you Einen schönen guten Abend und herzlich willkommen aus dem Studio von DorfTV in der Kunstuniversität Linz. In der heutigen Ausgabe meiner Senderei unter weißer Flagge Medien und Haltung in Zeiten des Krieges möchte ich die Aufmerksamkeit richten auf die Frage der Narrative des Krieges, die eine ganz wesentliche Rolle spielen für uns, Kriege, blutige Konflikte auch einzuordnen, zu verstehen, mitunter auch zu begründen, beziehungsweise zu erforschen. Der Krieg spielt seit Menschheitsgeschichte von Anfang an immer eine bedeutende Rolle. Schon der antike Heraklit hat ja gesprochen vom Krieg als der Vater aller Dinge. als der Vater aller Dinge in der Kulturgeschichte der folgenden Jahrhunderte war der Krieg immer so etwas wie eine Conditio, eine fast unausweichliche Bedingung innerhalb der Beziehungen von Menschen. Und damit stellt sich natürlich diese Frage der Narrative ganz, ganz dringend. Denn Narrative sind unerlässlich eben für uns, Kriege einzuordnen, mit Kontexten zu versehen, um das auch für uns zu begründen. Mittlerweile leben wir im 21. Jahrhundert in einem, wie wir es ja bezeichnen, digitalen Zeitalter und da ist natürlich diese erzählerische Ordnung auch des Krieges gar nicht mehr so einfach, viel komplexer geworden und umso schwieriger ist es dann auch, die Rolle der Medien dabei zu beleuchten. Und dennoch, und ganz unerschrocken möchte ich das aber heute tun, im Laufe der kommenden 45 Minuten mit meinem Gast, der zu mir ins Studio gekommen ist aus Wien, Vedran Cihic. Er war schon einmal bei mir in einer Sendung, damals bei der Stachel im Fleisch, vor mehr als einem Jahr. Und Vedran Cihic ist Politikwissenschaftler, Senior Researcher am Österreichischen Institut für internationale Politik, hat selbst als Kind, als Jugendlicher, als Refugee den Krieg sehr unmittelbar erlebt, ist nach Österreich gekommen. Wir werden darüber sprechen, aber hat natürlich so auch wissenschaftlich und seiner Forschungstätigkeit viel damit zu tun. Herr Cic, schön, dass Sie heute hier sind. Ich möchte gleich mal einsteigen, auch mit der Frage, inwieweit beschäftigen Sie sich denn in Ihrer Forschungstätigkeit, in Ihrer Lehrtätigkeit mit Themen des Krieges? Krieg konstituiert die Disziplin der internationalen Beziehungen. Und ich habe in meiner beruflichen, studentischen, akademischen Ausbildung mich auf die internationalen Beziehungen fokussiert. Und eben auf die Frage, wie Krieg, Frieden, das heißt ein Ausnahmezustand oder ein Regelzustand, die Geschicke der Welt bestimmen. Ich habe auch Kommunikationswissenschaften studiert, habe mich dann auch sehr stark mit den Kriegsnarrativen beschäftigt, mit der Frage, wie die neuen Kriege, von denen man seit dem Golfkrieg des Jahres 1989 spricht, von der Mediatisierung der Kriege, wie sich dadurch auch die Kriegswahrnehmung verändert hat, wie die Kriegsnarrative geschaffen werden, welche Nuancen sind da notwendig, um das zu verstehen. Aber ich glaube, um eine Sache aufzugreifen aus der Einleitung, ich glaube, eine zentrale Frage, die wir uns auch angesichts des Ukraine-Krieges, glaube ich, stellen müssen, ist jene, ob der Krieg eben eine Ausnahme darstellt oder ob der Krieg ein Regelzustand ist. Lange Zeit, durch Jahrhunderte der europäischen, der Weltgeschichte, war Krieg eigentlich der Normalzustand. Es gab immer Kriege, es gab Kämpfe, es gab Gewalt. Die Menschheit hat in der Moderne oder seit der Moderne auch den Krieg gezähmt. hat in der Moderne oder seit der Moderne auch den Krieg gezähmt. Und wir haben seit dem Jahr 1945 gerade in Europa, gerade in Österreich, eine Zeit des Friedens erlebt, die wir dann langsam als eine Normalität und als die Regel aufgefasst haben. Das heißt, wir hatten uns auch gedanklich und mental von diesem Ausnahmezustand oder vom ehemaligen Normalzustand verabschiedet und sind dann in die friedlichen Gewässer der 60er, 70er, 80er, Post-89er hineingekommen. Der Krieg in Jugoslawien oder die Kriege in Jugoslawien der 90er Jahre, die jetzt oft auch am Beginn des Krieges in der Ukraine vergessen wurden, wo man beim Ukraine-Krieg davon sprach, das ist jetzt der erste Krieg auf dem europäischen Boden seit dem Zweiten Weltkrieg. Nein, es gab die Kriege in Ex-Jugoslawien zuvor. Diese Kriege haben eigentlich diese Wahrnehmung eines friedlichen Kontinents doch empfindlich gestört. Und da gab es natürlich eine ganze Reihe von Narrativen, über die wir dann sicherlich diskutieren werden. Und jetzt mit dem Ukraine-Krieg erleben wir die Rückkehr des Krieges, die für viele einfache Menschen wahrscheinlich nicht nur als eine große Überraschung, sondern als eine große Verstörung des Normalzustands wahrgenommen wurde. Und wir müssen uns wieder vermehrt mit der Frage beschäftigen, was bedeuten die Kriege, was lösen sie in uns aus, wodurch und wie werden sie vermittelt, welches Narrativ ist es, dem wir den Glauben schenken können und dann letztlich die große Frage, welche Rolle spielen die Medien dabei und die spielen ja eine sehr, sehr wichtige Rolle. Für mich immer wieder interessant im Ukraine-Konflikt oder beim russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine ist es ja, dass es sich dabei tatsächlich um sehr subtile Ausformungen. Der Krieg etwa gegen Fluchtsuchende