Herzlich willkommen an diesem kaltwinterlichen Mittwochvormittag bei einer weiteren Ausgabe der Sendereihe Wassermeer sucht den Notausgang hier aus dem Studio von DorfTV in der Kunstuniversität Linz. Ja, folgt man in diesen Tagen den oft sehr rasant übermittelten Informationen und Nachrichten aus der Welt, so hat man ja durchaus den Eindruck, als könnte diese aus den Fugen geraten, neben Teuerung und Inflation, die ja vielen Menschen weltweit große Sorgen bereiten, kommt natürlich auch die Klimakatastrophe dazu und vor allem auch der Umstand, dass aufgrund der vielen Konflikt- und Krisenregionen auf diesem Erdball viele Menschen auch weiterhin gezwungen sind, ihre eigene angestammte Heimat zu verlassen und Zuflucht zu suchen. Das ist dann etwas, was vor allem auch hier wieder in Österreich der rechtspopulistischen Diskussionskultur eine Hochkonjunktur vermittelt. Und da ist es dann auch umso dringender erforderlich, Gegenperspektiven zu entwickeln und ich freue mich, dass ich heute im Rahmen meiner Gespräche zu Kultur und Politik in Krisenzeiten einen besonderen Gast bei mir im Studio begrüßen darf, aus Wien, heute hier zu uns gekommen, Taima Kreid. Ja, lieb Frau Kreid, ich freue mich, dass wir heute diese 50 Minuten gemeinsam bestreiten können. Bevor wir loslegen, darf ich ein bisschen Biografisches zu Ihrer Person sagen. Selbstverständlich. Sie sind 1984 in Bagdad geboren, heute tätig als Erwachsenenbildnerin und Autorin. Sie leben schon seit früherer Kindheit in Wien, haben in Wien auch Philosophie studiert und waren auch tätig als freie Journalistin und Publizistin mit außenpolitischem Fokus. Ihre Schwerpunkte liegen ja auch auf den politischen Entwicklungen und sozialen Bewegungen in der sogenannten MENA-Region. Was darunter zu verstehen ist, hinter diesem Akronym, da handelt es sich in erster Linie um den Mittleren Osten, der sich aber sozusagen die Region, die sich erstreckt, bis hin nach Nordafrika. Also man kann das kurz umreißen. Sie haben einen Blick auf eine große Region, die im Westen bei Marokko in etwa beginnt, aber natürlich auch dann im Osten den Iran umfasst. Das ist eine sehr spannende Breite. Von Ihnen ist zuletzt erschienen das Buch, das dann auch meine Aufmerksamkeit gefunden hat. War sicherlich auch ein wichtiger Anstoß, Sie heute hier zu mir einzuladen. Ich halte es jetzt mal in Händen, um das auch in die Kamera zu halten. Von Tamer Greit, erschienen im Wagenbach Verlag. halten von Timer Greit, erschienen im Wagenbach Verlag. Das Buch trägt den Titel Sunniten gegen Schiiten zur Konstruktion eines Glaubenskrieges. Meines Erachtens eine sehr wichtige Publikation, um vor allem einen differenzierenden Blick zu finden auf das große Thema des Islams und seiner Missverständnisse, seien sie bewusst gesetzt oder auch sozusagen instrumentalisiert. Wir werden darauf noch zu sprechen kommen. Frau Kreit, ich beginne immer ganz gerne mit einer persönlichen Frage, das möchte ich auch bei Ihnen tun, auch wenn das eine sehr große Frage ist. Sie haben selber, zugegeben als Kind, aber Fluchterfahrung. Sie sind mit Ihren Eltern aus Bagdad aufgebrochen und haben dann Zuflucht gefunden in Europa, in Österreich, in Wien. Gegebenheiten unserer Gegenwart schauen, auch auf die Migrations- und Asyldiskurse, wie wir sie auch in Österreich tagtäglich erleben. Wie nehmen Sie das eigentlich wahr? Ich nehme es durchaus persönlich. Also erstmals vielen Dank für die Einladung und die nette Einleitung zu meiner Person. Aber ja, es ist natürlich so, dass diese Flucht- und Migrationsgeschichte meiner Familie und von mir selbst mich geprägt hat. Und auch ein Grund dafür ist, also für meine inhaltlichen Schwerpunkte und meine Tätigkeiten. Meine Eltern waren, also ich komme aus einer Familie politischer Flüchtlinge. Mein Vater ist aus Syrien zunächst einmal in den Irak geflüchtet und dann gemeinsam mit meiner Mutter und meiner Schwester und mir, wir waren vier und fünf Jahre, dann letztlich nach Europa geflüchtet. dem Diktator Saddam Hussein. Opposition war nicht möglich. Meine Eltern waren selbst eher linkspolitisch orientiert. Und weiters hat sich das Land in einem sehr, sehr blutigen Krieg mit dem Nachbarland Iran befunden. Das heißt, es gab auch nicht wirklich eine Perspektive. Und so sind wir dann letztlich über viele Umwege nach Europa gekommen. Ich kann mich noch erinnern, meine Eltern haben das Ganze so ein bisschen dargestellt, als wäre es eine Reise. Also wir sind zuerst, waren zuerst in Ägypten, dann in Jordanien und dann irgendwann in Griechenland und Türkei, Griechenland und irgendwann dann in Treskirchen. Nur ein paar Tage, aber dann haben wir letztlich das neue Homebase Schwächert gefunden. Also ich bin eigentlich keine Wienerin, sondern aus Wien-Umgebung oder Niederösterreich immer schwächert. Und da kommt dann halt natürlich viel zusammen. Einerseits eine neue, also man muss sich einfach neu zurechtfinden. Flucht und Migration hat oft auch viel mit Einsamkeit zu tun. Also meine Eltern, denke ich schon auch, sind immer sehr einsame Menschen gewesen, die lange gebraucht haben, bis sie Anschluss gefunden haben, die auch als Akademiker, Akademikerinnen wirklich jeden Job angenommen haben, weil damals wurden Abschlüsse nicht anerkannt. Und ja, mein Vater war Ingenieur, meine Mutter war Wirtschaftswissenschaftlerin. Also das war insofern nicht leicht, aber Menschen sind auch resilient. Und diese Resilienz habe ich dann 2015 bei der letzten großen Fluchtbewegung, also vor der heutigen, vor dem Ukraine-Krieg, nämlich übers Mittelmeer sozusagen. Also diese Resilienz habe ich dann natürlich auch in all diesen anderen Menschen wieder gesehen, mit all ihren Geschichten. Ich habe immer wieder