, bei ihnen war der Faktor Krankheit oder Krankwerden eine wichtige Ursache, quasi auch aus diesem System rauszufallen. Und in Wahrheit ist ja in der Gesellschaft niemand vor Krankheit gefeit. Das kann ja alle treffen. Da sind die Menschen im Wesentlichen alle gleich. Wo sie nicht gleich sind, ist, wie sie dann umgehen können damit. alle gleich. Wo sie nicht gleich sind, ist, wie sie dann umgehen können damit. Beziehungsweise das ist jetzt auch etwas, was ich gerne mit Ihnen ein bisschen näher betrachten möchte, ist, warum wird denn eigentlich das so stark tabuisiert? In Wahrheit will niemand darüber reden, dass wir alle sehr fragil sind, anfällig, dass wir morgen, wenn ich krank werde, falle ich aus. Und wer weiß, wie lange ich noch sichere Systeme der Krankenversicherung usw. haben werde. Noch haben wir ein reitreiches, stabiles System, aber viele können das für sich gar nicht mehr so in Anspruch nehmen. Wie haben Sie darüber nachgedacht, dass diese Gesellschaft eigentlich sich selber so belügt und das so überhaupt nicht wahrnehmen will? Das ist ganz einfach. Das hängt alles damit zusammen, dass wir ein gewisses Bild überarmt haben. Wir sind jetzt die letzten 20 Jahre geprägt damit, dass wer arm ist, ist selbst schuld. Wer arm ist, bemüht sich zu wengen. Wer arm ist, leistet zu wenig. Das Bild, mit dem bin ich auch aufgewachsen. Also ich bin 1975 geboren, ich bin aufgewachsen in dem Denken, wer Arbeit will, findet immer was. Und das hat sich manifestiert bei uns allen. Also ich werfe es auch wirklich keinem Menschen vor, der so denkt. Weil wir haben das jahrelang eintrichtert bekommen. So, und jetzt bist du aber an dem Punkt, wie es bei uns zum Beispiel auch war, du fährst unter die Armutsgrenze. Eben, weil ich durch die Betreuung ausgefallen bin, weil der Mann das Burnout gekriegt hat. Und ich habe mir zum Beispiel, und das ist mir erst wirklich jetzt vor ein paar Monaten aufgefallen, die ganze Zeit, in der wir weit unter der Armutsgrenze waren, habe ich uns nie als arm bezeichnet. Nie. Ich habe gesagt, es ist finanziell eng, es geht sich nicht aus, wir kommen schlecht über die Runden. Aber ich habe nie gesagt, wir sind armutsbetroffen. Warum? Weil ich den Begriff einfach so weit wegschieben wollte. Und das ist einfach das, wo ich sage, wir belügen uns ja auch selber. viel leistet oder weniger leistet. Also in der Zeit in der Armut haben wir keine kürzeren Tage gehabt. Mein Mann hat 60, 70 Stunden gearbeitet in der Woche. Ich habe vier Kinder gehabt und eben die Schwerkranke. Wir haben genug geleistet. Aber es war halt nicht Leistung in dem Sinn, wie es von unserer Gesellschaft honoriert wird. Und zu diesem Punkt, es kann jeden und jede von uns treffen. Nur bis es soweit ist, will man erstens nicht darüber nachdenken. Man will sich nicht damit auseinandersetzen. Habe ich früher auch nicht gemacht. Und das nächste ist, viele haben trotzdem auch noch ein funktionierendes Umfeld. Das heißt, es ist ein Unterschied, ob du jetzt von mir aus im Umfeld von deinen Eltern wohnst oder Geschwistern, die einspringen können bei der Kinderbetreuung und du trotzdem noch Teilzeit arbeiten gehen kannst als Mutter. Oder ob du sowas nicht hast, weil deine Eltern entweder zweit weg wohnen oder selber chronisch krank sind. Und wenn dir so ein Umfeld komplett wegbricht, dann gibt es in Österreich fast keine Möglichkeiten für Mütter, dass sie zum Beispiel noch arbeiten gehen. Und warum wird so wenig drüber geredet? Weil sobald man unter der Armutsgrenze ist, man sofort gesagt kriegt, ja, andere schaffen es ja. Also den Satz habe ich zum Beispiel wirklich sehr oft gekriegt, also nicht nur in persönlichen Gesprächen, sondern auch in den sozialen Medien. Diese typischen Sätze wie, ja, meine Cousine hat auch ein schwerbehindertes Kind daheim und kann trotzdem arbeiten gehen. Wenn man dann noch fragt, ja, wo ist das Kind eigentlich, wenn jetzt die Schule ausfällt oder sonst irgendwas oder Ferien sind, weiß ich nicht. Ja, dann passt die Oma drauf auf, dann passt die Schwägerin drauf auf. Und wenn ich dann sage, ja, und was ist, wenn man das Umfeld nicht hat? Dann stehen die meisten da und dann fällt so typischerweise der Grosch und so Ah ja, stimmt. Entschuldigung. Es ist ja so, dass mir auch immer wieder Betroffene erzählen, dass da ja ein großer Irrglaube vorherrscht, ein gesellschaftlicher Irrglaube, dass man sagt, okay, wow, da ist jetzt jemand in Not geraten, gut, dann hat diese Person ja jetzt eh jede Menge Tagesfreizeit, kann sich hinsetzen, wird wahrscheinlich ein Handy, ein Smartphone haben, kann ja suchen, stellen Angebote und dieses und jenes, Weiterbildungsmöglichkeiten, ist ja viel Zeit vorhanden, kann man ja alles in Anspruch nehmen, Angebote gibt es zuhauf. Was diese viele vielfach nicht wissen wollen oder wirklich auch ignorieren, ist, wenn man in Not gerät, arbeitslos ist, dann hat man schon mal das erste Problem, man bekommt keine Möglichkeit, Kinderbetreuungseinrichtungen in Anspruch zu nehmen, weil da muss man arbeiten. Wenn ich allerdings sozusagen die Kinder dann zu Hause habe, ist das mit der Tagesfreizeit schon mal sehr eingeschränkt, weil die Kinder