an Europas Außengrenzen war in dieser Sendereihe schon mehrfach Thema. Das ist ja etwas, was bei vielen Menschen überhaupt keinen Zugang findet, auch in ihrer Gefühlswelt oder beim Mitgefühl. Viele andere Kriege, die auch innerhalb von Staaten geführt werden, um eventuelle Freiheitsbewegungen zu unterdrücken. Auch das sind ja sehr unterschiedliche Kriegsformen. Aber ich möchte jetzt auf ein Narrativ mit Ihnen zu sprechen kommen und das dann auch anhand von verschiedenen konkreten Beispielen überprüfen, damit wir heute im Gespräch nicht zu abstrakt werden oder bleiben. werden oder bleiben. Das ist ja eines der Narrative, das gerade auch im vergangenen Jahrhundert immer sehr stark strapaziert wurde, beziehungsweise auch noch bis in die Gegenwart reicht. Diese Erzählung von Krise, also die Kris und dann ein Neuaufbruch, eine Neuordnung. Das ist etwas, das ist schon anzutreffen bei den Begründungserzählungen des Ersten Weltkriegs. Man kann das nachlesen bei Ernst Jünger, einem kriegsbegeisterten Literaten, der von Stahlgewitter, der Reinigung geschrieben hat bis zu vielen anderen Kriegsmomenten. Gewitter, der Reinigung geschrieben hat, bis zu vielen anderen Kriegsmomenten. Ist das etwas, was Ihnen auch begegnet? Beziehungsweise Sie haben jetzt selbst auch schon den Jugoslawienkrieg oder die Kriege im Jugoslawienkonflikt der 90er Jahre angesprochen. Da möchte ich heute auch ein bisschen ein besonderes Augenmerk darauf richten. Inwieweit lässt sich das denn tatsächlich anwenden? Wie hat das dort in den verschiedensten medialen Erzählungen tatsächlich auch Ausdruck gefunden? Wenn wir eine Sekunde beim Jüngerverein bleiben und bei der Kriegsbegeisterung, die vor dem Ersten Weltkrieg geherrscht hat und bei der erzeugten und dann tatsächlich auch gelebten Kriegsbegeisterung in den späten 30er Jahren im Deutschen Reich, das sind natürlich auch durchaus medial und öffentlich gesteuerte Momente gewesen. Also das ist ja nicht etwas, was vom heiteren Himmel runterfällt und dass die Menschen auf einmal sagen, hurra, jetzt ist der große Krieg, wir ziehen die Uniform an und greifen wen an. Und wir wissen natürlich, dass die Kriege auch medial und öffentlich, rhetorisch durch Symbole vorbereitet werden. Und natürlich die Zeit des Nationalsozialismus, wenn man sich die Rhetorik von Goebbels ansieht, wenn man die Inszenierung sich ansieht, die es vor den Kriegen gegeben hat, hat tatsächlich auch sehr deutlich den Hinweis darauf gegeben, dass diese Inszenierung nicht umsonst unter Anführungsstrichen sein kann. Und das heißt, es gibt immer eine Kriegsvorbereitung. Und wenn wir dann natürlich, um konkret zu werden, also wenn man jetzt über einen konkreten Konflikt, einen konkreten Krieg spricht, gibt es da immer eine sehr klare Vorgeschichte. Auch der Krieg in Jugoslawien, im damaligen Jugoslawien, begann nicht von heute auf morgen. Dieser Krieg, der 1991 zunächst einmal mit einem kleinen Konflikt in Slowenien begann, dann mit einem langen Konflikt in Kroatien sich fortgesetzt hat und dann letztendlich mit dem blutigsten Krieg der 90er Jahre in Bosnien-Herzegowina mit 100.000 Toten den Höhepunkt, den tragischen Höhepunkt erlebt hat, der wurde bereits in den 80er Jahren durch die Kriegsnarrative, durch die Narrative vom Anderen als Feind vorbereitet. Und ich glaube, das ist eine sehr wesentliche Dimension, die immer mitschwimmt. Also die Kriegsvorbereitung, auch die mediale Kriegsvorbereitung arbeitet immer mit Dichotomin, mit einem Dualismus von Gut und Böse. Ein Dualismus von Gut und Böse im jugoslawischen Kontext, den musste man schaffen, weil der jugoslawische Sozialismus, für die, die es nicht wissen, den Anspruch gehabt hat, einen sozialistischen Menschen zu schaffen, wo alle gleich sind, Arbeiter und Arbeiterinnen. Und hier finden wir auf einmal die Erzeugung eines Narratives vom Gegner, vom Bösen oder von uns Guten. Ob das jetzt bei Slobodan Milosevic auf der serbischen Seite der Fall war oder bei Franjo Tudjman in Kroatien, der später auch dieses Bild einer geschlossenen, homogenen, kroatischen Nation heraufbeschwört hat. Beide haben sich wie kommunizierende Gefäße aufeinander bezogen. Milosevic, indem er den Hinweis gemacht hat, Franjo Tudjman und die Kroaten sind die Bösen, die wollen die Verbrechen, die schrecklichen Verbrechen und Völkermord des Zweiten Weltkrieges an den Serben, an den anderen nochmal in der Gegenwart aufleben lassen. Und die Kroaten haben gesagt, diese aggressive Rhetorik, das zeigt nochmal, wenn wir uns nicht verteidigen, werden uns die Serben auslöschen und werden unser Gebiet erobern. Das heißt, durch diesen Dualismus, durch diese Zuspitzung schafft man eine Stimmung und dann die Frage nach dem konkreten Ausbruch des Konflikts ist eine, wo man dann manchmal, so wie am Beginn des Ersten Weltkrieges, die Ermordung des österreichischen Nachfolgers Franz Ferdinand. Das ist dann der Auslöser. Aber der Auslöser allein reicht nicht, um die Kriegsstimmung und dann auch den Krieg möglich zu machen. Und da spielen die Medien eine sehr starke Rolle. Im ex-jugoslawischen Kontext haben wir sowohl auf der serbischen als auch auf der kroatischen Seite eine konsequente Schaffung des Narratives des Gegners gehabt. Nicht erst 