versucht, damals auch zu übersetzen, wo es ging. gesehen mit all ihren Geschichten. Ich habe immer wieder versucht, damals auch zu übersetzen, wo es ging. Da war ich mit meinem ersten Kind schwanger sozusagen und hatte Zeit aufgrund des Mutterschutzes. Habe dann einfach versucht, auch zu übersetzen, mich ein bisschen zumindest noch zu engagieren und einfach sehr viele Parallelen zwischen mir und einfach Geflüchteten entdeckt. Und aufgrund meiner Biografie, also man ist dann einfach auch anders. Und diese Andersheit führt oft dazu, dass Menschen fragen, Schulkolleginnen fragen, Lehrer. Ich wurde immer von Lehrerinnen gefragt, auch als Teenager nach dem 11. September war ich auf einmal als Schülerin in so einer Position, dass ich mich irgendwie rechtfertigen musste für den Fanatismus und der Gewalt, die in der Region, aus der ich komme, vorherrscht. Und das hat mich dann immer wieder, es hat so ein bisschen die Erklärbärin in mir herausgekitzelt. Das ist irgendwie auch der Grund, wieso ich dann letztlich zur Erwachsenenbildung gekommen bin. Das hat einfach gut gepasst. Ich finde es wichtig, auf Hintergründe zu schauen und versuchen, so differenziert wie möglich, Gegebenheiten zu erklären, die auf dieser Welt und vor allem auch in dieser Weltregion geschehen. Das ist ja hochinteressant, weil wenn wir uns vor Augen führen, gerade auch in diesen Tagen, wie über Menschen gesprochen wird, die auch aus diesen genannten Regionen zu uns kommen, weil sie hier um Asyl werben, dafür auch Gründe vorzubringen wissen, dann wird da ja sehr, sehr brutal und rücksichtslos drüber gefahren. Da gibt es gleich mal, ich nenne ein paar Beispiele, alleine hier von der SPÖ Oberösterreich, gibt Forderung, Asylwerbende sollen ein Jahr lang verpflichtenden Arbeitsdienst verrichten. Die ÖVP möchte überhaupt gleich nur noch Zäune und Mauern rund um Europa bauen. Und bei den Freiheitlichen ist man schnell zur Hand, generellen Asylstopp zu fordern und eigentlich die universellen Menschenrechte auszusetzen. Was ganz erstaunlich ist, dass bei all diesen Debatten immer wieder sehr deutlich erkennbar wird, wie wenig wir eigentlich über die Lebensrealitäten der Menschen wissen, die zu uns kommen, wir eigentlich überhaupt keine Bereitschaft aufzeigen, uns eigentlich für diese sehr individuellen Schicksale auch nur zu interessieren und überhaupt auch über Hintergründe kaum etwas Bescheid wissen, weil da könnte man jetzt natürlich die Verantwortung gründlich analysieren, wer immer dafür verantwortlich ist, aber dass wir eigentlich vor einer großen Tabula Rasa sitzen und viel zu wenig Ahnung haben. Was bedeutet das für Sie, wo Sie quasi, das ist ja wie ein Dasein als Ruferin in einer Wüste. Nicht immer. Also ich glaube tatsächlich da, wo es ein Zusammenleben gibt unterschiedlicher Menschen, das sind dann auch immer jene Orte, jene Räume, in denen Rechtspopulisten beispielsweise viel weniger Chancen haben. Also wenn wir uns einfach Stimmungsverhalten anschauen, gegen Migrantinnen und Flüchtlinge wird vor allem da gewählt, wo keine leben. Und es ist dann natürlich, also das, was ich schon sage, ist, Zusammenleben ist immer schwierig, aber wo Menschen einander auch ein bisschen in der Zivilgesellschaft einfach so viel Engagement und so viele Menschen, die da unterstützen wollen, die empathisch genug sind. in der Politik sehr viel mit Feindbildern spielt. Und das ist für mich immer auch ein Ausdruck dessen, dass wer auf die wirklichen Probleme, und mit wirklich meine ich zum Beispiel den Klimanotstand, der uns alle betrifft, wo wir letzten Sommer auch gesehen haben, ja, die Landwirtschaft leidet darunter, Seen trocknen aus. Also wer auf diese akuten Probleme, auf die Wirtschaftskrise, auf die Pandemie keine adäquaten Lösungen hat, der setzt auf eine Politik der Feindbilder. Warum? Es lenkt einfach schlicht und einfach ab. Es ist sehr banal, aber wir merken es ja wirklich auch an der Art und Weise, wie etwa von Seiten der ÖVP oder der FPÖ immer wieder agiert wird. Es ist nichts einfacher, als von den eigenen Problemen abzulenken, wenn man einfach eine andere Gruppe problematisiert. Und in dem Fall sind das Geflüchtete oder eben auch Muslime, Musliminnen. Und das ist auch sehr spannend, weil wann ist das wirklich hochgekommen? Vor allem dann Ende der 90er und in den Nullerjahren. Also diese Dahamstadt-Islam-Kampagne zum Beispiel von den Freiheitlichen ist in den Nullerjahren, glaube ich, hat das stark begonnen. Später wurde das dann auch von der ÖVP übernommen. Das ist Strategie. Und es ist deshalb auch problematisch, weil wir müssen uns wirklich längerfristig überlegen, wie wir als Gesellschaft funktionieren wollen. Wir haben das in der Pandemie gesehen. Die hat uns alle betroffen. Es war sehr wichtig, dass Menschen in systemrelevanten Berufen weiterhin berufstätig geblieben sind, ihren Job gemacht haben und sich den Gefahren dieser Pandemie ausgesetzt haben. Viele davon sind Menschen mit Migrationshintergrund. Wenn wir zum Bereich Pflege schauen, der auch spannend ist. Ich habe immer den Eindruck, so emotional wie über, also ich würde mir wünschen, dass man ähnlich emotional über Pflegenotstand und diese sozialen Themen sprechen würde, wie über das Thema Migration. Es sind sehr, sehr viele Menschen völlig ausgepowert, dem Burnout nahe, wissen nicht mehr, wie sie ihre Angehörigen, ihre pflegebedürftigen Angehörigen versorgen sollen. Und gleichzeitig wissen wir, wir sind hier abhängig vor allem von Menschen mit Migrationshintergrund, die diesen Job machen würden. Jobs, die sehr oft sehr schlecht bezahlt sind. Also das ist eigentlich, diese Art der Politik, die Politik der Feindbilder, ist total fahrlässig im Grunde. Also sie schadet der Gesellschaft das Ganze einfach. Ja, man könnte ja fast mutmaßen, dass dieses sehr prekäre System der Pflege oder des Managements des Pflegenotstands ja vor allem davon lebt, dass es auf Menschen basiert, die bewusst auch permanent zu den gesellschaftlichen Randlagen bleiben und permanent auch stigmatisiert bleiben als Fremde und so weiter. Dann kann man sie nicht nur unter Kontrolle halten, sondern auch in geringsten Einkommensniveaus. Aber ich komme auf einen Punkt zurück, den sie jetzt auch angesprochen hat, weil es so wunderbar diese Widersprüchlichkeit auch aufzeigt. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass die FPÖ den Anti-Islamismus entdeckt hat für sich, hat sehr viel damit gepunktet. Er pflegte beste Kontakte zu Muma el-Gaddafi, hat sogar libysches Öl nach Kärnten gebracht und eigene Tankstellen betrieben, bis hin zu seinem legendären Besuch beiinschauen, auch mit Ihnen. Was ist es denn, was den Islam hier so zu einem Feindbild macht? Ist es etwas, wo man sagt, das sind ganz plumpe Muster von Feindbildkonstruktionen, Stereotypen? Oder ist es etwas, wo auch tatsächlich der Islam an sich, der ja sehr, sehr heterogen ist, wovon wir vielfach gar nichts wissen, der ein sehr, sehr komplexes Konstrukt darstellt, dass das eigentlich auch gewisse Angriffsflächen bietet oder Potenziale bietet, wo man sich auch rausglauben kann und das einfach sich drehen und wenden, wie immer man will? Da gibt es, glaube ich, jetzt mehrere Ebenen. Das eine, fangen wir mal national an. Hier leben seit Jahrzehnten Menschen aus muslimischen Ländern mit Wurzeln in der Türkei oder anderen muslimischen Ländern, mit Wurzeln in der Türkei oder anderen muslimischen Ländern, die hier als Gastarbeiter, Gastarbeiterinnen hergekommen sind. Und Menschen können oft von den Jobs, von der Arbeit, die sie haben, nicht mehr gut leben. Man bietet ihnen keine Alternativen, sondern sagt, na, schau auf die hin. Die sind nämlich viel rückständiger. Also es ist ja auch, ein Feindbild zu haben, ist ja auch irgendwie gut fürs eigene Ego. Wir sind die, die zivilisiert sind. Wir sind die, die fortschrittlich sind, die anderen nicht. Das ist mal so, wenn wir jetzt nur nach Österreich schauen. Gaddafi und Saddam Hussein, das ist eine spannende Sache, weil eigentlich sind die weitgehend säkulare Diktatoren gewesen. Hier und da haben sie auch immer wieder mit dem politischen Islam kokettiert, aber tatsächlich ist das aber arabischer Nationalismus gewesen, den die vertreten haben. Oder im Falle Gaddafis zwischendurch ein panafrikanischer. Also der hat sich ohnehin im Winde gedreht, wie es ihm gerade gepasst hat. Und das ist ja wohl spannend, gerade Gaddafi, also mit dem konnten ja auch viele andere, nicht nur Rechtspopulisten, noch andere konservative Politiker, weil der hat uns halt lange Zeit die Flüchtlinge vom Leib gehalten in Europa. auch andere konservative Politiker, weil der hat uns halt lange Zeit die Flüchtlinge vom Leib gehalten in Europa. Das ist mal das eine. Es ist natürlich, diese Widersprüchlichkeit erleben wir immer wieder. Also denken wir jetzt an die WM in Katar. Da wurde jetzt völlig zu Recht kritisiert. Nichtsdestotrotz haben wir auch in Österreich sehr viele Wirtschaftskontakte nach Katar und noch viel mehr, glaube ich, in die Vereinigten Arabischen Emirate. Da ist bei uns eine Blockmeldung meistens in den Nachrichtensendungen. Nichtsdestotrotz, ja, also bei der WM kann man dann kritisieren, aber dass man selbst sehr viele vielschichtige Kontakte hat und kooperiert mit diesen Staaten, die offenbar kein großes Anliegen daran haben, sich an Menschenrechte zu halten. Das ist uns dann letztlich wurscht. Also diese Widersprüchlichkeit, die wir bei der FPÖ in Bezug auf Gaddafi und Saddam Hussein erfahren haben, die gibt es ja bis heute im Umgang mit der gesamten Region. Vielleicht nur ganz kurz, um das nochmal zu verdeutlichen. Eines der größten österreichischen PAUnehmen, die Porr, hat ja im Zuge der WM-Vergabe an Katar und dann den Stadionneubau, hat ja auch Stadien errichtet, das waren ja dreistellige Millionenaufträge, wovon natürlich wieder österreichische Arbeitskräfte profitieren und so weiter. Das ist ja alles sehr, sehr komplex, aber gut, dass Sie das angesprochen haben. Was mich jetzt noch interessiert ist, Sie haben ja immer wieder auch ein Auge auf internationale Politik. Das ist ja die Weltordnung oder die Weltunordnung, die funktioniert ja zunehmend so nach Chaosprinzip und das ist sozusagen so ein Kräftemessen der Interessen, der geostrategischen, der Kalte Krieg ist lang vorüber, früher war das alles viel überschaubarer und nachvollziehbarer. Wenn wir uns erinnern, ich bin Anfang der 70er Jahre geboren, ich bin noch sozusagen unter diesem Eindruck aufgewachsen, ohne jetzt hier der Nostalgie allzu viel Raum zu geben, dafür ist das hier ein falsches Sendungsformat, aber natürlich die österreichische Außenpolitik in den 70er Jahren, vor allem unter Bruno Kreisky, das war noch etwas, da war man auch hier in Österreich stolz, weil gerade auch im Hinblick auf die vielen Konflikte im Nahen Osten immer wieder auch dialogische Initiativen gestartet wurden. Man hat auch Österreich-Wien-Angeboten, Zufriedensgespräche und so weiter. Damals gab es einen Plan, damals gab es eine international ausgerichtete Strategie. Heute hat man den Eindruck, da geht es nur noch sozusagen um ein allgemeines Kräftemessen. Wer kann sich selber Geltung verschaffen? Und das alles unter einem Paradigma, nämlich unter dem sogenannten Kampf gegen den Terrorismus, womit wir natürlich beim Feindbild Islam sind. Unter anderem, also es gibt glaube ich mehrere Feindbilder zur Zeit, auch Russland, China, was nicht