brauchen Aufmerksamkeit, wollen, dass man sie sozusagen mit ihnen beschäftigt, dann ist es eigentlich sehr, sehr schwer möglich, Arbeit zu suchen, neue Angebote ausfindig zu machen und so weiter und so fort. Man muss auch etwas wissen, weil das Sozialsystem, so wie es ja auch bei uns aufgebaut ist, das könnte man ja fast als schikanös deuten, ist ja dermaßen komplex gestaltet, da muss man auch sehr, sehr viel wissen. Wie sind Sie damit umgegangen? Wo haben Sie Ihre Informationen bezogen? Wie haben Sie das alles schaukeln können? Ich habe rausgehört, Sie haben auch immer von einem Wir gesprochen. Sie sprechen immer auch in einer Partnerschaft mit Ihrem Mann. Das ist ja auch etwas, was sicherlich stärkt, aber viele auch wiederum nicht haben. Zum Sozialhilfesystem. Es ist vor allem in Oberösterreich eines der restriktivsten, die wir haben in Österreich. Aber dazu möchte ich ein bisschen später noch kommen. In unserem Fall war es zum Beispiel so, dass wir gar keinen Anspruch auf Sozialhilfe gehabt haben. Also die Auskunft haben wir damals gekriegt. Wir haben natürlich angefangen, uns Unterstützung zu suchen, sind auf die Behörden gegangen. Mein Mann war damals freier Dienstnehmer, was unter Scheinselbstständigkeit gefallen ist. Das heißt, in Österreich bist du als freier Dienstnehmer selbstständiger. Ja, so bin ich dann wieder heimgegangen. Ich war dann zweimal komplett fertig, weil es hat Monate gegeben, da hat er halt 1.000, 2.300 Euro heimgebracht. Es hat Monate gegeben, da waren es nur 600, 700 Euro, je nach Auftragslage. Und unser Bein hat gesagt, wir haben keinen Anspruch. Zu dem Zeitpunkt hat mich die Armut aber schon so weit gebracht gehabt, dass ich keine Umfälle mehr gehabt habe. Keine sozialen Kontakte. Sprich, ich habe einen Amt gehabt, mit dem ich darüber reden habe können, den ich fragen kann. Jetzt im Nachhinein habe ich erfahren, dass es so gar nicht gestimmt hat. Wir hätten sehr wohl in Anspruch auf etwas gehabt, es war nur wesentlich komplizierter gewesen. Mache jetzt aber die Bearbeiterinnen dort auf der Behörde auch nicht zum Vorwurf, sondern die haben das, glaube ich, wirklich auch nicht gewusst. Weil das Gesetz so dermaßen kompliziert ist. Das Schlimme ist ja, inzwischen haben wir ja nicht einmal mehr Mindestsicherung, sondern wir haben eine Sozialhilfe, die Höchstgrenzen vorgibt. Das heißt, nach unten offen, und das ist für mich sowieso einer der katastrophalsten Dinge überhaupt. Zu diesem, ihr sitzt ja eh daheim und habt es eh den ganzen Tag Zeit. Erstens, ein Großteil jener, die zum Beispiel Sozialhilfe kriegen, sind Aufstockerinnen, Mindestpensionistinnen oder oft auch Alleinerziehende, die Teilzeit arbeiten und aufstocken müssen. Sprich, da fällt das schon mal weg, dass man überhaupt noch Zeit hat. Thema Kinderbetreuung. In Oberösterreich haben wir eine Vollzeitequivalentquote bei der Kinderbetreuung im Kindergarten von 14 Prozent, in den Volksschulen von 30 Prozent. Du kriegst ohne Arbeit keinen Nachmittagsbetreuungsplatz, ohne Nachmittagsbetreuungsplatz keine Arbeit. Also da traut sich das Ganze schon einmal. Das nächste ist, die meisten Nachmittagsplätze sind kostenpflichtig. Also ich weiß selber von einem Ort, wo wir einmal gelebt haben, da hat es keinen Hart gegeben von der Gemeinde. Das war alles privat organisiert. Das hätte pro Monat ein Minimum, ich glaube 240 Euro gekostet. Ist nicht leistbar. Also nicht bevor du nicht einen Job hast und das erste Einkommen kriegst. Es dreht sich einfach alles im Kreis. Und was auch dazu kommt, punkto Jobsuche, man sucht eh alles, man klappert alles ab, was möglich ist. Aber es fallen ja dann oft so Dinge weg, da sind wir wieder bei dem, diese 18 Monate, bis man in Armut gelangt, man spart vorher an allem ein. Sprich, wir haben früher zwei Autos gehabt, ganz normal. So, eins haben wir dann sowieso weggegeben, weil es einfach nicht mehr leistbar war und weil ich auch gesagt habe, das sind Kosten, die ich momentan nicht stemmen kann und stemmen mag. Wir brauchen das Geld an anderer Stelle. Du sparst bei diesen Sachen ein. Jetzt stehst du aber da, vor allem wenn man am Land lebt, ohne Autohandjob und Kinderbetreuung ist fast nicht möglich. Das ist auch so ein Paradoxon, das ich oft zum Herrn gekriegt habe. Auf der einen Seite ein Vorwurf, ja ihr habt ja ein Auto, kein Wunder, dass ihr nicht über die Runden kommt, weil das ist so teuer. Gleichzeitig, was du hast selber kein Auto, ja wie willst du denn da einen Job finden? Da willst du ja gar nicht suchen. Also diese Widersprüche, mit denen man auch ständig konfrontiert ist und wo man sich ständig rechtfertigen muss, das ist zum Beispiel für mich einer der Hauptgründe gewesen, warum ich dann irgendwann gar nicht mehr darüber geredet habe, warum ich probiert habe, mit gar nicht mehr darüber zu reden. Vor wenigen Tagen hat das Sozialministerium neueste Studienerkenntnisse veröffentlicht, die sich aktuell natürlich hoch relevant bezogen haben, auch auf die Teuerungsauswirkungen auf Armutsbetroffene mit erschreckenden Ergebnissen. Ich habe heute noch im Ohr, ich habe das im Radio gehört, dass viele Mütter, wo auch teilweise die Männer untertags