1992 und nicht 1991, sondern bereits 1989, 1990. Das kann man gut nachlesen. Man kann sich die Sendungen ansehen, wo dann, keine Ahnung, objektive Wissenschaftler zu Hilfe herangezogen werden, wo dann Fakten umgedreht werden, wo gern in der Geschichte herumgegraben wird, wo man dann auf einmal mit ganz abstrusen Ideen auftaucht und damit den Krieg begründet. Und wenn man jetzt noch einmal sagt, man macht den Sprung in die Jetztzeit und sieht sich auch die Vorbereitung des Ukraine-Krieges und der Aggression, die im Nation nicht existiert, von einer Bedrohung Russlands durch den Westen, von einer Bedrohung Russlands und russischer Interessen durch die NATO-Ausdehnung. Es gab immer wieder Berichte aus der Ukraine, wo man auch die Glaubwürdigkeit nicht überprüfen kann, dass dann die russischen Staatsbürger, diejenigen, die russisch gesprochen haben, Feindseligkeiten ausgesetzt wurden etc. Und dann kam der Höhepunkt und vielleicht haben wir es mittlerweile schon vergessen, das ist auch ein Aspekt dieser Kriegsberichterstattung, dass man ermüdet, aber die Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin, wenige Tage bevor der Aggressionskrieg gegen die Ukraine begonnen hat, war eigentlich ein Sammelsurium sehr pauschaler Urteile und auch Narrative über die Ukraine, die eigentlich als eine konstruierte Kriegsberechtigung seitens der russischen Föderation angesehen wurden. Und das war tatsächlich dann der Startschuss dafür, dass man die Soldaten in Bewegung setzt. Kommen wir ins Jugoslawien etwa des Jahres 1990 zurück, ein Jahr vor dem Ausbruch des Krieges in Slowenien. Da kommt ja noch ein ganz wichtiger Faktor zum Tragen, das war ja auch die internationale Wahrnehmung. Ein wichtiger Faktor zum Tragen, das war ja auch die internationale Wahrnehmung. Also ich erinnere noch ganz gut, habe das damals auch als einen der ersten Kriege in meiner Gegenwart auch sehr, sehr intensiv mitverfolgt, wie sich etwa zu dieser Zeit die österreichische und auch die deutsche Außenpolitik verhalten hat, die ja quasi diese Sezession, also dieses Abspalten von, bei Slowenien war es ja ohnehin gewiss, aber dann vor allem auch Kroatiens aus dem jugoslawischen, der ja sehr stark letztlich auch propagandistisch geprägt war. Und das aber zu einer Zeit, wo eigentlich die Europäische Union schon sehr stark davon gesprochen hat, wir haben nur eine gemeinsame Zukunft, wenn wir auf Integration setzen, auf vertrauensbildende Maßnahmen innerhalb Europas. Also ein völliger Widerspruch. Worauf ich jetzt hinaus will ist, Sie haben das ja auch sicherlich sehr intensiv und rege mitverfolgt. Inwieweit haben da Ihrer Meinung nach auch die europäischen Medien völlig versagt? Nämlich tatsächlich sozusagen die Ausgangsumstände, die Vorausbedingungen, die zu dieser Eskalationsstufe des Konflikts geführt haben, auch tatsächlich nicht differenziert, ausreichend differenziert, sachlich dargestellt und erörtert haben? Das ist wirklich eine gute und auch in der Literatur, in der Debatte sehr umstrittene Frage. Also da gibt es Dutzende und Hunderte Bücher, die sich damit beschäftigt haben, mit der großen Frage, wurden die Kriege in Ex-Jugoslawien durch die Einwirkung des Westens, Deutschlands, Österreichs mitbefördert, gar erzeugt? ist es wichtig, Dinge auseinander zu halten. Die Medien und die Medienberichterstattung, aber auch die Politik der großen Staaten des Westens haben einen Einfluss auf Entwicklungen in anderen Teilen der Welt. Hier muss man aber ganz klar sagen, dass die innerstaatliche Dynamik einerseits in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, wo die Spannungen zwischen Serbien und Kroatien angestiegen sind, wo die Situation der Kosovo-Albaner sich verschlechtert hat, wo es auch eine wirtschaftliche Krise gegeben hat, wo es offensichtlich wurde, dass das jugoslawische Projekt nach dem Tod von Tito, von diesem großen Führer, nicht mehr das bietet, was es versprochen hat. Da gab es ja bereits die Auflösungstendenzen, die wirklich innerstaatlich bedingt waren. Der Aufstieg des Nationalismus, auch des Milosevic und später auch von Tudjman, das waren keine Produkte des Westens. Das waren eigenständige Dynamiken, die sich hier entfaltet haben. In einigen Fällen bei Milosevic, würde ich sagen, ist er sehr stark geleitet von einem machtpragmatischen Gedanken. Also der war sicherlich weniger Nationalist, würde ich behaupten, als ideologischer Nationalist, als Franjo Tudjman. Bei Franjo Tudjman weniger aus diesem Grund, sondern mehr aus diesem verschwulstigen nationalistischen, aus diesem Gedankengut kommend. Aber das hat sich dann natürlich aufgeschaukelt. Und jetzt kommt die große Frage, die auch sehr kontrovers diskutiert wird. Es gibt auch in der heutigen Geschichtsschreibung, sagen wir in Serbien, sehr stark ausgeprägte These, dass man sagt, der Krieg und die Kriege sind deswegen zustande gekommen, weil der Westen, der globale Kapitalismus, die imperialistischen USA, die wollten dieses Land zerstückeln, wollten dieses Experiment zerstören und wollten eigentlich den kapitalistischen Kräften ein Freispiel bieten. Unsere Ressourcen ausbeuten, das hält sich bis heute. Und dann werden namentlich der damalige deutsche Außenminister Genscher und der