heißt, dass die nicht alle Dreck am Stecken haben, das wissen wir. Ich glaube, das, was sich geändert hat, ist, nach dem Kalten Krieg hatten wir eine Art, also wir hatten eine Weltmacht sozusagen. Die USA als ein Staat, der sich als Ordnungsmacht global auch präsentiert hat, aktiv eingegriffen hat. Das ist nicht mehr so. Seit den 90ern ist es sozusagen zum Aufstieg der anderen gekommen. Also das ist irgendwie eine Phrase, die vom US-amerikanisch-pakistanischen Publizisten Farid Zakaria kommt. Aufstieg der anderen. Wer sind die anderen? Das ist Russland. Das ist aber auch Indien, Brasilien, China. Also all diese eben auch ehemaligen Entwicklungsländer, die da einen rasanten Sprung gemacht haben und die jetzt eben auch als Akteure auftreten. Es ist schwer, heutzutage wirkliche Blöcke festzumachen. Wir sehen es allein an der EU. Selbst hier im Falle der Ukraine. Es war sehr, sehr schwierig, hier auf eine gemeinsame Position zu kommen. Wir haben es auch immer wieder in Bezug auf den Iran gesehen. Sanktionen? Ja, nein. Oder Syrien. Soll man intervenieren? Ja, nein. Also die Franzosen und die Briten waren immer wieder für eine Intervention, Deutschland nicht. Das heißt, es gibt keine Clan-Blöcke mehr. Und auch, also das ist mal das eine, und was jetzt die österreichische Außenpolitik betrifft, ich meine, zu Zeiten Kreisky ging es ja auch darum, dieses kleine Land wieder zu positionieren, sichtbar zu machen in der Öffentlichkeit und vor allem auch eine Vermietlerrolle einzunehmen. Das ist wirklich schon sehr, sehr lange her. Also seitdem ich denken kann, werden die Außenminister von der ÖVP gestellt und ich habe tatsächlich den Eindruck, dass es da sehr oft auch um Fotos fürs Bilderalbum geht. Also ich, nicht nur. Es geht natürlich auch um die Pflege fürs Bilderalbum geht. Also nicht nur. Es geht natürlich auch um die Pflege wirtschaftlicher Kontakte. Also das ist ein ganz starker Fokus österreichischer Außenpolitik. Handelsbeziehungen, aber Vermittlung. Ich meine natürlich, wenn wir jetzt wieder beim Iran sind, die Atomverhandlungen, ja, da haben wir wieder Raum bereitstellen können. Aber das sind Errungenschaften der vergangenen, eigentlich aus der Kreisgeheere. Also dass man sagen kann, Österreich ist ein neutrales Land und wir bieten hier die Möglichkeit für Dialog und Verhandlungen und schauen dann, wo es weiterführt. Damit kokettieren wir zwar nur noch, aber ich sehe da nicht mehr, dass da tatsächlich ein Plan dahinter steckt. Und ich meine, es ist auch eine grundlegende Sache. Was wollen wir eigentlich mit Außenpolitik erreichen? Warum ist Außenpolitik uns wichtig? Das ist so etwas, womit sich eigentlich kaum wer hier befasst. Welche Art der Außenpolitik wollen wir? Und ja, wie soll das Ganze auch in Kooperation ausschauen mit anderen Staaten? Also der Trekkie in mir mag den Föderationsgedanken und das ist etwas, über das das ist einfach nicht mehr in Mode. Also ich meine auch, weil sich die EU sehr schnell selbst entzaubert hat. Nichtsdestotrotz haben wir mit globalen Herausforderungen zu kämpfen und die Klimakatastrophe ist eigentlich die dringlichste, beziehungsweise ihre Folgen. Das heißt, dass auch hier angedacht wird, wie kann man gemeinsam vorgehen, Initiativen starten. Das passiert natürlich zu wenig. Und die Ursache ist einfach auch, dass niemandem wirklich bewusst ist, was man jetzt mit Außenpolitik wirklich will, außer halt Handelsdelegationen irgendwo hinschicken und hier und da ein bisschen wirtschaftliche Kooperation zu stärken. Jetzt sind seit einigen Wochen die Augen der Welt sehr, sehr aufmerksam gerichtet auf den Iran. Sie haben es ja auch schon genannt. Ein großer Auslöser dafür war der Tod von Masa Amini, der 22-jährigen jungen Frau, die, wie es so offiziell heißt, in Polizeigewahrsam ums Leben gekommen ist. Seither erleben wir ein starkes Aufbäumen oppositioneller Kräfte, unzählige Demonstrationen, Proteste, die jetzt ja auch dazu führen, und das hat wirklich zu einem großen Schrecken geführt. Jetzt auch Demonstranten, waren bisher ausschließlich Männer, auch öffentlich hingerichtet wurden. Jetzt ist eines interessant, Frau Kreit, dass vom Iran weiß man das ja eigentlich schon sehr lange, dass das ein brutales, schlechter und Unrechtsregime ist. Immer wieder ist bekannt geworden, eben diese öffentlichen Hinrichtungen, dieses islamistisch fundierte Regime der Mullahs, die da quasi einen Glaubensstaat errichtet haben nach der Revolution von Ayatollah Khomeini. Das ist uns ja eigentlich alles bekannt. Warum sind wir jetzt noch einmal heller und wachsamer geworden oder aufmerksamer geworden? Ist das etwas, wo Frauen tatsächlich jetzt auf die Straße gegangen sind, weil sie sagen, das mit dem Kopftuchgebot oder der Vorschrift, Kopftuch zu tragen, das ist etwas, womit sie einfach nicht mehr können? Oder sehen wir uns da quasi in einem gewissen Anfangsstadium tatsächlich eines Systemumbruchs oder gar eines Systemsturzes? Ja, das würde ich schon sagen. Ich meine, das, was hier wichtig ist, ist vielleicht nicht irgendwie einer ähnlichen Illusion zu verfallen wie zu Zeiten des arabischen Frühlings, dass kaum ist die Diktatur weg, ist alles gut. Das ist eine sehr ahistorische Sichtweise. Sondern es gibt bei solchen Umbruchsbewegungen immer Aufs und Abs. Und das, was wir im Iran aber erleben, ist, dass es eigentlich schon seit Jahren immer wieder zu Aufständen kommt. 