arbeiten oder auch nicht, mit ihren Kindern gar nicht zu Hause sind, weil sie die Wohnungen nicht beheizen, sondern sich mit den Kindern tagsüber den ganzen Tag in Einkaufszentren aufhalten, die Kinder ganz wichtige soziale Kontakte verlieren, weil sie keine Freunde mehr einladen, weil sie sich so schämen, sie haben da zu Hause überhaupt nichts zu bieten, was sollen sie da Freunde einladen, also wahnsinnig gefährliche Dynamik der weiteren Ausgrenzung. Inwieweit, wo sehen Sie diese Verschärfungen durch diese Teuerung? Oder haben Sie den Eindruck, dass diese Perspektive der wirklich Armutsbetroffenen hier auch in der öffentlichen Debatte ausreichend berücksichtigt wird? Es wird besser. Also man klingt jetzt traurig, aber aufgrund der Teuerungen kommt die Armut immer mehr in der Mittelschicht an. Sprich, die, die bisher armutsbetroffen waren, das sind genau die, die den Tag in Einkaufszentren verbringen, weil es dort einfach wärmer ist. Die Studienergebnisse haben mich selber erschreckt. Also das ist für ein Land wie Österreich 2023 ein Armutszeugnis sondergleichen, wenn Familien in Einkaufszentren gehen müssen, damit sie die Kinder warm haben. Wo leben wir? Da muss man dazu auch wissen, dass Armutsbetroffene von Grund auf in schlechteren Wohnungen leben. Das heißt, sie suchen sich die ganz günstigen Wohnungen, die sind aber meistens schlecht isoliert, teilweise schon voll mit Schimmel, in schlechten Wohngegenden mit viel Verkehr. schon voll mit Schimmel, in schlechten Wohngegenden mit viel Verkehr. Also sprich, die, die bisher schon armutsbetroffen waren, sind jetzt die, die komplett abgehängt sind. Ich habe heute zum Beispiel eine Studie von der Statistik Austria gelesen, zur Energiearmut. Das oberste Einkommensdrittel gibt zum Beispiel 3,2 Prozent vom Haushaltseinkommen für die Energiekosten aus. Die Mittelschicht gibt ungefähr 5,4 Prozent aus. Die Armutsbetroffenen geben 11,2 Prozent vom Haushaltseinkommen nur für die Energiekosten aus. Wenn die Einkommen so gering sind. Genau. Aber man muss sich eben das Verhältnis einmal vorstellen. Was ich inzwischen aber trotz der ganzen traurigen Tatsachen gut finde, ist, weil das Thema Armut endlich wirklich in der Öffentlichkeit ankommt. Wir haben zwar noch einen extrem langen Weg, bis endlich alle so weit sind und sagen, es darf keine Armut mehr geben, es darf kein armutsbetroffenes Kind mehr geben in Österreich. Aber wenn ich so zwei, drei Jahre zurückdenke, war das Thema in den Medien irgendwann einmal seit 17, 18 vielleicht irgendwo ein kleiner Nebenartikel. Inzwischen und man sieht es am Demokratie-Monitor, der im Dezember veröffentlicht worden ist, die drängendsten Fragen, die die Österreicher beschäftigen, sind an erstem Platz Teuerungen, ganz weit vorn, und der zweite Platz ist die Schere zwischen Arm und Reich, die immer weiter aufgeht. Also das sind die dringendsten Themen, die die Bevölkerung beschäftigen. Und ich finde es auch wichtig, dass zum Beispiel das Sozialministerium sagt, es muss endlich die Sozialhilfe auf die Armutsgrenze gesetzt werden. Also sprich mindestens 1.370 oder 1.380 Euro. Darunter sollte kein Mensch in Österreich leben müssen. Es geht sich auch nicht aus. Wobei wir doch jetzt schon, Sie haben es auch schon angesprochen, diese sehr, sehr komplizierte Situation haben, dass die Umsetzung der Sozialhilfegesetzgebung Aufgabe der Bundesländer ist. Wir haben neun Bundesländer, zwei machen gar nicht mit. Wien und Tirol halten weiterhin an der alten Mindestsicherung fest, zum Teil mit Vorteilen, gerade auch für die Armutsbetroffenen, aber dennoch, das ist wahnsinnig schwierig, da eine einheitliche Linie festzulegen. Sie haben den Demokratiemonitor auch angesprochen, das ist meines Erachtens ein ganz wichtiger Aspekt der Sache, dass eine der großen Gefahren aus Armut ja daraus resultiert, dass Menschen sich von der Teilhabe an Gesellschaft, von Politik spreche ich jetzt gar nicht, Gesellschaft ja völlig distanzieren, die wollen und können gar nichts mehr beitragen, die Gesellschaft mitzugestalten, die sie umgibt und das ist all along natürlich eine sehr, sehr gefährliche Entwicklung. Da sind wir genau an dem Punkt. Betroffene können nicht teilhaben. Das ist ja das. Man sieht es nicht. Warum? Sie sind weder in Restaurants, noch in Cafés, noch bei Veranstaltungen, weil sie es sich nicht leisten können. Beziehungsweise selbst wenn es gratis ist, dann geht man nicht mehr hin. Warum? Und das kenne ich jetzt wieder von mir selber. Meistens bei Veranstaltungen wird es im Alltag geführt. Was habe ich schon zu sagen? Ich bin arm, ich sitze daheim, was soll ich dort schon erzählen? Das war wirklich jahrelang in meinem Kopf drinnen, bis mich dann eine liebe Freundin zum ersten Mal wieder auf eine Veranstaltung mitgenommen hat. Ich habe mich so dermaßen fehl am Platz gefühlt. Und das hat bei mir lang gedauert, bis ich das wieder kennengelernt habe. Bis ich einfach auch wirklich offen gesagt habe, also wie bei uns die Situation ist. Aber zurück zur fehlenden Teilhabe. Genau das ist eines der größten Probleme, wo die Offenen nicht teilhaben können. Dadurch werden sie nicht gesehen. Dadurch fällt