damalige verstorbene österreichische Außenminister Alois Mock immer wieder genannt. Wenn die nicht auf der Linie der Unterstützung für die katholischen und christlichen Brüder in Slowenien und Kroatien, also diese Politik der Anerkennung nicht vorangetrieben hätten, hätte der Staat eine Aussicht auf Bestand gehabt. eine Aussicht auf Bestand gehabt. Ich würde sagen, dass dieser Staat in dieser Dynamik mit diesen Persönlichkeiten zum Scheitern verurteilt war, unabhängig davon, was jetzt Genscher, Mock, die USA und die anderen gemacht haben. Und übrigens haben die USA bis zum Schluss, also wirklich noch 1990, 1991, auf den Erhalt des Staates gesetzt und haben sogar Richtung Milošvić Signale ausgesendet. Also wir wollen diesen Staat beibehalten. Das heißt, ich würde es nicht überbewerten und ich würde auch gleichzeitig nicht in die Falle tappen wollen, den Krieg und die Kriege monokausal zu erklären. Ich glaube, jede Form der monokausalen Erklärung eines Krieges, wo man dann entweder verschwörungstheoretisch oder vielleicht auch mit Wahrheitskörnern dann behauptet, also der Krieg in Jugoslawien ist entstanden, also weil Milošević und Tudjman so böse waren. Zu schlicht. Der Krieg ist entstanden, weil der Tito gestorben ist und der Kommunismus schlecht war. Zu einfach. Der Krieg ist entstanden, also weil der Westen das Land aufteilen wollte. Zu einfach. Der Krieg ist nur eine Manipulation durch die nationalistischen Eliten, auch zu einfach. Also ich glaube, wir müssen uns bei den Narrativen bemühen, dass wir auch eine Differenzierung und auch eine Öffnung zur Komplexität schaffen. Und das ist auch wirklich tatsächlich dann die Aufgabe der Medien. Was man natürlich, und bei dieser Differenzierung, bei diesem Auffächern der Komplexität, geht es dann schon natürlich auch um die Unterscheidung zwischen Tatsachenwahrheit und Meinungswahrheit. Und wir haben heute dieses Spannungsmoment, dieses Spannungselement in allen Debatten. Tatsachenwahrheit, die dann unter der Stärke der sogenannten Meinungswahrheiten verschwindet in den sozialen Medien. Also wenn tausend Leute sagen, dass etwas geschehen ist, dann ist es geschehen. Nein, es gibt doch die Wahrheit, die objektive Wahrheit. Und jetzt bei diesen Kriegen in Ex-Jugoslawien muss diese Unterscheidung gemacht werden. Und zum Beispiel eine sehr wesentliche Tatsache ist auch die, dass es in den deutschsprachigen Medien eine Schwarz-Weiß-Porträtierung des Krieges gegeben hat. Also man hat ja wirklich dann in den Jahren 91, 92, wo man das systematisch ansieht, ich habe ein Projekt geleitet in den frühen 2000er Jahren, wo wir uns mit der Berichterstattung der deutschsprachigen Qualitätszeitungen über den Jugoslawienkrieg beschäftigt haben. Wir haben uns die FATS angeschaut und die Süddeutsche, den Spiegel, die Presse, den Standard und die TATS. Und das Ergebnis bei der Presse war zum Beispiel sehr eindeutig. Die Presse hat die Serben kollektiv teilweise zu den Bösen schlechthin erklärt. Noch in den Jahren 94, 95, 96. Zu einem Zeitpunkt, wo auch neben dem Milosevic-Serbien ein anderes Serbien bestand. Die Opposition, die auf die Straßen ging, die sich demokratisch organisiert hat, die später auch zum Sturz von Milosevic beigetragen hat. Das ist natürlich eine Verkürzung. Aber die Verkürzung ist genauso, wie man das oft an den Rändern des linken intellektuellen Spektrums gefunden hat. Also wenn man dann Einzelheiten aus diesem komplexen Umfeld herauszieht und dann die Behauptung aufstellt, dass Srebrenica nicht stattgefunden hat, dass der Beginn des Krieges im Jahr 1992 medial konstruiert wurde mit diesen Bildern der Konstrationslager. Wenn es das nicht gegeben hätte, wenn man die Serben nicht dämonisiert hätte, hätte der Krieg anders ausgesehen. Auch das ist nicht der Weg, den man gehen kann. Daher auch jetzt im Hinblick auf die Ukraine. Ich glaube, das ist ein Prädoyer um die Differenzierung, um die Fähigkeit, Befähigung der Komplexität ins Auge zu blicken, aber dann auch sehr eindeutig die Tatsachenwahrheit von der Meinungswahrheit der sogenannten unter Anführungsstrichen zu trennen, um wirklich das Phänomen des Krieges tatsächlich besser zu verstehen. Aber ein Punkt erscheint mir doch noch ganz besondere Beachtung zu verdienen, weil er meines Erachtens schon auch eine Unterscheidung bietet zu vielen, vielen Kriegen davor. Im Jahr 1995 der NATO-Angriff auf Sarajevo, auf die serbische Belagerung und da gab es ja auch diese Bilder, da sind dann die Scharfschützen in den Wäldern und schießen von den Hügeln herab auf die Innenstadt, auf Passanten, die sozusagen da mal einkaufen gehen und die werden einfach abgeknallt. Das Erstaunliche war, dass ja der Einsatz der NATO überhaupt der erste Einsatz auch der Geschichte der NATO war und das auch noch mit deutscher Beteiligung unter einem grünen Außenminister, der ja auch zu dieser Zeit nicht müde wurde, zu erklären, wir müssen da mitmachen, um ein zweites Auschwitz zu vermeiden. Das ist ja auch eine sehr starke Erzählung, die ja erstmal in die Köpfe der Menschen muss. Und ich habe das so wahrgenommen, als wäre das so eine erste Phase auch einer Hochkonjunktur für Public Relations in kriegerischen Auseinandersetzungen. Das PR-Business ist ja ein