2009 erinnern, die Proteste wegen der Wahlfälschung und dem erstohlenen Wahlsiegs Ahmadinejads. Das war die grüne Revolution. Auch da waren sehr, sehr viele Menschen auf der Straße. Auch da waren es sehr, sehr viele Frauen. Dann hat es in den letzten Jahren immer wieder Proteste gegeben aus einem ganz anderen Milieu. Nämlich aus dem Milieu, das eigentlich dem Regime sehr nahe steht. Den sogenannten Bazaaris, also diesen Händlerwesen. Es war nicht mal nur die studentische Mittelschicht, die demonstriert hat, sondern aufgrund der ökonomischen Lage, aufgrund der Teuerung des Benzins, waren es auf einmal auch ganz andere soziale Gruppen, soziale Schichten. Und diesmal im Heuer hat er sich wieder zugespitzt, aufgrund der Ermordung einer jungen Frau, die nichts anderes getan hat, als ein bisschen eine Haarlocke zu zeigen. Was eben auch zeigt, also ich fand das faszinierend, weil wer Terran die letzten Jahre über kannte, wusste, dass Frauen eigentlich immer sehr, sehr locker mit dem Kopftuch mittlerweile umgehen. Also da schauen immer Haare raus. Aber es sagt viel über dieses Regime aus, dass sie auf einmal so hart vorgegangen sind gegen diese junge Frau. Das zeigt, dass sehr wohl schon klar war, dass es einfach viel Unmut in der Bevölkerung gibt, dass sich sehr, sehr viele Gruppen, die sonst auf Seiten dieses Regimes waren, sich abkehren, weil ihnen nichts geboten wird. Autoritäre Regime, selbst das Assad-Regime in Syrien, haben es immer wieder geschafft, einen Teil der Bevölkerung zumindest auf ihrer Seite zu haben, indem sie ihnen soziale Zugeständnisse bieten. Das passiert im Iran gar nicht mehr. Und das sind nicht nur die Sanktionen. Ja, die Sanktionen treffen den Iran hart. Aber es gibt diesen Ausdruck, die Mullah Millionaires. Es gibt eine wirkliche, also die ökonomische Elite wird großteils gestellt von diesen religiösen Akteuren. Das heißt, die haben zum Beispiel schon nach der Revolution Stiftungen übernommen, aus ihnen islamische Stiftungen gemacht und all das Reichtum noch aus der Shah-Ära, das Reichtum der Monarchie, konfisziert. Monarchie konfisziert. Sie sind wirtschaftlich sehr aktiv über diese Stiftungen, horten immens viel Reichtum, setzen sich aber nicht für eine Umverteilung ein. Und gerade in Zeiten, wo man weiß, die Bevölkerung leidet unter die Sanktionen, wäre es eigentlich gescheiter gewesen zu sagen, okay, wir müssen jetzt ein wenig umverteilen. Das ist nicht passiert und das ist auch der Grund, wieso auf einmal auch die treuen Bazaris nicht mehr so gut können mit den jetzigen Regierenden im Iran. Und warum uns diese Proteste so faszinieren? Natürlich, weil es Frauen sind. Weil wir wissen, was das für ein System ist, auf welchen vielen Ebenen Frauen diskriminiert werden und unterdrückt werden im Iran. Insofern ist es auch imponierend, das zu sehen. Und über soziale Medien kommen wir an viel mehr Bildmaterial ran, als es früher noch der Fall war. Jetzt ist es ja in Afghanistan ähnlich. Ein Jahr sind die Taliban bereits wieder erneut an der Macht. Ihre Repressionen richten sich massiv gegen Frauen. Da gibt es immer wieder sozusagen auch dann das Statement zu hören, ja, die Herrschenden haben Angst vor den Frauen, erfordert auch einen differenzierenden Blick. Was wäre denn für Sie so die revolutionäre Kraft von Frauen in so streng religiösen, repressiven Regimen? Das ist sehr schwierig, weil hier geht es wirklich um Leben und Tod. Also das ist, wir wissen, was mit Frauen passiert, die sich wehren. Von Säureattacken bis hin zu einfach zu Gewalt. Das heißt, Frauen sind dann, also wie soll ich sagen, man kann patriarchale Systeme, ich versuche es jetzt grundlegend zu erklären, wie etabliert man die? Meistens doch über Frauen. In dem Moment, wo man Frauenrechte abnimmt, in dem Moment, wo man ihnen gewisse Rollen zuweist, beschränkte Rollen zuweist, kann man, also das Patriarchat funktioniert nicht ohne Frauen. Es ist essentiell, dass Frauen da mitmachen, mitmachen müssen, um diese Herrschaftssysteme zu etablieren. Das heißt, vieles läuft über Frauen. Darum ist dieser kulturelle Kampf um Frauenkörper so relevant und das ist ja nicht nur im Nahen Mittleren Osten der Fall. Denken wir an die USA mit Abtreibungsverboten, die jetzt immer mehr durchgesetzt werden. Warum ist der Fokus dieser Rechten immer so stark auf, also warum fokussieren sie immer so stark auf Frauenkörper? Weil sie ihre eigenen Ordnungssysteme darüber etablieren können. Also in dem Moment, wo du die Frauen unter Kontrolle bringst, kannst du sozusagen deine Vision von Staat, von Macht realisieren. und jetzt komme ich wieder zurück zum Iran, nach der Revolution 79 gab es unterschiedliche Akteure. Es waren ja nicht nur Islamisten, die diese Revolution angeführt haben. Das waren Gewerkschaften, Arbeiterinnen, das waren Sozialisten. Es war ein Volksaufstand. Das heißt, da war fast jeder vertreten. Es haben sich die Islamisten unter Rumäni durchgesetzt, auch weil sie taktisch klüger agiert haben. Aber was war in Ägypten erlebt nach dem arabischen Frühling. Auch da, es war eine breite Bewegung. Aber es haben sich, weil sie besser organisiert waren, die Muslimbruderschaft hat sich durchgesetzt und was waren, die haben sich kaum um Wirtschaftsagenten geschert, die haben sich nicht um Armut geschert. Wichtig für sie war, was macht man jetzt mit den Frauen? Soll man irgendwie Heiratsalter für Mädchen weiter runtersenken? Soll man am Personenstandsrecht was tun, dass Frauen nicht mehr einfach so können, wie sie wollen? Also das sind oft für solche Gruppen, die die Wesentlichen fragen. Und das ist nicht nur, weil sie, das Argument, die sind halt so rückschrittlich, das erklärt gar nichts. Rückschritt, Fortschritt, da geht es um Kalkül, es geht um Macht. Wie übernimmst du Macht? Und in dem Fall machst du es über die Frauen. Der Iran wirkt ja nicht nur mit seinem Terrorregime nach innen, unterdrückt Frauen und Oppositionelle. Der Iran ist auch ein ganz wichtiger überregionaler Player. Das ist auch schon seit langem bekannt. Der