Armut wieder nicht auf in Österreich. Und sie, da möchte ich jetzt trotzdem auch zur politischen Teilhabe kommen, es ist eine Gefahr für die Demokratie. Weil sie fühlen sich einfach nicht abgeholt von der Politik. Sie sehen nirgends, die tun was für mich. Die tun, damit es uns wieder besser geht. Und gehen, also immer mehr und mehr gehen nicht wählen. Und da kommen wir dann schon langsam in die Gefahr von einer Zwei-Drittel-Demokratie. Das heißt, dass zum Beispiel das oberste Einkommensdrittel geht verhältnismäßig gegen mehr Leute wählen. Natürlich, dann wird die Politik mehr nach denen ausgerichtet. Und dabei sollte es eigentlich genau umgekehrt sein. Weil eine Gesellschaft sollte sich immer eigentlich an den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft richten. Und das ist aber momentan, wenn ich mir das so anschaue, leider nicht der Fall. Ich nehme jetzt ganz kurz das Buch in die Hand, halte es nochmal in die Kamera, denn ich habe das gelesen und da ist mir eindrücklich in Erinnerung, das taucht bei Ihnen immer wieder auf, dass quasi der Vorwurf auch an Sie oder es kommt als Vorwurf daher an Sie gerichtet, immer wieder zu vernehmen war oder ist, betrifft sicherlich viele andere Menschen auch, dass man Ihnen sagt, naja, wo ein Wille ist, da ist ja auch ein Weg. dass man ihnen sagt, naja, wo ein Wille ist, da ist ja auch ein Weg. Also sie müssen ja eigentlich nur wollen, im Sinne von, naja, so aus ihrer Krise einen Ausweg finden, dann finden sie ihn auch. Das ist natürlich etwas, was wie so ein Totschlagargument daherkommt, weil was soll man dem noch entgegnen? Sie müssten ja quasi eine mehrere tausende Seiten umfassende wissenschaftliche Arbeit präsentieren, um das Phänomen Arbeit differenziert zu erklären. Auf der anderen Seite sind Sie sehr unmittelbar, sehr konkret davon betroffen. Warum ich das jetzt anspreche, ist, dass das ist ja auch so ein bisschen in unserer Gesellschaft, Sie haben gesagt, das ist so verinnerlicht, aber es hat auch fast ein Kulturgeschichtlichen Hintergrund. Ich bin so geprägt, ich durfte eine christliche Erziehung genießen. Ich bin aufgewachsen auch in dieser durchaus christlichen Erziehung mit dem Prinzip der Nächstenliebe. Arme Menschen gehören immer dazu. Für die muss man was Gutes tun. Aber schon die Kinderbücher mit Jesus als Hauptfigur, der hat immer die Armen gestreichelt und hat die Kranken geheilt usw. Das Bild der Armen, der Armut, das gehört so dazu. Jetzt ist die Frage, das möchte ich gar nicht nur weitere Erfahrungen von Ihnen abrufen, aber so mal ein bisschen mit Ihnen Gedanken entwickeln, wie kann man das, dieses Bild durchbrechen? Wie kann man das durchbrechen? Das sitzt so tief in uns allen drinnen, Sie haben es eh schon genannt, und das ist auch etwas, was in anderen Kulturen so gar nicht geläufig ist. Wo würden Sie da ansetzen, da mal wirklich mal einen Hebel anzusetzen und zu sagen, das müssen wir jetzt einfach wegbringen, dieses Bild? Das Bild sagt es ja zum Beispiel immer in so Sendungen wie, ich meine, sie sind wichtig, weil sie gebraucht werden, aber so Sendungen wie Licht ins Dunkel, dieses Almosengeben. Und das dann, wir Österreicher und Österreicherinnen wirklich gern. Es werden jedes Jahr Rekordwerte erzielt. Genau, es wird jedes Jahr Rekordwerte erzielt. Warum? Weil wir dann das Gefühl haben, wir tun was für die Armutsbetroffenen. Dabei war es so wichtig, dass wir eigentlich alle miteinander mal sagen, Moment, Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, Ausbau der Infrastruktur, damit jeder Mensch die Möglichkeit hat, für sich selber sorgen zu können. Es ist ja wirklich von keinem Menschen der Wunsch, dass er auf Sozialhilfe angewiesen ist. Es möchte ja jeder für sich selber sorgen können. Manchmal geht es halt einfach nicht, weil eine chronische Erkrankung vorliegt. Andererseits geht es halt nicht, weil keine Betreuung da ist oder kein Netzwerk. Und wir sollten endlich wegkommen von diesem Almosendenken, von wegen, wenn ich da 20 Euro spende und dort 10 Euro, dann trage ich was bei. Es war viel wichtiger, dass die Menschen einfach endlich sagen, na, Regierung macht was, damit diesem Menschen ermöglicht wird, dass sie für sich selber sorgen können. Also natürlich bin ich dafür, dass die Sozialhilfe erhöht wird. Es wird immer Menschen geben, die es brauchen. Und dafür ist das Netz ja da. Aber wir sollen vor allem Menschen ermöglichen, dass sie arbeiten gehen können. Und ich möchte jetzt trotzdem etwas Persönliches dazu sagen. Eben zu diesem Wollen-Willen ist es ja ein Weg. Sie haben es vorher erwähnt, ich bin seit 2019 wieder über der Armutsgefährdungsgrenze. Ich arbeite selbstständig. Jetzt. Ich arbeite vorwiegend von daheim aus. Hin und wieder kann ich Termine auswärts wahrnehmen. Ich könnte keinen 40-Stunden-Bürojob machen. Aufgrund der Vorerkrankung von meiner Jüngsten. Bei der ist es in den letzten Monaten wieder schlechter geworden. Die schafft zum Beispiel einen Tag Schule, zwei Tage nicht. Zwei Tage Schule, drei Tage nicht. Die schafft zum Beispiel einen Tag Schule, zwei Tage nicht. Zwei Tage Schule, drei Tage nicht. Es muss immer wer bei ihr sein, weil die