Big Business, da geht es ja um wahnsinnig viel Geld und mit Kriegen lässt sich gerade auch mit der Produktion von Narrativen ja unglaublich viel Geld verdienen. Wie haben Sie denn das wahrgenommen, dass sozusagen hier plötzlich auch, also wir beklagen das ja auch vielfach in der Politik, dass ja Politik nur noch eine Folgeerscheinung von PR ist oder sozusagen sich als Marionette von PR entpuppt. Aber in kriegerischen Auseinandersetzungen, wo es eigentlich dringend darum gehen sollte, eigentlich diese Komplexität eines Konfliktes sachlich aufzudröseln und genau anzuschauen und tatsächlich auch Friedensinitiativen auf dieser Basis entwickeln zu können, da ist ja die PR ja mehr als hinderlich. Das ist eine wichtige Frage. Nur kurz da nochmal, um das nochmal wirklich auch etwas zu differenzieren und klarzustellen. Der erste große Angriff der NATO außerhalb des NATO-Gebiets war 1999 im Kosovo. 1995 gab es unterschiedliche Mandate der Vereinten Nationen zum Schutz der sogenannten Schutzzonen der UNO. Srebrenica war zum Beispiel eine Schutzzone der Vereinten Nationen, also die mit einem Mandat des Sicherheitsrates auch zu einer Schutzzone gewählt oder bestimmt wurde. Es gab UNO-Soldaten, die die Aufgabe gehabt haben, diese Zone zu schützen. Und dann gab es eine Befehlskette, die gesagt oder besagt hätte, entsprechend dem UNO-Beschluss, wenn die Schutzzone und die Sicherheit der Soldaten verletzt wird, haben diese das Recht, die NATO-Luftunterstützung einzufordern. Im Kosovo war es genau diese Konstellation. Also Kosovo-Krieg hat 1997 in etwa begonnen, hat sich dann zugespitzt zwischen einer sehr dominanten serbischen Seite, zwischen einer sogenannten kosovarischen Befreiungsarmee und da ging es auch sehr stark um Narrative. Und in der Tat, in den Jahren 1998 und kurz vor dem Beginn des NATO-Angriffs im März 1999, gab es eine rege, nahezu Konkurrenz der Narrative, die auch durch die PR-Agencies befördert wurde. Das war dann der erste große Einsatz. Das war auch die Entscheidung, die Joschka Fischer bei den Grünen in Deutschland durchgeboxt hat. Also eine Friedenspartei, die jetzt für den Krieg plädiert. Ich glaube auch da nochmal, das was ich Ihnen in der vorherigen Runde unseres Gesprächs auch angemerkt habe, auch da geht es dann wirklich um die Differenzierung und um die Kontextualisierung. Und dann die NATO-Luftangriffe sind nicht zu verstehen, ohne die Geschichte der 90er Jahre zu verstehen. Am Beginn des sehr aggressiven Kurses von Milosevic, zu Beginn der 90er Jahre, haben die kosovarischen Albaner den friedlichen Widerstand gewählt. Es gab den damaligen kosovarischen Präsidenten Ibrahim Rugova im Untergrund und er hat gesagt, Leute, wir werden uns nicht mit Gewalt den Serben entgegenstellen. Da verlieren wir nur. Die sind stärker. Wir werden, so wie Gandhi, also viele haben ihn auch Gandhi vom Balkan genannt, wir werden versuchen, mit friedlichen Mitteln im Untergrund, mit einem Schattenstaat, mit einem friedlichen Widerstand den Gegner zu bekämpfen und dem Westen, der internationalen Staatengemeinschaft, ein Signal zu senden, dass wir die Hilfe brauchen, dass wir auch eine Verhandlungslösung wollen. Und die Kosovo-Albaner haben ja auch sehr darauf gedrängt, dass man zum Zeitpunkt, wo der Bosnienkrieg zu Ende ging, im Dayton-Abkommen auf einer US-amerikanischen Luftwaffenbasis, wo das verhandelt wurde, das Ende des Krieges, dass die auch mitberücksichtigt werden. Die wurden nicht mitberücksichtigt. Innerstaatlich hat sich dann Rugova nicht durchsetzen können gegen diejenigen, die gesagt haben, wir müssen zu Waffen greifen, dann kam es zu dieser kosovarischen Befreiungsarmee, aber das ist auch für die Zuseher wahrscheinlich und Zuseherin zu komplex. Der Punkt ist der, diese Kontextualisierungsschiene, wenn man diese vor Augen hat und auch die Reigenstädter Jahre 1998 und 99, haben die sehr der Jahre 1998 und 1999, haben die sehr klar darauf hingewiesen, dass wenn eine Intervention von außen ausbleibt, doch eine große ethnische Säuberung droht oder sogar eine Wiederholung dessen, was in Srebrenica im Jahr 1995 beim größten Völkermord nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem europäischen Boden geschehen ist. Und das ist natürlich eine moralisierende Debatte. Also da haben dann viele auch Scharping und Fischer übertrieben. Und da gab es auch PR-Agencies, die versucht haben, dieses Narrativ nochmal zu verstärken. Aber am Kontext, an der Entwicklung der Ereignisse verändert das nichts. Und ich bin der Meinung, dass angesichts des Milosevic-Regimes, dass vor allem auch in der Umgebung, aber auch den Serben und Serbinnen, die sich dann später gegen dieses Regime gestemmt haben, wirklich Schlimmes angetan in den 90er Jahren, dass irgendwo eine Linie hätte schlicht und einfach damals gezogen werden müssen und die wurde gezogen. Die Frage nach den PR-Agencies, ich glaube, das ist natürlich eine, die nicht erst mit dem Bosnien und mit dem Jugoslawienkrieg beginnt und die sich jetzt nicht in den letzten Jahren fortsetzt. Die gab es auch zuvor. Auch beim Golfkrieg hat man sehr stark mit der Erzeugung von Narrativen über den Krieg gearbeitet und da versuchen immer unterschiedliche Seiten am Konflikt PR-Agencies, oft