Iran ist vor allem auch ein wichtiger Träger der, wie man es bezeichnen will, der schiitischen Einflusssphäre. Also bis nach Syrien auch sehr stark wirkend hinein in den Irak. Bei Ihrem Buch geht es ja genau um diesen Gegensatz Sunniten gegen Schiiten, also der Sunna gegen die Schia, wobei man wahrscheinlich unumwunden eingestehen muss, dass viele gar nicht Bescheid wissen, genau Bescheid wissen, worin da eigentlich die Unterschiede liegen. Ich möchte jetzt gar nicht so sehr auch darauf eingehen, sondern auf die These, die Sie darin vertreten, dass hier sozusagen auch in dieser Konstruktion des Gegensatzes sich sehr, sehr viele unterschiedliche Interessen widerspiegeln, vor allem auch der westlichen Welt. Können Sie, ohne dass Sie jetzt diese vielen Seiten des Buches hier sozusagen zum Vortrag bringen, auf Ihre wichtigsten Erkenntnisse bei Ihrer Forschungsarbeit zu sprechen kommen? Ja, natürlich. Also das eine ist einfach mal, den einen Islam gibt es nicht. Es gibt unterschiedliche Strömungen, unterschiedliche Interpretationen. Und das ist auch wichtig, weil wir viel mit Begriffen wie politischer Islam, Islamismus operieren. Und jeder glaubt darunter, was zu verstehen. Aber wenn man dann genau darauf eingehen möchte, kommt halt nicht viel, außer das sind halt Muslime. Das heißt, weg von dieser Verallgemeinerung, von dieser Essentialisierung auch. Islam ist nicht das einzige bewegende Motiv für Menschen in dieser Region, politisch aktiv zu sein zum Beispiel. Und das andere dann darauf anknüpfend ist, es gab immer wieder Zeiten, in denen Religion in diesen Ländern weniger Einfluss hatte. Und die Frage, die ich mir stelle, warum diese Auf und Abs? Also wenn man an die 50er, 60er Jahre denkt, da waren säkular-nationalistische oder auch sozialistische Ideologien wesentlich dominanter. Bis in die 70er Jahre war die Kommunistische Partei im Irak die stärkste politische Kraft, auch wenn sie nicht die Regierung gestellt hat. Aber es waren andere Bewegungen, die wesentlich spannender waren. Islamisch inspirierte politische Bewegungen gibt es schon länger in der Region, trotzdemischen, immer stärker mitmischen, brechen auch Konflikte unter den unterschiedlichen religiösen Communities auf. Und das ist im Irak passiert. Nach dem Sturz der Saddam-Diktatur 2003 wurde unter Schirmherrschaft und Besatzung der USA ein System im Irak etabliert, das wirklich darauf basiert, welcher Gruppe gehörst du zu? Bist du Schiite, bist du Sunnite oder bist du Kurde? Was anderes ist nicht mehr drin. Das war so der Identitätsmarker, der zählt. Und politisch einflussreich bist du, je größer deine Gruppe ist. In dem Fall die schiitische Gruppe, die halt die Hälfte, mindestens die Hälfte der Bevölkerung ausmacht. so wichtig geworden ist für Politik, dann brechen in so einem gemischt-konfessionellen Staat auch Konflikte auf zwischen den Communities. Und in dem Fall einfach ein uralter Konflikt, in dem es um die Erbfolge nach dem Tode des Propheten Mohammeds geht. Aber das ist halt die These. Ich glaube, je weniger Raum Religiöse haben im politischen Feld, desto weniger gelingt es ihnen auch, diese Glaubensgruppen untereinander auszuspielen. Und das ist in einem Land wie Irak, aber natürlich auch wie Libanon mit einer langen Bürgerkriegsgeschichte relevant. Also ich befasse mich eigentlich in dem Buch mit dem Thema politischer Konfessionalismus. Also wie wird der Glaube oder wie werden Glaubensrichtungen, Glaubensgruppen instrumentalisiert und in ein politisches System eingebettet, wo man die Bevölkerung schön kategorisieren kann nach ihrer Glaubensgruppe. Also etwas, das ich total rückschrittlich finde und das wir auch hier in Europa zum Beispiel aus Bosnien kennen. total rückschrittlich finde und das wir auch hier in Europa zum Beispiel aus Bosnien kennen, auch ein Staat, der nicht ganz so gut funktioniert, liegt vielleicht auch daran, dass diese Systeme auch Korruption stark befördern, weil die Communities nur noch mal untereinander, wie soll ich sagen, zusammenarbeiten und sich fördern und andere Qualitäten von Menschen halt nicht mehr wirklich was zählen. Und das andere ist halt auch wirklich zu schauen, wie ist es zu diesem Vormarsch oder dem Aufstieg politisch-islamischer Gruppen gekommen? Warum? Es hat viele Hintergründe. Einer davon ist aber, dass diese säkularen Regime, die sich in den 50er, 60er Jahren etabliert haben, mit der Zeit selbst entzaubert haben. Dass die selber sehr, sehr autoritär waren, Opposition unterdrückt haben und dann beispielsweise nur mehr Moscheen als einziger sicherer Raum geblieben sind, um Unmut kundzutun über politische Themen. Das war jetzt sehr viel. Tut mir leid. Nein, nein, das schafft mir eine gute Grundlage, gleich nochmal einen Schritt weiter zu gehen. In den vergangenen Jahren ist ja auch hier in Österreich der politische Islam ja so etwas geworden wie ein politischer Kampfbegriff. Taucht nicht nur bei der FPÖ auf, die ja seit vielen Jahren dafür bekannt ist, neuerdings auch bei der ÖVP, interessanterweise auch hier in Linz. Die Linz-ÖVP hat gerade auch im vergangenen Wahlkampf zur Gemeinderatswahl 2021 nichts unversucht gelassen, permanent vor der Gefahr und der Bedrohung des politischen Islam für die Stadt zu warnen. Ich habe mich wirklich viel damit beschäftigt, habe auch schon Sendungen dazu im Rahmen meines Politikprogramms von DorfTV dazu gemacht. Ich bin bis heute noch nicht schlauer geworden, weil was soll politischer Islam eigentlich zum Ausdruck bringen? Ich verstehe es mal ganz banal, vielleicht auch ein bisschen naiv so. Also grundsätzlich wird ja von Angehörigen, von Menschen der muslimischen Glaubensgemeinschaft erwartet, dass sie sich anderen gesellschaftlichen