Lungenfunktion einfach wieder irrsinnig schlecht ist. Sprich, hätte ich jetzt in den letzten Jahren einen normalen 40 Stunden Bürojob, ich wäre dann schon wieder los und ich wäre schon wieder unter der Armutsgrenze. Und das ist das, wo ich sage, da stimmt was nicht. Ich habe jetzt einfach das Privileg, dass ich mir meine Termine einteilen kann, dass ich zu meinem Mann sagen kann, du bitte sei da daheim, weil da muss ich weg. Oder dass meine große Tochter zu uns aufkommt und aufpasst. Aber ich könnte keinen Durchschnittsjob machen. Und das hat aber nichts damit zu tun, wo ein Willi ist, ist ein Weg. Das ist einfach ein Klick, dass ich das jetzt machen kann. Aber das haben ganz viele andere nicht. Und es gibt viele Eltern, die daheim sitzen mit Kindern mit den verschiedensten Erkrankungen, die nicht ausweichen können. Es ist ja absurd und widersprüchlich, weil wir leben ja gerade auch hier in Österreich in einem wirtschaftsliberalen Paradigmen, wo das Unternehmertum, das Selbstständige ja hochgejubelt wird, aber immer mit dem hohen Risiko verbunden, dass sie dann viele Versicherungen, Absicherungen nicht haben, das etwa ein Angestelltenbeschäftigungsverhältnis mit sich bringen würde. zu sprechen kommen, der in dem ganzen Komplex enorm wichtig ist, nämlich auch im Hinblick vielleicht darauf, wie man das auch durchbrechen kann. Vor wenigen Tagen hat eine österreichische Journalistin des Namens Rosemary Schweiger auf sich aufmerksam gemacht, weil sie in einem TV-Talk gemeint hat, sie sieht in Österreich keine Kinderarmut oder Kinder in Armut. Das hat natürlich entsprechende Reaktionen ausgelöst, denn die Anzahl von armutsgefährdeten Kindern geht in Österreich in die Millionenhöhe. Erschreckend auf jeden Fall die Aussage. Bei ihr ist das jetzt nicht so überraschend. Sie hat auch einen sehr stark neoliberalen Hintergrund. Dennoch die Frage, Sie haben selber vier Kinder, die sind sozusagen mit Ihnen aufgewachsen. Die haben ja die Erfahrungen, die Sie machen mussten, mit Ihnen geteilt. Kinder haben den enormen Nachteil, dass sie quasi über ihre Handlungen über weite Strecken nicht frei entscheiden können. Die können nicht sagen, okay, jetzt mache ich das und dann füße ich das als Lösung, sondern die sind mitgehangen, mitgefangen. Was haben Sie beobachten können, wie Ihre Kinder oder wie Kinder das generell aufnehmen? Was nehmen Sie mit in Ihrem weiteren Leben? Wie sehr wird es Sie prägen? Es ist bekannt, es ist nachgewiesen, dass bittere Armutserfahrungen ja auf Dauer schwere Verletzungen hervorrufen, die wahrscheinlich einen ein ganzes Leben lang begleiten. Umso wichtiger ist es ja auch, den Blick darauf zu richten. Genau. Es ist kurz zurück zu dieser Aussage von dieser Journalistin. Da ist darum gegangen, in Österreich müssen keine Kinder hungern. Und die Aussage hat mich wirklich irrsinnig geärgert, weil viele Menschen haben das dann im Nachhinein auch verwechselt und haben geschrieben, in Österreich muss wirklich niemand verhungern. Das stimmt, verhungern tut niemand in Österreich, hoffe ich. Also im Großen und Ganzen. Aber wir haben zum Beispiel 23 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Österreich sind armutsgefährdet. Jedes fünfte und etwa. Genau. Und ein Großteil von denen muss hungern. Sprich, da ist es nicht selbstverständlich, dass es regelmäßige Mahlzeiten am Tag gibt. Da kann es passieren, dass die ohne Frühstück in die Schule gehen, dass die keine Schuljahre mit haben. Da kann es passieren, dass das Abendessen ausfällt. Haben wir auch Urlaubsdurch? Haben meine Kinder auch Urlaubsdurch? Oder diese berühmte Toastbrotzeit am Ende vom Monat. Weil ein normales Hausbrot oder Vollkornbrot einfach gleich einmal das doppelte oder dreifache davon kostet. Das Schlimme daran ist, wer armutsbetroffen ist, schaut, dass er relativ günstig die Kindersorten macht. Und was macht man das mit Nudeln, mit kohlenhydratreichen Sachen? Die sind günstig, sind aber auf die Dauer schädlich. Sie bewirken Mangelernährung, Konzentrationsstörungen. Ist alles inzwischen erwiesen. Aber was macht es wirklich mit Kindern? Es gibt vor allem zwei unterschiedliche Orten. Die einen, die sich zum Beispiel mehr und mehr zurückziehen, die immer leiser werden, habe ich selber bei einem von meinen Kindern beobachtet, weil sie eben in der Schule nicht gecancelt werden wollen, weil sie kein Jausen mit haben. Die hören auf, die vermeiden soziale Kontakte. Und sie tun es ja später dann wieder schwer, dass sie wieder soziale Kontakte aufbauen, weil kein Vertrauen mehr da ist. Einfach Angst vor diesen Abwertungen. Und dann gibt es die zweite Art von Kindern, die eher offensiv damit umgehen, aber in dem Sinn, dass sie sagen, nein, ich habe keine Jausen mit, weil ich habe nie einen Hunger. Das sind auch solche Kinder, die zum Beispiel daheim sagen, ich will gar nicht auf ein Projekt mitfahren. Oder, nein Mama, ich will nichts zu Weihnachten, ich bin wohin und schlussglücklich. Das hört man oft und dann kriegt man oft zu mir hin, du hast brave Kinder. Das hat nichts damit zu tun. Das hat einfach damit zu tun, dass die Kinder das daheim gar nicht mehr erwähnen wollen, weil sie wissen, dass