Lokaljournalismus ist für Österreich gerade ein zentrales Thema. Wir haben sehr starke regionale und lokale Medien. Deren Entwicklung war besonders wichtig in schwierigen Phasen, etwa der Corona-Phase. Und die waren besonders wichtig für die Menschen im Land, für das Publikum im Land mit ihrer Regionalinformation. Wir sehen generell einen Trend, nicht nur in Österreich, dass die großen globalen Themen, die Möglichkeit überall in der Welt online zu sein, sehr stark provozieren, dass es am anderen Ende ein besonders starkes regionales und lokales Interesse gibt, wo man nachsieht, was das bedeutet. Und wie sich der Lokaljournalismus darin bewährt und entwickelt, das ist eine zentrale Forschungsfrage. Und ja, was die Frage war, was sind die zentralen Erkenntnisse? Da gibt es eine Vielzahl. Eine ist eben genau diese, kurz zusammengefasst, Lokaljournalismus ist wichtiger denn je. Die zweite ist, er ist unter Druck wie Journalismus insgesamt, da zum Teil journalistische Arbeitsplätze verloren gehen, die Finanzierung im Wettbewerb für alle Medienbereiche nicht mehr so einfach ist, vielleicht sogar ein bisschen einfacher für Lokalmedien wie für nationale Medien. Und die dritte Erkenntnis ist, dass man auch dort noch viel Raum und Luft nach oben hat in der Qualität der Berichterstattung, in den Projekten und in der Beziehung zum Publikum, im Audience Engagement, wie wir das dann modern in der Forschung oft nennen, im Prinzip zur engen Beziehung, die der Lokaljournalismus stärker hat als Journalismus generell, aber durchaus noch ausbaubar ist. Herr Fürst, was bedeutet Ihnen Lokaljournalismus? Das ist der unmittelbare Kontakt mit dem Publikum und ist vor allem mit großer Verantwortung verbunden, weil im Lokaljournalismus werden Fehler schonungslos ganz rasch aufgedeckt, weil eine falsche Ortsbezeichnung, eine falsche Distanz oder irgendein kleiner inhaltlicher Fehler taucht sofort in Publikumsreaktionen auf und deswegen weiß man, da muss man ganz besonders sorgsam sein und das schult einen auch selbst sozusagen. Welchen Stellenwert hat Lokaljournalismus in einer Regionalzeitung wie der Oberösterreichischen Nachrichten? Lokaljournalismus hat bei unszeitung wie der Oberösterreichischen Nachrichten? Lokaljournalismus hat bei uns einen sehr hohen Stellenwert, weil wir einfach merken, dass die Leute das brauchen, dass man die Geschichten bei ihnen vor der Haustür abholt. Wir haben dazu auch eben genau aus diesem Grund sechs Lokalredaktionen, wo wir die Geschichten sammeln und wenn sie überregional gespielt werden bei uns, suchen wir uns dann die Speziellen heraus, werden die in Oberösterreich weit gespielt und die werden sehr gut angenommen. Das sehen wir bei den Statistiken, print und online, da kommen diese Lokalgeschichten sehr sehr gut an. Sie widmen sich mit der Bezirksrundschau der Stadt Linz. Wie gestaltet sich die tägliche Arbeit in einer Stadt, die so multikulturell ist, so divers ist, so viele Menschen hier miteinander leben? Welche Erfahrungen machen Sie da? Also uns gehen auf jeden Fall die Geschichten nicht aus. Wir haben kein Problem unsere Kanäle zu füllen. Wir arbeiten auf zwei Ebenen. Wir kriegen einerseits Informationen zugeschickt, aber wir machen uns auch selber auf die Suche nach Geschichten und brechen größere Themen herunter auf die Lokalebene und suchen dann die passenden Personen dazu. Welche Rolle spielt Lokaljournalismus im Bereich der nicht kommerziellen Medien? Ja, das ist bei uns in die DNA geschrieben eigentlich. Das ist unsere Existenzberechtigung. Die Lokalität oder die Hyperlokalität eigentlich, wie wir es heute gehört haben im Vortrag, das ist die Grundlage für unsere Existenz eigentlich. Daraus schöpfen wir unsere Themen. Wir sind offen für die Leute vor