Gruppen zuwenden. Das ist das, was gemeinhin als Integration verstanden wird. Aber wenn die sagen, ja, wir sind bereit, uns zuzuwenden, ist das ja schon eine politische Willensentscheidung, die man ihnen übel auslegen kann. Auf der anderen Seite, wenn die islamische Glaubensgemeinschaft sagt, wir wollen aber es doch bevorzugen, unter uns zu bleiben, wird es wieder als desintegrativ gelesen und umso argwöhnlicher beäugt. Jetzt ist die Frage, was sind denn überhaupt Bestimmungskennzeichen, dass wir von einem politischen Islam sprechen können? Es ist niemandem abzusprechen, das Recht, sich politisch zu engagieren, politisch zu äußern. Ich habe es bis heute noch nicht kapiert. Und das ist es auch. Also der Begriff ist bewusst so allgemein gehalten, dass er auch instrumentalisierbar ist. Und das ist tatsächlich ein Problem. Also wir haben es einerseits mit politischen Phänomenen zu tun, die es einfach gibt. Es gibt Menschen, die ihren politischen Aktivismus, ihre politischen Agenten aus ihrem Glauben ableiten. Das haben wir aber woanders auch. Gleichzeitig bietet Religion auch immer wieder viel Projektionsfläche, viel Auslegungsspielräume. Also man denke nur an die USA, Martin Luther King, aber auch der Ku Klux Klan beziehen sich auf das Christentum. Ich weiß, ein plumper Vergleich, aber das ist es eben. Also man kann die Tatsache, dass religiöse Menschen sich politisch engagieren und ihr politisches Engagement aus ihrem Glauben beziehen, aus welcher Doktrin auch immer, sei sie sozialreformerisch oder wirklich erzkonservativ, das kann jetzt noch nicht das sein, was wir problematisieren müssen. Also auch religiöse Menschen haben irgendwie ein Anrecht auf eine politische Meinung. Das andere ist, dass es diese Begriffsproblematik immer wieder gab. Also lange Zeit wurde immer von islamischem Fundamentalismus geredet. Der Begriff passt einfach nicht immer. Weil was ist ein Fundamentalismus? Da geht es um zurück zum Ursprung, zurück zur reinen Lehre, Buchtreue. Das finden wir zum Beispiel beim Wahhabismus, bei der islamischen Spielart in Saudi-Arabien, von der wir wissen, dass sie sehr, sehr strikt ist. Das kennen wir aber auch von dschihadistischen Bewegungen, also die auch salafistisch, also auch da nicht alle Dschihadis sind Fundis, aber in dem Fall, ich glaube, Sie wissen, was ich meine. Da geht es um den Anspruch, die reine Lehre zu vertreten und zurückzukehren zu einem ursprünglichen Islam, also so wie der Islam irgendwann mal gewesen sein soll. Das ist das Ziel. Das ist ein islamischer Fundamentalismus. Das trifft aber jetzt nicht auf die Islamische Republik im Iran zu. Die wollen was anderes. Deren Verfassung ist sogar von der französischen Verfassung inspiriert. Also es ist eine ganz andere Doktrin. Es ist eine ganz, also gerade auch bei der Schia wird man halt nicht, wird man eben viel, viel Auslegung finden und eben weniger die Buchtreue. Also die klassischen islamischen Fundamentalisten oder eben wie die Wahhabiten in Saudi-Arabien, die lehnen ja die Schiiten ab. Die sagen, das sind Heretiker, die sind vom Glauben abgefallen. Also das heißt, der Begriff trifft einmal nicht zu. Dann war es eine Zeit lang in Mode, aus dem Französischen entnommen vom Islamismus zu reden. Aber sowohl Islamismus als auch politischer Islam, wer ist das jetzt? Also was ist das genau? Es gibt Organisationen wie die Muslimbrüderschaft, es gibt Organisationen wie die AKP. Sie sind alle konservativ. Also mir ist noch kein muslimischer Martin Luther King Jr. aufgefallen. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch progressive religiöse Akteure in der sogenannten islamischen Welt geben kann. Nichtsdestotrotz, es ist das, was ich wirklich auch problematisch finde, ist, dass wir ähnliche Tendenzen aus etwa, wenn es jetzt sogenannte christliche Länder betrifft, dass wir da nicht von einem Christianismus reden, dass wir da nicht diese Etiketten haben. Also ich denke da sehr stark immer wieder an unseren illiberalen Demokraten Viktor Orbán, der sich immer wieder sehr, sehr plump und populistisch aufs Christentum und der Verteidigung des Abendlandes bezieht. Was ist denn das jetzt? Ist das jetzt auch ein politisches Christentum? Ich denke an einen ehemaligen FPÖ-Chef, der vor dem Stephansdom mit einem Kreuz herumgefuchtelt hat. Also so, wir nutzen diese Begriffe und diese Kategorien, wenn es um die anderen geht, wenn es um Muslime geht, um Islam, um politisch engagierte Muslime. Und das heißt nicht, dass ich jetzt deren Ideologie irgendwie verharmlosen will oder sonst was, aber wir nutzen keine ähnlichen Begriffe, wenn es um unsere eigenen Leute geht. Also die politische Instrumentalisierung von Religion ist etwas, das wir derzeit in sehr, sehr vielen Teilen der Welt und auch bei uns erleben. Aber nichtsdestotrotz noch in der ersten Episode der Regierung Sebastian Kurz, der Koalition mit der FPÖ 2017, wurde sozusagen unter dem Paradigma der Abwehr des politischen Islams sozusagen eine Alarmismusstelle eingerichtet. Ich bezeichne es mal ganz bewusst so eine Dokumentationsstelle des politischen Islams sozusagen eine Alarmismusstelle eingerichtet. Ich bezeichne es mal ganz bewusst so, eine Dokumentationsstelle des politischen Islam, das als Institut quasi wissenschaftlich Grundlagenanalysearbeit leisten sollte, um doch den Nachweis zu erbringen, wie gefährlich dieses Problem denn nicht sei. Ich muss ehrlich gestehen, als aufmerksamer Beobachter, mir ist diese Dokumentationsstelle gar nicht mehr so wirklich untergekommen. Haben Sie eine Ahnung, was daraus geworden ist? Keine Ahnung. Ich glaube tatsächlich, dass sie auch an Relevanz verloren haben, weil es derzeit, es gibt dringlichere Themen, ich glaube, das