in den USA, oft auch PR-Profis auch tatsächlich zu mieten und zu bezahlen, um eine bestimmte Sicht auf den Krieg zu reproduzieren oder zu schaffen. Und zum Beispiel etwas, was in der Literatur oft vorkommt als Vorwurf oder als Kritik an diesen PR-Agencies, ist, dass die Kroaten sehr viel Geld ausgegeben haben, um das Narrativ von bösen Serben durch die US-amerikanischen PR-Agencies irgendwie zu fördern. Und tatsächlich ist da sehr viel Geld hineingeflossen. Aber auch das ändert nichts an der Tatsache, dass es gerade die serbische Armee am Beginn des Jahres 1991 in diesen Ereignissen war, die ein Drittel des kroatischen Territoriums mit militärischen Mitteln erkämpft hatte, ändert aber auch zugleich nichts an der Tatsache, dass die kroatische Armee im Jahr 1995 bei dieser Schlussoffensive Kriegsverbrechen begangen hat gegen die Serben, die man auch in Kroatien sehr gern verschweigt. Also ich glaube, man muss wirklich Mut haben zu differenzieren und keine der Brillen aufzusetzen. Es hilft mir nichts, wenn ich jetzt spezifische bosniakische, kroatische, linke kritische, rechte kritische oder was auch immer Brille aufsetze und dann der Realität nicht ins Auge schauen kann. Ich glaube, das ist auch wirklich beim Ukraine-Krieg, wo auch Russland natürlich mit Desinformation, mit Propaganda in unterschiedlichen Teilen der Welt sein eigenes Narrativ versucht zu verkaufen, aber auch die Ukraine keine Mittel scheut, um das Narrativ des heldenhaften Widerstands zu pushen. Auch da ist es wichtig, die Tatsachen von den Tatsachen oder von den Meinungen und von Verschwörungstheorien zu trennen und wirklich dann um Objektivierung bemüht, einen Blick in die Komplexität des Krieges zu wagen. Was würden Sie Medien, so unterschiedlich sie sind, raten, was sie tun können, um den eigenen Blick, den kritischen Blick auch zu schärfen für derartige Entwicklungen, auch bevor die Eskalation ihre höchste Stufe erreicht, beziehungsweise wie können sich Medien ihrer Auffassung nach stärker immunisieren gegen diese doch sehr unglaublich starke Macht und diese auch oft sehr verlockend, kommt sehr attraktiv daher von Desinformation und Fake News und Unwahrheiten. Das ist natürlich eine Herausforderung, weil der Mensch, der Rezipient der Mediennachrichten ist, sehr gerne dazu neigt, einfache Erklärungen für sehr komplexe Sachen haben zu wollen. Es ist sehr viel einfacher, schwarz oder weiß zu verstehen, als sich dann jetzt mit ungefähr 30 Shades of Grey in der Mitte zu beschäftigen, um das jetzt anders ein bisschen zu apostrophieren. Die Frage, die sich, glaube ich, an kritische, unabhängige Medien stellt und die übrigens auch sehr viele Medien auch im deutschsprachigen Raum erfüllen. Es gibt auch jetzt im Ukraine-Krieg wirklich gewissenhafte, gut recherchierte Berichterstattung, die eine Äquidistanz aufrechterhält, die jede Meinung, die jedes potenzielle Faktum mehrmals überprüft, die die Zuverlässigkeit der Quellen checkt, die nicht moralisiert, auch das ist nicht der Weg, den ein neutrales, unabhängiges Medium gehen soll und die damit auch eine gute Sicht auf den Konflikt liefern. Das heißt, wenn sie mit den Betroffenen reden, man kann auch mit betroffenen Russen reden, die jetzt mobilisiert wurden. Man soll mit den Betroffenen in Herson reden und man soll versuchen, aus unterschiedlichen Perspektiven auch das Bild, das sehr komplexe Bild des Krieges zu vermitteln. Und ich glaube, die Rezepte sind ja wirklich einfach. Also ich glaube, man braucht eine breite öffentliche Debatte, auch über die Rolle der Medien. Und auch diese Sendung trägt mit dieser Reihe sehr viel dazu bei. Diese Objektivierung auch von uns wird in diesem öffentlichen Raum gewissermaßen geschaffen. Und das ist, glaube ich, wesentlich. Und das ist noch wesentlicher angesichts dessen, was der Jürgen Habermas in seinem neuen Büchlein, das ist kein richtiges Büchlein, aber was er mit dem neuen Strukturwandel der Öffentlichkeit durch die digitalen Veränderungen, durch die sozialen Medien beschreibt. Weil natürlich, die Situation hat sich verschoben. Also im Jugoslawienkrieg, im Golfkrieg gab es keine sozialen Medien beschreibt. Weil natürlich, die Situation hat sich verschoben. Also im Jugoslawien-Krieg, im Golfkrieg gab es keine sozialen Medien. Gab es kein Twitter, gab es kein Telegram, kein Instagram, kein TikTok. Also heute spricht man von einer TikTokisierung des Ukraine-Krieges etc. Ich glaube, gerade angesichts dieser Entwicklung ist die Rolle von professionellen Medien und Journalisten, die um Äquidistanz bemüht sind, die die Tatsachenwahrheit von der Meinungswahrheit unterscheiden können, die nicht moralisieren, die nicht polarisieren, ist entscheidend. Und ich glaube und sehe das auch immer wieder, dass es solche Medien gibt, die jenseits des Sensationalismus, der natürlich auch verlockend ist im Krieg. Also natürlich eine dramatische Szene, wo Raketen hineinfliegen, wo es menschliches Leid gibt. Na klar, das fesselt die Zuschauer und die Zuschauerinnen an die Fernsehgeräte und man blickt da gebannt. Aber ich glaube, das ist Sensationalismus. Eine kritische Berichterstattung muss eben die Äquidistanz bewahren und muss sich bemühen, auch in dialogischen Sendungsformaten wie