Ort, die Engagierten in der Region, die kommen zu uns, nutzen uns als Sprachröhre, als Kanal für ihre Themen und bekommen dafür großflächige Senderzeiten. Im Zeitalter von Social Media haben Menschen grundsätzlich sehr leichten Zugang zu globaler Information. Wie erklärt sich denn das Bedürfnis nach lokaler Berichterstattung? Nun, das ist die Averse und Reverse derselben Medaille. Globalisierung und Lokalisierung. Wenn ich sehe, dass die Welt in Bewegung ist, die ganz großen Themen, etwa die, wenn wir sagen, die großen Krisen, die Pandemien über uns hereinbrechen, dann will ich umso genauer wissen, was bedeutet das für mich, was bedeutet das in meiner Umgebung, wie finde ich gesicherte Information in meiner Community. Also das ist sicherlich ein Grund, warum Lokaljournalismus besonders bedeutend wird. Das sind überhaupt keine Gegensätze, ganz im Gegenteil, diese Glocalisierung, wie wir das dann nennen, ist ein logischer Prozess. Nach welchen Kriterien kommen Sie zu der Überzeugung, was Ihr Publikum hier in Linz tatsächlich interessieren könnte? Wir versuchen es zu messen, wir haben ja alle Beiträge auch online, da kann man es eigentlich ganz gut sehen, wie interessant die Geschichte ist. Und eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte, die geht online und auch in Print. Ansonsten gehen wir dann auch, wie viele Zuschriften wir auch zu einem Thema bekommen oder welche Fragen auftauchen. Oder teilweise auch innerhalb der Redaktion, was haben wir für Fragen zu einem Thema. Könnte das eine Geschichte sein und könnte das interessant für die Leserinnen sein. Im lokalen Raum, in den Regionen passiert ja täglich unglaublich vieles. Nach welchen Kriterien und Gesichtspunkten wählen Sie eigentlich Ihre Themen aus? Es sind verschiedene. Das eine ist, wenn ein Ereignis von größerer Bedeutung ist, ein größeres chronikales Ereignis zum Beispiel, eine wirtschaftliche Geschichte, wo es halt wirklich um große Investitionen geht, um Arbeitsplätze, die einen größeren Raum betreffen. Und dann gibt es auch Geschichten, die halt vielleicht lokal nur von Bedeutung sind, die aber halt besonders originell sind, die vielleicht auch eine besonders gute Nachricht sind, weil unser Anliegen ist auch nicht nur das zu verbreiten, was jetzt halt passiert und vielleicht nicht so schön ist, sondern einfach gute Nachrichten, schöne Geschichten zu zeigen oder interessante Menschen letztlich. Und da kann es auch so sein, dass das einfach eine Figur ist, ein Mensch aus einem kleinen Dorf, der trotzdem bei uns auch im ORF seinen Platz findet. Ich habe immer mehr bemerkt, wir sind auch akzeptiert und anerkannt oder werden sogar genutzt von der regionalen Entwicklung. Also Leute, die da jetzt zum Beispiel LEADER-Projekte umsetzen, das sind innovative Projekte, die die Region weiterbringen sollen, kommen zu uns und führen da einen Diskurs bei uns im Radio genau über diese Themen. Sei es jetzt Klima, Mobilitätsfragen oder soziale Fragen, die werden bei uns abgehandelt, halt auf lokaler Ebene. Gerade im lokalen Raum, insbesondere natürlich auch in der Kommunalpolitik, gibt es eine ganze Menge parteipolitischer Begehrlichkeiten, Interessen. Natürlich wird auch auf Medien auf lokaler Ebene eingewirkt, entsprechend wohlwollend zu schreiben, zu veröffentlichen. Inwieweit sehen Sie denn da auch Ihre journalistische Unabhängigkeit vor einer großen Herausforderung? Ich sehe das als Herausforderung insofern, indem natürlich diese Anfragen kommen, aber für uns gilt ganz klar, auf diesem Klavier spielen wir nicht. Wir machen gute journalistische Arbeit und das mehr nicht. Bestechung gibt es nicht. Man muss auch sich selber in den Spiegel schauen können, sage ich. Und das garantiert, dass man auch in den Beiträgen entsprechend