merkt man schon. Ich glaube auch der Fokus zum Beispiel, also wir haben das nach dem furchtbaren Terroranschlag von vor zwei Jahren in Wien erlebt, der Fokus war zum Beispiel auch bei unseren Behörden lange Zeit auf sogenannte Muslimbrüder. tatsächlich jene zu beschatten, zu beobachten, die ja wirklich militant sind. Bei der Muslimbruderschaft ist es so, es gibt immer wieder Leute, die aus der Muslimbruderschaft heraus sich radikalisieren und sich militanten Splittergruppen angeschlossen haben. Also in Ägypten ist das seit den 60ern immer Thema gewesen. Die Organisation selbst ist aber eigentlich eine sehr, sehr biedere, konservative Organisation, die über die staatlichen Strukturen versucht, politischen Einfluss zu gewinnen. Und nicht immer nur staatlich, oft auch irgendwie in anderen NGOs oder über karitatives Engagement. Das heißt, sie bleiben immer noch irgendwie, sie erkennen oft die Rahmenbedingungen an, die man ihnen von Seiten des Staates vorgibt. Dass man diese Gruppe jetzt derart problematisiert hat und jemanden wie diesen Attentäter, der eine klassisch-theatristische Laufbahn eingeschlagen hat, nicht, das ist äußerst problematisch. dass es hier tatsächlich mehr um Populismus ging, darum, dass man da ein Feindbild haben kann, auf das man dann immer wieder zurückgreifen kann, wenn es vielleicht innenpolitisch nicht so gut ausschaut. Und es ist halt in die Hose gegangen, und zwar in einer Art und Weise, die furchtbar war. Weil letztlich, ja, es ist zu einem Anschlag gekommen, den man hätte verhindern können. Wir haben jetzt tatsächlich nur noch ganz, ganz wenig Zeit auf unserer Uhr. Ich muss mit Ihnen zu einem Abschluss kommen. Und dieser Abschluss, so wäre mir wichtig, sollte jetzt ein bisschen auch noch den Blick richten auf die vielen Emanzipationsbestrebungen, die es ja tatsächlich auch gibt in den Regionen, über die wir heute gesprochen haben, natürlich auch sehr stark fokussiert auf den Iran. Was können denn wir hier tun, auch sozusagen nicht nur über Demonstrationen, unsere Solidarität zum Ausdruck zu bringen, auch sozusagen auszudrücken, dass wir die Menschen, die dort schwer unterdrückt sind und mit Hinrichtung bedroht sind, dass wir sie nicht vergessen. sind und mit Hinrichtung bedroht sind, dass wir sie nicht vergessen. Wie können wir beispielsweise dazu beitragen, auch so etwas zu stärken, was wir hier bei uns als Zivilgesellschaft verstehen, zivilgesellschaftliche Anstrengungen, die tatsächlich einen Umsturz, eine Beseitigung dieser Unrechtsregime realisieren könnte? Ich tue mir immer ein bisschen schwer mit dieser Frage, weil ich sehe dann einfach iranische Demonstrantinnen und denke mir, ja, also ich kann von denen lernen, nicht umgekehrt. Ich weiß, wir hier in Europa sind uns immer als Nabel der Welt, aber tatsächlich, glaube ich, können wir gar nicht so viel machen. Was wir aber tun können, ist zu schauen, dass Außenpolitik und Handelspolitik vor allem immer mit Menschenrechten, mit dem Anspruch der Menschenrechte, der Einhaltung der Menschenrechte verbunden ist, verknüpft ist. Also wir sind wieder beim Problem unserer eigenen Außenpolitik, die einfach total den Fokus eigentlich nur auf Handelsbeziehungen hat und weniger auf andere Dinge. Das ist wichtig. Das andere ist wichtig, ja, wir sollten ein Safe Haven sein, also quasi ein Ort der Sicherheit für diese Menschen, die jetzt aufgrund ihres Engagements verfolgt werden und flüchten müssen. Also auch das ist wichtig. verfolgt werden und flüchten müssen. Also auch das ist wichtig. Und das andere, es ist ein Thema, das nicht gern aufgegriffen wird, aber diese Krisenhaftigkeit im Nahen und Mittleren Osten oder auch in Nordafrika, die hängt natürlich, die wird nicht weniger aufgrund der Klimakrise, also ganz im Gegenteil. Der Iran wird seit Jahren immer öfters von Naturkatastrophen heimgesucht, dann parallel dazu von Dürren. Im Irak das Gleiche, im Sommer hat es da mittlerweile 50 Grad. Diese Gegend erhitzt sich zum Teil zweimal so schnell wie andere Regionen der Welt. Das heißt, die Klimakrise ist das, was noch viele weitere Konflikte anheizen wird und viel mehr Menschen dazu zwingen wird, ihre Heimat zu verlassen. Das heißt, das ist das, wo wir wirklich anknüpfen müssen. Um nur ein Beispiel zu nennen, der Bürgerkrieg in Syrien. Einer der wesentlichen Auslöser war eine langwierige Dürre zwischen 2006 und 2008. Die hat tausende Menschen dazu gezwungen, ihre ländliche Heimat zu verlassen, um in die Städte zu migrieren. In den Städten gab es wiederum eine Immobilien-Bubble. Und da waren Mieten nicht leistbar. Die haben sich alle in diesen Vororten illegal angesiedelt, wo es keine Infrastruktur gab. Also die soziale Schieflage ist immer stärker geworden, größer geworden aufgrund dieser Entwicklung. Also darum, ja, die Klimakrise wird dazu führen, dass Konflikte immer weiter zu eskalieren drohen in einer Region, die sehr, sehr fragil ist. Und das ist ein Punkt, wo wir auf jeden Fall ansetzen müssen, hier in Europa, hier in Österreich, wenn wir wirklich helfen wollen. Ich nehme diese Mahnung, diesen Appell als Schlusswort. Vielen herzlichen Dank, spannendes Gespräch. Das Thema wird uns sicherlich noch weiterhin beschäftigen. Ein großes Dankeschön, dass Sie heute hier waren, bei uns im Studio von DorfTV. Ein großes Dankeschön natürlich auch den Zuseherinnen und Zusehern von DorfTV bei dieser letzten Ausgabe des Jahres 2022. Die nächste ist bereits in Planung, wird natürlich auch im nächsten Jahr wieder fortgesetzt. In diesem Sinne darf ich mich verabschieden wie so oft mit dem Ersuchen. Bleiben Sie dem Sende Ihres Vertrauens, nämlich DorfTV auch weiterhin gewogen. Also noch einen schönen Tag und auf Wiedersehen.