alle zusätzlichen Kosten an Stress verursachen. Und auch wenn man immer probiert, dass man es vor die Kinder irgendwie versteckt, Kinder kriegen alles mit. Und Kinder probieren dann, dass sie es vor dir verstecken. Das heißt, sie sagen zu mir, nein Mama, ich wünsche mir gar nichts. Und ich beobachte auch jetzt die Zeit, wo wir eigentlich dann schon wieder rausgekommen sind, wenn ich sage, so, und was willst du jetzt haben? Das war jetzt und ist noch immer ein Lernprozess für die Kinder, dass sie wirklich sagen können, ja, ich wünsche mir das. Oder kommt man wieder mal essen gehen. Für uns ist zum Beispiel essen gehen mit der Familie ein Luxusthema. Das, wo ich mir denke, das sollte für jeden irgendwann mal drinnen sein. Das ist für uns nach wie vor ein absolutes Highlight. Aber zurück auf das Strukturelle. Was mich an dem ganzen Thema einfach so ärgert, Thema Kinderarmut. Also wie gesagt, Kinder versuchen es zu verstecken, haben Mangelernährung, haben Konzentrationsstörungen. Aber die ganze Thematik nimmt Kindern ja Perspektiven. Sie sehen, bei den Eltern, die leben in Armut, die Kinder probieren, was sie wollen, sie kommen nicht raus. Was macht das mit einem als Kind? Du siehst einfach, egal was ich probiere, ich bleibe sowieso immer da unten. Also dieses Perspektiven haben für die Zukunft, dieses Think Big, einfach einmal weiterdenken, dass man sich mehr zutrauen kann, das hat ein Großteil der Kinder, die in Armut aufwachsen, eben nicht. Und das tut mir so weh, weil man denkt, jedes Kind sollte die Möglichkeit haben, dass er sich entfalten kann. Und sie sehen es. Sie können es auch nicht sehen. Woher auch? Seit geraumer Zeit ist ja auch in Österreich vermehrt von einer sogenannten Spaltung der Gesellschaft die Rede. Das ist auch wiederum ein sehr komplexes Thema von vielen sozialen Verwerfungen. Es hat viel zu tun mit dieser immer größer werdenden, Sie haben es schon angesprochen, dieser immer größer werdenden Schere von Arm und Reich. Es hat aber viele andere Ursachen auch. Es hat viel zu tun mit dem Vertrauensverlust zu vieler Menschen in Richtung Politik, Demokratie, Teilhabe. Viele fühlen sich wirklich völlig vor den Kopf gestoßen. Dann gibt es natürlich auch politische Kräfte, die auf ungustiös-populistische Weise dann auch noch diese Sentiments schüren, Feindbilder heranziehen, sozusagen Neiddebatten lostreten. Aber nichtsdestotrotz, es bleibt unterm Strich so etwas übrig, was gerne auch als Wut beschrieben wird. Also dass immer mehr Menschen wütend werden und je größer auch ihre sozialen und ökonomischen Existenznöte werden, umso wütender werden manche. Jetzt fällt mir auf, sie wirken überhaupt nicht wütend. Was haben Sie da gemacht? Kann ich das so lesen, dass man nicht zwingend wütend werden muss, wenn man derartig schwierige Erfahrungen macht? Oder ist Wut ein vielleicht hilfreiches Ventil, dass man sagt, okay, ich lasse mal da jetzt meine heiße Luft raus, die sich so angesammelt hat. Inwieweit ist Wut für Sie auch ein Teil einer Strategie oder auch sozusagen, dass Sie sagen, nein, darauf wollen Sie ganz bewusst auch nicht setzen? Doch, ich bin wütend. Ja. Aber jetzt nicht. Ich bin wütend oft und vertwittert das dann. Vertwittern? Genau. Okay, ja. Da darf ich meinen Frust freien Lauf lassen. Wenn ich sage, da kommen jetzt wieder abwertende Aussagen wie die soziale Hängematte oder so. Der Unterschied ist, mein Wut richtet sich gegen die, die es richten. Die, die auf uns oberschauen. Und die aber nichts dagegen tun, obwohl sie es da könnten. Sprich, sie könnten die Sozialhilfe ändern und solche Sachen. Gegen die richtet sich meine Wut. Was mir aber zum Beispiel zu bedenken gibt, ist, dass sich von ganz vielen Leuten eine Wut oder eine Frust noch weiter nach unten richtet. Sprich, mir geht es schlecht, also soll es dem noch schlechter gehen. Und das, sage ich, das ist die ganz falsche Richtung von Wut. Mein Glück ist einfach, und das betrachte ich wirklich als Glück, ich habe es immer geschafft, dass ich meine Wut oder meinen Frust in etwas Konstruktives verwandeln kann. Und sie haben die Spaltung der Gesellschaft und die Unzufriedenheit angesprochen, und das macht mir zum Beispiel extreme Sorgen. Weil wenn man sich anschaut, im untersten Einkommensdrittel war vor einem Jahr die Zufriedenheit mit dem politischen System, im obersten Einkommensdrittel war die bei 85 Prozent. Im untersten Einkommensdrittel war die da schon nur bei 49 Prozent. Jetzt ist sie bei 29 Prozent. Und auch im obersten Einkommensdrittel ist die massiv runtergefallen. Warum? Weil wir das jetzt die letzten zwei Jahre erlebt haben, und wie gesagt, das ist der Punkt, der mir Sorgen macht, in den letzten zwei Jahren hat vor allem die Mittelschicht und die oberste Einkommensschicht erlebt, wie es ist, weil man Einschränkungen erlebt, weil man sich nicht mehr so bewegen kann, wie man will, weil man nicht mehr auf einmal ins Kaffeehaus gehen kann, auf Urlaub fahren kann, weil sie das erste Mal in ihrem Leben Einschränkungen gespürt haben. Das, was Armutsbetroffene immer erleben. so weitergehen und die Inflation geht noch weiter. Also selbst wenn sie jetzt stoppt, das heißt ja