in diesem Format, auch in anderen, die Widersprüche aufzuzeigen, die es bei einem Krieg gibt. Eine Widerspruchsdarstellung der Realität ist entscheidend, weil die Realität ist nie ohne Widersprüche. Die Realität ist nie einfach links, rechts, gut, böse, schwarz oder weiß. Es geht wirklich um die Schottierungen. Gut, böse, schwarz oder weiß. Es geht wirklich um die Schattierungen. Gerade in unserer digitalen Zeit sind die Erzählweisen des Säbelrasselns oft deshalb sehr wirkmächtig, weil sie natürlich mit Emotionen arbeiten und auf Emotionen abzielen. Ich habe es eingangs erwähnt, Sie sind selber Kriegsflüchtling. Sie sind mit Ihrer Familie als Jugendlicher nach Österreich geflohen, vor dem Krieg in Bosnien. Auch da sind selbstverständlich eine Unmenge von Emotionen im Spiel, auch für Sie, sicherlich auch sehr stark in der Erinnerung. Wie gehen denn Sie damit um? Sie sind jetzt zwar nicht im unmittelbarsten Sinne Journalist, aber auch in der wissenschaftlichen Tätigkeit sind Sie ja auch angehalten, im unmittelbarsten Sinne Journalist, aber auch in der wissenschaftlichen Tätigkeit sind Sie ja auch angehalten, der Forschung, der Lehre, sowas wie einen gewissen, ich sage jetzt nicht Objektivitätszugang zu finden, aber doch eine gewisse versachlichte Sichtweise zu vertreten. Wie gehen Sie damit um? Wie lässt sich das für sich selbst auch auf die Reihe bringen? Ich glaube, das ist eine Lebensaufgabe. Eine Lebensaufgabe, die natürlich jemand, der einen Krieg erlebt hat und dessen Leben in Gefahr war, auf eine andere Art und Weise betreibt, als jemand, der in Wien geboren wurde und in Friedenszeiten groß geworden ist. Aber ich glaube, das ist nichtsdestotrotz eine Lebensaufgabe für alle. Und die Lebensaufgabe ist einfach, die lautet Objektivierung des objektivierenden Subjekts. Klingt sehr kompliziert, ist aber sehr einfach. Wenn man sich die Mühe dieser Objektivierung, der Versachlichung der eigenen Emotionen, der Einordnung der Emotionen nicht macht, ist auch denkbar. Jemand hat den Krieg erlebt, ist traumatisiert, will damit nichts zu tun haben und sagt, also ich flüchte jetzt, komme nach Österreich und ich will mich mit diesem verdammten Land, mit diesem verdammten Krieg, mit meinem Schmerz nicht mehr auseinandersetzen. Ich entscheide mich, einer Arbeit nachzugehen und versuche, meine Vergangenheit vielleicht irgendwie im Privaten zu verarbeiten, aber eigentlich nicht zu thematisieren, nicht systematisch anzugehen. Das ist eine Möglichkeit. Die Möglichkeit oder der Weg, den ich gesucht habe, natürlich, wenn man den Krieg erlebt hat, Krieg ist ein Elementarereignis. Und jedes Elementarereignis für eine schwere Krankheit, wie ein Krieg, wie Verlust des Nächsten, verändert das Leben. Das sind die Meilensteine, das sind die Scheidewege, das sind die Zäsuren, die einen prägen. Und natürlich hat das meinen Charakter geprägt und auch meinen Zugang. Aber ich habe dann tatsächlich nach dem Krieg und dann durch das Studium, aber auch für mich persönlich, mich tatsächlich für vielleicht einen schwierigen Weg entschieden, aber für den Weg einer offensiven Auseinandersetzung mit meinen Emotionen, mit dem Krieg und auch mit dem Schmerz, der damit einhergeht. Ich bin dann gleich nach dem Krieg in Bosnien, also das erste Mal nach Bosnien, lange geweint, Dinge versucht zu verstehen, habe alles verschlungen, was zu diesem Krieg geschrieben wurde. Ich habe mit Leuten gesprochen, bin nach Serbien, war im Kosovo, habe zum Kosovo dann auch ein Buch später verfasst, also über diese Fragephase nach 1999, nach den NATO-Luftangriffen, habe sehr viel zu Bosnien geforscht, habe sehr viel zu Kriegen auch geforscht, insgesamt, und versucht für mich, diese Objektivierung voranzutreiben. Und zwar Objektivierung insofern, dass ich auch für mich versuche, tatsächlich zwischen Tatsachen und den Meinungen zu unterscheiden, nicht in die emotionalen Fallen hineinzutappen. Also ich kann jetzt zum Beispiel sagen, dass in meiner Stadt meine Familie, die atheistisch war, Sozialisten, eine gemischte Ehe, dass die zum Opfer wurde, weil mein Vater nominell den muslimischen Namen trug. Natürlich ist es eine schmerzhafte Sache. Und jetzt könnte ich emotional in meiner emotionalen Reaktion sagen, alle Serben sind böse, die haben mich da irgendwie verfolgt. Das ist aber nicht der Punkt. Nein, nicht die Serben und nicht die Kroaten und die Bosniaken sind die Bösen, aber auch nicht die Guten. Sondern es geht tatsächlich um eine Auseinandersetzung mit dem Kontext, mit der Regimeformation. Klar, den Bosnienkrieg kann man in Phasen einteilen. Man kann sehen, wann was geschehen ist, wer was gemacht hat. Es gibt umfangreiche Dokumentationen, gerade zu diesem Krieg, die aufgearbeitet wurde von Wissenschaftlern durch Dokumentationenstellen etc. Und dann muss man dann etwas schaffen, was mir auch sehr wichtig ist, dass man weder generalisiert noch vorverurteilt, also wenn ich jetzt Vorverurteilung wäre, ich bin in Serbien und hänge meinen serbischen Freunden und Freundinnen die Schuld, so wie die Masche um den Hals und ersticke sie damit. Hat keinen Sinn. Oder ich gehe zu den Bosniaken oder wie immer und hänge ihnen die Masche um den Haus und ersticke sie damit. Hat keinen Sinn. Oder