die Informationen, die man bekommt, abwägt und das in einer entsprechenden Proportion halt auch darbringt und auch einfach die richtigen Fakten unterbringt. Wie das dann jemand kommentiert, überlegt oder blickt quasi der anderen Seite, aber meine Aufgabe ist es, die entsprechenden Fakten auf jeden Fall in den Beitrag unterzubringen. Wenn ich Innovation höre, denke ich an neue Formate, wie wir die Leute abholen können und interessieren können für unsere Geschichten und weniger an technologische Innovation, weil da reizt man glaube ich eh schon alles aus, also jetzt wir von der Bezirksrundschau zumindest. Innovation sehe ich eher darin, welche neuen Formate kann man entwickeln als Medium, vielleicht auch gemeinsam mit den LeserInnen, die spannend bleiben und die Leser an die Bezirksrundschau binden. Wie schafft ihr als freies Radio etwa am Beispiel Freistaat entsprechende Bekanntheit, dass die Menschen auch tatsächlich auf euch zukommen? Also durch langjährige Aktivität. Wir sind rausgegangen, haben Kooperationen gemacht mit den Leuten, sind zu ihren Veranstaltungen gegangen, haben die mitdokumentiert, haben die zu Radiosendungen verwertet. Dann gibt es die Möglichkeit, diese Veranstaltungen online zu konsumieren, für die Leute, die nicht die Gelegenheit hatten, bei den Vorträgen zu sehen. Und das ist auch ein lebendiges Archiv. Die Sendungen sind ja, jetzt bestehen wir seit 17 Jahren, nach wie vor alle verfügbar, kann man nachholen und das wird immer mehr wertgeschätzt auch. Und aufgrund dieser Kooperationen ist das schon im Bewusstsein der Leute drinnen, dass sie zu uns kommen, wenn sie etwas publizieren möchten. Worauf würden denn Sie in Ihrer redaktionellen Tätigkeit besonders setzen, damit Sie auch tatsächlich den Weg in die Zukunft beschreiten können? Ja, das ist ganz klar die Digitalisierung. Die Digitalisierung ist eine Herausforderung, aber auch eine sehr große Chance, weil man auch die Leute den ganzen Tag begleiten kann. Man ist einfach überall vor Ort. Die Leute können die Nachrichten am Handy, am Tablet den ganzen Tag konsumieren, sich informieren und das sehe ich als große Chance. Um allfällige junge Menschen auch dafür zu interessieren, wie lernt man Lokaljournalismus? Ich glaube, das ist einem zu einem gewissen Teil mitgegeben, dass man Interesse hat für das, was sich rundherum tut, dass man auch gerne mit Menschen zu tun hat. Und zum anderen ist es halt wie in so vielen Bereichen ein Job, wo man einfach einmal probieren muss, wo man vielleicht in einem Medium ein Praktikum macht, ein Volontariat und dann für sich erkennt, das macht mir Spaß. Oder ich sitze vielleicht lieber in einem Büro und bin nicht so oft draußen, weil das ist schon ein zentraler Punkt bei unserem Beruf. Gott sei Dank sage ich, dass man ganz viel unterwegs ist. In einer Zeit, in der viele Krisen und Verwerfungen uns alle sehr beschäftigen, kommt es ja umso mehr darauf an, inwieweit Menschen auch tatsächlich Möglichkeit finden, sich etwa an Medien selber auch zu beteiligen. Welche Erkenntnisse haben Sie denn gewonnen hier im Zusammenhang mit Ihren Forschungen und Studien zum Lokal-Scholanismus? Nun, dass es grundsätzlich das Interesse gibt, sich zu beteiligen. Das heißt, Medien müssen sich öffnen. Das kann auf vielen Ebenen passieren. Es zeigt die Bedeutung von auch nicht-kommerziellen Community-Medien, die in verschiedenen Bereichen etwas auffangen und auffüllen, das kommerziell orientierte Medien gar nicht können. Es heißt aber auch für die sozusagen erwerbsorientierten Medien, dass sie noch stärker mit diesem Publikum sich zusammentun müssen, noch stärker den Austausch pflegen, damit sowohl ihr Geschäftsmodell funktioniert, wie Öffentlichkeit überhaupt noch funktioniert im regionalen Raum.