nur, dass die Preise langsamer steigen. Aber es wird ja nicht besser in den nächsten Jahren. Meine Sorge ist, wenn das mehr und mehr in die Mittelschicht kommt und die Leute sich dann wirklich einschränken müssen. Also da spreche ich jetzt nicht mehr davon, dass der Urlaub ausfällt, sondern wirklich einschränken müssen, auch bei den Lebensmitteln. Ich glaube, dass sich dann die Wut auf die Straßen verlegt. Und da war es meiner Meinung nach ganz wichtig, dass die Regierung jetzt endlich etwas dagegen unternimmt. Wir sind das Land mit der schlechtesten Inflationsbekämpfung. Da habe ich heute einen Artikel darüber gelesen. Wir sind das absolute Schlusslicht. Gut, also die Regierung, von der Sie sprechen, ist die Regierung gebildet aus ÖVP und Grünen. Die wird, wie alle Prognosen, Voraussagen, vielleicht gerade nochmal ein Ja geben, wenn es durchhält. Dann werden andere politische Mehrheitsverhältnisse aller Voraussicht nach darüber entscheiden. Aber es braucht ja im Grunde genommen mehr. Also wir sind hier bei DorfTV, wir sind ein kleiner Teil einer Medienlandschaft, aber doch mit gewissen Möglichkeiten, auch Öffentlichkeiten zu erreichen, Bewusstsein zu erzeugen, Informationen zu geben. Was sollte denn Ihrer Meinung nach, was sollte denn Medien dazu beitragen? Über Armut zu berichten, das passiert. Es gibt Zeitungsartikel, es gibt TV-Beiträge, es gibt Diskussionsrunden zu diesem Thema, die natürlich aber in ihrer Wirkung immer beschränkt bleiben, die natürlich aber in ihrer Wirkung immer beschränkt bleiben, beziehungsweise wenn man dann sagt, okay, da steht der Tropfenhüll, den Stein, das ist dann auch irgendwann mal enden wollend und so der große Durchbruch gelingt ja auch nicht. Was würden Sie uns raten, auch als Medien, wie können wir sinnvoll beitragen, tatsächlich ein Stück weit auch Armut zu bekämpfen? Es gibt zum Beispiel längst verschiedenste Modelle, wie die Umverteilung in Österreich stattfinden kann, damit man Armut bekämpft, Kinderbetreuung ausbaut. Sei es, es wird jetzt die Köst gesenkt zum Beispiel, sei es, dass die nicht gesenkt wird, dafür wird der Kindergartenbetreuung ausgebaut, Vermögensteuer einführen, Erbschaftsteuer einführen. Und ich würde es zum Beispiel seitens der Medien irrsinnig wichtig finden, dass über diese verschiedensten Modelle wirklich neutral berichtet wird, ohne dass Angst geschürt wird, ohne dass die Menschen glauben, Vermögensteuer, da verliere ich ja so viel beim Häusl von meiner Mama. Weil das ist ja nicht der Fall. Also wenn wir zum Beispiel von einer Vermögensteuer reden, die ab, weiß ich nicht, einer Million Euro anfängt, dann zahlt man ab einer Million einen Euro und nicht unter der einen Million. Und das fällt mir in die Medien. Es wird zwar immer alles Mögliche aufgegriffen, also ich rede jetzt vor allem auch von den Printmedien, es wird vieles aufgegriffen, aber es wird nicht einfach erklärt. Und es wird die Leute nicht die Angst genommen. Weil wenn ich sage, die Mittelschicht, viele in der Mittelschicht haben Angst vor solchen Vermögensteuern, das brauchen sie nicht. Die Vermögensteuer treffen maximal die obersten vier Prozent in dem Land. Und wer da oben ist, der kann sich auch Vermögensteuer leisten. Die war zum Beispiel ein großes Mittel zur Bekämpfung der Kinderarmut. Das Bildungssystem. Viele Menschen sagen nur immer, eine Bildung in Österreich ist gratis. Da vermisse ich zum Beispiel wirklich das einfach mal, klingt jetzt komplett banal, dass aufgelistet wird, was kostet, wenn mein Kind bis 18 in die Schule geht. Wie viel kostet mir das? Also ich rede da wirklich von so ganz einfachen, banalen Sachen, damit man es den Menschen bütlich sogar zeigen kann, was das ist. Und letztens hat es einen Artikel gegeben, und den habe ich irrsinnig gut gefunden, über einen, der jahrelang als Koch keiner gearbeitet hat, der selber nie glaubt hat, dass er mal keinen Job mehr findet. Und der aber dann arbeitslos geworden ist, beziehungsweise auch nicht mehr Kinder hat in diesem Business zum Arbeiten. Und der hat das so gut erklärt. Und ich glaube, genau solche Sachen erreichen Menschen und nehmen ihnen die Vorurteile auch weg. Und das aber alles wirklich auf einem einfachen Niveau. Und das aber alles wirklich auf einem einfachen Niveau. Mich erinnert das ja eigentlich fast ein bisschen an die Rolle von Medien im Zusammenhang mit Klimaschutz. Weil auch dort hakt es ja letztlich vor allem an einem, wie auch in der Politik, das ist der Mut. Mut zu haben, gewisse Dinge anzusprechen, auszusprechen, die dringend in den Mund genommen werden müssen. Einfach zu sagen, wir als wohlhabende Gesellschaften mit diesem hochgetakteten industriellen Konsumniveau, wir können so nicht weitermachen. Irgendwann mal in der Politik muss jemand den Mut haben, den Menschen das zu vermitteln. In den Medien genauso. Und vermutlich ist es auch in der Thematisierung der Armutsbekämpfung ähnlich, dass man einfach den Menschen sagt, das sind die Realitäten. Und es ist ja so, man kann natürlich darauf hinweisen, dass etwa in den kapitalistischen Vereinigten Staaten noch vor Ronald Reagan die Steuerprogression bei 80 Prozent gelegen ist. Da hat