ich gehe zu den Bosniaken oder wie immer und hänge ihnen die Masche des Opfers automatisch. Das tue ich nicht, aber unterscheiden muss ich. Das heißt, wenn es darum geht, wer in den Jahren zwischen 92 und 95 die Opferverteilung sieht, dann ist die ganz eindeutig. Wenn es um die Ereignisse in Srebrenica geht, ist die auch ganz eindeutig. Aber das heißt auch nicht, dass ich jetzt in anderen Konstellationen nicht in der Lage bin, die Tatsache anzusprechen, dass 1995 bei der kroatischen Offensive Serben vertrieben wurden. Das ist ja im Jahr 2004 nach den NATO-Luftangriffen tatsächlich Gewalt seitens der Kosovar-Banner gegen die Serben und Serbien in Galbien-Kosmos, dass viele geflüchtet sind. Ich glaube, den Blick auf das Schmerzhafte, auf das Komplexe hinzuhalten, ohne den Kopf abzuwenden, ist eine ganz zentrale Aufgabe und das versuche ich auch für mich zu leben und damit auch eine kritische Äquidistanz zu diesen Ereignissen zu gewinnen. Wenn man diese sich erarbeitet, jenseits der Emotionalität, glaube ich, dass man dann auch tatsächlich diese Dinge besser einordnen kann. Wir haben jetzt kaum noch Zeit auf der Uhr, wir müssen zur Schlussrunde kommen. Sie haben eingangs eigentlich sehr klar und deutlich darauf hingewiesen, dass Sie sich mit internationalen Beziehungen beschäftigen in Ihrer Tätigkeit, was wiederum bedeutet eigentlich einen sehr starken Fokus auf Beziehungen, die sehr kriegerisch geprägt sind. Das ist ja fast sehr ernüchternd, stimmt wenig hoffnungsfroh. Ich frage Sie jetzt auch zum Abschluss, kann man eigentlich auch, und da geht es ja auch sehr stark um die große Herausforderung an Medien, auch sozusagen der Produktion von Narrativen mitzuwirken, die eigentlich auf eine friedfertige Gesellschaft, auf friedfertige Gesellschaften im Plural abzielen. Das kommt ja viel zu kurz. Es ist ja nicht erstaunlich, dass gerade die Europäische Union es so schwer hat, ein zukunftsgewandtes Narrativ zu entwickeln, das die Menschen mitreißt. Ähnlich verhält es sich ja bei vielen anderen Versuchen, Integration und sei es nur das ehemalige Jugoslawien als ein gesellschaftliches großes Projekt der Völkerverständigung in Frieden und Wohlstand sozusagen nostalgisch zu betrauern. Nein, aber nochmals, was haben Sie für Strohhalme, die sozusagen diese Narrative ein bisschen am Horizont erblicken lassen, dass wir genau das auch als Narrative einer friedlichen Zukunft sehen können? Sie haben dafür genau zwei Minuten. Ich glaube, die zentrale Aufgabe besteht, glaube ich, für uns alle darin, dass wir den Moment, in dem wir leben, nicht verabsolutieren. uns alle darin, dass wir den Moment, in dem wir leben, nicht verabsolutieren. Kriege gab es in der Geschichte, Friedenszeiten gab es in der Geschichte, Weltuntergangsszenarien gab es in der Geschichte oft. Auch jetzt haben wir eine sehr dunkle und düstere Stimmung. Klimaveränderung, Krieg in der Ukraine, Lebensmittelknappheit. Und das stimmt ja alles. Aber die Frage ist ja, die Menschen als Wesen brauchen Trost und die Menschen als Wesen brauchen Hoffnung. Hoffnung und Trost ohne Anhaltspunkte sind sehr naiv. Das ist eine sehr naive Sache. Wenn man sagt, ich hoffe, dass etwas besser wird, dann kann man natürlich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag hoffen. Was sehr wichtig ist und das ist etwas, was Martha Nussbaum, eine amerikanische Philosophin, sehr gut eingeführt hat, dass die Hoffnung erst dann wirkungsrelevant ist, wenn sie mit Praktiken der Hoffnung verbunden wird. Und die Praktiken der Hoffnung bedeuten natürlich auch, dass man in diesem Zustand auch in einer breiteren geschichtlichen Perspektive schaut, wo sind und wo waren die Friedensinitiativen? Was bedeutet es, Frieden zu schaffen? Und was muss man tun, um nach dem Krieg in der Ukraine und auch nach der putinschen Zeit auch Russland und Ukraine zueinander zu führen, Dinge aufzuarbeiten? Welche Tools gibt es dazu? Wie kann man mit Vergangenheit umgehen? Das ist auch zum Beispiel eine konkrete Hoffnung, die man mit Praktiken untermauern kann. Es gibt sehr viele auch zivilgesellschaftliche Organisationen, Friedensforscher, Friedensforscher, die sich damit wirklich sehr lang und sehr ausführlich Gedanken gemacht haben. Und ich glaube, unsere Aufgabe besteht darin, nicht schwarz zu malen, aber auch nicht weiß zu malen, weder jetzt irgendwie von einem Untergang der Welt zu sprechen, aber auch nicht von einer großen Hoffnung von Zukunft, sondern tatsächlich Hoffnung mit Praxis und auch tatsächlich mit einer Friedenspraxis zu erfüllen. Das nenne ich mal ein Schlusswort. Vielen herzlichen Dank, Vedran Cihic vom Österreichischen Institut für Internationale Politik. Spannendes Gespräch. Die Reihe ist auch noch nicht zu Ende. War die Nummer 9 von insgesamt 11 Ausgaben. Ja, ich darf mich also auch bei den Zuseherinnen und Zusehern von DorfTV bedanken, die wieder mit Interesse dabei waren. Zwei Ausgaben sind noch ausständig bis Jahresende. Sie können darüber erfahren auf der Website von DorfTV, auf dorfTV.at. In diesem Sinne darf ich wie immer schließen mit dem Ersuchen. Bleiben Sie dem Sender des Vertrauens, nämlich DorfTV, auch weiterhin gewogen. In diesem Sinne noch einen schönen Abend und auf Wiedersehen. you