einfach die Gesellschaftspolitik gesagt, ein Mensch soll nicht mehr verdienen als bis hierher. Das war eine gesellschaftliche Entscheidung, die einen Mut erfordert hat und damit war natürlich auch die Finanzierung von Sozialsystemen möglich. Ich habe gehört, in Österreich zum Beispiel, warum gibt es in Österreich keinen Reichtumsbericht? Wir haben einen Armutsbericht, wir haben sämtliche Zahlen, was wir aus dem Mittelstand verdient, was wir in der Armutsschicht dann eingekommen haben. Es gibt bei uns keine Daten zu Reichtum. Gibt es in ganz vielen anderen Ländern. Gehört meiner Meinung nach Mut dazu, damit das endlich gefordert wird? ja etwas, das gewisse politische Kräfte ja gerne aufgreifen, dass sie sagen, dass man sagt, okay, die Reichen sind schuld, dass es Arme gibt. So einfach ist es ja auch nicht. Es braucht ja ein politisches System, das quasi eine Ungerechte Verteilung sicherstellt. Wir kennen natürlich auch das Extrem in Diktaturen, wo letztendlich arme Menschen eingesperrt, in Konzentrationslagern verschwunden sind, damit sie nicht aufbegehren. Und die Reichen wurden trotzdem immer reicher. Das ist ein sehr schwieriges Unterfangen, wo man in der Gesellschaft sehr, sehr viel Bereitschaft auch vorfinden muss, vieler gesellschaftlich Beteiligter, dass man sagt, okay, wir versuchen zumindest, wenn wir schon nicht die gleiche Perspektive haben, aber uns zumindest auf ein gemeinsames Thema zu einigen. Es soll ja auch nicht so sein, dass jetzt Arm gegen Reich, wie soll ich sagen, sie verfeinden, klingt jetzt blöd, aber den Konflikt gibt es ja. Den gibt es, aber warum? Es hat ja eigentlich nirgendwas davon. Natürlich, riesengroße internationale Konzerne, denen ist es egal, was bei uns der prekär Beschäftigte verdient. Aber die meisten Unternehmer in unserem Land, bin ich davon überzeugt. Und auch mit denen, mit denen ich viel in Kontakt bin, die wollen ja im Prinzip auch, dass die Menschen gut geht. Weil es hat eigentlich jeder was davon, wenn jeder Mensch genug Einkommen hat, also sei es aus Lohnarbeit oder eben weil er eben nicht arbeiten geht aus Unterstützungsleistungen, konsumiert er ja wieder. Sei es einkaufen gehen, sei es Gewand kaufen, sei es in der Gastronomie. Das heißt, das ist ja trotzdem wieder ein Kreislauf, wo jeder davon profitiert. Nur ich glaube, es wird einfach auch in der Gastronomie. Das heißt, das ist ja trotzdem wieder ein Kreislauf, wo jeder davon profitiert. Nur, ich glaube, es wird einfach auch in der Öffentlichkeit viel zu wenig umgebracht. Das wollen wir im Prinzip schauen, dass es jedem in diesem Land gut geht. Egal, dem Unternehmer, dem 40-Stunden-Hackler und dem chronisch Kranken gewinnt eigentlich jeder davon. Mag jetzt naiv klingen, aber ist. So nach dem Motto einer Umdrehung eines Slogans der Wirtschaftskammer, nämlich jetzt geht es den Menschen gut, geht es der Wirtschaft gut. Wir sind leider dem Ende der Sendezeit schon sehr, sehr nahe. Die Zeit schreitet immer so rasch voran. Frau Brot, vielleicht noch ein letztes Wort. Ich spüre bei Ihnen wahnsinnig viel Energie, sehr, sehr nahe. Die Zeit schreitet immer so rasch voran. Frau Broder, vielleicht noch ein letztes Wort. Ich spüre bei Ihnen wahnsinnig viel Energie, sehr, sehr viel Motivation. Das Buch, das Sie geschrieben haben, liegt hier vor mir. Viele Menschen lesen das, das weiß ich. Trotzdem, wie lange wird Ihr langer Atem reichen? Woher nehmen Sie weiterhin die Motivation? Was wollen Sie für sich selber bewirken, damit Sie sagen können, ja, damit bin ich zufrieden und das macht für mich Sinn und da halte ich daran fest. Ich kann Ihnen dafür nur noch eine Minute geben. Ich sage immer, ich bin froh um den Tag, wo ich nicht mehr über Armut und Beschämung reden muss. Ich würde mich freuen, wenn das ganz bald der Fall ist. Wenn keine Menschen mehr, die in Armut leben oder in Armut geraten, leise werden, still werden, weil sie Angst haben, dass sie sich quasi outen. Es sollte jeder darüber reden können. Und wenn wir offener damit umgehen, dann ist unsere Gesamtgesellschaft viel leichter. Ja, das nenne ich mal ein Schlusswort. Durchaus ganz in unserem Sinne bei DorfTV. Ja, vielen herzlichen Dank, Daniela Prodesser. Vielen Dank auch für das Buch. Ich halte es jetzt noch mal ganz kurz in die Kamera. Erschienen im Verlag Gremmeyer Scherio Amut. Dringende Lektüre-Empfehlung. Vielleicht gleich für dieses Wochenende. Ja, in diesem Sinne darf ich mich natürlich auch bei den Zuseherinnen und Zusehern bedanken, die jetzt mit Interesse wieder dabei waren. Die nächste Sendung im Rahmen von Wassermeyer sucht den Notausgang gibt es nämlich tatsächlich schon in zwei Wochen. Am Mittwoch, 26. April, ist dann auf Sendung Michaela Grömer, durchaus bekannte Anwältin dieser Tage, die zuletzt auch Aufmerksamkeit gefunden hat, weil sie für sieben Kinder und Jugendliche die Klimaklage gegen die österreichische Bundesregierung in Angriff genommen hat. Am 26. April wieder im Programm von DorfTV. Ansonsten möchte ich wie immer mit dem Ersuchen schließen. Bleiben Sie dem Sende des Vertrauens, nämlich DorfTV, auch weiterhin gewogen. In diesem Sinne noch einen schönen Tag und auf Wiedersehen.